- Tagebuchthread über meine herzkranke Pflegehündin aus Rumänien. Weil ich weiß, dass sie nicht mehr ewig hat. Und weil ich irgendwie alles zusammenhalten will. -
Vorgeplänkel und Tag 1.
Meine letzte Pflegehündin hatte ich gerade selbst adoptiert, sie war noch kein halbes Jahr Teil unserer kleinen Familie, als mich ein Verein, in dem meine Mutter als Pflegestelle tätig ist, kontaktierte.
Ich hatte einige Wochen zuvor schon mal angekündigt, dass ich für Notfälle evtl. bereit stehen würde. Ab dem 19.12.20, denn da würden die Weihnachtsferien beginnen, könnte ich "etwas Nettes und Freundliches" kurzzeitig aufnehmen, "ängstlich, schüchtern, ein wenig misstrauisch ist kein Problem, bitte keine Welpen, nichts Hibbeliges, eher etwas etwas Zurückhaltendes, wo man ein bisschen Selbstbewusstsein schenken muss"
Am 2.12. rief der Verein an und fragte, ob ich Elsa übernehmen könnte. Sie sei klein, erst drei Jahre alt, hübsch und freundlich, sie sei sicher schnell vermittelt. Aber sie müsste ganz schnell weg, da sie im Shelter unheimlich leiden würde und sich bei ihren Ausbruchversuchen die ganze Haut von der Nase aufreißen würde, um aus dem Zwinger zu entkommen.
Ich sah mir das Video an, es sah wirklich schlimm aus. Ich sagte zu, hatte aber Bauchschmerzen, denn ich hatte irgendwie von Anfang an das Gefühl, dass es mit Elsa nicht einfach werden würde. Und mein Bauchgefühl liegt bei solchen Sachen meist richtig.
"Allerdings muss sie so schnell wie möglich raus, schon am 5.12. soll sie im Trapo sitzen, wir haben große Sorge um sie."
... schwierig. Einen neuen Pflegi mitten in der Schulzeit aufzunehmen, das ist eine große Herausforderung. Heißt vor allem auch, dass der Freund mitspielen muss. Und für die Entscheidungsfindung hatten wir eigentlich gar keine Zeit. Wir haben trotzdem zugesagt - und schon vor Elsas Einzug hing der Haussegen deshalb hier schief.
Die Organisation des Transports fand ich extrem unübersichtlich. Irgendwann erfuhr ich dann, dass ich Elsa bei Aachen abholen sollte. Alles lief ganz anders als bei "meinem" Verein, zum Teil chaotischer, zum Teil professioneller aber dadurch auch irgendwie unpersönlicher, ...das war vielleicht auch Corona geschuldet.
Wir fuhren mit unserem Auto direkt an den Transporter, ich saß auf der Rückbank, reichte der netten Helferin zwei Leinen und die Verträge und hatte plötzlich einen Hund auf der Rückbank, der sehr viel kleiner war, als ich erwartet hatte. Es war rührend, sie kuschelte sich direkt ein, rollte sich in meinem Arm zusammen und schlief. Sie war völlig fertig.
Zu meinem Freund sagte ich nur "oh Gott, sie ist so zart." "sie ist viel zu dünn" "sie hustet" "ihr Herz schlägt irgendwie komisch" und "sie hat die kleinste Nase, die ich je angefasst habe".
Viel mehr sprach ich auf der ganzen Fahrt nicht, hatte nur dieses Häuflein Hund eingerollt neben mir liegen und starrte es an, während mein Herz immer matschiger wurde.
Als wir wieder in Wuppertal ankamen, blieb ich mit Elsa im Auto sitzen, wir hatten etwas weiter weg geparkt, da ich normalerweise, wenn ich einen Pflegi abhole, immer erst mal mit der endgültigen Besatzung des Haushalts einen gemeinsamen Spaziergang mache, bevor ich den Fremdling einfach mit in die Wohnung nehme. Mit meinem lieben Bolle hat das bisher immer sehr gut geklappt. Wie Alma das machen würde, war bis dahin fraglich - denn die ist weniger geschmeidig als mein Dicker.
Mein Freund holte also unsere beiden. Elsa wurde wach, erspähte aus dem Auto einen anderen fremden Hund, der da ausgeführt wurde und fiepte angespannt los, sprang von Fenster zu Fenster um den Weg des anderen Hundes zu verfolgen. Das irritierte mich etwas, ich konnte es aber nicht einschätzen. Und wenn man eins als Pflegestelle weiß, dann dass man einen Hund, der gerade aus dem Trapo gestiegen ist, auch einfach nicht nachhaltig einschätzen kann.
Ich stieg mit Elsa aus, sie löste sich, lief recht ordentlich an der Leine (viele legen sich ja einfach auf den Boden oder machen das Wildpferd) und wir gingen zum Stressabbau langsam etwas die Straße hinab. Dann sahen wir meinen Freund, Alma und Bolle auf der anderen Straßenseite, näherten uns in huldvollem Bogen, nach etwas steifen Gefiepe von Elsa gab es eine sehr höflich ignorante Begrüßung von allen - das lief perfekt.
Also alle zusammen Richtung Wohnung.
Elsa traute sich ohne große Sorge hinein. Langsam verdichteten sich die Indizien dafür, dass sie schon mal in menschlicher Obhut gelebt hatte, denn bisher war es bei allen meinen Pflegis und Tierschutzhunden so, dass Häuser zu betreten zunächst etwas schier Undenkbares war.
Sie fraß ein wenig, trank ein wenig, inspizierte das Wohnzimmer staksig und vorsichtig, checkte die 7 vorbereiteten Liegemöglichkeiten und legte sich auf das orthopädische Hundebett ganz eng neben meinen Freund. Das Bett war recht nah an Bolles Körbchen.
Als Bolle irgendwann in ihre Nähe wollte, um einfach mal vorsichtig am Boden zu schnüffeln, drohte sie ihm deutlich. So deutlich, das selbst mein unsensibles Blödbärchen das verstanden hat. Nicht sonderlich beeindruckt verkrümelte er sich auf die minimale für Elsa eben erträgliche Distanz, argwöhnisch vom Fremdling beobachtet.
Alma verzog sich sicherheitshalber direkt aufs Sofa, das befand sich in gebührendem Abstand.
Es dauerte nicht lange, vielleicht eine Stunde, als Elsa begann, sowohl Alma als auch Bolle bei jeder Bewegung zu bedeuten, sie zu unterlassen. Wer einmal das Wohnzimmer verlassen hatte, wurde von Elsas Bett aus von ihr angefletscht, wenn er wieder in den Raum wollte. Das war aus zweierlei Hinsicht schwierig: Alma versuchte sich nun unsichtbar zu machen (damit hatte ich nicht gerechnet, denn Alma ist draußen schon eher auf Krawall gebürstet) und Bolle kann Hundesprache nicht so gut und nimmt so eine Drohung einfach nicht wahr. Oder nicht ernst.
Elsas Husten wurde innerhalb dieser kurzen Zeit nahezu minütlich schlimmer.
Ich sah einen Zusammenhang zwischen dem Stress, auch zwischen dem Verteidigen ihres Nahraums, und ihrem Husten.
Es gab also nun drei gute Gründe, die Hunde zu trennen.
Normalerweise schlafe ich mit den Neupflegis im Wohnzimmer.
Nun aber musste Elsa mit ins Schlafzimmer, das keine Tür hat, weshalb es mit einem Sessel verbarrikadiert wurde. Sie hustete die ganze Nacht. Sie war so wahnsinnig müde. Aber immer, wenn sie sich hinlegte, kam ein Hustenanfall über sie. Ihr Bauch war noch frisch rasiert, die Kastration kann kaum mehr als zwei oder drei Tage her gewesen sein.
Einen Pflegehund in so einem bedauernswerten Zustand hatte ich nicht erwartet.
Wir waren beide völlig gerädert am nächsten Tag. Sie lag neben mir im Bett und war einfach ein dünnes Häufchen Elend.
Ich rief die Vermittlerin an und sagte, dass ich gern sofort mit Elsa in die Tierklinik fahren möchte.