Hallo ihr Lieben,
lange habe ich überlegt, ob ich diesen Thread schreiben soll. Heute tu ichs, denn ich muss auch mal ein bisschen meinen Kummer rauslassen. Im örtlichen Tierheim und im Tierheim meines Vertrauens sind in den letzten Wochen mal wieder viele Hundesenioren aufgeschlagen - abgegeben wegen Auswanderung, abgegeben wegen Inkontinenz, abgegeben weil man den Bedürfnissen des alten Tieres nicht mehr gerecht werden kann.
Hinzu kommen beinahe wöchentlich Hunde, die gemeinsam mit ihrem Menschen alt wurden und nun verwitwet oder verwaist sind, weil ihre Menschen starben oder ins Pflegeheim mussten. Nur ganz selten finden sich Familienangehörige und Freunde, die den Hund nehmen können oder wollen.
Es gibt viele Hundesenioren, die pfötchenringend ein neues Zuhause suchen.
Spricht man den durchschnittlichen Tierheimbesucher auf die Möglichkeit eines Hundeseniors an, wird man mit vielen Vorurteilen aber auch berechtigten Ängsten konfrontiert. Hundesenioren haben eine erhöhte Pflegebedürftigkeit und brauchen nicht selten Medikamente. Hundesenioren hören und sehen nicht mehr so gut und in ein paar Jahren landet bestimmt auch mal etwas dort, wo es hingehört. Hundesenioren bleiben nicht mehr so lange auf der Erde wie ein Welpe. Hundesenioren sind für viele Menschen nicht mehr so hübsch wie ein Welpe.
Wer schonmal in das wunderschöne Gesicht eines ergrauten Hundeseniors geschaut und sich über die vielen langen Altershaare gewundert hat, weiß, dass das letzte Argument offensichtlich nur von Menschen stammen kann, die selbst noch viel schlechter sehen als der blindeste Hundesenior.
Herr Leon, als Hundesenior mit spanischem Migrationshintergrund feuerte er bei der WM seinen Lieblingsspieler Mario Gomez an - sehr zum Leidwesen seiner anti-bayrischen Menschen.
Nur ganz selten machen sich die zukünftigen Hundebesitzer bewusst, dass ein Hundesenior auch viele Vorteile mitbringt:
Hundesenioren - davon ausgehend, dass man die Tierpfleger nach einem unkomplizierten Exemplar fragt und nicht den durchgedrehten JRT-Opa (der auch im hohen Alter noch als pupertierender Junghund durchgeht) aus Zwinger 1 wählt - bringen viel Souveränität und Würde mit. Hundesenioren kennen bestimmte Lebensumstände vielleicht schon aus ihrem Vorleben und finden sich unter ähnlichen Bedingungen leichter zurecht - beispielsweise wenn sie stundenweise allein bleiben können. Hundesenioren müssen nicht mehr mit ganztägigen Sportolympiaden oder Agility bespaßt werden - Abenteuerspaziergänge reichen.
Herr Leon, zehneinhalbjährig als Angsthund bei uns eingezogen, auf einem seiner Abenteuerspaziergänge!
Hundesenioren passen ganz hervorragend zu jungen Menschen - wir wurden beispielsweise im August 2009 von einem Hundeopa adoptiert. Da wir Beide berufstätig sind war ein junger Hund undenkbar - die Zeit zur Auslastung fehlt. Unser Hundeopa fand, dass ihm die verfügbare Zeit völlig ausreicht und tauschte seinen Betonzwinger gegen unser Sofa. Klar, auch für einen Hundeopa muss man als berufstätiges Paar täglich einen Zeitspagat machen, Gassigänger und Freunde organisieren ... aber eben alles mit einer Prise von Entspannung, weil meist macht Hundeopa der mittäglichen Spaziermöglichkeit unmissverständlich klar, dass er eigentlich gerade Mittagsschlaf halten will. Hundeopa ist glücklich, wenn er zwei große Runden am Tag drehen und am Wochenende einen tollen Ausflug mit Abenteuerspaziergang machen darf ... mehr braucht Hundeopa nicht. Hundeopa kann auch mal alleine bleiben, weil er sowieso sehr viel schlafen muss.
Hundeopa kam mit einer gehörigen Autophobie zu uns und kannte nur ein einziges Kommand, Pfötchen. Innerhalb von wenigen Monaten entwickelte er sich zu einem begeisterten Beifahrer und im kommenden Sommer will er sich BH-zertifizieren lassen - als Begleitopa.
Herr Leon beim Seniorensport
Insgesamt sind uns durch die Adoption eines alten Hundes wesentlich mehr Vor- als Nachteile entstanden. Auch unabhängig vom moralischen Aspekt der vierpfotigen Seniorenförderung glauben wir daran, dass auch ein alter Hund eine gute Wahl sein kann - natürlich ist aber auch hier eine wohlüberlegte Entscheidung und Prüfung vonnöten, ist ja klar.
Ich möchte am Beispiel unseres Hundeopas nochmal auf die eingangs erwähnte Befürchtung der Pflegeintensität zurückkommen. In den eineinhalb Jahren die der alte Herr bei uns lebt vielen Kosten für insgesamt vier Operationen an - altersbedingte Zahnsanierungen und eine Entfernung von tumorösen Wucherungen, Kastration wg. Postratawachstums und Dammbruchgefahr sowie eine Härnie.
In allen Fällen war unsere Tierklinik sicher, dass es sich um Gesundheitsprobleme handelt, die nicht ausschließlich altersbedingt sondern allerhöchstens altersbedingt verschlimmert waren. Allerhöchstens die Zahnsanierungen können dem Alter zugeschrieben werden - der Kostenpunkt hierfür liegt bei ~ 800 EUR. Hierfür wäre allerhöchstens ein kleiner Ski-Urlaub für 2 Personen rausgesprungen, den wir aber sowieso nicht mehr brauchen, weil es dank dem alten Herrn ja Zuhause am Schönsten ist. Dito für den Karibikurlaub, den man von den Gesamtkosten hätte machen können.
Die monatlichen Mehrkosten, die durch sein Alter entstehen, belaufen sich auf Schmerzmittel und zusätzlichen Magenschutz sowie einige Nahrungsergänzungsmittel - grob überschlagen max. 25 EUR im Monat an Mehrkosten.
Herr Leon, der sich immer neue Stöckchen-Spiele ausdenkt, um seinen Menschen den Balkonien-Urlaub zu versüßen
Wir waren aber nicht in der Karibik, wir waren zu Hause, wo wir von unserem alten Herrn verwöhnt wurden - mit Aufmerksamkeit, Lernbereitschaft und Vertrauen.
Wir hatten uns für einen Baustellen-Senior entschieden (es gibt auch unzählige unkomplizierte Senioren, die auf ein Zuhause warten!) und die altersbedingte Ruhe hat uns im Training sehr oft unterstützt. Auch die vielen Dinge, die er aus seinem Vorleben vielleicht doch schon kannte, waren oft nicht unhilfreich.
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Herr Leon, zehneinhalbjährig, zwei Monate nach seinem Einzug
Wir - Herr Leon und ich - möchten letztlich nicht missionieren.
Wir finden, dass jede Hundewahl aus der seriösen Zucht oder dem seriösen In- und Auslandstierschutz absolut gleichberechtigt ist. Es ist nicht besser oder schlechter einen alten Hund aus dem Tierheim oder einen jungend Hund vom seriösen Wahlzüchter zu adoptieren.
Wir möchten nur noch einmal auf die Möglichkeit der vielen Hundesenioren aufmerksam machen, die im In- und Ausland pfötchenringend auf ein Zuhause warten - weil wir glauben, dass diese wunderbaren grauen Schnauzen oft aufgrund von fehlender Bewußtmachung übersehen oder aufgrund von falschen Vorurteilen abgelehnt werden.
Habt ein Herz für alte Hunde - vielleicht ist das auch Euer Weg!
Herr Leon, noch im Tierheim
Ich habe einen Hundeopa gefunden, der für alle Zeit MEIN Hund bleiben wird. Ein Hund, den man trotz seiner teils tragischen Vorgeschichte in jedes Restaurant mitnehmen kann, der sich überall zu benehmen weiß und schon mehrere Hundegegner um die allerkleinste Kralle gewickelt hat - eben WEIL er so ein unglaublich cooler alter Herr ist (wie Bruce Willis).
Wenn ihr Euch trotzdem für einen jungen Hund entscheidet - genauso super! - mir geht es einfach nur um die Bewußtmachung dieser weiteren Möglichkeit.
Besonders für Anfänger
Liebe Grüße,
Euer Herr Leon und sein Känguruh
Herr Leon nach dem Stöckchenspiel.