Hat er Deprivationsschäden? Wir sind überfordert mit Ängstlichkeit!

  • Huh.


    Hallo erstmal!


    Also es kann schon sehr gut sein, dass ihr einen Angsthund mit Deprivation Syndrom habt. (habe ich auch)

    Am Anfang hat die Trainerin wahrscheinlich gehofft es wäre der Transportschock. Das haben auch einige und tauen dann auf.


    Bei einem Fall wie eurem (wenn die Analyse stimmt) dauert das Training Jahre und manches wird nie gehen.

    Geduld und Verständnis für auch die biologischen Grundlagen für das Verhalten sind notwendig (Verhaltenstierarzt zur Unterstützung ist gut)


    Was mich aber bei euch am meisten "triggert", ihr habt den Hund als eine Art WG aufgenommen? Das funktioniert mit einigen Hunden. Aber meine Hündin würde bei mehrern Bezugspersonen und dieser "Action" aka 3 lebende Lebewesen in der Wohnung auch Probleme haben.

    Solche Hunde brauchen Routine. Bei uns kann es Rückfalle geben nur weil ich eine Mütze aufsetze.


    Es ist ein seeeehr langes Geduldtraining. Ich bin gern jemand, der sagt man kann mit dem Hund lernen, aber überlegt dir, ob du (oder eine der Freundinnen) als Hauptbezugsperson damit leben kannst. Noch dazu habt ihr ja keine Ahnung wie euer Hund sich draußen verhält. Wohnt ihr ländlich?


    Deprivation bedeutet fehlende Verknüpfungen im Gehirn, die kann man meist auch nicht nachholen. Es fällt den Hunden schwer zu generalisieren. Man baut Mann mit Hut an einer Straße auf und es ist ok. Kommt der Mann von der andern Seite kanns wieder auf Null sein. Es ist auch eine Art "Lernbehinderung"

    Es gibt da sehr unterschiedliche Auswirkungen wie stark das ist.


    Ich finde es super wie ihr euch schnell einen Trainer geholt habt und dieser auch sagt "Geduld". Weiß aber nicht, ob ein solcher Hund zu jungen Mädels in eine WG sollte. Damit macht ihr euch vielleicht unglücklich. Alle 4.

    (ich bin auch nicht so "alt". Aber hab mich abgefunden, die nächsten Jahre nicht zu verreisen, weniger umzuziehen, kaum Besuch zu haben, den Hund nirgends fremd betreuen zu können und so weiter...)

  • Das wird so nichts. Leider hat die Orga euch wohl völlig falsch beraten bzw den Hund eingeschätzt. Solch ein Hund gehört definitiv zu jemandem, der zumindest einen Garten und einen oder mehrere andere Hunde hat. Eben da, wo der Hund nicht zur direkten Nähe zu Menschen gezwungen ist 24 Stunden täglich.


    Gebt den Hund ab, weder ihr noch der Hund werden so glücklich und es liegt nicht an euch. Da hat einfach die Orga riesen Mist gebaut

  • Danke für Deine Schilderung. Einiges ist hier ja schon gesagt worden :smile:. Eure aktuelle Situation würde ich mal wie folgt einschätzen:


    Der Hund kennt u. U. das enge Zusammenleben mit Menschen nicht. Ihr seid ihm fremd und könnt ihn nicht einschätzen. Dazu dürfte kommen, dass sein Verhalten Euch irritiert. Was er wieder merkt, was ihn zusätzlich irritiert. Ein ziemlicher Teufelskreis.


    BettiFromDaBlock hat es ja schon angerissen: Bei einem Deprivationsschaden haben sich genau die neuronalen Verknüpfungen nicht hinreichend ausgebildet, die für den Erwerb und das Generalisieren von Erfahrungen zuständig sind. Sprich: Der Hund hat einen dauerhaften Schaden, denn diese Verknüpfungen bilden sich auch nicht mehr nach. Das heißt nicht, dass er nicht lernen kann. Es dauert nur viel, viel länger, bedarf mehrerer Wiederholungen und man kann nicht voraussetzen, dass er aus einer Lernerfahrungen Andere ableitet. Lernen passiert am Besten in Ruhe und Sicherheit.


    Und das ist der nächste Knackpunkt: Er hat im Augenblick ganz offenkundig weder das Eine noch das Andere. Der Körper ist dauergestresst, der Hormonhaushalt dürfte völlig aus den Fugen sein. Das schafft sich dann Luft, wenn Ihr weg seid.


    Und Ruhe- und Schlafmangel verschlimmert das noch. Der Hund müsste ausgiebig ruhen und schlafen, um erstmal überhaupt ansprechbar zu sein. Gleichförmige entspannte Bewegung müsste da sein, um Cortisol abzubauen. Und beides geht im Moment nicht.


    Ein souveräner anderer Hund könnte helfen, erstmal eine gemeinsame Kommunikation herzustellen. Nur den könnt Ihr ja nicht irgendwo herzaubern. Und ein weiterer Hund jetzt wäre nicht empfehlenswert.


    Das ist erstmal ziemlich niederschmetternd :/ Mit viel Geduld und Training kann sich da trotzdem noch ganz viel tun, sobald Euer Hund aus dem Teufelskreis aus Stress, Schlafmange, Überforderung und Angst raus ist. Was Ihr tun könnt:


    1. Wie gesagt einen guten, für solche Auffälligkeit spezialisierten Tierarzt aufsuchen. Bitte den Hund dabei mit Panikgeschirr, Halsband und zwei Leinen sichern. Ggf. eine Medikation besprechen. Und den Hund erst einmal so nehmen und akzeptieren, wie er ist - ohne viel Erwartungen an Alles herangehen.


    2. In der Wohnung einen möglichst gleichförmigen Tagesablauf mit viel Struktur und Ruhe gewährleisten. Und ihn einfach da sein lassen. Wenn er nur in die eine spezielle Ecke will, dann lasst ihn da. Bietet da vielleicht eineEcke an, aber akzeptiert erstmal, dass er nicht sehen oder schätzen kann, was Ihr ihm anderes „Gutes“ tut.


    3. Ggf. lasst Ihr ein Geschirr und eine Hausleine dran. Ist er klein genug, dass Ihr ihn tragen könnt? Im Zweifelsfall würde ich ihn zum Gassi tragen, aber schon raus fürs Erleichtern. Auch mit Doppelsicherung. Wenns geht, an ganz abgelegene Orte. Alles, was sein muss mit Ruhe, Freundlichkeit und souverän führend, ohne viel Gewese, Lob oder Beruhigung. Als wäre es das Selbstverständlichste der Welt.


    Das wird eine verflucht harte Zeit, Garantien gibts nicht und für Hundeanfänger ist das echt hartes Brot. Wenn es die Chance auf einen ruhigen Platz zu einem anderen Hund gibt, wo er einfach nur unauffällig dabei sein kann, dann würde ich die nutzen, an Eurer Stelle.

  • Das klingt, als hätte ihr da schlicht und ergreifend ein Wildtier untergejubelt bekommen. Also einen Hund, der im Aufwachsen weder an Menschen noch an ihre Umgebung gewöhnt wurde und wahrscheinlich auch bisher frei gelebt hat. Infolgedessen ist das Zusammenleben mit euch auf engem Raum für ihn genauso eine dauernde Qual wie es das das für einen wildgefangenen Fuchs, Wolf oder Koyoten wäre.


    Ich kann mir schlicht nicht vorstellen ,dass das (in einer Wohnung ohne Garten!) je was werden kann und würde weder das arme Tier noch mich weiter quälen, erst recht nicht mit Besuchen bei irgendwelchen Ärzten, Trainern und Gottweißwas. Der Hund kann einfach nicht leisten ,was da von ihm verlangt wird.


    Versucht, die Orga, die euch da **** hat, in Regreß zu nehmen. Die sollen ihm einen Platz suchen, wo er auch wie ein Wildtier in Gefangenschaft leben kann, also nur mit Hunde- und möglichst keinem Menschenkontakt und keinem Zwang, das Gehege zu verlassen.


    Die Sch***, die da gebaut wurde, habt nicht ihr und der Hund auszubaden, sondern die Idioten, die das arme Tier hierher verschleppt haben.

  • Nun - meine Lilly war auch so :ka:. Aber ich wusste, worauf ich mich einlasse, hatte Erfahrung mit Angsthunden und eine souverän Ersthündin als Coach - und habe hier von der Wohnlage her optimale Voraussetzungen.


    Es kann übrigens durchaus sein, dass der Hund sich im Shelter oder Tierheim völlig anders gezeigt hat, weils da andere Strukturen gab, die seinem Wesen eher entsprochen haben - und andere Hunde, deren Verhalten er kopieren konnte.

  • Das könnte ich mir bei einem "normal" sehr ängstlichen Hund durchaus vorstellen - aber Reaktionen, wie die TE sie beschreibt, müssen vorher schon mal irgendwie aufgefallen sein. Transportschock hin oder her. Und so ein Tier dann an Anfänger abzugeben....boah, ey.

  • Das kann tatsächlich auch bei einem gravierenden Deprivationsschaden gut versteckt worden sein. Gerade solche Hunde sind oft Meister darin, sich in der Menge zu verstecken und unauffällig zu machen. Und beim Zustand jetzt muss man berücksichtigen, dass da Schlafmangel und Cortisolüberschuss schon seit Wochen ihr Dauerwerk tun.


    Ich halte Direktimport nie für eine gute Idee bei einem Hundeanfänger oder Jemandem, der nicht mit ganz viel an Verhaltensauffälligkeiten umgehen kann und idealerweise die entsprechende Wohnlage hat.


    Aber Böswilligkeit muss da nicht hinterstecken. Und hier weiß man auch gar nicht, wann der Transport war.


    Die Voraussetzungen sind sehr, sehr mau. Kein Vorwurf an Euch, wenn Ihr ihn abgeben möchtet. Was auch immer sich noch entwickelt - und es kann sich noch was entwickeln: Ein normaler Hund wird er nie.

  • Ich würde auch zum abgeben raten. Der Hund wird die nächsten 10 Jahre kein Hund werden, den man mit normalen Hunden gleichsetzen kann. Das heißt immer Management, immer Rückschlage und sein eigenes Leben ein Stück weit aufgeben. Außerdem ist eine Wg wirklich nicht besonders gut für so einen Hund geeignet. Meine könnte bei euch niemals zur Ruhe kommen, genauso wie der Hund von BettiFromDaBlock. Und wie Phonhaus schon schrieb, sie generalisiert nicht. Das heißt ich darf inzwischen so einiges mit ihr machen und sie hat auch gelernt mich nicht immer anzuspringen zb.. Aber eben nur ich. Jeder andere muss es sich selber erarbeiten. Oder ich muss sie fernhalten. Das heißt auch jeder von euch muss den Hund alleine von sich überzeugen. Da gibt es dann keine Abkürzungen.

  • Nun - meine Lilly war auch so :ka: . Aber ich wusste, worauf ich mich einlasse, hatte Erfahrung mit Angsthunden und eine souverän Ersthündin als Coach - und habe hier von der Wohnlage her optimale Voraussetzungen.

    Und genau das ist es, was diese Hunde brauchen.

    Und das mein ich in keinster Weise negativ in Deine Richtung Sonic.

    Ihr versucht und macht und tut und gebt Euch alle Mühe.


    Aber allein das Umfeld ohne Garten macht es Euch allen miteinander unglaublich schwer bis hin zu unmöglich.


    Ich schreib sowas nur selten, aber ich würde tatsächlich auch zu einer Abgabe raten. In ein extrem ruhiges, am ehesten ländliches Umfeld, zu Menschen, die Erfahrung mit solchen Hunden haben. Damit der Kerle einfach endlich wieder von seinem enormen Stresslevel runterkommen kann. Was Du beschrieben hast, tut mir in der Seele weh: für Euch und für Sonic.

  • So krass wie du das schilderst und wie der Hund jetzt untergebracht ist (ohne Garte, kein Zweithund, 3 Personen)

    ist es m.E. für alle Beteiligten am sinnvollsten, ihn wieder zurückzugeben. Egal, was ihr jetzt macht und probiert, ihr werdet alle nicht glücklich werden.

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