Aggression euch gegenüber - Wie geht ihr damit um?

  • die Motivation verstehe ich nicht.

    Beim ersten Kontakt vor einem Jahr wurde ich um Ratschläge gebeten, da sie Erstbesitzer waren und die Hundeschule alle pandemiebedingt geschlossen sind. Das war die Basis, warum ich diesen Test anbot.

  • Und schon wieder das Thema mit der „Normalität“ …


    Aggressionsverhalten ist für einen Beutegreifer etwas völlig Normales. Dass unsere Erwartungen heutzutags (noch gar nicht so lange übrigens) von den Anforderungen an einen gut vorgeprägten Hund einer Rasse, die überwiegend als Begleiter genutzt werden, geprägt sind, dafür können die Hunde nichts. Nur diese feste Vorerwartung machts den Menschen dann so schwer, es einzusortieren, wenn der Hund sich doch anders verhält. Genau das war der Anlass dieses Threads.


    Es braucht keinen hochproblematischen oder megaaggressiven Hund, damit der auch mal die Zähne gegen den Halter zeigt. Es reichen unter Anderem Vorerfahrungen, fehlende Prägung auf den Menschen, hohe Trieblage ggf. mit Übersprung, bierernster Charakter, hormonzerschossenes Hirn, Handlingsfehler beim Hundehalter…


    Und damit geht man dann so um, wie die Situation und aktuelle Fähigkeit des Hundehalters es erfordern und zulassen. Ein rigoroses „ich dulde nicht …“ kann schnell unschöne Folgen haben.

  • Ich tue mich sehr schwer mit dem "nicht auf die Aggression durch Zurückweichen reagieren".

    Ich hab als Tierphysio ein Knurren meiner vierbeinigen Patienten (oder bei Pferden drohend angelegte Ohren) absolut berücksichtigt, hab kurz innegehalten, in dem, was ich getan habe, auch deutlich meine Hände weggenommen und meinen Oberkörper (meist hockt man ja dabei) wegbewegt vom Hund und habe ihnen dann nach einem kurzen Verschnaufen durch bewusstes Umkreisen der schmerzenden Stelle klargemacht, dass ich weiss, wo es ihnen weh tut.

    Das haben ausnahmslos alle Vierbeiner gut angenommen - sowohl dahingehend, dass sie sicher sein konnten, dass ich auf ihre Kommunikation achte, als auch dahingehend, dass sie sicher sein konnten, dass ich behutsam mit ihren schmerzenden Stellen umgehe.


    Bei meiner Rasse ists oft so, dass die mit dem Erwachsen werden über Ressourcen-Sachen gern mal schauen, was mit ihrem Halter so anzufangen ist. Da einen auf "ich geb niemalsnicht nach" zu machen, wäre der falsche Weg. Natürlich gibt man nach, wenn da 60 kg Hund einen angrollen. Aber man gibt nicht so nach, dass man dem Hund das, was er hat, da nun überlässt. Man findet nur kreativ und mit Phantasie einen Weg, ihm das dennoch abzunehmen und zwar im zeitlichen Zusammenhang. "Sieger" - auch auf ganz subtile Art, ist am Schluss derjenige, der einen guten Weg gefunden hat.


    Aggressionsverhalten gehört zum Hund dazu. Und dabei nutzen leidlich normale Hunde unglaublich viele Eskalationsstufen, ehe tatsächlich was körperliches passiert. Dieses "mein Hund hat mich nicht anzuknurren" kenne ich fast ausschliesslich in der Variante, dass man dann einen Hund hat, der nicht mehr vorwarnt, deshalb finde ich solche Aussagen immer furchtbar gefährlich.

  • Meine gehen nicht gegen mich. Das tun sie mal als Welpe/Junghund und dann ist das Thema durch (Ausnahme bei Schmerzen).

    Wie ich damit umgehe, wenn Hunde gegen mich gehen? Gute Frage..ich mach mir da nicht so den Kopf drum. Aggressionsverhalten ist normal und ich nehme sowas nicht persoenlich. Und dann wird eben an dem Problem gearbeitet und das bitte so sachlich wie moeglich.

    Wie ich in der Situation reagiere, ist abhaengig von Hund, Situation, usw.

  • Als Ottonormalhundehalterin von Begleithunden, habe ich den Anspruch an meinen Umgang mit den Hunden, dass sie es nicht nötig haben im Alltag mir gegenüber mit hoher Aggression (Schnappen, Beißen) zu reagieren.

    Steif werden, brummeln, knurren etc. ist für mich ganz normale Kommunikation bei Sachen, die hund halt grad doof findet/nicht mag. Ob es bei der Pflege ist, wenn es mal ziept oder unangenehm ist, oder Flip ungeduldig wird, weil er unter die Decke möchte und es keiner bemerkt (ja, er brummelt oder knurrt dann) oder hund keine Lust aufs an- oder ausziehen fürs Gassi hat... In vielen Situationen, gerade Pflege oder wenn medizinische Behandlung nötig ist, reagieren meine Hunde aber meistens mit beschwichtigenden Verhaltensweisen. Ich behaupte, weil sie wissen, dass es einen Grund haben wird, dass ich das mache. Und eben auf ihre Kommunikation eingehe. Meistens ähnlich, wie von McChris beschrieben - Raum geben, Pause zum verarbeiten. Aber manchmal auch mit einem Abbruch, wenn hund einfach nur probiert sich zu entziehen. Oder "Gegenhalten" bei pubertären Anwandlungen.


    LG Anna

  • Ich mache da für mich auch kein großes Drama draus, WENN ich den Auslöser identifizieren kann.

    Mein Hund hatte letztens (mal wieder) ein Blutohr, wurde operiert, da hing eine Drainage dran. Das Spülen und säubern des Rörchens sollte ich zuhause machen und ratet mal, wer das richtig, aber so richtig blöde fand? Klar stand der fletschend vor mir und der hätte vielleicht auch zugebissen, um sich weiteren Schmerz zu ersparen.

    Aber er hatte hier kein Problem mit mir, sondern mit den Schmerzen, also kein Eingreifen erforderlich, außer Sicherung. Hab dann die Wunde immer nur an einem bestimmten Ort im Haus versorgt, während er Maulkorb trug und dadurch für uns beide berechenbar gemacht, dass es halt nur dort weh tun wird, weh tun darf, Protest akzeptiert und ernst genommen wird.


    Aus der Erzählung der TE sind auch hier Schmerzen der Auslöser. Da würde ich keinen weiteren Gedanken dran verschwenden. Wer einmal Zahnschmerzen hatte, weiß, wie ungnädig Schmerzpatienten im Schub sein können. Verständnis, Nachsicht, Sicherung

  • Vorneweg: Dein Hund ist 16 Monate alt und jetzt 4 Monate bei Dir, ......................

    Nö, der Hund ist mit 4 Monaten zu ihr gekommen, also ein Jahr bei ihr


    Nur mal so, weil das jetzt mehrfach aufgeschnappt wurde

  • Mich würde nur mal interessieren, wie es euch geht, wenn der Hund mal aggressiv euch gegenüber war.

    Und ich würde gerne ein paar "Betroffene" hören, da ich mich mit dem Problem momentan ziemlich alleine fühle.

    Mir gegenüber war mein Hund nie aggressiv, aber meiner Familie gegenüber und auch fremden Menschen, was mich psychisch wahnsinnig belastet hat.



    Anju war schon immer Unsicher, aber eigentlich nie Menschen gegenüber. Das hatte sich nun geändert. Jeder wurde misstrauisch beäugt. Menschen, die wir öfter beim Gassi getroffen haben und von denen Anju sich früher gerne hatte streicheln lassen, wurden nun weg geschnappt, wenn sie die Hand nach ihr ausstreckten, oder sich in ihre Richtung beugten.

    Also habe ich Fremdstreicheln verboten. Kein fremder durfte mehr meinen Hund berühren. Damit kann ich leben.


    Dann irgendwann - Wochen später, als ich dachte, die Situation mit dem Nachbarn hätte Anju schon längst verdaut - ein Anruf.

    Ich war bei meinen Großeltern zu Besuch, Anju war bei meiner Mutter.

    "Dein Hund hat mir ins Gesicht gebissen!" war das erste, was sie zittrig und verweint ins Telefon geschrien hat.


    Da sind dann auch bei mir alle Dämme gebrochen. Ich habe nach dem Telefonat heulend unsere Hundetrainerin/Hundeverhaltenstherapeutin angerufen, einen Termin für den nächsten Tag ausgemacht und habe den Besuch bei meinen Großeltern abgebrochen.


    Zuhause war dann alles merkwürdig für mich. Zuerst habe ich nach meiner Mutter gesehen. Anju hat die Nase erwischt. Nicht doll, zum Glück. Aber der Schock war für meine Mutter eh das schlimmste. In einem Moment noch gekuschelt, im nächsten sieht man Zähne auf sich zuschießen .

    Anju habe ich gar nicht beachtet. Ich wusste nicht, wie ich mich ihr gegenüber verhalten sollte. Das Vertrauen war weg. Ich war wütend und traurig. Vor allem auf mich selbst. Wieso habe ich die zwei alleine gelassen? Wieso habe ich diese scheiß Situation mit dem Nachbarn nicht energisch unterbrochen? Warum habe ich überhaupt zugelassen, dass ein Alki meinen Hund anfasst?


    Am nächsten Tag kam die Hundetrainerin. Sie hat sich die Situation zuhause angesehen. Hat meiner Mutter erklärt, dass sich Anju beim "kuscheln" höchstwahrscheinlich unwohl und bedrängt gefühlt hat. Hätte Anju meine Mutter mit Beschädigungsabsicht gebissen, würde ihr Gesicht nun anders aussehen und wenn die Nase beim abschnappen erwischt wurde, war sie eindeutig zu nah über Anjus Gesicht.

    Wir mussten den ganzen Umgang mit Anju komplett überdenken. Ich habe einen ziemlich intensiven, lehr- und vor allem hilfreichen Crashkurs in Hundesprache bekommen, wir wurden geschult, wie wir Anju nun zu berühren hatten und vor allem wie nicht. Auch für draußen gab es Training, gegen die generelle Unsicherheit, die sich nach dem Vorfall mit dem Nachbarn verstärkt hatte.


    Es war wirklich anstrengend und nervenaufreibend. Das Vertrauen zu Anju war lange weg und auch ich habe mich unsicher gefühlt, obwohl mir gar nichts passiert ist.


    Vor allem war das Vertrauen weg, weil Anju auf mich unberechenbar wirkte. Ich konnte so schlecht einschätzen, warum sie nun geschnappt hat, wenn sie es getan hat. Ganz schlimm war es bei meinem Opa. Ich vermute, dass es mit daran liegt, dass er groß und breit ist und durch seine Unbeweglichkeit im Knie, wirkt er sehr grobmotorisch.

    Sie beäugt ihn auch heute noch sehr misstrauisch. Auch denke ich, dass sie es nicht mag, wenn er nach Bier riecht.


    Die Jahre vergingen, wir sind wieder zusammengewachsen bzw. ich habe wieder Vertrauen gefasst, aber das Schnappen ging nie ganz weg. Es wurde weniger, je mehr die Menschen akzeptiert haben, dass sie sich Anju gegenüber wirklich vorsichtig und leichtfüßig verhalten müssen, aber letztendlich musste ich erkennen, dass Anju ganz einfach nicht mehr gestreichelt werden wollte.


    Es war so schwierig für mich zu akzeptieren, dass nun auch die Familie Streichelverbot hat, das wirklich ALLE außer mir Streichelverbot haben.

    Aber seitdem ich das durchgesetzt habe und sich die meisten auch daran halten, ist es extrem selten geworden, dass Anju die Notwendigkeit gesehen hat, sich durch schnappen Raum zu verschaffen.


    Das ich wieder Vertrauen zu Anju aufgebaut habe, verdanke ich meiner Hundetrainerin. Sie hat uns quasi wieder zusammengeschweißt. Ohne ihre Hilfe hätte ich Anju vielleicht gar nicht mehr, denn da ich damals noch mit meiner Mutter zusammenwohnte und sie Schwierigkeiten hatte, sich an die neuen Umgangsformen mit Anju zu gewöhnen, stand auch das Thema Abgabe immer mal wieder im Raum.


    Es war eine wirklich schwierige Zeit. Ich habe wahnsinnig viele Tränen vergossen, war psychisch angeschlagener als eh schon und ich hatte sehr lange Zeit Schuldgefühle und das Gefühl, auf ganzer Länge versagt zu haben. Vermutlich wäre mir das hier auch noch bestätigt worden, weshalb ich es hier damals nie ganz angesprochen hatte. Hier wird immer von einfach, einfach, einfach gesprochen. Einfach am Problem arbeiten. Ja, aber einfach ist es halt nicht und den richtigen Trainer für sowas zu finden leider auch nicht immer. Im Forum wissen es die meisten oftmals besser und gefühlt wäre für jeden total klar, was nun zu tun ist und man geht da völlig ohne Emotionen ran..
    In der virtuellen Theorie klingt das immer super, in der reellen Praxis scheitert es meist daran, dass man Gefühle nun mal nicht abstellen kann.

    Jetzt habe ich Abstand zu dem Thema. Das war halt unsere dunkelste Zeit, aber danach sind wir stärker zusammengewachsen, als wir es vorher waren und ich kann mittlerweile auch sehr gut damit leben, dass niemand mehr mit Anju kuscheln kann, außer mir und teilweise auch meiner Mutter.

    Das bedeutet auch gar nicht, dass niemand mehr mit ihr interagieren kann. Im Gegenteil. Wenn sie von sich aus ankommt, ist Kontaktliegen/Sitzen völlig okay, solange man seine Griffel bei sich behält. Leckerlis nimmt sie von jedem und auch spielen tut sie gerne und ausgiebig mit jedem, der ein tolles Spielzeug parat hat.


    Ich weiß nicht, ob dir unsere Geschichte irgendwas bringt. Du bist auf jeden Fall nicht alleine, hier gibt es Menschen, die deine Sorgen und Ängste teilen und verstehen.

  • Ich hab als Tierphysio ein Knurren meiner vierbeinigen Patienten (oder bei Pferden drohend angelegte Ohren) absolut berücksichtigt, hab kurz innegehalten, in dem, was ich getan habe, auch deutlich meine Hände weggenommen und meinen Oberkörper (meist hockt man ja dabei) wegbewegt vom Hund und habe ihnen dann nach einem kurzen Verschnaufen durch bewusstes Umkreisen der schmerzenden Stelle klargemacht, dass ich weiss, wo es ihnen weh tut.

    Ich habe hier schon Kritik für meine Äußerungen geerntet. War mir vorher klar. Ich konnte meine Haltung nicht gut genug ausdrücken. So, wie Chris es beschrieben hat, finde ich es super. Genau sowas meinte ich. Er hält ja auch kurz inne, macht dann aber weiter.

    Auch die Beschreibung von Munchkin1 passt ihn diese Richtung.


    Ich will um Gottes Willen nicht dahingehend verstanden werden, dass ich den Hunden ihre Kommunikation verbiete, so dass sie letztendlich ohne Vorwarnung zubeißen. Genau das Gegenteil. Die meisten Hunde zeigen frühzeitig auf niedriger Eskalationsstufe an, wenn sie etwas doof finden und das wird entweder übersehen oder ignoriert. Sie müssen dann deutlicher werden, bis sie endlich verstanden werden.


    Wir sind also gefordert, unsere Hunde so gut zu verstehen, dass sie über Meideverhalten bereits verstanden werden. Nur wird ein Schlecken, ein Blick-Abwenden, ein Gähnen, ein Am-Boden-Schnüffeln und und und meist (komplett) übersehen oder falsch gedeutet.

    Ein Beispiel, an dem mir das (unter anderem) erklärt wurde: Hund soll zurückkommen, wird im Befehlston gerufen. Hund reagiert zwar, aber nimmt die Stimmung wahr und beschwichtigt durch langsames zurückkommen. Herrchen/Frauchen findet das unhöflich (vermenschlichte Sichtweise, da hündisch höflich), wird sauer und wiederholt das Kommando angenervt, worauf der Hund in seiner Deeskalation eine Stufe weiter geht und anfängt, am Boden zu schnüffeln. Dies wird wieder falsch verstanden, Hund gehorcht ja wohl offensichtlich nicht mehr und wird jetzt richtig angemeckert. Hund bleibt daraufhin stehen und schaut weg, um noch mehr zu beschwichtigen. Etc etc etc


    Wenn mir ein Hund in irgendeiner Form aggressiv begegnet, kann ich ihm das natürlich krumm nehmen und mich entsprechend falsch verhalten und die Verhaltenskette bewegt sich in die falsche Richtung. Gebe ich ihm aber die Möglichkeit, sich an die Situation anzupassen, kann ich durch mein Verhalten deeskalieren. Das kann aber nicht so aussehen, dass ich auf seine gezeigte Aggression zurückweiche. Situativ/kurzfristig kann ich den Druck rausnehmen, aber letztendlich muss ich mich durchsetzen, sonst führt mein Hund mich über Aggressionsverhalten. Alle Beispiele hier, die ich gelesen habe, gehen genau in diese Richtung. Der Situation angepasst immer wieder durch alternative Herangehensweisen. Logisch. Es gibt nicht DIE EINE Lösung für zig Situationen. Da wird das Blutohr an einem bestimmten Ort versorgt, damit der Hund weiß, dass er verstanden wird und sich die restliche Zeit in der restlichen Wohnung sicher fühlen kann. Dann braucht er auch kein Aggressionsverhalten zeigen.

    Somit lasse ich z. B. meinen Hund in seinem Körbchen komplett in Ruhe. Dort fasse ich ihn nicht an. Somit hat er einen Rückzugsort, wenn ihm irgendwas zu viel wird. Gleiches Recht für alle, denn ich will ja auch mal ungestört dies und das jenes machen, ohne dass mich mein Hund stört.

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