Hilfe! Fehlgeleitetes Jagdverhalten

  • Hallo liebe Hundebesitzer,



    ich hoffe, dass ich mit meinem Beitrag nicht angefeindet werde, sondern ernsthaft gemeinte Tipps erhalte.



    Bruno, ein Labrador-Mix, ist 16 Monate alt, dementsprechend derzeit ein wenig pubertär und noch sehr stürmisch, aber ein äußerst liebenswürdiger Kerl, der sich sowohl gegenüber Menschen als auch Artgenossen stets freundlich und aufgeschlossen zeigt. Er spielt für sein Leben gerne mit anderen Hunden, dabei spielt es keine Rolle, ob Rüde oder Hündin – Dominanzverhalten gegenüber anderen Rüden kennen wir nicht, er ist wirklich sehr gut sozial verträglich und meist recht unterwürfig. So aber jetzt zum Problem, welches so gravierend ist, dass es mich schon viele Tränen gekostet hat:



    Seit einigen Monaten zeigt Bruno ein fehlgeleitetes Beutefangverhalten. Dabei hat er normalerweise keinen sonderlich ausgeprägten Jagdtrieb. Wenn wir im Wald unterwegs sind, interessiert er sich allerhöchstens mal für ein schnell hoppelndes Kaninchen, andere Wildtiere oder Fährten sind ihm egal. Er konzentriert sich eigentlich hauptsächlich darauf, andere Hunde zu finden und diese zum Spiel zu animieren. Vor etwa drei Monaten jedoch löste sich Bruno ganz plötzlich aus dem Spiel mit einem Hundefreund und rannte wie besessen auf einen kleinen Zwergpudel zu, den er zuerst „überrannte“ und dann auf eine eigenartig spielerische Art provozierte. Ich schrie nach Bruno und rannte, weil die Situation zu eskalieren drohte, so schnell ich konnte. Aber mein Hund verfiel sich regelrecht in einen Rausch – er packte den Zwergpudel und schüttelte ihn. Meiner Meinung ist das nach ein Verhalten, das eigentlich dazu dient Beute zu erlegen. Er ließ den Hund immer wieder kurz los und packte ihn dann erneut, sobald dieser wegrannte und quietschte – es schien beinahe so, als animierte ihn das Quietschen und Rennen zum weiteren Jagen! Sowohl die andere Hundebesitzerin und ich taten mit Leibeskräften alles, um die Hunde einzufangen, was sich als schwierig herausstellte, da sie immer wieder wegrannten und Bruno in seinem Rausch einfach nicht hörte! Kein Abbruchsignal half mehr. Das Szenario endete mit einer ausgekugelten Hüfte und einer gebrochenen Rippe für den kleinen Hund und mit vielen Tränen für mich. Ich war regelrecht geschockt – von der anderen Hundebesitzerin ganz zu schweigen. Noch nie hatte Bruno vorher ein solches Verhalten gezeigt.



    Einige Zeit lang ließ ich Bruno gar nicht mehr von der Leine, weder im Park noch in offiziellen Hundeauslaufgebieten. Irgendwann legte sich die Angst, Bruno war wie immer gut abrufbar, auch wenn kleinere Hunde in der Nähe waren. Einige Wochen später war ich mit ihm in einem Hundefreilauf. Er spielte wie immer freundlich, bis sehr unerwartet ein Chihuaha das Areal betrat... dasselbe Szenario. Ich möchte es nicht weiter ausführen, da treibt es mir regelrecht die Tränen in die Augen. Seither trägt Bruno einen Maulkorb, wenn er im Wald oder Park von der Leine gelassen wird, was mir Leid tut, aber Sicherheit geht vor.


    Auch dann zeigt Bruno aber auch ein jagdverhalten, das sich auf kleine Hunde beschränkt, er rennt auf sie zu, überrennt sie immer wieder und findet es lustig (er zeigt dabei regelrecht Freude!) wenn diese quietschen und weglaufen. Nun könnte man sagen, ich solle meinen Hund an der Leine lassen und derzeit behalte ich ihn auch meist an der Leine, es sei denn wir sind im Urlaub in den Bergen, wo kein Mensch weit und breit ist.



    Das Verhalten bestürzt mich und ich habe diesbezüglich Hundetrainer kontaktiert und mich viel belesen. Schlauer bin ich jetzt nicht, weil einem oft nur erklärt wird, WARUM sich so ein Verhalten zeigt. Das ist zwar wichtig, mir fehlen aber praktische Tipps zum Üben. Nun ist es so, dass sich solche Situationen ja nur schwer reproduzieren lassen, schließlich soll kein kleiner Hund in Gefahr gebracht bzw. dem Risiko ausgesetzt werden. Also hat ein Hundetrainer mit einer Reizangel aus Fell geübt, die quietschende Geräusche von sich gab. Das hat Bruno nicht interessiert. Er zeigt das Verhalten auch nicht bei allen kleinen Hunden. Nur bei wirklich sehr kleinen, die zudem sehr aktiv oder hektisch oder vielleicht auch laut sind. Das animiert ihn zur Jagd. Ist der kleine Hund noch weit genug entfernt (100 m etwa) fixiert Bruno diesen zwar, lässt sich aber sehr gut abrufen, so dass ich ihn vorsorglich an die Leine nehmen kann.



    Ich bin traurig, dass mein Hund durch einen (vielleicht Erziehungsfehler??) nun nicht mehr die Möglichkeit hat zu toben und zu rennen, wie es eigentlich sein sollte. Dabei ist er ein unglaublich freundlicher Hund, ich versichere, er zeigt keinerlei Aggressionen – auch während des beschriebenen Verhaltens zeigt er eher Freude am Mobbing (so schlimm das klingen mag).



    Ich bin so verzweifelt, dass ich mich freue, wenn ihr Tipps habt oder aber evtl. ähnliche Erfahrungen gemacht habt, aus denen ihr bestimmte Dinge lernen konntet. Entschuldigt den langen Roman.


    Liebe Grüße

    Tinka

    P.S.: Bruno hat einen Kastrationschip, zeigte dieses Verhalten aber sowohl mit als auch ohne chemischer Kastration. Allgemein glaube ich ohnehin nicht, dass ein solches fehlgeleitetes Beutefangverhalten mit dem Sexualtrieb zusammenhängt. Wollte das mit der Kastration nur als Info anmerken.

  • Als Kleinhundehalterin muss ich ehrlich sagen, ich bin schockiert, dass der Hund dieses Verhalten schon mehrfach zeigen konnte! Nicht auszudenken, wenn das mal tödlich ausgeht... Sichern ist da ein absolutes Muss. Das beschriebene Verhalten liest sich für mich sehr extrem, da würde ich persönlich den Hund wohl tatsächlich immer angeleint ausführen und für Freilauf zB ein eingezäuntes Areal mieten.

  • Hallo,

    das liest sich ja wirklich sehr dramatisch und Dir hier im Forum einen Tipp zu geben, wäre in meinen Augen fahrlässig.

    Du brauchst einen guten Trainer, der das Verhalten Deines Hundes richtig einschätzen kann, denn dazu fehlt Dir (nicht böse gemeint) der "Blickwinkel" Ginge mir sicher nicht anders.


    Es ist eindeutig Jagdverhalten, was in eine falsche Richtung geht und Dein Hund sollte, bis sich ein Trainer dieses Verhalten angesehen hat, an der Leine bleiben, bevor etwas wirklich schlimmes passiert


    EDIT:

    Nein, das hat nichts mit dem Sexualtrieb zu tun

  • Daran zu arbeiten wird halt echt schwer, wenn er es wirklich nur bei wenigen kleinem Hunden zeigt und sich sonst nicht so hochfahren laesst.

    Der typische Weg waere massiv an der Impulskontrolle, seinem Hochfahren und auch am Gehorsam arbeiten, so das er auch in Situationen, in denen er viel zu hoch faehrt nicht sofort losrennt und eben (ueber den Gehorsam) auch zu stoppen ist.


    MK ist gut zur Sicherung. Aber je nach Material kann das einen Zwerg halt dennoch das Leben kosten.

    Ich wuerd schauen, dass ich einen Trainer finde der sich mit fehlgeleitetem Beutefangverhalten auskennt und bis dahin waere der Hund bei mir angeleint. Ausser ich bin zu 100% sicher, dass kein kleiner Hund auftaucht.

  • Ich kann mich nur anschliessen - Du und Dein Hund gehören in die Hände eines guten Trainers.

    Es fällt mir schwer, mir vorzustellen, dass Dich bereits mehrere (?) Trainer quasi haben im Regen stehen lassen - hast Du die nur telefonisch kontaktiert oder haben die Euch gesehen?


    Bis dahin MUSS gelten, dass Dein Hund nicht mehr von der Leine kommt. Das ist einfach so. Nur Maulkorb im Freilauf bietet den Kleinst-Hunden keine Sicherheit, ein Überrennen genügt bereits für schwere bis tödliche Verletzungen.

    Einen dritten Vorfall darf es einfach nicht geben.

  • Uff, das ist wirklich heftig.


    Ich finde es schon mal gut, dass er einen Maulkorb trägt, dann kann er zumindest nicht zupacken. Wobei er den Kleinhunden körperlich trotzdem haushoch überlegen und damit gefährlich ist.


    Einen Trainer halte ich auch für unerlässlich, aber sehe auch die Schwierigkeit diese Situationen realistisch nachzustellen. Aber versuchen würde ich es.


    Anyway, Du musst ihn sichern, Schleppleine dran und nur noch allein in eingezäunten Bereichen laufen lassen. Oder auf sehr gut überschaubaren Feldern und ihn sofort anleinen, wenn sich ein anderer Hund nähert. Aber ich hätte glaube ich das Vertrauen verloren, zumal es schon mehr als einmal vorgekommen ist und würde (aktuell) auf Freilauf verzichten. Und dann mal sehen, was der Trainer sagt.


    Alles Gute.

  • Danke für all eure Beiträge in so kurzer Zeit. Ich dachte mir schon, dass dies - vor allem für Hundebesitzer von kleinen Hunden - nicht einfach ist zu lesen, daher meine Einleitung, dass ich hoffe, damit nicht angefeindet zu werden..


    Das Verhalten ist zweimal aufgetaucht, nach dem ersten Mal hatte ich ihn ja einige Wochen an der Leine, ging aber davon aus, dass es einfach gegen den einen Hund gerichtet war, nicht auf kleine Hunde generell. Das Verhalten kam ja wirklich über Nacht. Daher kam es dann leider zu dem zweiten Vorfall im Hundefreilaufgebiet.


    Wie ihr schon richtig sagt: Bruno bleibt nun an der Leine, was traurig ist, da er ein junger und sehr aktiver Hund ist, aber Sicherheit geht immer vor. Natürlich erhoffe ich mir aber (irgendwann!), dass auch Bruno mal wieder frei rennen darf - sei es im Wald oder Hundefreilaufgebiet, eingezäunt oder nicht. Ich weiß nicht, ob das möglich sein wird, hoffe es jedoch sehr - daher auch mein Beitrag hier:)


    Danke jedenfalls für die bisherigen Beiträge und Ceri05 ich komme aus Berlin, vielleicht hast du da Tipps?

  • Wow, ich bin auch wirklich schockiert... Mein Eltern haben auch Kleinhunde... Der Hund gehört an die Leine. Und zwar dauerhaft. Auch mit einem Maulkorb drauf kann er einen Kleinhund bei so einer "Aktion" lebensgefährlich verletzen...


    Meines Erachtens gehört der Hund einfach erzogen und grundlegend anders geführt. Und mit "erzogen" meine ich jetzt nicht, dass er Sitz und Platz kann...


    Der "Spaß" ist jetzt vorbei... Atmen darf er noch ohne Erlaubnis, das war's...


    Für mich liest es sich so, als wäre der Hund einfach außer Rand und Band. Er braucht jemand, der ihm klare Strukturen vorgibt...


    Wenn der Hund noch nicht rassetypisch beschäftigt wird, würde ich jetzt schauen, dass er wieder klar im Kopf wird und dann schleunigst damit anfangen.


    Und nein, fehlgeleitetes Beutefangverhalten hat nichts mit dem Sexualtrieb zu tun. Wieso wurde er denn überhaupt gechippt mit nicht einmal 1,5 Jahren?

  • Ich finde super, dass Du das Verhalten Deines Hundes erkennst und managest. Und auch, dass Du nicht sagst "er spielt wild", sondern dass Du es richtig einschätzt, auch, wenn es wohl echt weh tut.


    Ich drücke die Daumen, dass Du einen guten Trainer vor Ort findest.

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