Frustrationstoleranz - Frustration ertragen lernen?

  • Frustrationstoleranz in bestimmten Situationen ist ein GANZ wichtiges Thema bei uns. Hätten wir das nicht gezielt z.B. in Hundebegegnungen geübt, könnten wir heute immer noch nicht ohne Frustgeschrei und -gebelle an anderen Hunden auf der Straße vorbeigehen. Für Maya hatten andere Hunde bisher immer die Bedeutung = Party und non-stop spielen, da es wohl anscheinend in ihrem Shelter so war. Deshalb war es super dramatisch für sie, dass der Hase jetzt anders läuft.

    Das haben wir über einige Wochen trainiert, genauso der Umgang mit anderen Hunden, die vielleicht mal zu Besuch kommen. Wenn es nach Maya ginge, würde auch da non-stop gespielt werden, das geht aber nur draußen auf dem Hof und nicht drinnen in der Wohnung, was für sie unglaublich nervig ist. Das war auch ne zeitlang ein Kampf, aber inzwischen ist auch das um einiges besser. Ich glaube, dass sie das mit der Zeit sicherlich auch so mitgeschnitten hätte, der Lerneffekt aber mit gezieltem Training beschleunigt wurde.


    Das heißt nicht, dass ich sie täglich absichtlich frustriere oder ähnliches. Aber wenn man merkt, dass der Hund in bestimmten Bereichen unnötig Frust schiebt und dementsprechend vielleicht auch unerwünschtes Verhalten zeigt, warum nicht dran arbeiten? Man muss das ja nicht jedem kleinen Pups machen, aber bei manchen Sachen muss es vielleicht einfach sein.

  • Spannend. Vielen Dank für eure Antworten. Ich stimme auf jeden Fall zu, dass der Hund im Laufe seines Lebens ohnehin unzählige Erfahrungen macht, in denen er lernen muss, seine Impulse zu kontrollieren. Klar, meistens schreie ich nicht bei roten Ampeln Krambamboli . Ist aber schon vorgekommen.

    Vielleicht liegt der Fehler im Terminus "Frustrationstoleranz". Ich glaube, man kann Impulskontrolle ein Stückweit gut lernen. Aber Frustrationen besser abzukönnen, nur weil man häufiger frustriert wird? Hm.
    Meine These ist, das Menschen und Hunde lernen, Impulse zu kontrollieren, weil es sie weiter bringt. Weil eben die Alternative attraktiver ist wie bei Vakuole oder weil das Verhalten nicht zum Erfolg führt wie bei Beaglebine . (Oder in manchem Fall vielleicht auch durch rigorose Hemmung.) Aber doch letztlich nicht dadurch, dass der gleiche Frustreiz immer wieder gesetzt wird und irgendwann dadurch eine Gewöhnung einsetzt?
    Darüber hinaus finde ich die Annahme erstmal schwer nachzuvollziehen, dass ein Hund die Lernerfahrung (z.B. etwas zu essen, was er nicht haben darf, obwohl es gefühlt für ihn auf den Boden geworfen wurde, nicht aufzunehmen und dafür auch keine andere Belohnung zu erhalten) auf andere Lebensbereiche übertragen soll (also z.B. dann brav im langweiligen Auto zu warten).
    Aber ihr habt ja z.T. andere Erfahrungen gemacht.

    Ich stelle bei meiner Hündin fest: je frustiger ein Tag für sie war, desto schlechter wird ihre Impulskontrolle zum Ende des Tages hin. Und nach dem Löffelchen-Prinzip macht das für mich auch Sinn, da ich das nachempfinden kann.

    Aber wahrscheinlich hängt das auch von tausend weiteren Faktoren ab. Wie der Hund gestrickt ist, in welchem Alter man was übt, mit welchem Trainingsstil, ob man frustige Situationen häufiger ungeplant erlebt... ?

  • Bei Pepe ist Frustrationstoleranz ein großes Thema und daran mussten wir viel arbeiten und arbeiten wir auch immer noch. Bei den anderen Beiden war das nie ein wirkliches Thema, aber die sind auch im Gegensatz zu Pepe im Welpenalter eingezogen.


    Besonders schwierig war/ist für Pepe das Warten beim Dummytraining, am allerschwierigsten, wenn ich mit einem der anderen Hunde arbeite. Da haben schon Leinen und ein Schafszaun Pepe nicht überlebt |) und/oder es gab ein Kläffkonzert. Ich trainiere das, indem ich gezielt Situationen übe, die er idealerweise noch aushalten kann und da das gewünschte ruhige Verhalten hochwertig belohne. Einfach Aussitzen bringt da bei Pepe recht wenig, da lernt er nichts raus und macht seinem Frust auf die ein oder andere Weise Luft. Es ist noch nicht perfekt, aber ich finde, wir sind auf einem guten Weg und es ist inzwischen einiges gut möglich, was früher absolut stressig für ihn und mich war.

  • Ich hab das mit beiden Hunden geübt, ja.


    Mit Finya erst im erwachsenen Alter (sie kam ja erst erwachsen aus dem TS zu mir) und nur bei gezielten Dingen. Bei ihr war das hauptsächlich bei Wild, Katzen und Igeln, also alles was mit Jagen zu tun hat. Das hat lang gedauert.

    Kleinigkeiten wie nicht sofort losrennen, wenn man abgeleint wird oder sowas, hat sie nebenbei gelernt.

    Mit Frodo hab ich im Welpenalter angefangen. Für ihn war und ist es am schwersten auszuhalten, dass jemand anderes als er meine Aufmerksamkeit bekommt, wenn er sie gerade will.

    Da hat er als Welpe oft wie am Spieß gebrüllt, wenn er zB einen Moment warten musste, weil ich gerade mit Finya oder Mira beschäftigt war (Gegenstück ist wohl das Kind, das sich im Supermarkt schreiend auf den Boden wirft, weil es kein Eis haben darf).


    Wie...gute Frage...ist ja schon ne Weile her. Ich hab mich bemüht es in viele kleine Einzelschritte zu zerlegen, was allerdings bei beiden Hunden je nach Situation unmöglich war. Wild taucht halt nun mal einfach irgendwo auf und nimmt keine Rücksicht darauf, ob die Entfernung für den Hund noch okay ist oder nicht.

    Und bei Frodo...naja...da er meist schon nach 1 Sekunde geschrien hat (ich wurde ernsthaft einmal angesprochen, warum ich meinen Welpen so quälen würde :ugly:), war das mit den Einzelschritten manchmal etwas schwierig, manchmal ging es gut.


    Bei Finya hat das viele Training am Wild auf jeden Fall was gebracht. Sie ist irgendwann nicht mehr schreiend in der Leine gehangen, sondern blieb ansprechbar und trainierbar.

    Bei Frodo...sagen wir so, er brüllt nicht mehr wie am Spieß, wenn er seinen Willen nicht bekommt, aber er zeigt immer noch deutlich (mehr oder weniger laut) seinen Unmut :muede:

    Er ist ein super lieber und totbraver Hund, aber wehe er will gerade meine Aufmerksamkeit haben und ich bin gerade mit jemand anderem (Mensch oder Tier) beschäftigt |) In Trainingssituationen, die für ihn klar als solche erkennbar sind, ist es gar kein Thema. Da wartet er, aber im Alltag kann er das einfach nicht, wenn ich keine Trainingssituation daraus machen will :ka:

    Das Problem werden wir in diesem Leben wohl nicht mehr lösen können, schätze ich.

  • Vielleicht liegt der Fehler im Terminus "Frustrationstoleranz". Ich glaube, man kann Impulskontrolle ein Stückweit gut lernen. Aber Frustrationen besser abzukönnen, nur weil man häufiger frustriert wird? Hm.

    Das Frustempfinden kann man, denke ich, schlecht definieren oder objektiv beschreiben.

    Frust zu empfinden oder nicht, kann man das denn trainieren?

    Das Verhalten in für den Hund frustrierenden Situationen, das kann man jedenfalls trainieren und ich denke, dass das auch mit Frustrationstoleranz üben gemeint ist.

  • Was ich noch zu dem Thema sagen mag:


    Ich sehs leider immer und immer wieder und es ärgert mich ungemein.

    Da werden gerade Junghunde überfordert und entlos gefrustet und ohne Anleitung von Besitzer und Trainer allein gelassen und wenn es immer schlimmer wird fällt den Besitzern und Trainern nichts besseres ein, als den Hund zu korrigieren - obwohl die Menschen eindeutig daran Schuld sind, dass es so weit gekommen ist und sowas find ich schrecklich unfair gegenüber den Hunden :wuetend:.

  • Frustrationstoleranz und Impulskontrolle sind für mich zwei Seiten einer Münze und beides beeinflusst sich wechselseitig.


    Rein biologisch gesehen will ich damit erreichen, dass der Hund auf einen Reiz X hin nicht sein ganzes reaktives Potenzial ausschüttet und hirnlos los agiert, sondern „einschätzt“ und dann entscheidet (oder sich sagen lässt), welche Reaktion jetzt angemessen ist. Bzw. die Reaktion aufs Kommando hin kanalisiert (im Hundesport z. B.).


    Ohne Übung geht das nicht, der Hund muss dafür lernen. Da passiert im Alltag ja schon ganz viel nebenbei. Auch bei Frustrationstoleranz wäre mein Ziel nicht unbedingt, dass der Hund keinen Frust mehr hat. Sondern, dass er ihn angemessen ausdrücken, damit umgehen und kanalisieren (und wieder abbauen) kann.


    Die Frage ist vermutlich eher, obs dafür ein gezieltes Training braucht. Das st vermutlich sehr individuell. Hier ja - ich finde es aus unterschiedlichen Gründen bei beiden meiner Hunde sehr wichtig.

  • Frusttoleranz trainieren über spezielle Übungen finde ich jetzt eher schwierig.

    Was man gut trainieren kann, ist Impulskontrolle, also nicht jedem Reiz sofort nachgehen.

    Aber vielleicht bin ich da zu unbedarft. Wie trainiert man - abseits vom Alltag, den ich ja nicht als Training bezeichnen würde - klassischerweise Frustrationstoleranz?

  • Frusttoleranz trainieren über spezielle Übungen finde ich jetzt eher schwierig.

    Was man gut trainieren kann, ist Impulskontrolle, also nicht jedem Reiz sofort nachgehen.

    Aber vielleicht bin ich da zu unbedarft. Wie trainiert man - abseits vom Alltag, den ich ja nicht als Training bezeichnen würde - klassischerweise Frustrationstoleranz?

    "Klassischerweise" kann ich nicht beantworten.
    Bei mir gibt es mal ein Wartenmüssen, auch mal ein Verbot, auch mal ein ähäh und sogar mal ein 'hey!' aber ich versuche ja eigentlich immer, keinen Frust aufkommen zu lassen. (Wir sind ja beide Lehrer*innen, und es ist sicherlich irgendwie in uns drin, dass man Frust einfach vermeiden will)

    Bei mir kam die Frage ja wegen eines Hundeverhaltensberaters in meinem Umfeld auf. Er sagt hierzu z.B.:

    "Viele Hunde haben Probleme damit, Frust aushalten zu können. Hier ein Hund, wo ich nicht hin darf, dort eine Stunde alleine sein. Hier etwas zu fressen, was der Hund findet aber nicht fressen darf, dort der Hund, der spielen darf und der eigene Hund nicht.
    Frust gehört zum Leben mit dazu und sollte gelernt werden. Eine gute Übung: nimm etwas, was der Hund toll findet. Dann sprichst du ein Verbot aus, wie hier im Video. Nach einer gewissen Zeit nehmen wir das Objekt wieder weg.
    Achtung ⚠️: wenn die Erwartungshaltung am Ende der Übung erfüllt wird, ist es keine Übung zur Frustrationstoleranz."


    Daraus entstand meine Frage, ob man (ohne irgendwelche bewussten Copingstrategien) Frust auszuhalten lernen kann, weil man ihn häufiger erlebt.
    Ich geh da halt nicht pauschal mit.

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