Wesensfest/gutes Wesen - was heißt das?
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Ich denke, Wesensfestigkeit ist in einem gewissen Maße Charaktersache. Mit Erziehung kann man das Verhalten lenken und bestimmte Verhaltensweisen festigen. Aber der Grundcharakter bleibt.
Meine Staffihündin hatte eine ganz schlechte Kindheit, wurde sogar misshandelt. Lebte dann lange 4 Jahre mit ihrer Freundin als Wachhund auf einem Grundstück mit regelmäßigem Menschenkontakt, aber als Hofhund.
Dann kam sie zu uns. Nach etwas Eingewöhnung war dieser Hund einfach nur der entspannteste und freundlichste Hund. Da konnte 3 Kleinkinder drauf liegen, sie war entspannt. Wenn ihr mal was zu viel wurde, zog sie sich zurück. Sie war nur zwei mal überhaupt unsicher/aggressiv, nämlich als sie meinte uns beschützen zu müssen. Aber auch da ließ sie sich sofort abbrechen.
Wer den Hund so kannte, hätte ihr jede Wesensfestigkeit bescheinigt. Sie hatte Angst vor Feuerwerk, Schüssen und mochte keine anderen Hunde. Aber sonst?Wenn das alles nur Prägung wäre, dann hätte es diesen Hund so gar nicht geben dürfen...
Für mich ist Wesensfestigkeit vor allem eine Frage der Berechenbarkeit und der positiven Grundhaltung, die auch dann erhalten bleibt, wenn der Hund selbständig ein Problem lösen muss.
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Um an @Hummels und @flying-paws sehr gute Beiträge anzuknüpfen: Ich denke, man darf nicht den Fehler machen und das Wesen oder eben den Charakter als absolut und gegeben zu betrachten - oder wie die griechischen Philosophen sagten: 'Panta rhei', alles fliesst. Persönlichkeiten ändern sich, auch wenn gewisse Tendenzen oft erhalten bleiben. Das sieht man sowohl beim Menschen wie auch beim Hund besonders stark, wenn die Umwelt oder die Lebensbedingungen sich plötzlich drastisch verändern.
Aber auch das Alter spielt eine wichtige Rolle: wer in der Jugend ein Leinenpöbler und Pistenrowdy war, kann im zweiten Lebensabschnitt durchaus zum gelassenen, umgänglichen und souveränen Verlasshund werden. Mein Grosser ist dafür das beste Beispiel.
Insofern sollten Wesenstests für Rassehunde systematisch und wiederholt in verschiedenen Altersklassen durchgeführt werden um längerfristig aussagekräftig zu sein und ein deutlicheres Bild des Charakters eines Hundes zu zeigen.
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Meinem Opa bescheinige ich mal ein absolut gutes Wesen und Wesensfestigkeit.
Egal was man mit ihm macht- Beagletreffen, Stadt-Fotoshooting, Kindergeburtstag,
Reitturnier, Tierheimfest, Zoobesuch, Restaurant - er ist ein Fels in der Brandung. Hockt sich im dicksten Trubel hin und guckt allenfalls interessiert.
Auch Wild bringt ihn nicht sonderlich in Wallung, gucken -fertig.
Er reagiert nicht wenn er angepöbelt wird, er flippt auch nicht auf freudige Art
aus wenn er einen anderen Hund sieht. Ansprechbar ist er immer, wenn ich
zb mit ihm Trickse ist es ihm egal, ob das auf der Domplatte oder im Wohnzimmer passiert. Menschen mag er eigentlich alle, anfassen darf ihn jeder, besonders Kinder liebt er. Da macht es auch nichts, wenn die angerast kommen und quietschend vor ihm auf die Knie fallen. Ich kann ihm bisher absolut vertrauen. -
Für mein Verständnis wird beim Thema "Wesensfestigkeit" einfach sehr viel durcheinander geworfen. Das Verhalten eines Lebewesens ist nunmal immer die Summe von Genetik und Erfahrung.
Trotzdem sollte man, gerade im Hinblick auf Zucht, nicht den Fehler machen alles nur mit Erfahrungen zu entschuldigen. Da kann z.B. Aufzucht etc noch so toll sein, wenn im Grundgerüst etwas nicht stimmt, dann reisst es das auch nicht mehr raus. Selbst das beste Haus stürzt ein, wenn das Fundament nicht stimmt.Für mich ist ein Wesensfester Hund einer, der ein gewisses Maß an Stabilität mit bringt. Der keine unbegründeten oder übertriebenen Ängste hat, der bei Änderungen in seinem Umfeld nicht direkt erstmal fertig und hysterisch ist. Ein Hund der nicht kopflos reagiert, weil er sich mal erschreckt.
Was für mich z.B. nicht per se etwas mit Wesensfestigkeit zu tun hat sind Situationen wie sie im Thread schon beschrieben wurden, in denen der Hund Grenzüberschreitungen tolerieren muss.
In Sport und Zucht ist das im Gebrauchshundebereich zeitweise ein heisses Eisen über das viel diskutiert wird. Vor nicht allzu langer Zeit war ein guter Hund, wenn er sich nicht einfach von Fremden hat anfassen lassen und viele Privatleute hatten das (nebst Futterverweigerung) auch als erklärtes Ziel.
Heute heisst das ganze Wesensüberprüfung mit dem Hinweis, ein wesensfester Hund muss sich das gefallen lassen.Damit wir uns richtig verstehen, ich vertrete die Meinung, dass ein Hund den ich auf einer Prüfung oder Körung vorstellen möchte so viel Gehorsam haben sollte, dass ich schlicht und ergreifend von ihm verlangen kann das er sich den Chip jetzt ohne weiteren Nahkampf auslesen lässt. Das ist für mich aber vorwiegend eine Sache von Erziehung und Gehorsam und keine des Wesens, auch wenn es natürlich auch Hunde gibt die da aus Wesensmängeln heraus (Angst) so reagieren. Ein Hund der beim unterschreiten seiner Individualdistanz erstmal blöd wird, hat aber noch lange nicht automatisch einen Wesensmangel.
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Wesensfest heißt für mich:
Klar im Kopf, kein Hyperventilieren, Anlage zur Selbstkontrolle und die Eigenschaft mitbringend, auch in neuen, unbekannten Situationen nicht kopflos zu werden und die Fähigkeit zu haben, sich gut darauf einzustellen. -
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Das ist ja einiges zusammengekommen über den Tag! Ich find auch, die meisten Definitionen gleichen sich ja so ungefähr.
Das Problem ist, dass man es nicht wirklich auseinander dröseln kann. Jeder Hund greift zu 100% auf seine Veranlagung (ich will das gar nicht auf die Gene reduzieren, denn nach neuesten Erkenntnissen der Epigenetik gibt es ja auch eine Vererbung jenseits der Gene) zurück und zu 100% auf seine Erfahrungen - also Erlerntes.
Ich habe ja schon einige Pflegehunde und Urlaubshunde bei mir gehabt. Unter anderem auch welche, die ich samt ihrer ganzen Probleme vorher kannte. Bei mir waren sie sofort anders.
Die meisten Hunde reagieren sehr stark auf das Äußere, auf die Umstände, in denen sie leben, auf ihre Besitzer, das Umfeld. Und sie zeigen sich auch entsprechend. In vielen Fällen auch rasstypische und daher (in der Arbeitssituation) erwünschtes Verhalten! Ich habe ja immer wieder auch mit verzweifelten Hundebesitzern zu tun, deren Hunde sich in irgendeiner Weise Extrem verhalten. Es ist faszinierend wie sich das verändert, wenn man deren Verhalten ändert und sie ihre Trainingstechniken bei der Erziehung ändern.
Nichtsdestotrotz sehe ich ja bei meinen eigenen Würfen, dass die Zwerge mit den selben Situationen unterschiedlich umgehen. Wie sich das entwickelt, hängt aber wirklich ganz maßgeblich auch vom neuen Zuhause und Besitzer ab.
Du hast natürlich Recht, dass man es nie ganz genau sagen kann was Wesen und was Aufzucht und Erziehung ist.
Aber es ist schon bezeichnend, wenn zum Beispiel aus einem Wurf manche Welpen mit 8 Wochen ins neue Zuhause ziehen, manche mit 12 Wochen und manche erst mit nem halben Jahr und trotzdem haben sie als Erwachsene alle ähnliche Tendenzen vom Wesen her (aufgeschlossen/reserviert zu Fremden, verträglich/unverträglich mit gleichgeschlechtlichen Hunden, Geräuschangst/keine Geräuschangst...).
[...]
Die Widerstandskraft von Hunden gegenüber widrigen Lebensbedingungen kann sich sehr unterschiedlich zeigen. Ein "wesensfester" Hund schafft es, entweder eine Möglichkeit zu finden, ungünstige Lebensbedingungen zu kompensieren, oder er kann bei Beendigung dieser schnell wieder zu (seinem) angeborenen Normalzustand zurückkehren. Das läßt sich häufig bei Hunden aus schlechter Haltung beobachten: miese Sozialisierung sollte sie fürs Leben verdorben haben, aber manche schaffen es in erstaunlich kurzer Zeit, diese negativen Erfahrungen hinter sich zu lassen und sich ganz anders zu zeigen. Wenn es ein Rassehund ist, bei dem bestimmte Charakterzüge familiär oder rassebezogen erwartet werden können, ist das natürlich besonders auffällig.
Bei Hunden in optimaler Haltung finde ich es schwieriger, Wesensfestigkeit festzustellen. Erst bei der Bewältigung von Konfliktsituationen zeigt sich, ob diese Resilienz da ist, oder ob bisher die geschützte "Treibhaushaltung" nur den Anschein von Wesensfestigkeit erzeugt hat.
[...]Da kann ich nur zustimmen - manche Hunde erleben schlechtes oder haben eine weniger als optimale Aufzucht und trotzdem werden sie zu unauffälligen, verhaltensnormalen Erwachsenen oder lassen sich mit wenig Aufwand wieder gradebiegen.
Andere wachsen unter eigentlich optimalen Bedingungen auf und sind unauffällig und stabil - vielleicht wirklich und wahrhaftig, vielleicht auch nur so lange, bis es richtig stressig wird, wissen tut man es erst, wenn man den Hund mal einer Konfliktsituation ausgesetzt hat.
Und wieder andere wachsen normal bis sehr gut auf und haben trotzdem nen Lattenschuss, mal ganz platt gesagt.
Genau das (und sonst nichts) fällt für mich unter "wesensfest".
Alles andere, was hier so beschrieben wird "ansprechbar für den Halter", "Apportieren", "lässt sich vom Halter was sagen", "Bindungsverhalten" sind für mich rassespezifische Eigenheiten oder Erziehungsangelegenheiten.
Wesensfest ist nach meiner Definition angeboren.
"Ansprechbar für den Halter/lässt sich was sagen" ist was, was für mich persönlich da doch zugehört.
Damit meine ich nicht, dass der Hund stets auf Kommandos zu hören hat, um Gottes Willen.
Schon eher, dass er auch in stressigen Situationen nicht total abdreht und dann nicht mehr erreichbar ist. Wenn er sich so in Stress reinsteigert, dass er nicht mehr aufnahmebereit ist für alle anderen Umweltreize einschließlich dem Halter, das ist für mich nicht wesensfest.Also eigentlich genau das, was Hummel auch sagte - er soll trotz Stress noch denken können.
Dann ist er ja idR auch ansprechbar.Mit Gino habe ich gemacht, mit Tim geübt. [...]
Das bringt es finde ich ganz wunderbar auf den Punkt. Mit einem wesensfesten Hund kann man fast alles was der Alltag so bringt und auch manche nicht alltäglichen Sachen einfach so machen, ohne sich nen Kopf machen zu müssen ob das, wie du schon gesagt hast, "zu viel, zu laut, zu eng..." für ihn ist und ohne es vorher geübt zu haben.
Den Unterschied merkt man sehr deutlich, wenn man mal beides hatte.
Objektiv überprüfbar ist das natürlich wirklich schwer, da man ja in Wesenstests eben meistens bekannte und daher trainierbare Aufgaben hat und da man nunmal kein unbeschriebenes Blatt testet, sondern einen Hund in den uU schon eine intensive Sozialisation und viel Training gesteckt wurde bis er genauso souverän reagiert wie ein anderer, der nur minimal sozialisiert wurde und vorher nicht geübt hat.
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Mit Gino habe ich gemacht, mit Tim geübt.
Das ist wirklich toll auf den Punkt gebracht.
Solange ich als HH nicht ganz entspannt sein kann, sondern immer/meistens/oft ein Auge auf den Hund haben muss, solange ist da noch Erziehungsbedarf. -
Das ist wirklich toll auf den Punkt gebracht.
Ja, mir hat der Satz auch sehr gut gefallen :-)
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"Ansprechbar für den Halter/lässt sich was sagen" ist was, was für mich persönlich da doch zugehört.
Damit meine ich nicht, dass der Hund stets auf Kommandos zu hören hat, um Gottes Willen.
Schon eher, dass er auch in stressigen Situationen nicht total abdreht und dann nicht mehr erreichbar ist. Wenn er sich so in Stress reinsteigert, dass er nicht mehr aufnahmebereit ist für alle anderen Umweltreize einschließlich dem Halter, das ist für mich nicht wesensfest.Okay. Das hatte ich falsch verstanden. Ich dachte, Du meintest Kommandos und das würde recht autark agierende Hunde ausschließen.
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Aber wenn ein Hund blinde Panik (von der Sorte wo sie vom Balkon springen oder sich durch 3 cm dicke solide Holztüren arbeiten oder die Amaturen aus der Wand reißen... hab ich alles schon gesehen und das ist weder für den Hund noch für den Halter ein tragbarer Zustand) vor irgendwas hat ohne jemals schlechte Erfahrungen gemacht zu haben, dann ist das für mich ein Wesensfehler der mindestens ebenso schwerwiegend ist wie ne D-Hüfte und damit absolut zuchtausschließend.
Okay, bei "hat Angst vor XYZ" denke ich jetzt nicht an Hunde die so durchdrehen vor Panik das sie so extrem reagieren.
Denn sowas hat in meinen Augen eben keine Angst mehr, sondern blinde Panik.Für mich ist Hamiltons Silvesterangst schon anstrengend, weil ich mit Arren halt nen Hund habe der Feuerwerk klasse findet. Und zwar richtig klasse!
Der hat eigentlich nie Angst, höchstens mal etwas Scheu, mit dem hab ich nie was geübt, der kam und kommt einfach mit und gut ist. Aber wieviel davon ist wesensfest? Ich denke nämlich das der Kleine einfach vieles garnicht so checkt mit seinen 4 Hirnzellen.rasseübergreifend stabilen, gefestigten Hund beschreiben. Ein Hund der in keine Richtung extrem reagiert,
Für viele Menschen ist ein Mali in seinen Reaktionen einfach extrem.
Oder der Border.
Oder der Pinscher.
Einfach weil sie die Reaktionsfähigkeit so nicht kennen.
Darum eben nicht rasseübergreifend, sondern immer mit der Rasse im Blick. -
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