Bedürfnisorientierte Hundeerziehung. Kann das funktionieren?

  • Die Bedürfnisse eines anderen erkennen zu können, muss also auch erst mal erlernt werden. Bei Menschen ist es schwieriger, weil wir alle Nackt und gleich aussehend auf die Welt kommen.
    Hunde gehören ab Geburt oft einer Rasse an und man kann sich Wissen über diese Rasse aneignen.


    Und manchmal stellt man dann fest, dass die eigenen Vorstellungen über die Ideale Erziehung leider auch mit den Individuellen Bedürfnissen nicht im Einklang zu bringen sind.

    Das finde ich wichtig. Die Gefahr besteht nämlich, dass wir uns an Bedürfnissen orientieren, von denen wir nur denken, dass sie tatsächliche Bedürfnisse des Hundes sind, während in Wirklichkeit.... :ka:


    Und eine weitere Gefahr ist, dass einem Gedankenkonstrukte und theoretische Überlegungen zur Natur des Hundes, wie das perfekte Training auszusehen hat und was man auf gar keinen Fall machen darf, im Weg stehen und man den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr sieht.


    Deshalb finde ich, die vorherrschende Einstellung sollte möglichst sein, selber immer offen zu bleiben für neue Ansätze. Ob diese Ansätze aus einem Hundeforum kommen, vom Trainer oder von Martin Rütter... :ka: und dann immer vergleichen, was dem eigenen Hund wichtig ist.


    Jack findet es zb mega, wenn er mich anspringen darf. Also erlaube ich es in Situationen, wo ich ihn bestätigen möchte, wo er Entspannung braucht, weil ein Stressauslöser in der Nähe ist oder einfach, um mit ihm ein bisschen herumzualbern. Früher war Anspringen für mich ein No-go :ugly: Aber warum soll ich mir das nicht zunutze machen, wenn mein Hund das gern mag?


    Genauso mit Zergeln oder ein Spieli apportieren. Das ist für Jack mega, und der Senior weiss zwar nicht, was los ist, freut sich aber mit und dreht schön auf. Das nutze ich, wenn uns ein fremder Hund entgegenkommt und wir ausweichen. Eine Situation, wo Jack zum Zerreißen angespannt ist, wenn wir zu wenig Platz haben. Also laufe ich seeehr vorausschauend, und wenn ein Hund und Mensch entgegenkommt, dann weichen wir aus und fangen an, mit dem Spieli zu zergeln und herumzualbern. Der andere Hund geht vorbei, wir kehren auf den Weg zurück, Spiel wird von mir beendet.


    Ob man das jetzt bo nennt? :thinking_face: für uns taugt es auf jeden Fall für den Moment.


    Manche Bedürfnisse kann ich nicht befriedigen. Jack will zb keine für ihn fremden Leute im Haus haben. Das kann ich ihm nicht erfüllen. Aber, ich sorge sehr konsequent dafür, dass er mit dem Besuch nicht überfordert ist, nichts regeln muss, nicht angesprochen wird, nicht angeschaut, nicht angelockt. Das taugt für ihn, und er liegt dann neben mir und schläft sogar, während eigentlich ein Stressor im Haus ist.

    Ich hab auch überall Leckerli herumstehen, damit ich schnell mit Leckerli werfen bestätigen kann, wenn die Hunde Wünschenswertes tun, zb nicht bellen, wenn es klingelt, oder sich abwenden, wenn ich sage, dass nichts Wachenswertes passiert ist. Ich füttere inzwischen dem Jungspund tatsächlich früh und abends weniger, weil ich aktuell an der Leinenführigkeit besonders beim Passieren von Passanten arbeite, und geb ihm bei jedem Schauen zu mir ein Stückchen Trofu. Das hatte der Herr schnell heraus, dass sich Frauchen in einen wandelnden Futterautomaten verzaubern lässt, einfach nur durch hinschauen :lol:


    Für jeden Hund passt halt was anderes, man muss gucken, was für den Hund erstrebenswert ist, womit man ihn anmachen kann. Eine gewisse Lockerheit und Offenheit ist sicher nicht verkehrt.


    Ob das jetzt zu dem Begriff "Bedürfnisorientiert" passt... :ka:




    ...und ich hoffe, mein Beitrag ist auf alle Fälle nicht komplett am Thema vorbei :ugly:   xD

  • Und ich denke, da wären wir wieder an dem Punkt, an dem wir definieren müssten, was genau

    unter Bedürfnissen in Abgrenzung zu weniger essentiellen Wünschen bzw Wollen zu verstehen ist.

    An Maslow hatte ich dabei ein bisschen gedacht, ja. Aber ich sehe seine Bedürfnispyramide auch nur als Denkansatz und nicht als den Stein der Weisen.

    Ich denke aber schon, dass es Grundbedürfnisse gibt, die alle sozialen Säugetiere gemeinsam haben. Für mich sind Bedürfnisse sehr hoch angesiedelt, also etwas, das man haben muss, um nicht Schaden an Leib und Seele zu nehmen.

    Eis gehört da nicht dazu.

  • Für mich sind Bedürfnisse seh hoch angesiedelt, also etwas, das man haben muss, um nicht Schaden an Leib und Seele zu nehmen.

    Okay, dann ist mein Beitrag am Thema vorbei. Außer, man nimmt das meinen Terriern eigene, essentielle Bedürfnis zur Zusammenarbeit mit ihrem Menschen (=ich) als Grundlage.


    Das ist etwas, was ich tatsächlich sehr bewundere an ihnen, meine Leohündin und die DSH hatten das auch, aber die Terrier eben noch mehr, quasi in Vollendung, eine gewisse Fixierung auf ihren Menschen. Ist er da und ihnen gewogen- alles in Ordnung. Nicht da - okay, Holland schon etwas in Not, kommt aber ja wieder. Ihnen nicht gewogen oder gar ärgerlich - uiuiui, Welt bricht zusammen. Kommt aber selten vor :sweet:

  • . Für mich sind Bedürfnisse sehr hoch angesiedelt, also etwas, das man haben muss, um nicht Schaden an Leib und Seele zu nehmen.

    Eis gehört da nicht dazu.

    Ooook, wenn ein Hund also nicht sitz machen will, weil schnüffeln interessanter- was wäre das für doch dann?


    Bedürfnisse- rein wirtschaftlich gedacht, lassen sich da recht einfach unterscheiden, wenig philosophisch nen bissl weniger eigener Interpretationsspielraum.



    Geht es um die Grundbedürfnisse oder Grundbedarf- geht's immer noch genau darum- dazu gehören Nahrungsaufnahme, Schlafen.

    WIE das Ganze gestillt wird, welches Essen, ob gekauft oder geklaut, 12 Stunden Dauerschlaf oder 6x2Stunden spielt bei der Definition des Bedürfnisses keine Rolle.

    DA müsste dann also eigentlich ein Cut erfolgen.

    Es sei denn man man kann, jedem einzelnen Individuum dann eine individuelle Antwortmöglichkeit ----- wo wir dann bei individueller Bedarfsbefriedigung wären, wo jeder das Recht hat zu sagen, xy ist für mich ein reeller Bedarf, um damit Bedürfniss xy zu stillen.


    Es ist seeehr seeeehr schwierig, menschliche Modelle auf das Leben eines Hundes zu übertragen.


    Beispiel: Wasser.

    Es gibt Hunde, die brauchen Wasser und schwimmen- sie lieben es.

    Und es gibt Wasserscheue Hunde.

    Sollen wir jetzt hingehen und sagen, weil es Wasserscheue Hunde gibt, ist Plantschen ab sofort Kein Bedürfnis mehr?


    Scheiße fressen?


    Wenn man Bedürfnisse auf Grundbedürfnisse runter bricht, essen, schlafen, Bewegung, sozialer Kontakt, charaktergerechte Auslastung, kann man ganz viel, was dann unter BO läuft außen vor lassen, weil es dann nach deiner Definition, nicht mehr dem Grundbedürfnis entsprechen würde.

    Selbstverwirklichung braucht es nicht zum Leben. Essen und Schlafen dagegen schon.

  • Naja, sich kein bisschen selbst verwirklichen zu dürfen, würde nach meiner Definition durchaus Schaden an der Seele verursachen. Dann wäre man ja nur fremdbestimmt.

    Aber ich verstehe deinen Punkt. Ja, die Erfüllung der Grundbedürfnisse hat eine individuelle Komponente, wenn es um das Wie geht. Ich sehe durchaus die Schwierigkeit BO auf den Hund zu übertragen, denn genau können wir die individllen Bedürfnisse der Hunde nicht erkennen. Es bleibt wiederum unsere menschliche Interpretation.

    Wobei ich bei Kaya Plantschen und Schwimmen als Bedürfnis sehen würde.

    Wir versuchen doch unseren Hunden bis zu einem gewissen Grad Selbstverwirklichung zu ermöglichen, wenn man bei Hunden davon überhaupt sprechen kann.

    Das ist wirklich ein komplexes Thema, wenn man darüber nachdenkt.

  • im wasser plantschen würde ich jetzt nocht als bedürfniss ansehen, spaß haben ist ein bedürfniss und mit was das befriedigt ist, ist vom individuum abhängig.

  • KayaFlat Vielen Dank, du hast das gut beschrieben - da find ich mich wieder.


    Ich versteh nur nicht, warum BO gleichgesetzt wird mit verwöhntem Bratz und alles immer erlauben? Ich versuche soweit es mir möglich ist meines Hundes Bedürfnisse aufgrund Genetik und Individuum und Situation zu erkennen. Idealerweise kann ich wenn ich was verbieten will, sofort einen gleichwertigen Ersatz anbieten der auch mein Bedürfnis und das der Umwelt abdeckt. Kann ich das nicht, verschiebe ich die Bedürfnisbefriedigung auf einen anderen Zeitpunkt (z.B. rennen oder Mantrailing oder Kontaktliegen) und versuche so den Grundtank meines Hundes zu füllen. BO heisst für mich nicht zum Sklaven des Hundes zu werden. Aber die individuellen Bedürfnisse so zu befriedigen, dass mal ein Nein und ein Abbruch für den Hund zwar nicht geil ist, aber kein Beinbruch, weil eben verschoben und nicht ersatzlos gestrichen.


    Und genau darum versteh ich auch immer nicht, warum sich Menschen z.B. Jagdhunde holen und dann Antijagdtraining ohne zumindest adäquate Ersatzarbeit machen. Idealerweise hole ich mir ja einen Hund, dessen Bedürfnisse ich in meinem Umfeld befriedigen kann und nicht einen, den ich nur deckeln muss. Idealerweise sind die Bedürfnisse meines Hundes weitestgehend etwas, was ich gerne und mit Spass in meinem Leben unterbringen kann. Einen gewissen Kompromiss kann der Mensch eingehen. Der Hund weniger. Aber wenn da keine Freude beim Menschen aufkommt, würde ich den Hund in andere Hände vermitteln wollen.


    BO hat für mich nix mit Wattebäuschchen und Kekswerfen zu tun. Auch wenn ich gern auch so arbeite. Ich kann meinen Hund auch mal anraunzen und trotzdem BO arbeiten.

  • im wasser plantschen würde ich jetzt nocht als bedürfniss ansehen, spaß haben ist ein bedürfniss und mit was das befriedigt ist, ist vom individuum abhängig

    Genau darum geht's.


    Bedarf und Bedürfnis ließen sich recht objektiv einteilen.

    Über die existenziellen Bedürfnisse wie Schlaf, Nahrung, Trinken- sind sich wohl ebenfalls alle einig.

    Nehmen wir jetzt den Faktor Seele dazu, werden objektive Dinge individuell und unterliegen durchaus einer sehr subjektiven Wahrnehmung.


    Recht einfaches Beispiel:

    Rotes Spielzeugauto und Schnuffelhasi eines Kleinkindes oder Friseurbesuch mit einem Kleinkind.


    Auf den ersten Blick - aus dem Standpunkt eines Erwachsenen: beides absolut null Existenziell, nicht überlebenswichtig.

    Hat schon mal jemand versucht, ein Kleinkind davon zu überzeugen, dass es ohne sein Lieblingsschnuffelhasi schlafen kann?

    Oder dass es sein rotes Lieblingsspielzeugauto jetzt gerade mal nicht braucht und weglegen soll?

    Oder dass man nicht stirbt, wenn 2cm Haare abgeschnitten werden?

    Für das brüllende, Tränenüberströmte Kind sind in dem Augenblick Hasi, Auto und 2cm Haare absolut existenziell. Es kann sich nicht vorstellen, ohne zu Leben.

    (Ich lass jetzt mal Frust, Trotz und andere Motivationen außen vor, es geht mir tatsächlich nur um die Kinder, die das in den Situationen tatsächlich so wahrnehmen....)



    Wir versuchen doch unseren Hunden bis zu einem gewissen Grad Selbstverwirklichung zu ermöglichen, wenn man bei Hunden davon überhaupt sprechen kann.

    Das ist wirklich ein komplexes Thema, wenn man darüber nachdenkt.

    Natürlich. Auch der Großteil der Menschen ist sozial und möchte, dass es anderen gut geht.

    Auch der Mensch ist in der Lage, Bedürfnisse anderer zu erkennen und diese zu befriedigen. Ganz ohne irgendein pädagogisches Konzept, sondern einfach so. =)

  • denn genau können wir die individllen Bedürfnisse der Hunde nicht erkennen.

    Warum sollte es nicht möglich sein, die individuellen Bedürfnisse seines Hundes zu erkennen? Klar, manchmal mag man daneben liegen - so wie es auch in der zwischenmenschlichen Kommunikation zu Missverständnissen kommen kann. Aber so schwer ist es meistens nicht zu erkennen, was ein Hund möchte - schon gar nicht, wenn es einer ist, mit dem man eine enge Beziehung pflegt (weil er mit einem zusammen lebt).


    Hund und Mensch haben sich in 20.000 (?) Jahren des Zusammenlebens stark aneinander angepasst, so dass wir uns relativ gut gegenseitig verständlich machen können.

  • Du beziehst dich nur auf die physiologischen grundbedürfnisse lässt aber die psychologischen außer acht. Um kurzfristig zu überleben, braucht man nur die physiologischen aber langfristig auch die psychologischen die sich wie folgt zusammen setzen:


    Bedürfniss nach


    Bindung

    Kontrolle

    Selbstwert

    Lust/unlust



    Im Beispiel mit dem Schnuffelhasen ist das Bedürfniss nach Bindung verletzt.

    Im Beispiel mit dem spielzeug mit kontrolle und lust.

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