Unsicherer Hund und unsicherer Mensch

  • Hallo ihr Lieben,


    Ich lese jetzt schon seit einiger Zeit hier immer wieder mit und habe jetzt auch mal das Bedürfnis einen Beitrag zu erstellen.


    Also ich fang mal am Anfang an:

    Luna ist vor ziemlich genau zwei Jahren aus dem Tierschutz in Rumänien zu mir gekommen. Sie ist mein erster eigener Hund. Ihre Beschreibung war damals, sie sei "in neuen Situationen noch etwas unsicher". Damals war sie circa 5 Monate alt. Sie war auch am Anfang sehr ängstlich und wir haben recht lange gebraucht um überhaupt länger als nur zum lösen rauszugehen. In der Wohnung ist sie aber innerhalb von ein paar Tagen ganz gut aufgetaut. Wir sind dann auch zu einer Hundeschule gegangen, die ich aber recht schnell als nicht passend wieder verlassen habe. Strenge, Strafe und Schreckreize wollte ich noch nie für meinen Hund.


    Kurze Zeit später fing dann der Stress an. Sie fing an Autos, Radler, Jogger, Kinder usw. anzubellen und hinterherzurennen. Da ich keinerlei Erfahrungen mit aggressiven Hunden hatte, habe ich damals auch nicht richtig gegengesteuert. Ich wusste einfach nicht wie und habe auch nicht erkannt wie ernst die Situation war.


    Dann wurde es richtig schlimm. Ich musste aus meiner Wohnung ausziehen und bin in eine WG gezogen. Dort gab es einige Situationen wo ich bedroht, verprügelt und sogar mit einem Messer bedroht wurde. Das hat Luna leider miterleben müssen. Wie man sich denken kann hat das keinem von uns beiden gut getan. Ich habe schon seit einigen Jahren eine Angststörung die eigentlich sehr gut unter Kontrolle war, aber nach diesen Erlebnissen hatte ich einen ziemlichen psychischen Zusammenbruch. Ich mache mittlerweile Therapie und es geht mir auch wieder besser aber gut noch nicht.

    Also bin ich aus dieser Wg auch ausgezogen. Nachdem ich übergangsweise kurz bei meinem Freund gewohnt habe, was aber wegen dem Hund nicht auf Dauer ging, bin ich vor einem Jahr wieder bei meiner Mutter eingezogen.


    Nachdem diese schwierige Zeit Lunas und meine Probleme ziemlich verschlimmert hat arbeite ich seitdem viel daran alles wieder hinzubekommen.

    Mittlerweile schaffen wir es immer öfter an Fahrradfahren, Jogger usw. ohne Ausraster vorbeizugehen aber die Spaziergängen sind weit davon entfernt irgendwie entspannt zu sein. Ich muss eigentlich immer managen und alles überblicken damit ich eventuelle Stressfaktoren vor ihr entdecke und gegenwirken kann.

    Auch drinnen ist es recht schwierig mit ihr. Sie ist extrem Ressourcenverteidigend und wenn sie eine Zecke hat oder sowas muss ich zum Tierarzt weil sie mich sonst beißt. Sie ist mich schon ein paar mal angegangen, einmal so schlimm das ich in die Notaufnahme musste. Aber auch da würde ich sagen machen wir Fortschritte und bauen Vertrauen auf.

    Also alles in allem sind wir eigentlich auf einem ganz guten Weg. Nur oft habe ich auch Tage an denen ich es nicht schaffe mich auf das Positive zu konzentrieren und verzweifel. Ich kann mir nicht vorstellen jemals ein entspanntes Leben mit ihr zu haben.

    Zum Beispiel werde ich jetzt diese Woche endlich wieder bei meiner Mama ausziehen (in das Haus direkt nebenan was super ist weil das dann auch für Luna nicht wieder eine Riesenumstellung ist), aber ich habe wahnsinnige Angst das es Probleme mit den Nachbarn gibt. Der Weg zum Haus dort ist ziemlich eng und es ist recht wahrscheinlich das Luna eventuelle Leute die uns dort entgegen kommen anbellen würde und ich habe keine Möglichkeit auszuweichen. Meiner Erfahrung nach gehen die meisten Leute nicht so entspannt mit sowas um.

    Ich habe auch schon öfter darüber nachgedacht sie abzugeben, weil ich oft das Gefühl habe, dass ich einfach nicht das leisten kann was sie brauchen würde. Aber erstens glaube ich nicht, dass ich das übers Herz bringen würde, weil wir uns eigentlich schon ziemlich lieb haben und zweitens will ich mich auch vor meiner Verantwortung nicht drücken. Ich Weiss das vieles auch meine Schuld ist und möchte nicht den Hund "kaputt" machen und dann wenn es mir zu viel wird einfach abschieben.


    Es wäre super wenn ihr ein paar Tipps hättet wie man mit sowas umgehen kann. Die Leute mit denen ich in echt über sowas reden kann haben keine Ahnung von Hunden und sagen immer nur "wird schon", was irgendwie nicht so hilfreich ist.

    Ausserdem wäre es echt toll wenn Leute die vielleicht Erfahrung mit solchen Hunden haben mir ein bisschen Hoffnung machen könnten, dass man nicht für immer Angst haben muss was der Hund tun könnte und das es vielleicht sogar möglich ist sie irgendwann ohne Leine (Schleppleine) mal laufen zu lassen. An Tagen wie heute kann ich mir das echt überhaupt nicht vorstellen.


    Entschuldigt bitte den Roman und ein herzliches Danke schonmal an alle die bis hierhin gelesen haben. Ich würde mich über ein paar Antworten sehr freuen.

    Ganz liebe Grüße von mir und Luna :winken:

  • Hallo Shira und Willkommen hier im Forum!


    Das klingt ja recht durchwachsen, was du da von Luna und dir erzählst. Es werden sicher noch konkretere Tips und Fragen kommen, aber zuallererst möchte ich dir mal einen Thread rund um die Rumänen empfehlen, indem du vielleicht schon einige deiner Erfahrungen wiederfindest:



    Dagmar & Cara

  • Hallo zuerst einmal :winken:



    Hmm, ziemlich bescheiden was da alles vorgefallen ist.

    Ihr habt da beide zwei ernste Themen, die wird man rein mit ein paar Tipps aus nem Forum nicht lösen können, dafür brauchts auf alle Fälle nen Trainer der sich mit diesem Typ Hund, bzw diesen Problemen auskennt, ohne sich an aversiven Trainingsmethoden zu bedienen.


    Was ihr allerdings definitiv jetzt schon üben könnt ( und definitiv solltet), ist Maulkorbtraining ( wenn sie nicht schon an einen Maulkorb gewöhnt ist).

    Am Besten ist du setzt dich dafür mal mit Chic und Scharf in Verbindung ( die beraten zB kostenlos und gut in ihrer Facebookgruppe) und schaust mal hier im Maulkorb Thread vorbei, um einen möglichst gut passenden für euch zu finden.

    Mauli klingt zwar immer erstmal ziemlich schlimm wenn man es nicht gewohnt ist ( und wird ohne wenn und aber negative Reaktionen in der Umwelt hervor rufen), bringt aber ungemein Sicherheit.

    Zum einen wird diese Thematik im engen Treppenhaus sicher nicht besser, eher im Gegenteil birgt das ein gewisses Risiko, weil dein Hund zusätzlich zur Unsicherheit noch das Problem hat überhaupt nicht ausweichen zu können ( was bedeutet dass sie im Zweifel nurnoch den Weg nach vorne hätte).

    Zum Anderen beruhigt es auch dich ungemein wenn du weißt dass nichts passieren kann.

    Und die Nachbarn, erkennen dass du verantwortungsvoll genug bist, um eine potentielle Gefährdung auszuschließen.


    Ich würde dort nicht einziehen, bevor kein Mauli möglich ist, und ich würde deine Nachbarn vorher einweihen. Das ist zwar nicht schön, aber so wissen sie wie sie sich verhalten sollten, und dass du das regelst.

  • Ich stimme meiner Vorschreiberin zu: Da muss ein guter Trainer ran. Unbedingt!

    Hier übers Forum können anhand der Schilderung maximal Managementvorschläge gemacht werden. Um an euren Problemen zu Trainieren, muss sich das jemand vor Ort anschauen.

    Zumal einiges was Du schilderst nicht sinnig/richtig klingt (das ist keine Kritik, jeder fängt mal an mit Hunde lesen) und du vermutlich noch "Nachhilfe" in Sachen hündischer Körpersprache brauchst. =)


    Kurze Zeit später fing dann der Stress an. Sie fing an Autos, Radler, Jogger, Kinder usw. anzubellen und hinterherzurennen. Da ich keinerlei Erfahrungen mit aggressiven Hunden hatte, habe ich damals auch nicht richtig gegengesteuert.

    Das klingt z.B. mit dem Hintergrund deiner Hündin nicht nach Aggressivität ("sie will die Leute schreddern") im eigentlichen Sinne, sondern nach einem lauten/vertreibenden Handeln auf Grund von Unsicherheit und Überforderung.

    Wobei das natürlich nur eine Vermutung ist. Wissen kann das hier niemand.


    Wenn Du uns verrätst, wo in etwa Du wohnst (nächst größere Stadt oder die ersten Ziffern der PLZ), können Dir hier sicherlich Leute gute Trainer empfehlen.


    Zum Management:

    Sicherung! Und das zum Schutz für alle Beteiligten. Sie hat dich krankenhausreif gebissen. Das ist kein Abschnappen oder mal testen, wie weit man gehen kann. Das ist bitterernst. Da braucht man sich auch nichts schön reden, oder den Hund in Schutz nehmen, weil man ihn liebt. Das ist sche** gefährlich.

    Damit sie nicht als nächstes einen fremden Menschen, vielleicht sogar ein Kind, beißt, muss sie gesichert werden.

    Das heißt: Maulkorb.


    Und ja, normalerweise bin ich dafür, dass das sorgsam auftrainiert wird, aber ich glaube nicht, dass die dafür nötige Zeit hier gegeben ist. Also möglichst schnell einen vernünftigen Maulkorb besorgen und rauf auf den Hund. Notfalls drauf lassen, wenn sie ihn sich nicht auf-/absetzen lassen will.

    Mit einem vernünftigen Maulkorb kann ein Hund hecheln, fressen und trinken. Auch ich würde Dir https://www.chicundscharf.com/ empfehlen. Die machen sehr gute und fundierte Beratung zu dem Thema.


    Weiterhin muss die Leinensicherung überdacht werden. Ich weiß nicht, wie Du sie draußen führst, aber als mein Hund anfing, Radfahrer, Jogger etc. anzukläffen und hin zu wollen, hab ich mir einen CaniCross-Gurt geholt und die Leine vom Hund daran befestigt. So kann man sie nicht aus Versehen fallen lassen.


    Zu der Engstelle im neuen Haus: Reden hilft.

    Ich weiß, dass das mit psychischen Problemen echt schwierig ist, aber zum Wohle des Hundes muss das einfach sein. Rede mit den neuen Nachbarn. Sag ihnen, dass der Hund schüchtern ist (da haben die meisten Leute mehr Verständnis als bei Angst oder "hat schlechte Erfahrungen gemacht") und dass es super super nett wäre, wenn die Leute Abstand halten könnten/ausweichen würden.

    Wenn Du das nicht schaffst, schreib einen Zettel und häng ihn im Hausflur auf. Wenn Dir jemand an der Engstelle begegnet, dann geh nicht einfach in die Situation rein, sondern dreh um oder bitte die andere Person, umzudrehen.


    Das mit dem "Situationen ausweichen" würde ich Dir auch generell für den Alltag empfehlen. Wenn Du siehst, da kommt eine Situation auf euch zu, die deine Hündin nicht händeln kann, dann weich so weit wie möglich aus. Geh zurück. Geh kurz in eine Einfahrt/eine andere Straße.

    Versuch einfach so gut wie möglich zu vermeiden, dass sie ausrastet.

    Das kann auch heißen, nur 3x täglich für 10 Minuten um den Block zu gehen, wenn sie mehr nicht schafft. Oder erst spät Abends/Nachts eine große Runde zu gehen.


    Das ist alles nichts, was für immer sein muss, wenn fundiertes Training stattfindet. Das sind Managementmaßnahmen, die euch helfen, die Zeit zu überstehen, bis das Training greift.

  • Puh. Das hört sich für mich echt krass an.

    Der Rat, da mit einem erfahrenen Trainer ran zu gehen, ist sicher sehr gut und du solltest ihn befolgen, denn mit solch massiven Problemen und einem Hund, der im Zweifel auch vor dem Halter nicht halt macht, bist du sicherlich allein überfordert. Ich kann mir schwer vorstellen, wie du ohne Maulkorb deinen Hund im Moment händeln kannst, wenn er auch massiv zubeisst. Wie hast du das denn schon zwei Jahre hinbekommen? Da ziehe ich vor deinem Durchhaltevermögen und Engagement den Hut.

    Wie der Titel deines Threads vermuten lässt, siehst du die Ursache des (durchaus gefährlichen) Verhaltens deines Hundes in der Unsicherheit des Hundes, deshalb ist die Kombination mit dir als eher unsicherem Halter natürlich nicht optimal. Ein wesentliches Augenmerk sollte der Trainer deshalb auch darauf legen, mit dir zu arbeiten, damit du in der Führung sicherer wirst.

    Zur Möglichkeit der Abgabe des Hundes: Lass eure Konstellation von jemandem einschätzen, der Ahnung hat (wieder erfahrener Trainer; hoffentlich kriegst du gute Tipps aus dem Forum) und schließe für dich nicht aus, dass du den Hund abgibst. Manchmal ist das einfach die richtige Lösung für Hund und Mensch.

    Wie schwer ist der Hund und kann man sagen, welche Rassen da mitgemischt haben bzw. welcher Schlag Hund es ist? Das spielt auch eine wichtige Rolle.

  • Danke für die Antworten!

    Also zum erstmal zum Maulkorb:

    Wir sind eigentlich da am Training dran, wobei ich zugeben muss das ich es in letzter Zeit etwas habe schleifen lassen, weil ich so frustriert war/bin. Der Maulkorb fällt leider in die Kategorie Zecke entfernen und sie lässt ihn sich nicht festmachen. Aber immerhin steckt sie schon recht motiviert die Nase rein. Sobald ich aber versuche ihn hinten zu zu machen zieht sie den Kopf weg und wenn ich vehementer bin knurrt sie auch. Ich will da halt ihre Grenze eigentlich ungern überschreiten, weil das vermutlich wieder unser Vertrauen ineinander verschlechtern würde. Aber mir ist auf jeden Fall bewusst, dass das wichtig ist das sie es lernt und ich werde da jetzt nochmal engagierter rangehen.

    Das mit dem Trainer ist auch auf jeden Fall ein guter Tipp. Ich war auch zweimal bei einer Hundeschule, wo die Trainerin mir einige gute, gewaltfreie Methoden gezeigt hat. Leider antwortet sie seit einiger Zeit nicht mehr auf meine Nachrichten.

    Ich wohne in München, also wenn jemand da vielleicht wen in der Nähe kennt wäre das super.

    Millemaus also ich glaube auch das sie draussen die Leute nicht wirklich angreifen würde, sondern "nur" versucht sie zu vertreiben. Als sie noch ohne Leine laufen durfte gab es auch kritische Momente(deswegen jetzt auch immer nur mit Leine) aber passiert ist nie etwas. Da sie aber Kinder zum Beispiel auch nur durch umrennen ernsthaft verletzten könnte und ich halt einfach nicht sicher sein kann das sie nicht doch mal zuschnappt, finde ich Vorsicht besser als Nachsicht.

    KayaFlat sie wiegt Gott sei dank nur circa 17 kg. was ich noch gut halten kann. Also die Tierschutz Organisation meinte damals sie wäre ein Schäferhund Mischling. Ich nehme an das auf jeden Fall Mali und aufgrund der Optik auch evtl. Podenco mit drinnen ist.

  • such dir eine gute trainer*in. Die dich und hund bewerten kann. Möglicherweise kannst du lernen,vsie angemessenen zu führen. Und vielleicht wird ihr Verhältnis zu dir auch wieder stabil genug, um sich führen zu lassen. Und falls du hasr, spricht auch mit deiner therapeut*in. Ich würde gerade in deiner Situation nicht dauerhaft so mit dem hund leben wollen.

  • Das Problem, das ich sehe, ist halt, dass sie mittlerweile auch gelernt hat, dich zu steuern. Sie setzt dir Grenzen, die du respektierst. Was einerseits gut ist, weil sie dann nicht weiter gehen muss, was andererseits, je nach Hundetyp, verhindert, dass du da Fortschritte machst.

    Ich bin ja ein Fan von Fronten klären, aber ohne viel Erfahrung geht das sehr schnell nach hinten los.

    Bitte sieh dich wirklich nach einem guten Trainer um und meiner Meinung nach nach einem, der mehr als nur positive Verstärkung in seinem Wekzeugkasten hat.

    Auch wenn ich denke, dass du nach deiner Selbstbeschreibung eher jemand bist, der besser mit nur netten Methoden kann.

    Ich finde wirklich, dass du in einer echt schwierigen Situation mit deinem Hund steckst und ich kann verstehen, dass du frustriert bist, aber das wird die Probleme nicht lösen.

    Es ist nicht auszuschließen, dass sich das Verhalten weiter verstärkt, wenn es nicht reglementiert und in geordnete Bahnen gelenkt wird.

  • und lass dich nichtvom.hund daheim einsperren. Dann lass sie ruhig eben zu hause und geh alleine raus, damit du auch wieder draussen entspannen kannst und die Sonne oder shoppen genießen.

  • Ich schließe mich meinen Vorrednern an und gebe noch einer Stimme für einen guten Trainer ab.


    Maulkorbtechnisch wäre ich persönlich da tatsächlich knallhart. Sie hat dich schon so verletzt, dass du in die Notaufnahme musstest. Da käme bei mir der Maulkorb drauf und bliebe drauf, egal ob ihr das passt oder nicht.

    An erster Stelle steht da immer noch die eigene Sicherheit, und die der Mitmenschen, und das scheint so ja nicht 100% gewährleistet zu sein.

    Ich habe mit meiner Hündin hier selber einen Typ Hund, die aus Unsicherheit nach vorne gehen würde, wenn ich nicht schnell genug bin oder das manage, und auch sie läuft in bestimmten Situationen nicht ohne Mauli.

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