Hier wird immer darüber gesprochen, ob die TS einen Hund anschaffen sollte. Aber aus der Warte des Hundes wird das selten betrachtet.
Normalerweise ist es doch so, daß ICH meinem Hund Stabilität und Sicherheit geben sollte. Daß ICH für den Hund da bin. Daß der Hund im Alltag entspannen kann, es sei denn, er arbeitet gerade gezielt. Zum Beispiel als Therapiehund mit einer bestimmten Aufgabe (zB draußen Fremde abschirmen von mir). Oder als ausgebildeter PTBS-Begleithund.
In der Rettungshundearbeit (damit habe ICH meine Erfahrungen, daher dieses Beispiel, auch wenns nicht mit Depressionen in Verbindung steht, sonder eher mit dem Thema Arbeit des Hundes!) macht der Hund eine Suche, dann ist er platt. Vielleicht ne Stunde, wenns hochkommt. Je nach Umweltbedingungen und Fläche, die er absucht. Und wenn am nächsten Tag erneut ein Einsatz kommt, gehe ich nur, wenns echt ein Notfall ist. Weil der Hund echt hart arbeitet dabei. Deswegen habe ich die eltzte Entscheidung. Dann gibts aber mindestens für den Rest der Woche keinen Einsatz mehr und kein Training am Wochenende, maximal eine Bespaßung. Man will den Hund ja bei Laune halten, sodaß er mit Freude in den nächsten Einsatz geht, und nicht komplett überarbeiten und damit demotivieren. Ich als Hundeführer habe die Verantwortung, den Hund nicht zu überfordern! Dessen bin ich mir bewußt und kann das steuern. Weils dabei auch nicht um eine Depression geht, auf die ich keinen oder nur geringen Einfluß habe. Kann jemand mit Depressionen (und auch hier kann man sicher nicht pauschalisieren!) wirklich erkennen, wenn er den Hund überfordert? Das ist ein anderes Thema als die Frage, ob er täglich sein Futter und Gassigänge bekommt, die sind ja nur der Rahmen. Aber die mentale Stabilität vom Hund, dafür ist der Halter verantwortlich. Und wenn jemand die Verantwortung für sich selbst an schlechten Tagen nichtmal selbst wahrnehmen kann (in Form von nicht aufstehen, nix essen etc.) - wie will er der für den Hund dann nachkommen, noch dazu ohne negative Folgen für die Depression, weil er sich dann vlt. genau deswegen ein schlechtes Gewissen noch zusätzlich macht.
Bei der Rettungshundearbeit geht es um gezielte Arbeit, die man steuern kann! Die DER HALTER steuern kann! Zeitlich, in der Länge und Häufigkeit. Und er kann sehen, wann es dem Hund zuviel wird, und darauf reagieren. Zeigt mein Hund Ermüdungserscheinungen, breche ich die Suche halt ab. Wie ist das, wenn ich eine Depression habe - die kann ich net einfach abbrechen (schön wär´s!), um den Hund nicht zu überlasten.
Meine Gedanken dazu: bei jemandem mit phasenweiser Depression ist der Hund ständigen/häufigen und (für den Hund!) vollkommen unberechenbaren Stimmungsschwankungen ausgesetzt, die er in keinster Weise mit Wohlverhalten o.ä. verhindern kann. Er ist denen gegenüber komplett hilflos, versteht sie nicht. In unterschiedlichem Maße, je nach Depression und individuellem Hintergrund dazu, ist er ihnen ausgesetzt, aber eben nicht gezielt, und vor allem: nicht steuerbar für den von der Depression betroffenen Halter, geschweige den Hund. Also zeitweise dann m.E.n. schlichtweg im Übermaß, je nach Sensibilität des Hundes. Der Halter kann in diesen Zeiten u.U. keinerlei Sicherheit geben, es gibt auch keine Stabilität, weil zB mini-Gassirunden nur, oder die Familie/der Sitter geht mit den Hunden. Der Hauptansprechpartner ist also schlichtweg nicht verfügbar, statt dem Hund Halt zu geben, hält dieser sich am Hund fest, kann ihn aber dabei u.U. nicht mal adäquat versorgen. Der Hund wird niemanden, der nicht anders agieren kann, als Hundeführer akzeptieren (können). Der braucht Sicherheit und Stabilität für sein Wohlbefinden.
Wie gesagt, ist sicher individuell unterschiedlich, gerade im Ausmaß. Aber auch wenn ich mit einer Depression vlt. noch mit dem Hund rausgehen kann, weil er das braucht: Sicherheit und Stabilität, die der Hund braucht, kann ich ihm in dem Moment eher nicht geben. Mentale Stärke und Halt meine ich damit. Weil ich eigentlich selbst Hilfe benötige. Vielleicht ist dem ein oder andren Hund das wurscht. Da gibt´s dann sicher auch net soooo die Bindung zu dieser Person, sondern eher zum Rest der Familie. Ob das dann so hilfreich ist in einer Depression, wenn man merkt, der eigene Hund sucht bei jedem nach dieser mentalen Stärke, nur bei mir nicht, weil ich sie nicht geben kann?
Hunde können super helfen, wie hier ja auch vielfach zu lesen ist und ich finde es fantastisch, was zu leisten sie da imstande sind. Und noch fantastischer, wenn der Hund dies unter kontrollierten Bedingungen auf Kommando als Job machen kann - den Rest der Zeit aber entspannen und sein Leben genießen kann und Halt vom Halter bekommt.
Insgesamt ist ein Hund bestimmt super hilfreich - aber wenn man sich dafür entscheidet, sollte man halt m.E.n. gucken, die Umstände so zu gestalten, daß der Hund nicht im Zweifelsfalle überfordert wird. Sprich: der Halter und Orientierungsperson ist jemand, der das leisten kann. Evtl. der Partner in einer Beziehung, oder halt irgendwer aus der Familie, der IMMER VERFÜGBAR ist. Also nicht 24/7, sondern im Sinne von "Bestandteil seines Alltags", der kann sicher auch arbeiten gehen oder so, aber ist halt im Hintergrund immer da.
Nicht irgendein Sitter, der dann mal paar Wochen da ist, und dann wieder nicht. Sondern halt so, daß die Kontinuität für den Hund einfach gewährleistet ist. Und wenn ein bissel im Alltag auf darauf geschaut wird, ob es dem Hund gerade gut geht. Sprich: meidet er vlt. gerade die depressive Person, weils demjenigen besch... geht, nicht dazu zwingen, bei dem zu liegen. Sucht er Halt beim Partner, dann sollte dieser dem Hund den auch zu geben bereit sein. Wenn man in dieser Form ein wenig dafür sorgt, daß die Stabilität und Kontinuität für den Hund einigermaßen gewährleistet sind, er tatsächlich auch ausspannen kann und nicht die eigentliche Verantwortung für den Betroffenen tragen muß, dann kann das ganz bestimmt eine ganz ganz große Hilfe sein!
Ich hab eben bei sowas immer nur Angst, daß der Hund als Therapie"mittel" gesehen und damit überfordert wird, weil die Stimmungsschwankungen halt in dem Fall unberechenbar sind in Häufigkeit und Ausmaß, im Vergleich zu einer zielgerichteten Arbeit, wo ich sage "Jetzt wird gearbeitet" und "Haben Fertig, jetzt hast Du Freizeit". Der Blindenhund zB, der wird ins Geschirr gesetzt, das ist Arbeitsbeginn. Wird das ausgezogen, hat er Freizeit und darf die Seele baumeln lassen. Der Therapiehund macht 2-3 Termine die Woche, je nach Länge und Schwierigkeitsgrad, dun dann ist Schluß, alles jenseits der Termine ist Freizeit und Seele baumeln lassen. Und Halt BEKOMMEN, nicht GEBEN MÜSSEN.
Ganz gegen einen Einsatz eines Hundes in dem Bereich mag ich aber definitiv nicht sein, weil sie einfach Großes leisten können, und oft wie auch hier lesbar dem Menschen einen letzten Halt geben können, und das ist für mich schon ein sehr wichtiger Grund, den Menschen in der Priorität zu sehen. Deswegen eben die Maßgabe: je nach Anforderungen im Alltag einfach auch für ausreichend Freizeit und Stabilität zu sorgen. Das muß dann die betreffende Familie mit dem Betroffenen gemeinsam entscheiden und organisieren.
Ein pauschales NEIN oder JA kann man einfach nicht dazu sagen. Und bitte: das sind meine Gedanken, in Richtung "Hund nicht überfordern" - sollte ich an irgendeiner Stelle das mit den Depressionen falsch dargestellt oder beurteilt haben, bitte ich um Nachsicht, gern auch Richtigstellung - ich bin (zum Glück) nicht betroffen, und die Gedanken sollen nur dazu dienen, daß derjenige das in seine Überlegungen mit einbeziehen kann. Nicht als Stellungnahme meinerseits, das wäre vermessen wenn man denjenigen und das Thema Depressionen selbst nicht aus eigener Anschauung kennt, dazu ist das auch alles zu individuell unterschiedlich. Aber halt aus Sicht von jemandem, der einen arbeitenden Hund führt, und da die Erfahrung mitgeben kann. ;-)
Alles Gute, und ich wünsche Dir die richtige Entscheidung für Dich! ;-)