Gelassenheit in der Hundeerziehung - Austausch Thread

  • Ich habe Glück und bin schon eher vom Typ "Ruhe in Person".

    Beim Hundetraining habe ich außerdem eine sehr positive Einstellung und versuche, nicht defizitorientiert zu denken. Das ist wohl ein "Schaden" aus meinem Studium, ich studiere Sonderpädagogik, inzwischen im Master.

    Ich denke also relativ automatisch mehr über die Dinge nach, die gut klappen und die wir schon erreicht haben. Bei Problemen versuche ich nicht zu sehen, was mich nervt, sondern welche Ressourcen mein Hund mitbringt und wie wir darauf aufbauen können.

    Wenn ich doch mal genervt bin, dann helfen mir verschiedene Sachen:

    - mir nochmal ganz bewusst klarmachen, was heute/in den letzten Tagen gut lief

    - mich erinnern, welche Problemchen wir noch vor einem/drei/sechs Monaten hatten, die jetzt viel besser laufen

    - aus der Situation gehen. Ich breche auch durchaus mal einen Spaziergang ab, wenn ich merke, dass ich genervt bin und da grade nicht rauskomme.

    - tricksen, trainieren im Garten. Ich habe soo viel Spaß mit meinen Hunden, wenn ich mit ihnen arbeite. Sie sind aufmerksam, konzentriert und einfach toll (nach meinem Maßstäben). Ich sorge also dafür, dass wir Erfolgserlebnisse haben, indem wir etwas neues erarbeiten oder altes festigen.

    - wenn eine Situation beim Spaziergang blöd war (zB jemand seinen Hund meine belästigen lässt) und mich das ärgert, dann hilft es mir total, mich mal auszukotzen. Die meiste Zeit ist das nicht nötig, aber wenn Leute mal so richtig asozial gehandelt haben, dann erzähle ich das Freunden/Familie, mecker mich einmal aus und dann ist auch wieder gut.


    Ich denke, insgesamt hilft es auch immer, sich nochmal vor Augen zu halten, dass niemand perfekt ist. Weder man selbst, noch die eigenen Hunde, noch andere Mensch/Hund Paare :bindafür:

  • Man sollte sich viel mehr von dem Lösen was vermeintlich in den Köpfen anderer Leute vorgeht.

    Das Hilft sehr viel Druck und Stress aus dem Leben zu nehmen. :bussi:

    Bestimmt sogar, aber genau das macht ja die Gelassenheit aus. Man kann es, oder man kann es eben nicht.

    Ich war früher extremst was kritik von Außen anbelangt. Meine Gedanken haben sich teilweise nur darum gekreist, was der oder die denken. Was ich in den Augen falsch gemacht habe.

    Irgendwann bin ich drauf gekommen

    Dass die anderen auch nicht "besser" sind

    Dass egal was man macht irgendjemand immer was am kritisieren hat.


    Heute habe ich die gelassenheit. Mir ist es wirklich egal was andere denken. Meistens denken die eh nicht so viel darüber nach und wenn nur für ein paar Minuten bevor der bellende Hund an der leine vergessen ist.


    Ich wollte nur sagen es ist oft nicht eine Sache von hat man oder hat man nicht sondern manchmal ein lernprozess.

  • Mir hilft außerdem, wenn mich Menschen von Außen darauf hinweisen, was sich schon verbessert hat. Ich vergesse nämlich gerne mal, wie es vor X Wochen/Monaten war. Ich glaube, auch das ist ein weit verbreitetes Phänomen. Zuviel Fokus auf das, was immer noch nicht so läuft wie ich es will führt dann dazu, dass es sich anfühlt, als ob sich gar nichts verändert hat.

  • Naja ich habe schon einige Kinder und bin deshalb was die Welpenerziehung betrifft gelassen, habe keine hohen Erwartungen, es kommt wie es kommt.


    Sicher ein Welpe ist kein Kind, und muss anders behandelt werden, aber ich habe mir lang genug Gedanken darüber gemacht ob ich ich all das auch packen kann, es läuft gut.


    Besser als erwartet, den Rest wird die Zukunft zeigen.


    Ich denke wenn ich schnell genervt wäre oder generell ungeduldig dann hätt ich das mit dem Hund gelassen.

  • Ein sehr schöner Thread. Ich hab da ja so einige Themen mit Bezug auf Gelassenheit, was auch daran hängt, dass mir ein paar der üblicherweise vorhandenen Abgrenzungs- und Filtersysteme fehlen. Gibts ein paar schöne mehr oder weniger moderne Etiketten für, von denen ich unterschiedlich wenig halte. Erstmal:


    Bester Lehrmeister ever war Ronja. Sobald die der Auffassung war, dass ich ungebührlich hochfahre und zu viel Druck oder Hektik mache, hat sie nicht mehr kooperiert. Gekoppelt mit einem BLICK aus ihrer reichlich vorhandenen Auswahl, der mir jeweils präzise gespiegelt hat, für wie von der Muffe gepufft sie mich gerade hält. Hat ein bisschen gedauert, bis ich gemerkt habe, dass ich ihr zuhören sollte. Aber dann habe ich viel gelernt :lol: (aber nie ein Leckerli von ihr gekriegt :().


    Das ist einer meiner Knackpunkte: Den Hund anschauen und verstehen lernen, was er kann, was ihn hindert und was ihn bewegt. Und darauf das Training aufzubauen und die Konzepte und Erwartungen, die ich im Kopf habe, dem anzupassen, was ich vernünftigerweise vom Hund erwarten kann.


    Und neben allem Wissen, aller Theorie und aller Vorstellung von „so muss es aber sein“ mir selbst zuzuhören und zu entscheiden, was ich wichtig finde. Und diese ganzen „aber bis dahin sollte er doch ..., kann er immer noch nicht ...“ von Anderen als für mich irrelevant zu betrachten.


    Ach ja - die Anderen. Die haben andere Ideen, Prioritäten, Meinungen und Ansätze. Und Erwartungen. Auch an meine Hunde. Völlig zu recht übrigens, wenn meine Hunde ihre Freiheiten oder ihr Wohlfühlen tangieren (was nicht heißt, dass wir uns allem anpassen müssen, Interessenskonflikte sind im Miteinander immer da). Und dann gilts wertschätzend, höflich und mit Respekt vor und Verständnis für die Interessen des Anderen abzuwägen und zu handeln.


    Wenns aber darum geht, dass sie einfach aus Prinzip erwarten, dass mein Hund so ist, wie sie es halt erwarten - nun: Enttäuschte Erwartungen gehören auch zum Leben. Und da es nicht Meine sind, ist es auch nicht mein Problem.


    Was mir da unglaublich zur Gelassenheit hilft: Ich hab üblicherweise nicht das Bestreben, mich zu rechtfertigen, meinen Ansatz zu verteidigen, den Anderen zu belehren (es sei denn, jemand fragt) oder mit ihm „in den Ring zu steigen.“ Er hat seine Meinung, ich hab meine. Ist okay. Ich höre mir die Meinung an - so wertfrei wie möglich - und betrachte sie als Seine, nicht Meine.


    Wenn jemand dann nachhaken und mich partout überzeugen will, was schon selten ist, artikuliere ich genau das höflich. Wenn jemand höflich nicht versteht (noch viel seltener), äußere ich ein „ich möchte darüber nicht weiter diskutieren.“ Wenn das nicht reicht (ist in den letzten 5 Jahren einmal vorgekommen), dann lasse ich den Betreffenden stehen).


    Fürs Insgesamte gibts ein ganz nettes Konzept, nennt sich „Radikale Akzeptanz“. Was auch nicht heißt, dass man alles hinnimmt. Sondern dass man bei welchem Thema auch immer erstmal das akzeptiert, was ist. Und damit dann weiterarbeitet. Anstelle viel Energie auf den Ärger darüber, dass es ist, wie es ist, oder den Wunsch, es wäre anders, als es ist, zu verschwenden (Achtung: Kommarekord :lol:).

  • Mein Problem bei meinen eigenen Hunden ist eher zu viel Gelassenheit. Mir sind sie ehrlich gesagt noch nie wirklich auf die Nerven gegangen, auch wenn sie mich vollkreischen oder mit der Leine vierteilen wollen. Das ist keine gute Eigenschaft, denn sie führt zu verstärkter Disziplinlosigkeit.

  • Mein Problem bei meinen eigenen Hunden ist eher zu viel Gelassenheit. Mir sind sie ehrlich gesagt noch nie wirklich auf die Nerven gegangen, auch wenn sie mich vollkreischen oder mit der Leine vierteilen wollen. Das ist keine gute Eigenschaft, denn sie führt zu verstärkter Disziplinlosigkeit.

    Auch ein interessanter Blickwinkel ?. Ich wollte hier jedoch eher auf die Gelassenheit in der Erziehung eingehen. Für Punkte oder Probleme, bei welchen man sich selbst zu sehr unter Druck setzt. Wenn du beispielsweise ein in dein vorhandenen Augen vorhandenes Problem angehen würdest und es würde an der Umsetzung hapern, wie würdest du da gelassen bleiben, um am Ende doch auf das gewünschte Ergebnis zu kommen, auch wenn es mal Misserfolg gibt.... ?

  • Wenn ich nicht gelassen bin, dann weniger wegen der Hunde, sondern eher wegen irgendwas, das mir an dem Tag quer sitzt. Das mache ich mir bewusst, guck mir die beiden Knalltüten an und hab sie sofort wieder total lieb und dann ist alles bestens.

    Von meinen Hunden bin ich extrem selten genervt, die sind einfach klasse. Gelassenheit hat mich der Topi gelehrt, die blonde Katastrophe. Ein Jahr lang hatte ich bei Hunde-, Fahrrad-, Postauto-, Jogger-, wasauchimmer-Sichtung einen kreischenden, um sich hackenden blonden Wutbürger an der Leine hängen. Wenn man da nicht irgendwann an den Punkt kommt, wo einem das alles völlig egal ist, wird man irre oder schmeißt das Ehrenamt hin. Da das beides keine Optionen sind, habe ich mich dagegen entschieden und statt dessen gesungen. Denn wer singt, kann sich nicht aufregen. Dann stand ich halt mit dem explodierenden Blondling im Wald, hab die Leine festgehalten und ihm Lieder vorgesungen. Es empfiehlt sich hier "Lasse reden" von den Ärzten, "Wayne intressiert's" oder "I am what I am". "Verpiss dich!" geht auch, wenn mal wieder ein anderer Hundehalter es witzig findet, seinen pöbelnden Hund in drei Metern Entfernung stehen zu lassen, um sich das Schauspiel anzusehen. Topi hat mir wirklich sehr geholfen. Inzwischen ist es mir einfach egal.

    Gerade heute haben wir wieder mal den Typen getroffen, der seine beiden kleinen fiesen Wuschel immer ranstürmen und pöbeln und Scheinangriffe machen lässt. Okay, seit ich Spuk mal fürs Zurückmotzen belohnt habe, sind die Dinger wenigstens angeleint.

    Normalerweise kommen wir an denen locker und schweigend vorbei, aber heute hatte Spuk wohl einen schlechten Morgen und ich wusste, er wird antworten. Also habe ich ihm beim ersten Motzen ziemlich gelangweilt gesagt: "Benimm dich doch nicht so asozial.", Picard für Blickkontakt gefeiert und hab dann gewartet, bis Spuk mich wieder angucken konnte. Dafür gab es auch Kekse und so sind wir geordnet weitergekommen. Der Typ mit den Keif-Wuscheln nicht so, der musste leider an den Leinen rucken und "Aus!!!" rufen, er war wohl auch nicht begeistert, dass ich nicht direkt weiter bin, sondern gewartet habe, bis meine Jungs ihr Hirn wieder sortiert hatten, bevor ich weiter bin. Wenn ICH nicht das Gefühl habe, dass meine Hunde bereit sind, geh ich nicht weiter, da ist es mir auch egal, was andere HuHa von uns denken.

  • Ich schaue den Hund an und mache mir bewusst wie wertvoll er emotional für mich ist und wo wir herkommen vom Trainingsstand.

    Das hilft mir sehr auch negative Momente nicht so negativ zu betrachten wie sie sind. Mehr noch, oftmals kommt ein "Hm.. besser als vor zwei Jahren" bei raus :mrgreen-dance:


    Im Ernst, das Streben nach Perfektion ist der Tod aller Gelassenheit. Ich bin keine laissez-faire Hundeführerin, aber ich mache mir bewusst dass mein Hund ein Lebewesen mit guten und schlechten Tagen/Momenten ist, so wie ich auch. Und ich mache mir bewusst dass immer ich Schuld bin an negativen Situationen. Das hilft um dem Hund nicht zu grollen, was widerrum wichtig ist damit man aus dieser Negativspirale rauskommt.


    Wenn mal gar nichts mehr klappt, höre ich auf bzw. sitze die Situation (meist mit Kombination Ignorieren des Hundes) aus. Vorausgesetzt die Situation ist nicht gefährdend für andere Menschen/Lebewesen natürlich.


    Was mir hilft wenn ich wirklich "aufgeregt" bin sind mechanische, vertraute, eintönige Tätigkeiten. Bei mir wäre das z.B. Stricken. Da reichen 10min. um runterzukommen. Maschen zählen beruhigt. Oder - lacht nicht - ich schaue mir lustige Katzenvideos an. Oder Tierbaby Videos.

  • Das finde ich enorm wichtig:

    das Streben nach Perfektion ist der Tod aller Gelassenheit. Ich bin keine laissez-faire Hundeführerin, aber ich mache mir bewusst dass mein Hund ein Lebewesen mit guten und schlechten Tagen/Momenten ist, so wie ich auch.

    Hier gibt es ehrlich gesagt wenig, was mich wirklich nervt. Und wenn ich mal denke "hey Hund, muss das sein :muede:"?, ist der nächste Gedanke dann, dass ich es vielleicht auch mal was konsequenter trainieren sollte |). Bloß dass es mich an den meisten Tagen einfach nicht genug nervt dafür :rollsmile:. Ich trainiere wahnsinnig gerne mit den Hunden, aber eher so die Sachen, die Spaß machen :pfeif:. Können die Hunde ja nichts für, dass z.B. Leinenführigkeit, nicht auf Tischen stehen, anspringen oder irgendwas im Garten anbellen nicht dazu gehört :hust:. Also, es gibt schon Dinge, die mir wahnsinnig wichtig sind, da fällt mir z.B. Freilauf ein, ohne dass sie sich oder andere gefährden (und auch möglichst ohne andere zu belästigen). Da ist für mich aber dann halt auch der Druck hinter, das wirklich erreichen zu wollen. Und ich hab kein Problem damit, sie situativ dann halt doch anzuleinen. Was sie noch nicht leisten können, auch kein Problem. Und sonst an sich nur, dass sie möglichst entspannt mit Umweltreizen umgehen (also selbst sich nicht groß gestresst fühlen), halt den Alltag entspannt leben. Fast alles andere ist mir relativ egal. Und auch egal, ob andere Menschen meine Hunde deswegen als unerzogen ansehen.

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