Fremdeinkreuzungen/Outcrossing in der Hundezucht

  • Für meine Rasse Silken Windsprite wurde aktuell ein Outcross Projekt vom Windhundverband beim VDH eingereicht. Ich hoffe sehr, dass es genehmigt wird und dass es dann auch vollzogen wird. Ich wünsche allen die daran beteiligt sein werden, schon mal vorab ein dickes Fell gegen die Negativ Stimmen, die bestimmt kommen werden.

    Was soll den eingekreuzt werden?

    Whippet denk ich doch, alle offiziellen Outcross der letzten 20 bis 30 Jahre (die in einem Verein stattfanden), waren mit Whippet. Aber ich bin nicht involviert jetzt, das ist nur das was ich annehme.

  • Ich hab mal gelesen (bei Ziemen, der Hund - zur Kulturgeschichte des Hundes), dass zwar alle Hochkulturen Rassenhunde (die aber genetisch nicht so abgeschottet waren wie heute) hatten, die aber auch mit den Kulturen wieder untergingen. So das ganz sicher nicht eine der heutigen Rassen schon seit Jahrtausenden besteht, auch nicht über Jahrhunderte.

    Das finde ich eine etwas gewagte These. Es sind ja längst nicht alle Kulturen einfach untergegangen - auch nicht immer nach Eroberung. Oft haben sie sich entwickelt, verändert. Und mit ihnen auch die Hunde, ohne in einer ungeordneeten Mischlingspopulation zu landen.


    Beispiel die "Setting Dogs" des Mittelalters, auch Setting Spaniel oder Epagneul genannt, die Vorfahren von sowohl Settern wie Spaniels. Diese Hunde wurden gezielt für die Vogeljagd mit Netzen und Falken gezüchtet. Nach Erfindung der Feuerwaffen wurde diese Jagdart obsolet, und aus diesen Vogelhundn entstanden je nach lokalem Bedarf spezialisierte Hunde wie Setter und Spaniels. Die gibt es noch heute, auch wenn einzelne Landschläge in den Weltkriegen verschwundn sind. Abr es gibt keinen Grund, anzunehmen, dass die seit Jahrhunderten auch optisch gut dokumntierten Typen alle 150 Jahre aus einem wilden Mischlingshaufen neu erfunden worden sind. Da ist eine konstant Linie in Funktion und auch Optik, wenn auch nicht über Zuchtbücher (die landesübergreifend tatsächlich eine neuere Erfindung sind - wer also "Rasse" an modernen Zuchtbüchern festmacht, kann tatsächlich nur bis ca 1900 zurückgehen).

  • Wie weiss man eigentlich, wie klein der Genpool einer bestimmten Rasse ist?


    Gibt es dazu Daten? Weiss man zB beim Labrador, wie klein der Pool genau ist? Wissenschaftlich?


    Gerede und Gerüchte gibt es ja viel zu dem Thema. Aber so ganz konkrete Daten?

  • ja, es gibt da konkrete Daten. Wo man die findet weiß ich aber grad nicht. In der Zeitschrift des DWZRV war mal ein Artikel dazu, daher weiß ich, dass der Genpool des Whippets nicht so super aufgestellt ist (aber glücklicherweise auch noch nicht mega schlecht).

  • Wie weiss man eigentlich, wie klein der Genpool einer bestimmten Rasse ist?


    Gibt es dazu Daten? Weiss man zB beim Labrador, wie klein der Pool genau ist? Wissenschaftlich?

    Es gibt auf jeden Fall für einige Rassen Durchschnittswerte für die entscheidenden Faktoren für genetische Diversität, z.B. hier für den Labrador. Wem die Begriffe "Outlier Index", "Average Genetic Relatedness" und "Internal Relatedness" nicht viel sagen bzw. nicht weiß, wie diese zu bewerten sind (so geht es mir, obwohl ich schon einiges dazu gelesen habe und auch Gespräche dazu geführt habe |) ), da finde ich diesen Artikel ziemlich hilfreich.

  • Ich habe meine beiden ersten Würfe innerhalb der Rasse über Outcross gemacht, also populationsgenetisch völlig getrennte Hunde genommen. Bei den Pudeln dürfen nur bestimmte Farben miteinander gekreuzt werden, die sogenannten Neufarben sind noch nicht so lange anerkannt.

    Ich habe einen national anerkannten Farbschlag, die Hündin hat alle Untersuchungen und hat viele Titel gemacht und ein bisschen Sportliches auch. An sich gibt's da weder viele Züchter noch viele Linien, eigentlich steckt so gut wie überall dasselbe drin, es gibt ein gutes Dutzend popular Sires, die überall drin sind, und die Stammbäume sind teilweise auch sehr sehr kurz, weil die Hunde teilweise über Phänotyp-Beurteilung in die FCI angeschlossenen Verbände kommen.


    Drauf gesetzt habe ich jeweils einen schwarzen und einen roten Rüden für frisches Blut und Typverbesseung und weil ich die Ahnen da drin haben wollte.

    Bei 9 Welpen in zwei Würfen, wovon jeder einzelne vom Typ her besser als die Mutter war, haben sich genau 2 Hunde geeignet für die Weiterzucht. Eine Hündin ist in die Zucht verkauft worden. Sie darf nicht ausgestellt werden, darf nur unter Einschränkungen wiederum nur mit einer Mehrfarbe verpaart werden und hat noch weitere Auflagen.


    Das Standard angebende Land ist seit Jahren dabei, die Mehrfarben (obwohl ganz normale Pudel) zu separieren und eine eigene Rasse mit abgetrenntem Genpool draus zu machen, wie man es ja früher ab und zu mal getan hat. Obwohl der kynologische Rat des VDH, Anna Laukner als Expertin auf diesem Gebiet und diverse Wissenschaftsliteratur davon abrät, ziehen die das durch. Immer mehr Länder schließen sich an. Die Spitze ist es, dass ein Mehrfarbenpudel, der in ein Land verkauft wird, das die separierte Rasse anerkennt, umgeschrieben wird in eben diese Rasse. Die Ahnentafel wird nichtig gemacht und das Dokument eingezogen.


    Genetisch eine absolute Katastrophe, dass man einerseits völlig unnötig separiert, andererseits eben auch die Welpen daraus jeweils nicht mehr zuchttauglich werden, wenn bei den Einfarbigen was Buntes fällt (weil entspricht nicht dem Standard) und bei den Bunten was Einfarbiges (weil entspricht nicht dem anderen Standard). Es sind ja alles dieselben Hunde, man kann theoretisch einen schwarzen Pudel nicht von einem schwarzen lockigen Wollhund unterscheiden und in einem Wurf kann auch beides fallen.


    Für mich eine absolute Farce, bei den Bemühungen, bei den Einschränkungen bzgl. Zucht, bei der Masse an "Ausschuss", die man "produziert", bei der Suche nach anderen Züchtern, die einen da unterstützen, ohne die Möglichkeit, den Hund auch mal öffentlich zu präsentieren.

    Petitionen, Beschwerden vor der FCI, Gentests bzgl. Reinrassigkeit und Klagen bringen nichts, es verläuft alles im Sande. So, wie es aussieht, schließen sich dem immer mehr Länder an (aktuell sind wieder 3 Länder in der FCI dazu gekommen) und damit kann man mit einem deutschen Mehrfarbenpudel natürlich auch im Ausland keinen gleich gefärbten Hund mit den richtigen Ahnen nehmen, weil es dann natürlich eine andere Rasse ist und man natürlich innerhalb der FCI nicht einfach so zwei Rassen miteinander kreuzen kann ohne dass dieser ganze Antragskladderadatsch wie beim Dobermann berichtet wurde, losgeht.


    Das ist so kafkaesk, das kann man sich gar nicht ausdenken.


    Die meisten Züchter, die es betrifft, interessiert es zusätzlich auch nur peripher, weil die allermeisten Hunde nur in den Verkauf gehen. Wesenstests oder gar Leistungsüberprüfung gibt es sowieso nicht bei der Rasse. Und sie verkaufen sich sehr gut und sind beliebt, egal ob sie nun dem Standard entsprechen oder nicht.


    Gerade in Bezug auf den Boom an Pudelmischlingszuchten öffnet das auch noch Tür und Tor, dass dann alles, was Locken hat, plötzlich ein bunter Wollhaarhund sein soll und kein Pudel. Und dass dann auch Krankheiten aus anderen Rassen rein kommen. So gibt es beispielsweise die sogenannten Merlepudel (Mischlinge aus Pudel x Hütehund, gern Sheltie oder Miniaussie, weil muss ja alles möglichst bunt sein), die inzwischen MDR1 Träger sind.

    Man wird von der Möglichkeit abgeschnitten, Hunde zur Zucht zu finden, die einen nachvollziehbaren Stammbaum haben und mitbringen, was man braucht und was man in der Dissidenz auch nicht findet. Es gibt keine gute Alternative in der Dissidenz.


    Und das alles nur wegen ein bisschen gesundheitlich völlig unbedenklicher Farbe. Und damit meine ich nicht mal Mismarks, sondern wirklich reporduzierbare Farbschläge.

    Deswegen trennt man eine Rasse auf und ruiniert den Genpool und die Möglichkeit, Outcross zu machen und das sinnvoll und irgendwie machbar fortzuführen. Am Pudel sieht man das wunderbar am AKV, der liegt im Schnitt so bei 30-40, bei den ganz krassen Hochzuchten auch mal um die 25-28.

    Die Geschichte zeigt ja, dass das immer totaaaal sinnvoll und gut und gesundheitsfördernd für die Rasse war...


    Ich persönlich habe deswegen da keine Lust mehr drauf und sehe da aktuell keine Zukunft. Ich bin nach so kurzer Zeit müde und habe keine Lust mehr mich dafür zu engagieren, man rennt gefühlt nur gegen Wände. Das fängt bei Anfragen ohne Auskunft an die FCI an und hört bei Lügen bzgl der aktuellen Zuchtregularia nicht auf, dass man immer schwerer an Rüden ran kommt. Beispielsweise wird da verbreitet, dass man die Schläge nicht mehr miteinander kreuzen darf und man als Deckrüdenbesitzer Vereinsstrafen und Decksperren erhält oder gleich ganz aus dem Verband fliegt. Ist völliger nonsense und einfach nur gelogen, trägt aber gerade dazu bei, dass es immer schwerer wird und die Akzeptanz auch sinkt.


    Ich persönlich bin nicht per se für Outcrossverpaarungen. Die machen weder alle Sinn noch gibt es oftmals dahinter einen Plan. Man muss das wirklich kritisch durchleuchten.

    Andererseits nimmt man da auch als Züchter viel auf sich und wenn damit nicht weiter gemacht wird, dann macht das alles auch nicht wirklich einen Sinn. Gut durchdacht und platziert kann man damit auf jeden Fall schon etwas erreichen und ich persönlich finde die Einschränkungen dafür auch zu heftig und abschreckend.

  • In der Pferdezucht gibt es ja Rassen mit offenen Zuchtbüchern, da gibt es für diese Rassen dann eine Liste von Rassen die für das einkreuzen zugelassen sind.

    Das würde ich für die Hundezucht auch gut finden.

  • Es gibt auf jeden Fall für einige Rassen Durchschnittswerte für die entscheidenden Faktoren für genetische Diversität, z.B. hier für den Labrador. Wem die Begriffe "Outlier Index", "Average Genetic Relatedness" und "Internal Relatedness" nicht viel sagen bzw. nicht weiß, wie diese zu bewerten sind (so geht es mir, obwohl ich schon einiges dazu gelesen habe und auch Gespräche dazu geführt habe |) ), da finde ich diesen Artikel ziemlich hilfreich.

    Dankeschön. Das muss ich mal übersetzen, einfach so blick ich da nicht durch. Was ich verstanden habe: das sind sehr interessante Infos.

    :lol:

  • Es gibt eine Menge publizierter Daten zu genetischer Vielfalt der Hunderassen. Hier nur ein kleiner Auszug:


    Bovenkerk, B., & Nijland, H. J. (2017). The pedigree dog breeding debate in ethics and practice: Beyond welfare arguments. Journal of Agricultural and Environmental Ethics, 30(3), 387-412


    Soh, P. X. Y., Hsu, W. T., Khatkar, M. S., & Williamson, P. (2021). Evaluation of genetic diversity and management of disease in border collie dogs. Scientific Reports, 11(1)


    Pham, T. H., Bui, X. P., Tran, H. C., Ngo, Q. D., & Vu, D. D. (2021). The genetic diversity of the vietnamese H'mong dog breed based on mitochondrial HV1 analysis. Research Journal of Biotechnology, 16(10), 131-143


    Chen, F. L., Zimmermann, M., Hekman, J. P., Lord, K. A., Logan, B., Russenberger, J., . . . Karlsson, E. K. (2021). Advancing genetic selection and behavioral genomics of working dogs through collaborative science. Frontiers in Veterinary Science, 8


    Axelsson, E., Ljungvall, I., Bhoumik, P., Conn, L. B., Muren, E., Ohlsson, Å., . . . Lindblad-Toh, K. (2021). The genetic consequences of dog breed formation - accumulation of deleterious genetic variation and fixation of mutations associated with myxomatous mitral valve disease in cavalier king charles spaniels. PLoS Genetics, 17(9)


    Radko, A., & Podbielska, A. (2021). Microsatellite dna analysis of genetic diversity and parentage testing in the popular dog breeds in poland. Genes, 12(4)

    Ostrander, E. A., Wayne, R. K., Freedman, A. H., & Davis, B. W. (2017). Demographic history, selection and functional diversity of the canine genome. Nature Reviews Genetics, 18(12), 705-720


    Wilson, B. J., & Wade, C. M. (2012). Empowering international canine inherited disorder management. Mammalian Genome, 23(1-2), 195-202


    Wade, C. M. (2011). Inbreeding and genetic diversity in dogs: Results from DNA analysis. Veterinary Journal, 189(2), 183-188.


    Leroy, G. (2011). Genetic diversity, inbreeding and breeding practices in dogs: Results from pedigree analyses. Veterinary Journal, 189(2), 177-182



    Viele Grüße


    Ingo


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