Training mit unbelohnbaren Hunden
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Ich hab noch eine (multifunktionale?) Frage!
Glaubt ihr wirklich, dass es für den Hund Belohnung sein kann, sich vom Stressauslöser zu entfernen? Ich bin mir da unsicher. Also, dass das als Bestätigung funktionieren kann.
Ja, ich glaube schon. Es ist ja eine Erleichterung, könnte also auch als Belohnung wahrgenommen werden.
Bin aber Laie, das kennen sich viele viel viel besser aus.
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Glaubt ihr wirklich, dass es für den Hund Belohnung sein kann, sich vom Stressauslöser zu entfernen? Ich bin mir da unsicher. Also, dass das als Bestätigung funktionieren kann.
Ja, aber ich finde, dass dann das Timing auch absolut stimmen muss.
Fängt an mit dem "richtigen" Abstand zum Stress-Auslöser, der Dauer, die die Situation ausgehalten wird und der Art und Weise, wie sich aus der Situation begeben wird.
Ab nem Hauch zuviel Stress, funktioniert das schon nicht mehr. Weil der Nachhang der Stresshormonausschüttung viel zu lang ist, um im Moment der Abkehr vom Stressauslöser sofort für besseres Befinden zu sorgen. Letzteres, die gute Emotion ist ja Ziel jeder Belohnung.
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Für meine frühere Russellhündin wäre die einzige akzeptable Belohnung eine fette, lebende Ratte gewesen. Dafür hätte sie wahrscheinlich alles getan. Futter, Spielen oder sonstwas waren ihr schlichtweg egal. Auf Druck machte sie komplett dicht, wurde zwar ängstlich, tat aber trotzdem haargenau, was sie vorgehabt hatte.
Das einzige, auf das sie gelegentlich ansprach, war enormes Lob. Sie war ja nun nicht so, dass sie mir nicht gefallen wollte, sie tat mir gerne einen Gefallen, aber es gab nun mal auch wichtigere Dinge im Hundeleben.
Insofern beschränkte sich die "Erziehung" auf ein paar Übereinkommen, wie man sie vermutlich auch mit einer Katze treffen könnte. Damit kamen wir zwar wunderbar miteinander klar, und der Hund war absolut großartig - aber beim nächsten Welpenkauf habe ich mich doch vorsichtshalber vorab erkundigt, ob das Hündchen auch schön verfressen war. Macht das Leben schon eine Menge leichter.
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Juni war auch viele Jahre so, wie du deine Alma beschreibst.
Wir haben mehrere Trainer*innen auf sie drauf schauen lassen, nachdem wir sie aufgenommen haben und alle meinten verwundert: "Sowas Unmotiviertes habe ich noch nie gesehen. Habt ihr es schon mit NOCH besserer Leberwurst versucht???"
Äh ... ja, hatten wir.
Spielen? Oh Gott.
Rennen? Nur mit anderen Hunden.
Leckerli? Ich schau mal in die andere Richtung.
Eine Trainerin hat es mir mal wunderbar erklärt und danach war ich so ein bisschen "erlöst": "Stell dir vor, dass dein Hund so eine Art 'Gehirnschaden' hat. Sie hat dich lieb, aber sie weiß eigentlich nicht, was du von ihr willst. Da ist einfach in der Prägephase was nicht so gelaufen und jetzt haben sich da so ein paar Hirnwindungen nicht gebildet, z. B. der 'will-to-please'. Wenn du es hinbekommst, dass sie mitläuft und irgendwie halbwegs funktioniert im Alltag ist das eine riesige Leistung, auf die ihr beide echt stolz sein könnt."
Das haben wir mittlerweile geschafft, ein Zirkushund wird sie allerdings wohl nicht mehr werden. Juni (im Sommer 9 Jahre) nimmt jetzt sogar gerne mal ein Leckerli, auch zur Belohnung, wenn der Aufwand halbwegs "erträglich" war, aber sobald sie merkt, dass da etwas von ihr "verlangt" wird, stellt sie den Konsum auch gleich wieder ein.
Beispiel: Sie frisst ein Leckerli, nachdem sie "Sitz" gemacht hat. Passt einmal - nie einen Befehl zweimal verlangen! Dann haut sie ab.
Soll sie etwa einer Spur aus Leckerlis folgen, um mich zu "finden" (ich stehe in Sichtweite), würde sie eher vor den Leberwurststrängen verhungern. Viel zu krass!
Meine Strategie war: Alles hunderttausendmal wiederholen, Geduld, Geduld, Geduld. Einmal "Sitz" üben und dann viiiiieeel Pause danach. Nach einmal war sie dann nicht ganz so gestresst und da konnte man sie dann auch ab und an auch belohnen. Jetzt ist der Stresslevel eben bei vielen Dingen so gesunken, dass sie auch mal was annehmen kann, eben weil es nicht so "aufwändig" war. Seltsam, aber das scheint ihre Philosophie vom Lernen zu sein.
So richtig 100% sitzt hier kein Befehl, aber man kann sie echt gut kontrollieren mittlerweile. Sie ist aber auch keine passionierte Jägerin. Da wäre wohl Hopfen und Malz verloren.
Wir haben sie im Alltag ganz gut im Griff.
Auf der anderen Seite ist sie übrigens eine Seele von Hund, unser Hundegassigeher meinte, dass sie eigentlich in die Schule oder ins Altenheim sollte, da sie sich vollkommen ruhig und stundenlang streicheln lässt und unfassbar sanft mit Menschen umgeht. Die würde NIEMALS einer Seele etwas zuleide tun, alle sind einfach nur gerührt, wenn sie sie erleben. Grantig ist sie nur mit anderen Hunden, leider.
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Zitat
Sie hat dich lieb, aber sie weiß eigentlich nicht, was du von ihr willst.
Selbst der Trost blieb uns nicht. Meine Kümmel wußte nur zu genau, was ich von ihr wollte, aber wenn es nun mal gerade nicht passte, passte es bei aller Liebe eben nicht.
Später, als sie blind und auf meine Hilfe angewiesen war, kooperierte sie perfekt auf die winzigsten Signale und nahezu telepathisch. Aber da nützte es ja auch IHR, das heißt: wir hatten endlich mal das gleiche Ziel!
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Glaubt ihr wirklich, dass es für den Hund Belohnung sein kann, sich vom Stressauslöser zu entfernen? Ich bin mir da unsicher. Also, dass das als Bestätigung funktionieren kann.
Das ist negative Verstärkung. Also ja, das verstärkt = Belohnung.
Negative Verstärkung bedeutet: durch das Wegfallen von etwas negativem wird das vorher gezeigte Verhalten in Zukunft häufiger gezeigt.
Im realen Leben verschwimmen positive und negative Verstärkung oft. Ganz banal: Futter ist auch beides.
Wenn der Hund pappesatt ist, ist das Futter was nettes obendrauf.
Hat der Hund aber Hunger, dann verschwindet das unangenehme Hungergefühl (also negative Verstärkung) UND es kommt das positive (lecker!) obendrauf. Daher "wirkt" Futter als Belohung besser, wenn der Hund gerade Hunger hat. (Das ist kein Tipp, das ist einfach nur eine Beobachtung. Daher kommt der Trainingsansatz: Futter nur für Arbeit usw.).
Negative Verstärkung ist sehr wirksam, aber sehr viel schwieriger vom Timing her. Ich kenne das Prinzip gut aus der Pferdearbeit, bei Hunden sehe ich das selten (gar nicht?) bewusst zum Training eingesetzt. Und ich wüsste jetzt auch nicht, wie.
Bei Pferden setzt man den Stressor/Druck/negativen Reiz ja selbst, und ganz bewusst, um ihn dann wenehmen zu können (z.B. klopft der Schenkel oder die Gerte solange, bis die gewünschte Reaktion kommt (Bewegung nach vorne z.B.) und wird dann sofort!! weggenommen. Aha! lernt das Pferd: Wenn ich vorwärts gehe, dann hört das Klopfen auf. Wenn man das richtig macht, ist man ganz schnell bei fast unsichtbaren Signalen, weil das Pferd immer schneller reagiert. Wenn man es allerdings falsch macht, geht das ganz grandios schief, man stumpft das Pferd ab und muss dann immer mehr Druck aufbauen - und statt negativ zu verstärken, ist man ganz schnell beim Strafen. Denn natürlich ist ein Stressor/Druck/unangenehmer Reiz ja auch nichts anderes als eine Strafe. Der Trick ist eben, so auszubilden, dass das Pferd immer genau weiß, wie es SOFORT diesen unangenehmen Reiz abschalten kann. Also: Perfektes Timing, sonst großer Mist, weil für das Pferd unverständliche und unentrinnbare Strafe - im worst Case erlernte Hilflosigkeit. Sieht man leider oft.
Bei Hunden und Hundetrainern konnte ich bisher selten den absichtlichen und durchdachten Einsatz von negativer Verstärklung beobachten. Ein Bsp. wäre: Kommt Zug auf die Leine, bleibt man stehen, bis die Leine locker wird, dann geht man weiter - aber das funktioniert so selten, in der Praxis verstehen die Hunde das einfach nie oder das Timing ist immer so schlecht, keine Ahnung.
(Diese Border Collie Frau, wie heisst sie gleich... da hab ich mal Videos angeschaut, die setzt neg Verst ein, und zwar ausschließlich.)
Das Entfernen von Gefahr oder stressiger Situation kann der Hund also sehr wohl als Verstärkung werten, aber es ist ja kein isoliertes, eindeutiges Verhalten da, das man verstärkt (wie das "bewege dich vorwärts" wie beim Pferd) und ich sehe nicht, wie man das so einsetzen kann, dass der Hund die erwünschte Verknüpfung aufbaut. Ich wüsste nicht, wie man das machen würde, im Sinne von gezieltes Training für irgendwas bestimmtes.
Viel öfter kommt es eher zu Verknüpfungen, die man nicht will, wie z.B. "Wenn ich belle, wird die Distanz vergrößert" - und schwupps, verstärkt man das Verhalten, dass man ja eben NICHT verstärken wollte.
Hunde sind wahnsinnig gut darin, für sie unangenehme Sachen einfach auszublenden (wie z.B. starker Zug auf der Leine), vielleicht macht das den bewussten Einsatz von negativer Verstärkung so schwierig?
Jedenfalls: Sicherheit geben in jeder Form, dazu gehört auch Distanzvergrößerung, ist mit Sicherheit sehr effektiv zum Aufbau von Vertrauen und sehr wichtig, aber als gezieltes Trainingsinstrument sehr schwierig.
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Ich hab noch eine (multifunktionale?) Frage!
Glaubt ihr wirklich, dass es für den Hund Belohnung sein kann, sich vom Stressauslöser zu entfernen? Ich bin mir da unsicher. Also, dass das als Bestätigung funktionieren kann.
Ja, ich glaube schon. Es ist ja eine Erleichterung, könnte also auch als Belohnung..
Möglich ist nicht nur Das.
Es geht auch in die Andere Richtung. Stress kann ebenso zur Ausschüttung netter Substanzen führen. Rassen welche zu Stressjunkietum neigen, werden eben nur anders „vermarktet“.
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Was verstehst du als Training Bzw. Was ist damit gemeint ?
mmmh, das hatte ich mir jetzt gar nicht genauer überlegt. Ich nehme an, dass es für viele was ganz Unterschiedliches sein kann. Für Leute, die tricksen wollen oder Hundesport machen, ist schwere Belohnbarkeit sicher eine große Hürde. In meinem speziellen Fall geht es aber nur um Training von Alltagstauglichkeit bei sehr geringen Ansprüchen. Zum Beispiel: nicht ausrasten, wenn man andere Hunde sieht oder zu mir kommen, um jemanden passieren zu lassen. Solche Kleinigkeiten halt. Wir schaffen ein "Elsa!" und ein dadurch evoziertes Umorientieren zu mir oder sogar ein Herankommen in maximal 50% der Fälle, würde ich sagen. Dafür funktioniert ein "da lang" - also, dass ich vorgebe, wo wir jetzt weitergehen, inzwischen ganz gut. Bei mir ist Training mit Elsa also echt eher Niveaulimbo.
Und das ist eben noch weiter gesunken, seit sie beschlossen hat, nun auch die besten Leckerchen zu verschmähen. Aber mich interessiert das Thema durchaus allgemein.
Vielleicht erweitert sich ja mein Köfferchen - bei allen anderen bin ich bisher immer so gut mit positiven Verstärkern gefahren, dass ich da vielleicht etwas verarmt bin.
@Langstrumpf - negative Verstärkung kann ich mir im Hundetraining einfach so schlecht vorstellen, wenn es um Alltagstraining geht. Die Situationen sind ja leider nicht unter Laborbedingungen. Ich erinnere mich von früher natürlich an solche Dinge wie "ins Sitz/Platz drücken" - das kommt vielleicht noch am ehesten daran.
Aber das Belohnungsgefühl, dass sich ja punktgenau einstellen muss, ist ja bei Hunden, die z.B. Stress mit Artgenossen haben, schwer herbeizuführen. Selbst wenn man im Timing alles richtig machen würde, der Hund hätte noch nicht ausgelöst, man wäre in der idealen Zeitspanne, in der idealen Distanz - ich kann's mir so schlecht vorstellen...
Im Alltag ist man ja der Mensch, der dann die Distanz vergrößert, was aber wiederum dazu führt, dass der Unbelohnbare sich vom Stressor abwenden muss, was ja vermutlich erst mal nicht als Belohnung empfunden wird, wenn man den gerade vermöbeln oder ihn mindestens im Blick behalten wollte. Und die Trainingssituation so zu gestalten, dass man Fremdhunde engagiert, die sich im fruchtbaren Moment immer von selbst entfernen, sodass die "erzwungene Umorientierung" als unbequemer Reiz wegfallen würde, halte ich zwar für möglicherweise fruchtbar, aber sehr konstruiert - und ob sie dann als wirklich kräftiger Verstärker funktionieren würde (oder nur als Gewöhnung) - hmhmmmm, ich muss da noch mal drüber nachdenken.
Kommt mir gerade noch irgendwie konstruiert vor.Magst du mal von der BC-Frau erzählen?
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bei Hunden sehe ich das selten (gar nicht?) bewusst zum Training eingesetzt. Und ich wüsste jetzt auch nicht, wie.
Ganz einfach. Hund sitzt auf Kommando. Hund macht Anstalten, aufzustehn, Du beugst Dich in seine Richtung, "bedrohlich". Er setzt sich wieder. Du nimmst den Druck wieder raus, er bleibt sitzen. Dieses Druckrausnehmen fällt da schon drunter.
Oder: Hund hibbelt wegen Gassigehn. Du bleibst vor der Haustür stehn. Er beruhigt sich. Du beendest das lästige Rumstehn und öffnest die Tür.
Oder: Hund pöbelt andren Hund an. Du leinst ihn an. Hund geht vorbei, bleibt dann ruhig, Du leinst wieder ab. Ableinen = Unangenehmes wegnehmen in dem Fall.
Wenn Du bissl nachdenkst: wendest Du wahrscheinlich selbst dreimal am Tag an..... ;-)
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