Was bedeutet für Euch Hundeerfahrung

  • Hallo zusammen,


    angemeldet bin ich hier erst seit Kurzem, Mitlesen tue ich schon länger ;-)

    In letzter Zeit haben mich Themen wie Anfänger und (Gebrauchs-)Hunde und die Threads zur Rassenwahl oft nachdenklich gemacht.

    Was bedeutet für euch Hundeerfahrung? Wer ist ein Anfänger?

    Hintergrund sind- wie so oft- Beobachtungen im persönlichen Umfeld. Z.B. ein altes Ehenpaar in der Familie. Halten seit 60 Jahren ununterbrochen Hunde ( kleine Mischlinge, aber auch Riesenschnauzer, Bullterrier und Mali waren dabei) die in meinen Augen keinerlei Ahnung von Hunden haben. Die laufen einfach mit und gut ist. Keine Hundeschule, kaum Gassi etc. Kann man Hundehaltung so mit Hunderfahrung gleichsetzen?

    Oder bei mir selber...ich habe bislang nur Dackel und Schäferhund(Mixe) gehalten . Wenn ich mir einen Terrier zulegen würde, bin ich wieder ein Anfänger? Ist Anfänger sein auf einen Hundetyp bezogen?

    Anderes Beispiel. Eine Bekannte hat als Ersthund einen netten Maltesermix. Sollte nichts schiefgehen, tut es aber. Eine Arbeitskollegin hat als Ersthund einen DSH. Klappt super bislang. Gibt es keine Anfänger und (überspitzt gesagt)r und keine Anfängerrassen? Ist es nicht eher wichtig, dass man Hundehaltung mit allem Drum und Dran von Herzen will?

    Mich würde eure Meinung sehr interessieren :-)

  • Ich denke wenn man sich entsprechend vorbereitet, den passenden Charakter, Pläne und das Umfeld hat, dann kann man durchaus auch z.B. DSH oder BC als Ersthund halten. Ich kann aber verstehen, wenn der Mali, HSH oder bestimmte Jagdgebrauchshunde hier im Forum eine Sonderstellung haben, da manche Hunderassen m.M.n. wirklich eher ein ganzer Lifestyle als Hobby und Familienmitglied sind.

  • Ich finde zu Hundeerfahrung haben gehört einmal ein grober Überblick dazu was den Umgang mit dem Hund angeht. Das man die Anzeicven für Krankheiten sieht, halbwegs sicher im Umgang ist etc.

    Aber auch selbstrealitisch einzugestehen was man kann und was nicht.

    Zum Beispiel meine Eltern. Die haben seit ich sag mal rund 50 Jahren Hunde. Aber wirklich 0.0 Interesse diese groß zu erziehen geschweige denn auszubilden. Und ihr Wissen was Hundeverhalten angeht ist auch....sagen wir mal die Basis ist vorhanden... Trotzdem haben sie Ahnung von Hunden. Nur halt anders wie ich bspw. Das wissen sie aber auch und würden sich deshalb niemals einem Großen anspruchsvollen Hund holen. Die haben/hatten ihre Shih-Tzus früher und jetzt die Kleinspitze. Die Zwerge im Alltag mit, werden verhätschelt und im Zweifelsfall halt untern Arm geklemmt

  • Für mich hat man Hundeerfahrung, wenn man mit Hunden "gearbeitet" hat, also diese selbständig erzogen und/oder ausgebildet hat.

    Wenn man schon jahrelang Hunde hat, aber diese weder in irgendeiner Weise zur Alltagstauglichkeit gebracht hat noch Einfluss auf ihr Verhalten nehmen kann bzw. konnte, hatte man halt Hunde.

    Um nämlich auf einen Hund und sein Verhalten einwirken zu können, muss man ja irgendwie den Hund lesen können und auch eine Ahnung davon haben, wie Hunde lernen. Was sie wann wie verknüpfen und wie sie reagieren können. Also auch etwas über allgemeines Hundeverhalten wissen.

    Auch wenn es genetische Unterschiede bei den Rassen gibt, ticken viele Hunde ganz basal ja ähnlich.

    Auf die rassespezifischen Besonderheiten kann man sich dann auch besser einstellen.

    Ich kenne auch Leute, die "schon immer" Hunde haben, aber trotzdem wenig Ahnung von Wesen Hund besitzen. Manchmal klappt es Dank dem Hund trotzdem ganz gut, manchmal sind die Hunde Katastrophen in unterschiedlicher Ausprägung (abhängig vom Individuum).

    Am ehesten trifft man Leute, die es mit gesundem Halbwissen und Bauchgefühl irgendwie hinkriegen, dass es halbwegs gut klappt.

  • Sehr gute Frage...


    Zum Einen muss man sicher unterscheiden zwischen "hundeerfahren" und "rasseerfahren".


    Im Grunde ist jemand, der bereits einen Hund hatte, hundeerfahren.

    Hatte jemand einen Terrier, ist er auch noch rasseerfahren (im Bezug auf Terrier).


    Wie viel Erfahrung und Wissen da ist, kann man dann nochmal unterscheiden.


    Da gibts die Oma mit dem freundlichen Wuschel, die noch nie in der Hundeschule war und vom Bauch heraus handelt.

    Den jungen Menschen, der seinen ersten Hund hält, sich viel informiert, fortbildet, liest, Hundesport macht.

    Oder den Profi-Sportler oder Züchter, der ein Leben lang mit einer Rasse gearbeitet hat.


    Alle sind erfahren, aber auf unterschiedliche Weise.

    Auch die Oma hat den Wuschel an Silvester erlebt, bei Sommergewittern, Krankheit oder Hundebegegnungen. War mit ihm beim Tierarzt, hat ihn im Kontakt mit Katzen erlebt.

    Sie weiß sicher mehr über Hunde, als jemand, der zwar viel gelesen, aber zum ersten Mal einen Hund nach Hause holt.

    Also ist sie für mich genauso hundeerfahren.

  • Hundeerfahrung hat mMn nicht mal so sehr etwas damit zu tun, wie lang man selbst Hunde hat.


    Erfahren ist für mich jemand, der (bestimmte) Hunde(typen oder -rassen) in möglichst vielen Situationen sicher, umfangreich und weitblickend einschätzen kann und Verhaltens- und Erziehungsproblemen verlässlich und geradlinig begegnen kann, ein Ziel hat und die Schritte kennt und auch gehen kann, um dieses Ziel zu erreichen.


    Jemand, der nicht von einzelnen Exemplaren auf alle schließt, sondern über die Rasse bzw. den Hundetyp im Gesamten, einen umfassenden und tieferen Einblick hat und trotzdem individuell auf das Individuum reagieren kann ohne groß nachzudenken oder herumprobieren zu müssen.


    Wenn das, was für andere schwierig ist und einen verzweifeln lässt, ganz logisch und selbstverständlich ist.


    Gilt nicht nur explizit für Rassen, sondern auch, wenn jemand tief in der Tierschutzthematik drinnen ist und mit den Besonderheiten, die z.B. Hunde aus Direktimporten mit sich bringen, gut arbeiten und umgehen kann.


    Für mich ist das hier im Forum oft eine Gefühlssache. Da gibt's z.B. eine Neu-Userin, bei der alles so schlüssig klingt und alles, was sie schreibt Hand und Fuß hat, dass ich ihr auf Grund des bis jetzt Gelesenen sofort viel Wissen und Erfahrung mit Gebrauchshunden attestieren würde.

  • Interessante Fragestellung!

    Hundeerfahrung gibt es für mich eher selten über das komplette Spektrum an Hundetypen.


    Ich meine, wenn man mal schwierige Hundetypen gearbeitet hat, hat man natürlich Erfahrungen sammeln dürfen, die vielen anderen Hundehaltern verwehrt bleiben.

    Letztlich ist Lernverhalten bei allen Hunden gleich.

    Allerdings ist schon "schwieriger Hundetyp" eher so ne Definitionsfrage.

    Die schwierigen für mich sind wirklich die, die auf verschiedene Situationen mit offensiver Aggression reagieren würden. Das kostet für viele Überwindung, damit zu arbeiten.

    Alles andere (Sturheit, Angst, wenig WTP, Jagdtrieb, ... ) ist für mich einfacher zu arbeiten.


    Was ich aber finde, was viel viel wichtiger ist, als Erfahrung, das ist einfach das Gefühl für Hunde.

    Ich muss aus dem Bauch raus situativ und recht schnell Entscheidungen treffen können, was ich wie korrigiere oder bestätige ... dieses Bauchgefühl ist für mich einfach eine Kombination aus Talent und Erfahrung. Beides ist sehr sehr wichtig, vor allem weil man Talent nicht oder nur schwer lernen kann. In der Theorie können viele Hunde ausbilden, in der Praxis siehts dann doch oft anders aus. Und was für mich wichtig ist, ist angstfrei zu sein. Das meine ich völlig ernst! Die meisten sagen, sie haben keine Angst vor Hunden. Klar, vor dem netten Familienhund nicht ... wie schauts aus, wenn der Mali mal ernsthaft diskutieren will. Hat man da die Hosen voll? Hatte man eine solche Situation schonmal? Sowas kann man schlecht trainieren, da muss man einfach handeln und zwar nicht kopflos. Wenn man solche Erfahrungen machen durfte, ist das eigentlich Gold wert. Deshalb sind mir Hundetrainer zum Beispiel ganz lieb, die durchaus die ein oder andere Narbe davon getragen haben ^^



    Ich zum Beispiel empfinde mich selbst als relativ erfahren, was Gebrauchshunde angeht.

    Da habe ich selbst ausgebildet, viele Hundehalter angeleitet, selbst im Schutzdienst als Helfer gearbeitet für Dienst- und Sporthunde, Seminare besucht, viele Hunde kennen gelernt.

    Speziell in der Ausbildung von Jagdhunden oder Assitenzhunden oder sowas habe ich fast garkeine Erfahrung.

    Trotzdem würde ich sagen, allgemein gesehen habe ich viel Erfahrungen sammeln dürfen.


    Aber nochmal: nur weil man etwas seit 30 Jahren tut, muss man es noch lang nicht gut machen und muss noch lange keine Erfahrungen daraus gesammelt haben.

    Genauso kann jemand etwas seit nem Jahr machen, aber einfach so viel hinterfragen, dass man viel weiter ist und Erfahrungen gesammelt hat.

  • Ich finde, wenn es um Gebrauchshunde geht, Hundeerfahrung gar nicht mal sooo wichtig.. also im Sinne von „man muss x Jahre nen anderen Hund haben, um sich einen Gebrauchshund kaufen zu können“.


    Was ich aber wirklich wichtig finde: man muss GENAU wissen, was man da kauft.. also man sollte Gebrauchshunde, und natürlich die favorisierte Rasse, live gesehen haben.. man sollte die Hunde, ja mehrere, bei der Arbeit gesehen haben, man sollte sie im Alltag gesehen haben.. man sollte sich mit Haltern der Rasse unterhalten haben, über die Vorzüge und natürlich auch die Nachteile.. und zwar lange, ausgiebig, mit Menschen, die einem Vertrauen und einem wirklich ALLES erzählen..

    wenn man ganz viel Glück hat, durfte man auch mal einen solchen Hund führen, bevor es der eigene ist..


    denn nur dann kann man wirklich eine fundierte Entscheidung treffen, ob man so einen Hund wirklich halten kann und vor allem auch will..


    Denn das finde ich wichtig: das man mit dem speziellen Hundetyp umgehen kann und vor allem eben auch will..


    Ares (Mali) war mein zweiter Hund, Mia hatte ich erst etwa über 3 Jahre als Ares einzog..


    Aber mir war völlig klar, worauf ich mich einlasse.. und zwar alle Special Effects.. ich hatte mir zb schon vorher überlegt, wie ich drauf reagieren werde, wenn er rückwärtsgerichtete Aggression zeigt, um nur mal ein Beispiel zu nennen..

    und ich wollte es auch wirklich, so einen Hund zu halten..

  • Z.B. ein altes Ehenpaar in der Familie. Halten seit 60 Jahren ununterbrochen Hunde ( kleine Mischlinge, aber auch Riesenschnauzer, Bullterrier und Mali waren dabei) die in meinen Augen keinerlei Ahnung von Hunden haben. Die laufen einfach mit und gut ist.

    ? wenn seit 60 Jahren die unterschiedlichsten Hundetypen "einfach mitlaufen und gut ist" - würde ich dem Ehepaar die Hundeerfahrung definitiv NICHT absprechen.


    Und genau DAS ist oft ein Problem und nervt mich hier bisweilen. Leute, die noch nie einen Hund hatten, aber fünf Jahre lang das Internet leer gelesen haben, auf dem neuesten Stand sind, was Lerntheorien etc. anbelangt, fühlen sich Leuten überlegen, die unterschiedliche Hunde jahrelang geführt haben. Und fies gesagt: Diese Leute schlagen dann hier zunächst mit großem Welpen-Blues auf und dann läuft der sorgfältig ausgewählte Hund vom Züchter jahrelang nicht in der Spur trotz ständiger Unterstützung durch Trainer.


    Erfahrung ist für mich das "Erleben", kombiniert mit dem offenen Hirn, aus dem Erlebten Schlüsse zu ziehen und zu lernen. Erfahrung bringt dann eine gewisse Grundsicherheit in die eigenen Fähigkeiten (nicht ganz unwichtig im Umgang mit Tieren) und eine feste Priorisierung, was einem wichtig ist, was man will und was man nicht akzeptiert.

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