"Welpenblues" oder sollte ich einfach keinen Hund halten?

  • Hallo ihr Lieben,

    ich bin aktuell mit meinen Nerven, meiner Kompetenz und meinem Wissen am Ende und brauche eure Hilfe – deshalb schreibe ich. Bitte seid nicht fies, ich weiß, dass das alles gar nicht fair ist und der Hund absolut nichts dafür kann, wie ich jetzt fühle. Ich sehe die Verantwortung und "Schuld" alleine bei mir, und trotzdem brauche ich dringend einen Rat, weil ich einfach nicht mehr kann.


    Also... Schon seit Monaten habe ich die Adoption meines Hundes geplant. Ich habe mich wochenlang mit nichts anderem beschäftigt, war top vorbereitet, habe alles eingekauft, mich riesig darauf gefreut. Einen Hund zu adoptieren, war mein großer Traum seit langer Zeit.


    Vor einer Woche war es dann soweit, ich habe einen Tierschutzhund aus dem Ausland adoptiert. Es ist mein erster Hund. Und die Wahrheit ist, ich fühle mich der Sache null gewachsen. Ich habe wirklich einen Nervenzusammenbruch nach dem anderen und schäme mich richtig dafür, aber es ist leider die Wahrheit. Ich habe schon vom Phänomen des “Welpenblues” gelesen und erkenne mich in vielem wieder, glaube aber, bei mir ist es schon nochmal existenzieller. Ich frage mich jeden Tag ernsthaft, ob ich dem Hund gerecht werden kann und wir überhaupt zusammenpassen. Und noch mehr, ob ich ÜBERHAUPT einen Hund möchte. Alles, was ich mir vorher so toll daran vorgestellt habe, scheint mir gerade nicht mehr wichtig zu sein gegenüber den ganzen Einbußen und Kompromissen, die ich gehen muss. Ich genieße die Stunden, in denen der Hund nicht mit mir im Zimmer ist, weil mein Freund mit ihm rausgeht, so sehr. Ich fiebere richtig dem nächsten Abend entgegen, den ich ohne den Hund verbringen kann. Denn gerade fühlt es sich an, als sei mein Leben vorbei und ich könnte alles, was ich gerne mache, nur noch ohne Hund genießen.


    Also, jetzt aber mal zum Hund selbst:

    1. Mein größtes Problem ist: Sobald ich mich mal nicht mit ihm beschäftige, weil ich z.B. im Bad bin, am Laptop bin oder aufräume, rennt er rastlos durch den Raum, fiept, weint durchgängig, stellt die Beine an meinem Stuhl auf, kommt null zur Ruhe. Ich bestärke ihn positiv sobald er länger irgendwo ruhig sitzt/entspannt, er hält aber nur wenige Sekunden durch, bevor er wieder beginnt, rastlos durch den Raum zu rennen. Irgendwann sitzt er zitternd und weinend in der Ecke.
      Ohne Aufmerksamkeit entspannt er sich nicht, und ich kann ihn einfach nicht 24/7 beachten, irgendwann muss ich ja auch mal duschen etc. (und: arbeiten!) Das macht mir auch Angst, dass er vielleicht kein Bürohund werden kann, weil er ja keine Ruhe findet, wenn ich ihn nicht beachte. Dabei ist es super wichtig, dass er mich bald ins Büro begleiten kann, da ich eben Vollzeit arbeite und mindestens 1-2x die Woche ins Büro muss, was die Organisation natürlich wusste. Egal, was ich dem Hund anbiete (Kong, Futterball, Spielzeuge...) nichts beruhigt ihn.

      Es passiert auch draußen, ich war gestern im Park, für den Hund gab es wenig Action, der war nur dabei und sollte sich vom vorhergegangenen Spaziergang erholen. Er lief aber permanent im Kreis um uns herum und fiepte, auf der Suche nach irgendetwas, was mir nicht einfällt. (Selbstverständlich kriegt er genug Futter, Wasser etc. und hat auch einen gemütlichen, eigenen Platz, an dem er ruhen kann, und wir nehmen ihn auch zu uns und kuscheln ihn usw)

    2. Das ewige Herumsuchen wirkt sich natürlich auch auf seinen Schlaf aus. Er ruht eigentlich NUR, wenn jemand neben ihm liegt, und verfolgt mich im ganzen Haus, egal was ich mache. Sobald ich auch nur auf Klo gehe, ist sein Schlaf unterbrochen. Im selben Raum sein, aber was ohne ihn machen, geht nicht. Nachts wird das zur Belastungsprobe. Er darf nicht ins Bett, für mich heißt das, jetzt seit einer Woche unter krassem Schlafmangel zu leiden, weil er unbedingt jede Sekunde bei uns sein will. In seiner Angst/Frust/Trauer/Wut? reißt er Kleidung aus dem Schrank, zittert, kratzt an mir, zieht an meiner Kleidung, buddelt in sein Kissen etc. Nach 300x vom Bett wegschieben und in sein Körbchen bringen hat er letzte Nacht endlich dort geschlafen – zumindest ein paar Stunden. Denn, Problem 3 …

    3. Er macht fast ausschließlich in die Wohnung, das war mir natürlich im Voraus klar und ist kein Problem. Dass er nicht stubenrein sein würde, darauf habe ich mich fest eingestellt. Problematisch ist aber: egal, wie spät wir abends rausgehen, er MUSS um 5-6 raus, oder macht in die Wohnung (kleines und großes Geschäft, ist egal). Und selbst wenn er nachts endlich mal ein bisschen geschlafen hat, nach dieser morgendlichen Runde kommt er nicht mehr zur Ruhe, bis sich jemand zu ihm legt. Das bedeutet, dass er mich ab früh morgens wach hält (wieder mit Springen, Fiepen etc.) und ich so pro Nacht nur auf 3-4h Schlaf komme. Durch meine Arbeitszeiten schlafe ich spät und dafür bis 8:30/9 Uhr. Im Vorfeld hatte ich gelesen, Hunde passen sich irgendwann dem Lebensrhythmus ihrer Menschen an – jetzt habe ich Angst, dass das eine naive Vorstellung war und er dauerhaft ab 5 Action möchte, eben einfach Frühaufsteher ist und ich das Schlafdefizit dauerhaft als meine neue Lebensrealität akzeptieren muss. Ich brauche hier dringend eure Einschätzung. Sobald er stubenrein ist, kann er dann bis 8:30 Uhr aushalten oder muss ich jeden Tag mit ihm zwischen 5 und 6 raus?

      Übrigens: Sobald jemand bei ihm ist, schläft der Hund dann auch locker bis 11 entspannt durch, braucht keinerlei Bespaßung (siehe Punkt 1-2…). Solange wir aber im Bett liegen, dreht er durch, kommt nicht mehr zur Ruhe, weil wir ihn ja nicht beachten. Wie können wir also erreichen, dass er morgens länger aushält und vor allem ruht? Wir gehen schon direkt vorm Schlafengehen, das ändert nichts … Sollte ich später/anders füttern?

    4. Draußen ist alles soweit gut, bis uns zu viele Menschen (mehr als 5), Lärm, Straßenbahnen, Kinder etc. begegnen. Dann kriegt er krasse Fluchtinstinkte, zieht, zittert. Da ich in der Großstadt wohne, bin ich auf die Öffis angewiesen. Zu Fuß kriegen wir hier kaum etwas erledigt, ich wohne in einer abgeschiedenen Gegend und MUSS für meinen normalen Alltag täglich Öffis fahren, habe deshalb ganz gezielt lange nach einem unerschrockenen Hund gesucht, der sich nicht so leicht beeindrucken lässt von Lärm – das trifft auf unseren Hund nun leider gar nicht zu, schon in der reinen Nähe der nächsten Bahnstation bricht er in Panik aus. Wie gewöhne ich ihn also am besten an die Umweltreize der Großstadt?

    Das nicht schlafen können, das permanente Fiepen, Weinen, verfolgt werden und Tag und Nacht herumrennen machen mich psychisch richtig fertig. Dazu kommt die Angst, dass der Hund und ich einfach kein gutes Match sind, er zu einer größeren Familie, mindestens zu einem souveränen Ersthund, und auf keinen Fall zu einer vollberufstätigen Einzelperson in die Großstadt gehört. Die ganze erste Woche hatte ich eigentlich keine glücklichen Momente, habe mich stattdessen jeden Tag gefragt, ob die Entscheidung, einen Hund zu adoptieren, ein großer Fehler war.


    Ich würde mich sehr freuen, eure Gedanken zu hören. Seid gerne ehrlich - aber nicht gemein, bitte. Ich mache mir selbst die größten Vorwürfe und fühle mich wie eine Versagerin und Tierquälerin, dass ich so viel von dem Hund erwarte, für den ja auch alles neu ist und der sein bestes gibt. Dass er nichts dafür kann, weiß ich. Trotzdem weiß ich als Hundeanfängerin nicht weiter.


    Liebe Grüße

  • Nur kurz vom Handy: Vielleicht habe ich es überlesen aber wie alt ist der Hund und woher kommt er? Also aus welchem Land?


    Was spricht dagegen ihm nachts erst mal die Nähe, die er offensichtlich braucht, zu geben?

  • Insgesamt klingt für mich das meiste, was Dich belastet (und was übrigens auch mich belasten würde) nicht nach "normalem Hundeverhalten" sondern nach einem massiv gestressten Hund.


    Wie arbeitet ihr denn an seinem Stresslevel? Klingt für mich danach, als würden sich viele eurer Probleme lösen, wenn ihr ihm ein bisschen Entspannung vermitteln könntet.

  • Habt ihr einen Trainer, der euch begleitet?

    Gerade als Ersthundehalter mit einem doch recht hohen Anspruch, an das was Hund im Alltag können soll, wäre das immer sinnvoll.

    Es klingt schlicht danach, als hätte der Hund massiven Stress in der für ihn ungewohnten Situation, während ihr damit überfordert seid, dass der Hund eben nicht von Tag eins an funktioniert und sich nahtlos in den Alltag einfügt.


    Holt euch einen Trainer nach Hause, der euch mal die Basics vermittelt, wie ihr dem Hund Sicherheit geben und Ruhe vermitteln könnt und vor allem, wie ihr ihn an euren notwendigen Alltags heranführt. Sowas ist mit vorab Bücher lesen und ein paar Tipps aus dem Internet nicht getan.

  • Hallo, danke für eure Antworten.

    Der Hund ist frisch zwei, er war vor dem "Import" schon eine Woche auf Pflegestelle in Deutschland mit mehreren Katzen, Hunden und mehr Bezugspersonen. Dort war er, so die Pflegestelle, fast stubenrein, lieb, ruhig und hat nachts durch und bis 10 geschlafen... Wobei die Pflegestelle auch meinte "ach das zittern und fiepen ist normal, das hat er bei mir auch immer gemacht".

    Hier ist er halt mit mir alleine. Kein souveräner Ersthund oder irgendwas zum Orientieren außer ich - die selbst durchdreht. Mein Freund springt zum Glück ein, er übernimmt gerade das meiste, weil er stressresistenter ist als ich und mit allem gerade viel besser klarkommt. (Allerdings hat er auch davor keinen emotional load wie Recherche, Organisation oder so übernommen, hat keinen Cent bezahlt, nichts eingekauft, für ihn ist jetzt einfach nur ein Hund im Haus, für mich hing da halt monatelange Vorarbeit und sehr viel Geld und Planung dran...)

    Wir entziehen dem Hund keine Nähe!! Einer von uns liegt jeden Tag mehrere Stunden neben dem Hund, damit er ruhen kann. Aber das Bett ist eben tabu. Der Hund kam hier mit einem massiven Wurmbefall an, von dem die Pflegestelle nichts bemerkt hat. Da das ansteckend ist, darf er auch nicht ins Bett, auch auf dringende Empfehlung des Tierarztes, bevor es einen ersten richtigen gesundheitlichen Check gab.

  • Das klingt jetzt wirklich nicht nach diesem "welpenblues" den man hier immer liest. Das Klingt nach dem vollkommen falschen Hund für dein Lebensumfeld.
    Ich kann verstehen das du enorm gestresst sein musst, wenn der Hund bald mit ins Büro muss, er aber daheim schon nicht zur Ruhe kommen und natürlich auch nicht alleine bleiben kann.

    Wenn er so schlecht alleine schläft, würde ich ihm am Anfang mal die Möglichkeit geben bei dir zu schlafen, muss ja nicht im Bett sein, du könntest ja mal die nächste Zeit mit ner Matratze auf dem Boden schlafen oder mal paar Nächte mit ihm auf dem Sofa. Dann bekommst du Schlaf und der Hund Sicherheit.

    Ansonsten, muss ich ehrlich sagen, mir persönlich wäre das was ich lese zu viel des Guten. Ich würde den Hund zum Verein zurück geben.

  • Ersthund - Auslandsimport. Der erste Fehler. War der Hund auf Pflegestelle in deinem Land, oder quasi vom Foto wegadoptiert?


    Auslandshunde kennen deine Welt nicht, kennen Wohnung und Stadt nicht. Sie kennen es nicht, mit einem Menschen ohne Hundefreunde eingesperrt zu leben. Viele sind damit einige Wochen sehr überfordert und dadurch dann rastlos. Du kannst dir nicht vorstellen, wie überfordernd es sein kann, auf einmal eng mit einem Menschen zusammenzuleben. Er weiß nicht so recht, was er jetzt mit sich anstellen soll.


    Wer vom klassischen Leben mit Hund träumt (besonders als Ersthundhalter) ist beim Auslandimport einfach grundlegend komplett falsch. Wieder eine Orga, die einfach blind vermittelt. Solche Hunde gehören auf Pflegestelle (lese gerade, er war dort, aber nur eine Woche) oder zum Hundehalter mit Hunderudel. Um wenigstens etwas zu sehen, ob der Hund als Einzelhund überhaupt geeignet wäre oder eher der Mitläufer-Typ ist.


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    Ich habe selbst einen Auslandshund als Ersthundhalterin. Allerdings saß meiner 2 Monate auf Pflegestelle im eigenen Land und man konnte dezent sehen, wie sie mit der neuen Kultur klar kommt. Trotzdem hatte ich lange einen Welpenblues (Monate), weil sie an der Leine ausrastete und mich in der Wohnung mied. Ich habs durchgezogen! Massig Training, hunderte Euro Einzeltrainerstunden, social Walks und Bindungsaufbau. Nach ca. 9 Monaten waren wir eingespielt. Sie ist mein Engelchen, für kein Geld der Welt würde ich sie hergeben (6 Monate hatte ich den Gedanken anfangs jedoch im Kopf, heute unvorstellbar). Mir war jeden Morgen schlecht, ich habe geweint und war verzweifelt. Warum man so eskalieren kann, weiß ich nicht. Aber ich versteh dich.


    Mir half ein Trainer - einfach weil ich einen Ansprechpartner hatte und mir seine Tipps Halt gaben. Vielleicht probierst du das mal. Es ist tröstlich eine Verlassperson zu haben, auch wenn sie bezahlt wird.

  • Danke euch erstmal. Ja, mir geht es auch jeden Morgen schlecht. Ich heule wirklich jeden Tag mehrmals und ich WEISS jetzt, dass es dumm und naiv war, als Ersthundehalterin einen Hund aus dem Ausland zu adoptieren. Aber: Ich habe meine Lebensumstände maximal ehrlich beschrieben, gesagt, dass ich keine Erfahrung habe, alleine in der Großstadt lebe, Vollzeit arbeite, er ein Bürohund werden soll (muss!), etc. Mir wurde ein ruhiger, unerschrockener Hund beschrieben. Ich habe natürlich nicht "gelogen" um an einen Hund zu kommen – ganz im Gegenteil. Ich war sehr ehrlich. Ich komme mit dem ewigen Rennen, Suchen, Weinen nicht mehr klar. Ich hab Herzrasen, esse nichts und mache mir einfach nur Vorwürfe, wieso ich so naiv war.

  • klingt nach dem falschen Hund für euch.

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