Was ist das Problem mit Opium?

  • Schmerzen, vor allem starke, sind nicht leicht zu behandeln. Bei Mensch und Tier. Nicht jedes Schmerzmittel wirkt bei jedem Schmerz gleich gut, dazu kommt noch der individuelle Stoffwechsel. Opioide sind richtig eingesetzt ein Segen. Aber ob es eben richtig ist, für diesen Schmerz, bei diesem Hund, gilt es erst heraus zu finden.


    Mag gut sein dass da jeder TA so seine Vorlieben und Abneigungen hat.

    Wenn sich aber rausstellt dass z.B. Tramadol gut hilft und gut vertragen wird ist es nicht die schlechteste Wahl.

    Mit dem TA reden und wenn’s gar nicht geht eine andere Praxis ansteuern.


    Aufpassen muss man aber beim MDR1 Defekt, das kann böse ins Auge gehen.

  • Als jemand, der die letzten 10 Jahre seines Lebens damit verbracht hat, an den Opioidrezeptoren des Hundes zu forschen, mag ich auch meinen Senf dazu geben:


    Es ist gut, dass die Tierärzte da mit dem Verschreiben vorsichtig sind. Gerade mit allem, was so an den µ-Opioid-Rezeptor bindet (also Morphin und Derivate), sollte man sehr vorsichtig sein, denn der Hunderezeptor macht da ganz seltsame Sachen.

    Bisher gabs halt noch keine richtige wissenschaftliche Grundlage zur Pharmakologie der Opioide beim Hund, wir arbeiten dran, aber dauert noch ein bissl, bis die Paper dazu fertig sind.

  • Als jemand, der die letzten 10 Jahre seines Lebens damit verbracht hat, an den Opioidrezeptoren des Hundes zu forschen, mag ich auch meinen Senf dazu geben:


    Es ist gut, dass die Tierärzte da mit dem Verschreiben vorsichtig sind. Gerade mit allem, was so an den µ-Opioid-Rezeptor bindet (also Morphin und Derivate), sollte man sehr vorsichtig sein, denn der Hunderezeptor macht da ganz seltsame Sachen.

    Bisher gabs halt noch keine richtige wissenschaftliche Grundlage zur Pharmakologie der Opioide beim Hund, wir arbeiten dran, aber dauert noch ein bissl, bis die Paper dazu fertig sind.

    Magst du da was mehr zu schreiben?

  • Bei der Begrifflichkeit wäre mir schon klar, warum kein TA was rausgibt….. ich hätte gerne Opium für meinen Hund?!

    Muss das nicht "fürs Volk" heißen?


    Uups, ganz flacher Witz. |)


    Aber mal im Ernst: Ich würde mir wohl eher Gedanken darüber machen, ob und was man so einem Hund noch zumuten sollte ...

  • Magst du da was mehr zu schreiben?

    Büche der Pandora geöffnet :D


    Ich versuch, so verständlich wie möglich zu schreiben, bitte gerne einfach nachfragen, wenn noch etwas unklar ist!


    Disclaimer: das alles läuft bisher in Zellkultur, noch nicht im Tier. Aber der Antrag ist gestellt und wir gehen davon aus, dass wir vieles davon auch so erst in der "Hundemaus" und später im Hund bestätigen können.

    Es ist schon lange bekannt, dass Hunde (und auch ein paar andere Tierarten, wie Rinder, Pferde und Katzen) ganz anders auf Opiate reagieren, als die Modellorganismen Ratte/Maus und Mensch. Aber zum "warum" haben sich nicht so viele Leute Gedanken gemacht. Gibt halt andere Dosierungsempfehlungen und weils bei Hunden gerade bei Morphin schnell zu Komplikationen kommt (Atemdepression), wollten TÄ das halt nicht gern verwenden (generell erleben wir eine richtige TA-Angst davor, Opioide einzusetzen, aber wir kriegen halt nur die Anrufe von den Ärzten, die sich Sorgen machen und lieber x-Mal nachfragen, deshalb diese Aussage als biased ansehen ;) ).


    So, wir haben uns also gedacht: cool, wir machen eh schon so viel mit humanen Opioid-Rezeptoren, warum nicht mal dem auf den Grund gehen.

    Die genetische Struktur ist bei allen Spezies extrem ähnlich, 98-99% Homologie, also Übereinstimmung. Aber beim Hund haben wir gesehen, dass es da in einer wichtigen Schleife des Rezeptors einen Aminosäure-Austausch gibt, der spannend sein könnte.

    In der Zellbiologie gibt es ein paar grundlegende Mechanismen, die man sich vorstellen kann, wie Schalter. Wird an bestimmte Aminosäuren ein Phosphatrest angehängt, ist das Protein aktiv (also eingeschaltet) oder inaktiv (ausgeschaltet).

    Und beim Hund haben wir genau so eine wichtige Aminosäure gefunden, an die ein Phosphat angehängt werden kann, die also, im Vergleich mit Mensch und Maus, da noch einen zusätzlichen Ein- und Ausschalter hat.


    Das haben wir genauer untersucht und haben gesehen: Oha! Der Hund macht da ja mega spannende Dinge!

    Da hängt nämlich schon im Ruhezustand, also noch bevor irgendein Opioid dazu kommt, ein Phosphatrest dran. Und der macht, dass der Rezeptor schon ohne Opioid "aktiv" ist.

    Das ganze ist jetzt aber nicht so, als ob Hunde dauerhigh sind und niemalsnienicht Schmerzen empfinden bzw. mit immer angeschaltetem analgetischem System rumrennen. Es ist eher so, dass das beim Hund ein ganz, ganz fragiles Gleichgewicht ist.

    Das ist nicht einfach "kein Opioid - aus, Opioid - an" sondern eher so ein "ach ja, ein bisschen an, ein bisschen aus, ich bin ein lustiger Rezeptor und springe wie ich will einfach so zwischen an und aus herum und wenn ein Opioid kommt, dann..."


    Ja, wenn dann ein Opioid kommt, wirds spannend.

    Denn nicht jedes Opioid hat den selben Effekt. Manche schalten das System beim Hund sehr schnell auf "AN!!!!", manche stabilisieren den halbgaren "bisschen an, bisschen aus"-Zustand, manche machen paradoxe Effekte und legen den Rezeptor ganz still.

    Und wenn man dann mit Kombinationen arbeitet, also in der Narkose Opioid XYZ, dann zum Aufwachen XYZ vom Rezeptor verdrängen und dann postoperativ ein Opioid ABC einsetzen, kann dazu führen, dass man nach der OP den Rezeptor komplett blockiert und man sich das Opioid danach auch sparen kann, weils eh nicht wirkt und der Hund einfach nur Schmerzen hat.


    Wir untersuchen aktuell, wie sich solche beliebten Kombinationen genau auf den Rezeptor auswirken, also welche andern Enzyme da noch mitspielen und wie das Ganze reguliert wird.

    Also, zusammengefasst:

    Opioide sind beim Hund schwierig und lieber einmal zu viel auf etwas anderes ausgewichen, als dem Hund Schmerzen zugefügt.

  • Das ganze ist jetzt aber nicht so, als ob Hunde dauerhigh sind und niemalsnienicht Schmerzen empfinden bzw. mit immer angeschaltetem analgetischem System rumrennen. Es ist eher so, dass das beim Hund ein ganz, ganz fragiles Gleichgewicht ist.

    Ich könnte mir ja vorstellen, bei Wildtieren ist es erwünscht, die können je nach Grad/Andauern von Reiz XY eher auf "spür ich" - "spür ich nicht" switchen, wo der Mensch "gelernt" hat, man kann viel aktiver gegensteuern, wenn Schmerzen da sind. Schmerzempfinden soll ja helfen (beim überleben), tut es bei Wildtieren (und der Hund ist ja auch noch nicht lange gut diesbezüglich versorgt) aber in der Praxis nur bedingt. Man lernt dem Schmerz auszuweichen (dafür fühlt man ihn ja), aber wenn er da ist, gehört er gedämpft, um weiter ein Übeleben und für sich und andere sorgen können zu haben. Da wundert es mich wenig, es ist ein sehr fragiles, situatives System. Und auch wenig, der Mensch passt sich langsam seinen Möglichkeiten an.

  • Danke für die Ausführungen. Sehr interessant!


    Mir stellt sich in dem Zuge direkt die Frage, ob dieses System auch was damit zu tun hat, dass manche Hunde schmerzunempfindlicher sind als andere.

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