Frustrationstoleranz - Frustration ertragen lernen?

  • Ein Hundetrainer aus meinem Dunstkreis kommuniziert in letzter Zeit sehr oft das Thema Frustration als maßgeblich in der Hundeerziehung.


    Und ja, man kennt das auch: wirklich jede Person hat zumindest schon mal in einer Hundesendung im Privatfernsehen gehört, dass ein Hund Frustrationstoleranz lernen müsse.

    Je mehr ich darüber nachdenke, desto mehr zweifle ich das als Credo an und würde mich gern darüber austauschen.

    1.) Habt ihr mit euren Hunden "Frustrationstoleranz" geübt?


    2.) Waren sie da noch jung oder schon erwachsen?


    3.) Wie habt ihr das getan?


    4.) Habt ihr das Gefühl gehabt, dass es etwas gebracht hat? In welchen Bereichen? In denen, in denen das geübt wurde? Oder wurde eine generalisierte Frustrationstoleranz erreicht, die sich auf andere Bereiche übertragen ließ?

    Ich habe ja irgendwie das Gefühl (als selbst schnell frustrierte Person) dass ich nicht unempfindlicher gegen Frustrationen werde, wenn sie mir häufig begegnen. Im Gegenteil, eher wird die Zündschnur bei mir kürzer, denn ich werde eben gestresster (z.B. macht mir die 17. rote Ampel eher mehr aus als die erste, erlebe ich die Ameplstrecke an 5 Tagen hintereinander bin ich keinesfalls am 5. Tag gelassener weil ich desensibilisiert bin.)
    Das war jetzt vielleicht ein komisches Beispiel aber ich halt's kurz und kontrovers, meiner Erfahrung nach stößt das auf mehr Resonanz. ;)

  • Frustration ertragen lernen, heißt meines Erachtens nur, zu lernen, dass nicht alle Wünsche erfüllt werden oder zumindest nicht sofort. Und dass man nicht der Mittelpunkt des Universums ist um den alle anderen wie um Fixsterne kreisen.

    Normalerweise sollten das (Hunde-)Kinder im Laufe der Erziehung nebenbei einfach aus Erfahrung lernen.

  • Denke, „Frustrationstoleranz üben” heißt sowas wie, manche Dinge einfach aussitzen und so keine Verhaltensketten entstehen lassen.

    Frust aushalten, die Erwartungshaltung nehmen.


    Ampelbeispiel: du ärgerst dich zwar innerlich, aber schreist womöglich nicht herum (weils nicht erfolgssbringend ist)



    Finde schon, dass sich das generalisiert gebessert hat, zumindest bei meinem Hund.

  • Ich denke, wenn der Hund das als Welpe und Junghund lernt, geht er einfach gelassener mit Situationen um, in denen es nicht nach seinem Kopf geht oder langweilig ist. Weil er das kennt und aushalten kann.

    Banales Beispiel: Kaya quengelt nicht, wenn ich jemanden treffe und quatsche. Da setzt sie sich hin und wartet, bis ich fertig bin. Hunde, die in der Situation schnell gelangweilt oder frustriert sind, bellen auffordernd, starren, kratzen den Halter am Knie, beissen in die Leine...

    Würde mich sehr nerven.

  • Ich habe auch viel an mir gearbeitet, ich hab nämlich auch kaum welche.

    Irgendwann ist mir der Kragen geplatzt weil er mir immer wieder weh tat mit seinen Frustaktionen und er hat nen Einlauf bekommen. Dass sass. Er weiss jetzt dass er nicht weiter kommt wenn er rumkreischt und überlässt es mir zu enrscheiden.

  • Ich habe mit keinem meiner Hunde Frusttoleranz "geübt". Hunde lernen nebenbei Frusttoleranz, wenn man sie konsequent erzieht. Das ist doch einfach ein Aushalten und Aktzepieren von Grenzen - und das passiert doch eigentlich automatisch mit der Erziehung. Also dann, wenn man den Hund nicht zum Nabel der Welt macht und auf jede Regung des Hundes reagiert. ;)


    Das schönste Beispiel hatte ich mal mit meiner Schäferhündin und ihren Welpen.

    Die Welpen waren so...6 Wochen alt und tobten mit Mutter über den Hof. Ich hab dann der Schäferhündin einen richtig schönen fleischigen Knochen gegeben - schließlich hatte sie 5 Mäuler zu stopfen.

    Sie nahm den Knochen und alle Welpen stürzten sich auf sie - bzw. auf den Knochen.

    Dann war es für ...1,5 Sekunden recht laut und dann sass Mama in der Mitte, hatte den Knochen vor sich, und rund um sie - im Abstand von ca. 1 Meter - sassen die Welpen. Guckten in die Luft, feilten sich die Fingernägel, blätterten in der Zeitung...und als einer der Welpen es nochmal wagte, Richtung Mama zu schauen, hat die nur kurz einen Eckzahn aufblitzen lassen - dann schaute auch dieser Welpe betreten zur Seite.

    Die sassen da, seelenruhig, bis Mama den Knochen freigegeben hat.

    Alle 5 Welpen haben in dem Moment so ganz nebenbei Frusttoleranz gelernt.


    Bedeutet für mich: einfach konsequent sein, in dem was ich will. Immer. Und dann klappt das auch mit der Frusttoleranz.

  • Meine Hunde lernen in ihrem Leben genug, mit Frustration umzugehen und sich zurück zu nehmen, dazu muss ich es nicht absichtlich üben.


    Anderen nicht das Futter klauen, nicht dahin gehen können wo man gerne hin möchte, Mal nicht mit einem Hund spielen dürfen weil der das nicht will, sitzen bleiben obwohl ein Leckerlie auf einen wartet, nicht gestreichelt werden weil gerade keine Zeit ist, der bequemste Schlafplatz ist belegt, man darf nicht mitkommen obwohl der Mensch die "draußen schuhe" anzieht, mit dem Lieblingsspielzeug darf auch Mal ein anderer Hund spielen, im Garten darf nicht gebuddelt werden, Kabel sollen nicht angefressen werden, Autofahren in einer Box ist super langweilig, warten während Mensch irgendwo festgequatscht ist auch, man darf nicht über die anderen Hunde drüber trampeln obwohl man doch ganz vorne in der Reihe stehen will, man bekommt erst als zweites/drittes/viertes ein Leckerlie, usw usw usw.


    Die Beispiele sind endlos.


    Wenn man einen vernünftigen Umgang mit seinen Hunden pflegt und sie nicht behandelt wie Graf/Gräfin Koks, dann muss man in meinen Augen nicht absichtlich "Frustrationstoleranz" üben, indem man Situationen forciert.

  • 1) Ja, ich habe mit meinem verstorbenen Hund Lupo (Beagle) sehr daran gearbeitet, Frust auszuhalten.


    2. Er war 5 Jahre beim Einzug, 2 Vorbesitzer, nahezu unerzogen, mein Ersthund.


    3. Wir hatten hauptsächlich die Baustellen Essen und allgemein Warten können. Er rastete geräuschvoll aus wenn essbares ins Spiel kam. Kam er nicht (sofort) zum Zug, heulte er trotzig die Siedlung zusammen, versuchte sich körperlich durchzusetzen, trampelte über alles und jeden drüber, quetschte sich durch (fand der kleine Pflegehund nicht witzig, die Kids meiner Schwester auch weniger), sprang vom Korb aus auf den Couchtisch -in meinen Teller, sprang mir in den Arm um an den Napf zu kommen, er plünderte, klaute, sammelte draußen Essbares und Kot auf..

    Jedes Warten (zb zum Gassigang, an der Ampel, vor der Begrüßung von Mensch/Hund, vorm Apportieren) war gut für ein brüll-quietschiges Tänzchen - und er hatte eine tolle, laute Stimme.. :fear::herzen1:


    Ich hab mit Mini-Schritten, Sekündchen und Sturkopf gearbeitet. Generell kam er nie zum gewünschten Ergebnis wenn er ne Show gemacht hat, dann stehe ich eben 15 Minuten auf dem Feld bis er den Schnabel hält..Eine Sekunde ruhig bleiben brachte dann eher Erfolg. Das hat er schnell kapiert und ich konnte es dann zeitlich ausweiten. Gewünschtes Verhalten, auch nur im Ansatz, wurde ordentlich gelobt.


    4. Bei uns hat es sehr viel gebracht.

    Ich konnte in Ruhe essen, Hund entspannt im Körbchen. Wir wurden oft zum Essen eingeladen, privat und Restaurants, er erhielt viel Lob für sein ruhiges Verhalten.

    Er stellte das Müllsammeln draußen ein, ich konnte sogar mein Essen auf dem Couchtisch stehen lassen und die Wohnung verlassen.

    Das ruhige Warten war in vielerlei Hinsicht nützlich. Beim Fertigmachen zum Gassi gab's kein Gehampel und Gebelle, bei Treffen mit anderen Hunden und Menschen, besonders bei ängstlichen Exemplaren, an Bahnsteigen, auf der Arbeit an der Rezeption, wo er mich begleitet hat..

    Wir hatten später viel Spaß am Apportieren -ohne Ton :D Er blieb ruhig stehen/sitzen/liegen während die Dummys über ihn hinweg flogen, ließ sich abrufen vom Futterdummy, ins Platz pfeifen aus dem Galopp dahin.

  • 1.) Habt ihr mit euren Hunden "Frustrationstoleranz" geübt?

    Nein, hab ich nicht.

    Was ich aber üben musste, ist das Verhalten in frustigen Situationen

    Ich arbeite also nicht an der Frustrationstoleranz, sondern am Umgang mit Frust.


    2.) Waren sie da noch jung oder schon erwachsen?

    Erwachsen


    3.) Wie habt ihr das getan?

    In dem ich ihr Alternativverhalten aufgezeigt habe, verhalten geformt und nicht (direkt) verboten habe.


    4.) Habt ihr das Gefühl gehabt, dass es etwas gebracht hat? In welchen Bereichen? In denen, in denen das geübt wurde? Oder wurde eine generalisierte Frustrationstoleranz erreicht, die sich auf andere Bereiche übertragen ließ?

    Definitiv, in der Leinenführigkeit liegen Welten, Katzen und Wildsichtungen, Hundesichtungen.

    In allen Bereichen seh ich einen Unterschied, nicht nur in den Bereichen in denen wir geübt haben.

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!