Hat er Deprivationsschäden? Wir sind überfordert mit Ängstlichkeit!

  • Hallo :)


    Ich bin Laura, 26 aus Graz. Ich wohne zusammen mit 2 Freundinnen in einer WG und wir haben vor ca. 3 Monaten unseren Hund Sonic zu uns geholt. Sonic ist ein mittelgroßer, rumänischer Straßenmischling und ist ca. 3 Jahre alt.


    Leider macht er uns das Leben sehr schwer! Er hat nämlich panische Angst, vor allem und jedem.


    Als wir ihn adoptiert haben hieß es, dass er im Tierheim ein bisschen zurückhaltend war, aber neugierig auf die Pfleger war und er freundlich zu Menschen ist, sobald er auftaut.


    Das können wir so nicht bestätigen.


    Sonic liegt den halben Tag flach wie eine Flunder in einer bestimmten Ecke im Wohnzimmer und isst/trinkt nur wenn keiner von uns im Raum ist. Sobald man sich ihm nähert läuft er entweder panisch davon und kreischt dabei oder er wird komplett starr, drückt sich auf den Boden und macht sogar unter sich.


    Er fürchtet sich außerdem vor allen Geräten und Geräuschen. Wenn z.b. der Fernseher läuft rennt er wie ein aufgescheuchtes Huhn in der Wohnung umher und sucht verzweifelt irgendwo Unterschlupf.


    an Gassi gehen ist gar nicht zu denken. Wir haben mittlerweile den gesamten Balkon, da wir leider leider keinen Garten haben, mit Inkontinenzunterlagen ausgelegt, damit er nicht nur in die Wohnung macht. Wir haben einmal versucht mit ihm Gassi zu gehen, aber mussten ihn praktisch vor die Haustür ziehen und als wir draußen waren hat er sich nur flach auf den Boden gelegt und wäre keinen Milimeter weitergegangen.


    Wenn er ganz alleine ist, wir also alle die Wohnung verlassen zerstört er Möbel. Er jault durchgehend und knabbert alles an was er zu fassen bekommt. Kommen wir nachhause freut er sich aber auch nicht, sondern verkriecht sich stundenlang.


    Wir arbeiten seit 2,5 Monaten mit einer Trainerin zusammen, aber erzielen null Fortschritte. Ihre einzige Devise ist immer nur "ihn in Ruhe lassen und abwarten, bis er von selbst kommt". Wir sollen immer wieder Leckerlies fallen lassen, mit ihm aus Entfernung sprechen und uns so normal wie möglich verhalten. Das kann es doch auch nicht sein, oder?


    Wir haben ihm auch eine Box gekauft, damit er einen festen Ruheplatz hat, da geht er aber nicht rein, auch Körbchen, Kissen und Decke hat er nicht angeschaut. Er liegt ausschließlich auf dem Boden. Er geht auch nicht auf Teppiche oder Fliesen. Nur Holz und Steinböden sind in Ordnung.


    Es hat sich null getan. Er hat immer noch die selbe Panik vor Fernseher, Staubsauger, Föhn,...


    Auch vor uns hat er Angst. Gefühlt vor mir am wenigsten, da er mich zumindest nicht die ganze Zeit beobachtet, wenn er alleine mit mir im Raum ist. Die anderen beiden Mädels lässt er keine Sekunde aus den Augen und wenn sich jemand zu schnell bewegt oder ein zu lautes Geräusch macht läuft er wieder kopflos und teilweise kreischend durch die Wohnung und sucht sich eine andere Ecke zum Verstecken.


    Die Trainerin meint, dass er ziemlich sicher Deprivationsschäden hat und dass man daran wohl auch nichts ändern kann, nur abwarten und viel Geduld haben. Stimmt das? Gibt es wirklich nichts, dass wir tun können? Ich glaube nicht, dass er ein gutes Leben führt, was uns sehr Leid tut, weil wir es ihm wahnsinnig gerne schön machen wollen.


    Hat hier jemand ähnliche Erfahrungen gemacht? Welche Aussichten hat so ein Hund? Wir sind langsam am Ende und wollen ihn an die Organisation zurückgeben, wenn es wirklich komplett aussichtslos ist.


    Bitte um Hilfe!


    Danke und liebe Grüße

    Laura

  • So ein Hund ist am besten in hündischer Gesellschaft aufgehoben. Gerade die sehr ängstlichen Kandidaten orientieren sich dann sehr gern an anderen Hunden. Garten ist da natürlich ebenfalls von Vorteil, um das draußen sein hier ganz entspannt zu üben, ohne direkt zu überfordern. Eure Grundbedingungen sind da eher schlecht, manchmal kann man sich noch so viel mühe geben, aber es passt einfach nicht.


    Geduld ist natürlich auch richtig. Manche Hunde brauchen sehr lange, bis sie auftauen. Das kann auch mal ein halbes Jahr dauern bei extremen fällen. Ein einfacher Hund wird dieser aber niemals werden. Ich würde mir überlegen, da ein geeigneteres zuhause mit Erfahrung, anderen Hunden, Garten und viel Zeit sowie Ruhe zu suchen. Leider wird die Suche da nicht einfach werden.

  • Ich würde dem Hund auch ein geeigneteres Zuhause suchen. Tut mir leid, dass er so schwere Deprivationsschäden hat - sowohl für euch, als auch für den Hund :verzweifelt:


    Habt ihr schon mit dem Verein darüber gesprochen? Wissen die Bescheid? Wenns ein guter Verein ist, lässt sich vielleicht eine erfahrene Pflegestelle finden...

  • Hi,


    wir haben hier im Forum einen speziellen Thread dafür, ich verlinke Dir den mal:


    Der Angsthund-Thread


    Habt Ihr Euch denn allgemein schon mal mit dem Thema „Angsthunde“ und Deprivatiossyndrom beschäftitgt, oder ist das noch großes Neuland für Euch?


    Das, was Du momentan beschreibst, hört sich an, als sei der Hund gleichermaßen ein gruseliges Alien für Euch wie Ihr für ihn. Nicht böse gemeint :smile: Aber Tatsache ist, dass er bei Euch scheinbar noch keine Sekunde wirklich zur Ruhe gekommen ist. Damit hat er keine Chance auf die Entspannung und den Schlaf, den er wiederum brauchen würde, um etwas mehr zu entspannen.


    Habt Ihr in der Nähe einen guten Tierarzt mit einem Schwerpunkt in Verhalten? Abgesehen davon, dass Ihr da vermutlich Einiges im Alltag umstellen müsstet: Bei diesem Schweregrad sollte entsprechende Medikation erwogen werden.


    Magst Du mal etwas mehr dazu schreiben, wie Euer Alltag insgesamt aussieht?

  • Danke für eure Antworten!


    Wir sind mit dem Verein in Verbindung. Aber bis jetzt kommt da noch nicht viel. Besonders momentan, mit dem neuen Lockdown sind sie wohl total überfordert und stellen uns nicht wirklich Hilfe oder Rat zur Verfügung. Vertraglich müssen sie den Hund aber zurücknehmen, sollten wir uns dafür entscheiden.


    Habt Ihr Euch denn allgemein schon mal mit dem Thema „Angsthunde“ und Deprivatiossyndrom beschäftitgt, oder ist das noch großes Neuland für Euch?

    Es ist eher Neuland für uns. Besonders das Deprivationssyndrom. Unsere Trainerin rückte damit erst am Mittwoch heraus. Davor hat sie uns immer hingehalten und da hieß es dann "Nein, der ist nur schüchtern, das wird noch" oder "Gebt ihm Zeit, der entwickelt sich noch zu einem normalen Hund". Wir fühlen uns ein bisschen verarscht von ihr.


    Zum Thema Angsthund haben wir uns natürlich schon etwas eingelesen und haben auch versucht Tipps umzusetzen, wie eben ihm so viel Raum wie möglich zu geben. Deshalb auch der Versuch mit der Box. Ich bin sogar für 2 Wochen zu meiner Mitbewohnerin ins Zimmer gezogen, damit wir Sonic mein Zimmer geben können, aber da ist er kein einziges mal reingegangen.



    Das, was Du momentan beschreibst, hört sich an, als sei der Hund gleichermaßen ein gruseliges Alien für Euch wie Ihr für ihn.

    Das triffts irgendwie :tropf: Wir sind mittlerweile einfach mit unserem Latein am Ende und haben das Gefühl, dass es gar nicht besser werden kann und wir wissen nicht wie wir damit umgehen sollen.

    Habt Ihr in der Nähe einen guten Tierarzt mit einem Schwerpunkt in Verhalten? Abgesehen davon, dass Ihr da vermutlich Einiges im Alltag umstellen müsstet: Bei diesem Schweregrad sollte entsprechende Medikation erwogen werden.

    Müssten wir mal gucken. Aber da wir in einer Großstadt sind, gibt es sowas bestimmt irgendwo bei uns. Danke für den Tipp! Muss man da mit Hund hin, oder reicht es die Dinge zu beschreiben?



    Magst Du mal etwas mehr dazu schreiben, wie Euer Alltag insgesamt aussieht?

    Aktuell eigentlich ziemlich ruhig. Corona sei Dank sind wir alle im Home Office/Fernstudium.


    Ich würde sagen 70% der Zeit verbringen wir gemeinsam im Wohnzimmer oder in der Küche, gucken fern, lernen gemeinsam, unterhalten uns, spielen Brettspiele, kochen, malen,... also doch eher ruhigere Dinge.


    Besucht haben wir so gut wie gar keinen seit Sonic hier ist. Partys gibt es bei uns auch nie. Wir sind eher gemäßigte, gechillte Leute, würde ich mal sagen.


    Wir versuchen einfach uns normal zu verhalten, damit er lernt, das nix schlimmes passiert. Aber es ist so schlimm immer wieder zu sehen wie er total kopflos und verängstigt in der Gegend rumläuft, als würde er einen "Ausweg" suchen :(

  • Habt ihr mal ein komplettes Schilddrüsen-Profil machen lassen und das einer Expertin gezeigt?

    Nein, wir waren noch nicht mit ihm beim Tierarzt. Die Trainerin betont immer wieder, dass ihn das zusätzlich traumatisieren würde und wir warten sollen :ka:

  • Habt ihr mal ein komplettes Schilddrüsen-Profil machen lassen und das einer Expertin gezeigt?

    Nein, wir waren noch nicht mit ihm beim Tierarzt. Die Trainerin betont immer wieder, dass ihn das zusätzlich traumatisieren würde und wir warten sollen :ka:

    Okay, verstehe. Und wenn ihr einen TA nach Hause kommen lasst?


    Denn wenn es wirklich die Schilddrüse (oder etwas anderes - man macht dann idR noch ein geriatrisches Blutbild mit) ist, dann bekommt ihr ohne Medikation kaum einen Fuß in die Tür.

  • Puh, ja, mit langfristigem Training und Medikation lässt sich da sicher was machen. Aber ganz ehrlich: ich denke nicht, dass ihr euch euer Leben mit Hund auch nur ansatzweise so vorgestellt habt. Und für den Hund wird der Weg, evtl. auch in einem neuen Zuhause mit Medikation, deutlich leichter, wenn er ihn in einem ruhigen Haus mit Garten, ab von der Großstadt und vielleicht mit einem souveränen Hund an der Seite, gehen darf.

    Ich würde ganz ernsthaft über eine Abgabe nachdenken, um euch und eurem Hund das Leben zu erleichtern...

  • Hi Sonic,


    ich finde bemerkenswert, was ihr Drei bereits jetzt seit mehreren Monaten an Engagement leistet.


    Ich finde die Idee von DarFay mit dem Kontakt zu anderen Hunden sehr gut. Ideal wäre natürlich, er könnte mit einem anderen Hund zusammenleben. Aber gäbe es für euch denn die Möglichkeit, wenigstens regelmäßige Begegnungen zu organisieren, also dass ihr jemanden aufsucht, der oder die einen erwachsenen souveränen Hund hat? Vielleicht einfach mal mit diesem Hund zusammen in einen Garten/auf eine eingezäunte Wiese gehen und nichts weiter machen. Nur beobachten. Sollte das gut gehen und euer Hund Anzeichen von Vertrauen zeigen, würde ich das so regelmäßig wie's eben geht, wiederholen.

    So als weiteren Schritt neben allen vertrauensbildenden Maßnahmen zuhause.


    Sollte wirklich eine handfeste Deprivation die Ursache für diese Extremscheu sein, hilft wohl nur, Spezialisten für solche Fälle ins Boot zu holen. Oder die Abgabe an Menschen, die für solche Fälle die günstigsten Haltungsbedingungen (Vorerfahrung, Garten, bereits andere Hunde usw.) haben.

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