Wie viel "hinten über fallen" ist noch ok?

  • Nach einem wirklich "kuriosen" Vormittag im Salon geht mir ein Thema mal wieder nicht aus dem Kopf und ich bin an eurer Meinung interessiert.

    Ich merke das eigentlich das ganze Jahr über im Salon, aber jetzt in der Weihnachtszeit fällt es mir einfach noch stärker auf. Alle sind im Stress, alle haben irgendwas, die Oma ist krank und muss gepflegt werden, Weinachten steht vor der Tür, Geschenke müssen besorgt werden, die Arbeit ruft, und der Hund... Der rutscht dann oft hinten runter.

    Hunde, die eigentlich jeden Abend Zähneputzen bräuchten, weil man damit wirklich viel vorbeugen könnte… aber im Alltag klappt es nicht, weil irgendwas dazwischenkommt. Dasselbe beim Bürsten oder Krallen schneiden. Oder ich muss einen Hund mit 3 mm komplett aus dem Filz holen, weil die Familie ein Baby bekommen hat und zu Hause einfach nichts mehr rund läuft. Oder ich muss über Monate predigen, dass dieser faule Zahn wirklich dringend operiert werden muss, aber keiner kann sich auf Arbeit frei nehmen, um den Hund zum Arzt zu fahren.

    Auch eine never ending Story: Alte Hunde, die eigentlich regelmäßig Gesundheitsvorsorge bräuchten. Physio, Untersuchungen, die längst fällig wären, aber immer weiter geschoben werden, weil man gerade keinen Kopf, keine Zeit oder kein Geld dafür hat.

    Ich versuche dann oft, Alternativen anzubieten, sei es mit Dingen, die ich als Hundefrisör anbieten kann wie einfach mal nur zum Bürsten herkommen, wenn es zu Hause nicht geht. Alle paar Wochen die Krallen machen lassen. Aber ich versuche auch Impulse für neue Abläufe zu finden, die nicht abends stattfinden müssen, wenn man sowieso schon fertig ist. Aber auch da merke ich, dass es oft an Zeit, Geld oder Kraft scheitert.

    Trotzdem frage ich mich manchmal, wo die Grenze liegt. Ab wann ist es noch eine nachvollziehbare Ausnahmesituation (das Kind ist krank, die Mutter ist gerade gestorben oder ein Baby neu in die Familie gekommen)… und wie viel kann man damit wirklich entschuldigen.

    Weil natürlich kenne ich solche Situationen auch... Das mal nach einem wirklich stressigen Tag die Runde abends kürzer ist oder gar ganz ausfällt. Oder eben nach einem langen Abend das Zähneputzen mal vergessen wird. Aber viele der Sachen, die ich im Salon erlebe sind eben nicht nur mal... Sondern zum Teil über Wochen.


    Normalerweise vergleicht man Hund und Kind nicht, aber irgendwie komme ich bei dem Thema nicht darum herum... Bei einem Kind würde man ja normalerweise auch nicht sagen, dass es jetzt ein paar Wochen nicht die Zähne putzt, weil e willst sdas halt nicht mag und alles so stressig ist. Oder dass es nicht duscht oder die Haare kämmt, weil jetzt ist halt keine Zeit. Oder dass man wichtige Arzttermine immer weiter verschiebt. Beim Hund passiert das aber genau so – nur ist es hier oft einfach entschuldigt und fällt auch bei weitem nicht so auf.

    Und trotzdem habe ich oft Verständnis, wenn man sich dann die Schicksale dahinter anhört. Wenn es eben nicht nur ein bloßes zu faul zum Bürsten war, sondern der Besitzer vielleicht von seinem Partner sitzen gelassen wurde und seit Wochen zwischen Arbeit Kindern Haushalt und Hund hin und her springt und der Hund dann nun einmal der Leidtragende ist.

    Ich bin also ein bisschen hin und hergerissen und da ich in diesem Forum eigentlich immer gute Antworten und Sichtweisen bekomme:

    Wo ist es für euch noch eine verständliche Ausnahme… und ab wann wäre eure Grenze überschritten? Wie viel Verständnis habt ihr für Ausnahmesituationen, in denen der Hund einfach mal zweite Geige spielt, auch wenn es vielleicht auf die Gesundheit geht?

  • Hm... also wenns an die Gesundheit geht... schwierig.

    Wenn man Tier und Kind vergleicht.... Kind lässt man ja auch eigentlich nicht leiden

    Ich bin ja zwischendurch auch extrem eingespannt und demnach k.o. gewesen und zwischendurch auch einfach nur noch im Stress. Aber auch wenn mal die Runde kürzer ausfällt ist das jetzt nicht dramatisch.

    Aber wenn der Hund Schmerzen leiden muss weil der Besitzer keine Zeit hat sich zu kümmern... und das über Wochen/ Monate...


    Wir reden hier nicht von 1-2 Tagen oder einer Woche wo man schaut obs so besser wird weil mal kurz versprungen und etwas schonen hilft.

  • Wo ist es für euch noch eine verständliche Ausnahme… und ab wann wäre eure Grenze überschritten? Wie viel Verständnis habt ihr für Ausnahmesituationen, in denen der Hund einfach mal zweite Geige spielt, auch wenn es vielleicht auf die Gesundheit geht?

    Ich finde alles im Rahmen, solange der Hund gepflegt ist und seine Grundbedürfnisse erfüllt werden.

    Also: Fressen, Trinken, Lösen, grundlegend Sozialkontakt, grundlegende Bewegung, tierärztliche Versorgung und bei entsprechendem Fell auch die entsprechende Pflege! Verfilzen oder kaputte Zähne ist nicht ok, da haben ich kein Verständnis! Wenn es so weit kommt, dann sollte über eine Abgabe nachgedacht werden.

    Das Gassi kurz wird, Hundesport oder Beschäftigung wegfällt - ok! Aber die Tiere dürfen nicht versiffen. Das finde ich nicht in Ordnung, wenn man dieses Minimum nicht gewährleisten kann, dann ist eine Trennung angebracht.


    Derjenige hat sich ja bewusst für eine Haushaltung (mehr Dreck - mehr Arbeit) und eine entsprechende Rasse entschieden, und jede Medaille hat zwei Seiten. Andere Rassen könnte man halt vermehrt in nen Zwinger packen, mit Auslauf, die müssen nicht zum Frisör und da ist das Gebiss ausreichend funktional sodass auch nichts geputzt werden muss. Aber wenn ich mich für einen pflegeintensiven Hund entscheide, dann muss ich nun mal auch pflegen. Auch wenn Oma stirbt, die Weihnachtszeit stressig ist oder ich mich grade getrennt habe.

    Das es bei vielen Rassen mit Gassi und Füttern nicht getan ist, das weiß man doch vorher und wenn man merkt das man dem nicht mehr gerecht wird, dann sollte man ein Tier in passende Hände geben.

  • Habe mir die Frage kürzlich auch gestellt. Und zwar im Zusammenhang, den man hier im Forum auch oft liest. So in etwa: "Mein Hund musste in letzter Zeit wirklich zurückstecken, aber zum Glück macht er Phasen, in denen nichts passiert super mit." Mir stößt das mittlerweile sehr auf muss ich gestehen. Dass es mal drunter und drüber läuft, weil man vielleicht gesundheitlich angeschlagen ist, das gibt es sicher immer mal. Aber dann muss meiner Meinung jemand anderes die lange Runde laufen oder die Pflegemaßnahmen leisten. Das gehört für mich zum gleichen sozialen Auffangnetz, wie man es für Kinder bräuchte.

    Das klingt vielleicht etwas hart und ich will gar nicht verurteilend sein. Mir wird nur jeden Tag bewusst, wie kurz wirklich das Leben unserer Hunde ist und wie doch die tägliche Bewegung, die Pflege und Zuwendung genau das sind, was ihr Tageshighlight ausmacht. Ja, man kann natürlich mal zum Wohle des Hundes ausreichende Pausen einlegen. Aber Seele baumeln lassen, draußen, in Bewegung ist für mich genauso essentiell wie Zähne putzen, Krallen schneiden etc. Wenn ich merke, das "fällt hinten runter", dann muss ich irgendwie das Ruder umreißen und andere Menschen mit ins Boot holen, die mich zeitweise ersetzen können.

  • Die Gesundheit bzw. Wohlbefinden des Hundes darf nicht beeinträchtigt werden. Das betrifft ganz besonders Schmerzen.

    Jeder von uns hat auch mal eine schlechte, stressige Zeit, das darf der Hund aber nicht büßen. Zu lange Krallen, verfilztes Fell, schlechte Zähne, das kommt ja nicht von ein paar Tagen, da vergeht ja mehr Zeit bis es untragbar wird.

    Wenn es über einen längeren Zeitraum gar nicht geht seinen Hund gut zu betreuen muß man sich Hilfe suchen, ich merke aber auch in meinem Umfeld das die kranke Oma, Eltern oder Kinder, oft auch als Ausrede herhalten müssen, denn da wird auf mehr Verständnis gehofft. Bitte nicht falsch verstehen, ein Familienmitglied das Hilfe braucht kann sehr viel Kraft kosten, weiß ich aus Erfahrung. Manchmal wird es aber auch übertrieben.

    Tiere sind auf uns angewiesen, wir haben diese Verantwortung übernommen und müssen auch so handeln.

  • Wenn es um Gesundheit und Schmerzen geht, etwas wirklich auch sehr regelmäßig nötig ist und doch immer wieder lange (!) geschludert wird - geht für mich garnicht und bedeutet, dass der Hund wohl nicht soooo wichtig ist, wie er es sein sollte.

  • Verwahrlosen lassen ist aber nicht dasselbe wie phasenweise zurückstecken müssen.
    Da von aussen drüber zu urteilen finde ich wirklich schwierig. Es geht nur nicht um die Zeitfrage aber auch oft um den mental load.
    Meine Tiere müssen phasenweise auch zurückstecken. Ich/wir haben oft einfach keine Zeit. Und ja, das ist mitunter wegen der Arbeit und der Kinder.
    Dafür versuchen wir das alles am Wochenende nachzuholen oder in jede freie Minute was reinzuquetschen. Ist dann einer krank merkt man es sofort weil wieder irgendwo was fehlt im Alltag.
    Trotzdem bekommen alle Tiere und auch die Kinder die benötigte Pflege. Dafür halt manchmal eher kurzes Programm. Manchmal dürfen auch die Kinder mehr TV gucken als mir eigentlich lieb wäre weil wieder irgendwo was passiert ist.

  • Ich bin da bei WorkingDogs : Die Grundbedürfnisse müssen erfüllt sein und der Hund sollte Grundsätzlich gepflegt werden.
    Das muss nicht immer alles perfekt sein, aber grundlegend hinhauen. Der Hund sollte grundsätzlich Schmerzfrei sein und sich im eigenen Körper "wohlfühlen" können. Sprich kein Filz (und damit meine ich nicht mal einzelne verknotete Haare hinter den Ohren oder an der Hose), keine übermäßig langen Krallen, kein übermäßig verschmutztes Fell. Wenn es Umstände gibt die dafür Sorgen dass die Pflege im gewohnten Umfang nicht mehr gut machbar ist muss man eben gucken ob man sich die Pflege vereinfachen kann (z.B. Haare teilweise oder komplett einkürzen wenn möglich) oder eben andere Personen ins Boot holt um die Pflege zu gewährleisten. Gleiches gilt natürlich auch für Auslauf und co.
    Sicherlich gibt es manchmal auch Übergangszeiten bis der Groschen fällt dass man etwas ändern muss, aber von einer oder zwei Wochen nicht perfekt pflegen bilden sich keine großflächigen Filzplatten und vergammeln auch keine Zähne. Sowas ist ja immer das Ergebnis längerfristiger Vernachlässigung.

  • Gesundheit und Pflege müssen auch bei Stress und wenig Zeit drin sein. Da geht meiner Meinung nach kein Weg dran vorbei.

    Manchmal spielt das Leben nicht so wie man es sich vorstellt und dann hat der Tag oft einfach zu wenig Stunden. Aber wenn das so ist, dann fällt meistens nicht nur der Hund " hinten rüber". Dann kommt auch die Beziehung zu kurz, oft auch die Kinder oder man selbst.

    Wenn es nur kurzfristig ist, bin ich der Meinung, da müssen alle einfach durch, ist es aber langfristig oder öfter so, sollte man etwas ändern. Entweder das eigene Leben anders planen und gestalten, oder dem Hund die Chance woanders geben ein Leben zu führen, in welchem er in allen Bereichen gut versorgt ist.

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