Wie viel "hinten über fallen" ist noch ok?

  • Für mich gibt es einen deutlichen Unterschied zwischen „Hund verwahrlost“ und „Hund steckt mal ein bisschen zurück“.


    Verwahrlosen ist für mich, wenn Grundbedürfnisse nicht erfüllt werden. Wenn der Hund dauerhaft zu lange Krallen hat, wenn es dauerhaft an der medizinischen Versorgung fehlt, wenn der Hund zb monatelang mit immer größer werdendem Tumor rumläuft und nicht behandelt wird oder wenn der Hund Zahnprobleme hat und weder richtig untersucht (Dentalröntgen) nich behandelt wird, wenn der Hund pflegebedürftiges Fell hat und die Pflege ausbleibt, wenn er dauerhaft zu wenig Bewegung hat - das ist für mich Verwahrlosung.
    Auch völlig außerhalb der DF-Bubble.

    Hund steckt mal ein bisschen zurück ist für mich zb: Kind krank, keine andere Betreuung, schlechtes Wetter und deswegen gibts mal nen kurzen Spaziergang.
    Oder aus meinem Leben: Ich hatte eine Lebensmittelvergiftung und konnte an dem Tag beim besten Willen nicht spazieren gehen, da haben meine Hunde nen gefrorenen Kong bekommen und im Garten gechillt (alle lösen sich auch im Garten). Das war natürlich nicht der schönste Tag in deren Leben, aber das ist für mich auch keine Verwahrlosung.

    Ich habe immer im Blick, wie kurz das Leben meiner Hunde ist und versuche auch stets, ihnen ein gutes Leben voller „Marmeladenglasmomente“ zu bieten. Aber es wird auch immer mal andere Tage geben. So lange die Grundbedürfnisse der Hunde erfüllt sind, ist es für mich kein Weltuntergang.

  • Man muss halt auch einfach sagen dass man als Hundefriseur quasi tagtäglich damit konfrontiert wird wie schlecht der Pflegezustand vieler Hunde ist. Also Zahnstein bis zum Himmel, massive Verfilzungen, viel zu lange Krallen ect das ist echt erschreckend häufiger anzutreffen als man meinen würde, wenn man solche Hunde eben nicht ( leider ) regelmäßig auf dem Tisch sieht. Und mAn sind TÄ auch der falsche Ansprechpartner um Pflegezustände zu beurteilen. Zumal auch längst nicht jeder Hund oft genug beim TA vorstellig ist als dass dieser die Halter auf bspw Zahnstein oder zu lange Krallen aufmerksam machen kann.

    Anderes Beispiel: Total viele Hunde wirken auf das ungeübte Auge garnicht so arg verfilzt wie man meinen würde, oder wirken oberflächlich teilweise sogar ganz ordentlich, während untendrunter ne einzelne Filzmatte liegt.

    Man könnt meinen im Salon kommen überwiegend recht gut gepflegte Hunde. Stattdessen wird man ganz schnell und immer wieder damit konfrontiert dass echt verdammt viele Hunde nicht nur schlecht gepflegt sind sondern tatsächlich verwahrlosen. Dagegen machen kann man aber nix, weil aber der geht ja wenigstens in den Salon.


    Mir ploppen aktuell bei Insta auch total viele Posts von Tierärzten auf in denen Dinge geäußert werden wie bspw dass manche Menschen total stolz drauf sind dass der Hund in über 10 Jahren nur einmal den TA gesehen haben soll, oder wenns zum Ende zu geht den Hund lieber alleine sterben lassen wollen als ihn einschläfern zu lassen. Oder Posts in denen von Hunden berichtet wird denen man nicht mehr helfen kann/konnte weil der Besitzer viel viel zu spät erst zum TA kam ( die TÄ von Top Dog, weiß grad nicht mehr wie die heißt, hat bspw kürzlich ein Video von einem Dackel diesbezüglich gepostet ).


    Aber wie gesagt- das ist für mich alles längst kein "da fällt was hinten über" mehr.

  • Ich habe keine Kinder, ich will niemals Kinder, meine Hunde sind mein größtes Hobby und engsten Familienmitglieder. Ich ziehe meine Hunden den allermeisten wenn nicht sogar allen Menschen vor. Muss man nicht verstehen, ist halt so.

    Dementsprechend wichtig ist mir alles was mit ihnen zu tun hat. Gleichzeitig bin ich chronisch krank und regelmäßig in Kliniken (kann theoretisch von heute auf morgen für mehrere Monate passieren).
    Deshalb habe ich ein „Sicherheitsnetz“ an Personen und Möglichkeiten dafür zu sorgen dass die Hunde niemals „hinten über fallen“.
    dazu gehört auch zb die Körperpflege und Medical Training. Ich will dass wenn ich ausfalle trotzdem die Krallen gekürzt werden können oder Zähne geputzt etc.

    Wir sind auch deswegen in ein Haus mit Garten gezogen, damit immer gesichert ist das die Hunde genug Bewegung bekommen auch wenn ich down bin und mein Partner zb Arbeiten (oder auch down) und niemand täglich extra kommen kann um mit den Hunden rauszugehen (selbst bei min. 3 Plänen).

    Und: Ich bin Autistin und meine Hunde sind meine Special interest, ich kann viel zu weit über meine eigenen Grenzen gehen und bevor die Hunde hinten über fallen, bin ich schon 10mim gefallen (nein das ist nicht gesund).

  • Ich denke, als Hundefriseurin ist man da wirklich einer geballten Ladung an Menschen ausgesetzt, die sich nicht adäquat um ihre Hunde kümmern (können oder wollen, wie auch immer). Da mein Anspruch da ein ganz anderer ist und mein Herz schon blutet, wenn ich sehe, wie in der Stadt jemand mit einem verwahrlost aussehenden Hund an mir vorbeigeht oder an der Haltestelle steht, bin ich da wohl keine gute Ansprechpartnerin. Denn ich würde am liebsten jeden von diesen Mistkerlen- und Weibern anscheißen, leider weiß ich aber auch, dass die Polizei sicherlich nicht wegen sowas ausrücken würde und da ich keine Namen von den Personen kenne, kann ich mir jegliche Mühen eh schenken.

    Ich glaube, wenn ich Hundefriseurin wäre, wäre ich das nicht sehr lange, weil 1. ich das nicht aushalten könnte tagtäglich mit der Ignoranz der Menschen umzugehen und 2. weil irgendwann niemand mehr zu mir kommen würde, weil ich alle beim Vetamt anscheißen würde.


    Mein Verständnis hält sich sehr in Grenzen, auch bei Schicksalsschlägen oder stressigen Zeiten, man hat Verantwortung, verdammt nochmal! Und ich rede hier auch nicht von "Dann fällt die Mittagsrunde halt mal aus", sondern dem Verwahrlosen lassen. Das Fell verfilzt, die Krallen sind bedenklich lang, der Hund ist krank und wird dem TA nicht vorgestellt und und und.

    Und kann jeder sehen wie er will, aber ich sehe es wie meine eigene Mutter auch (die ja offensichtlich auch Kinder hat), man hat Verantwortung. Und da ist es egal ob diese menschlich oder tierisch ist. Wenn man das nicht leisten kann, sollte man einfach kein Tier (und auch kein Kind) haben. Punkt.

  • Motiviert durch diesen Thread wollte ich endlich meine Feigheit überwinden und Mina die Krallen schneiden, an die ich mich nicht so recht herantraue, weil sie so dunkel sind. Bei der vierten hab ich dann ins Leben geschnitten, und damit ist das wiedermal gelaufen...

    Aber sie hat übermorgen den Sileo-TA-Termin, dann sollen die das halt fertig machen...

  • Es spielen halt sooo viele Aspekte mit rein. Hätte man mich das noch vor 4-5Jahren gefragt ob Hunde wegen den Kindern zu kurz kommen können hätt ich auch gesagt dass man sich die Zeit nur besser einteilen muss. Klar, mit Baby und Kleinkind ging bei uns vieles leichter. Die hat man eingepackt und mitgenommen. Wir waren täglich nach Feierabend meines Mannes stundenlang draussen.

    Nun arbeite ich VZ, durch die Stelle hab ich teils auch abends noch Arbeit. Die Kinder haben Hobbies, Freunde, Verabredungen, Arzttermine, usw. Nebenbei noch Hausaufgaben, Haushalt, Einkaufen. Ja abends hab ich noch 1 Std, da bin ich happy dass ich mit den Kindern Quality time unterbringen kann. Mein Mann übernimmt unter der Woche Gassi und fährt mit ihnen oft Rad. Aber ich habe einen Mann der sich für die Tiere interessiert, das ist nicht immer der Fall. Und es haben auch nicht alle den Luxus eines grossen Hofes auf dem die Hunde den ganzen Tag Hundedinge tun dürfen.

    Als ich noch alleinstehend mit den Hunden gelebt habe hatte ich auch viel mehr Zeit und war verwundert dass nicht jeder mindestens 2Std Gassi pro Tag geht. Man müsse nur die Prioritäten richtig setzen.

  • So ganz verstehe ich noch nicht, worauf die Frage rausläuft. Noch Ok für meinen eigenen Standard? Noch ok, bevor ich den Halter deutlich anspreche? Noch ok, bevor ich beim Vetamt anrufe?

    Nach meinen eigenen Standards ist ganz viel schon in meiner Umgebung nicht ok, aber das liegt primär daran, dass ich very judgmental bin und wahnsinnig gut mit Splittern in andererleuts Augen und nicht so gut mit den Balken im eigenen. Wenn ich dann mal einen Schritt zurücktrete, sehe ich meist einen durchschnittlichen Haushund, dessen Haltung nicht der DF-Bubble gerecht wird - allerdings ich gehe ich davon aus, dass auch viele DF-Hunde und deren Haltung an der DF-Latte scheitern würden. Das hier ist immer noch Social Media, und man sieht, was einem die Leute zeigen wollen (ok, manchmal versehentlich etwas mehr) und sagen wollen, ein subjektiv gefiltertes Bild eben.

    Insgesamt sehe ich es ähnlich wie Pinkelpirscher; ich denke nicht, dass Menschen auf ihre Hunde im Schnitt schlechter achtgeben als auf ihre Kinder oder sich selbst. Sondern halt gleich schlecht. So ist das eben.

    Und ein Punkt noch, weil es quasi mehrfach als Ausrede der Halter angeführt wurde: Der TA sagt, das ist ok so/sagt nichts dazu. Ich frage mich tatsächlich, woher umfassendes Wissen und ein kritischer Blick auf den Hund eigentlich kommen soll, wenn man nicht z.B. in unserer Bubble abhängt, sondern mit durchschnittlich engagierten Leuten zu tun hat. So als Beispiel: Lilly ist mein erster Hund. Keiner von drei TA hat jemals was zu Lilly Figur gesagt, einschließlich der Orthopädin (die natürlich schon allgemein erwähnt hat, dass Gewichtskontrolle bei Arthrose wichtig ist). Als ich zu der Physio im Nebensatz sagte, Gewicht ist ja kein Problem, meinte sie nur „naja“. Und hat auf Nachfrage ausführlich erklärt, wie sich ein idealgewichtiger Hund anfühlt. Spoiler: Nicht wie Lilly zu dem Zeitpunkt. Kommentare meiner Groomerin oder von Bekannten über Lillys Gewicht hätte ich bis dahin auch nicht ernst genommen, weil, die TÄ sind ja fein mit der Situation. Ich versteh daher schon, woher der Satz kommt.

  • Kommentare meiner Groomerin oder von Bekannten über Lillys Gewicht hätte ich bis dahin auch nicht ernst genommen, weil, die TÄ sind ja fein mit der Situation.

    Wäre mir genauso gegangen.

    Insbesondere bei Routineuntersuchungen, bei denen der Hund einmal komplett angeschaut wird, bevor bspw. geimpft wird. Da ist doch eigentlich zu erwarten, dass der TA das Gewicht anspricht, wenn es problematisch ist. Woher sollen die Leute es denn besser wissen? Die meisten Hunde sind zu dick - es gibt also keine gesunde Norm, von der Abweichungen dann bemerkt werden können.

  • Das Thema Übergewicht bei Hunden ist sooooo heikel und wird wirklich von Tierärzten viel zu wenig angesprochen und das wird dann von vielen Hunde/Tierhaltern als „passt schon“ gewertet.

    Und wenn man es dann ja anspricht kommen die typischen Sätze „der frisst ja gar nicht so viel“, „wir gehen sooooo viel spazieren“, „nein, der kriegt NIE nebenbei was zu futtern“.

    Ich persönlich bohre da dann allerdings trotzdem nach, schicke die Hunde dann noch mal zum wiegen und teile mit, was der Hund vor x Monaten wog und er ja zb zugenommen hätte und das geht dann noch mal explizit an den Tierarzt zur Info, dass das Thema am Tag des Termines sowieso schon mal angeschnitten wurde und bitte von Seite des studierten TA noch mal besprochen werden könnte.

    tatsächlich hilft es auf eine gute Ebene des Gesprächs zu kommen, wenn ich unseren Familienhund als Beispiel anführe. Juri hat 16kg gewogen und konnte durch chronische Krankheit kaum mehr stehen. 6kg weniger, für ihn passendes Futter, für die fütternden Personen passendes Futter-Management und passende Medikation - und Juri rennt und springt. Und wenn ich den Hund dann noch unterm Tresen raushole für den „angrabbel-Test“ ist echt schneller das Eis gebrochen, als bei fachlichen Gesprächen über Zahlen, Daten und Fakten.

  • Und wenn ich den Hund dann noch unterm Tresen raushole für den „angrabbel-Test“

    Das Angrabbeln ist echt hilfreich. Bei mir hat es erst Klick gemacht, als die Physio mich an diesen tierärztlichen Dummies (keine Ahnung, wie die heißen, wo man tasten kann, wie sich ein dicker und ein dünner Hund anfühlt) hat rumdrücken lassen. Nach den üblichen Beschreibungen (sichtbare Taille und so) fand ich Lilly voll ok.

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