Die Vergangenheit Eures Hundes...

  • ...und wie geht Ihr damit um?
    Damit meine ich nun nicht Training, sondern seelisch. Wie verarbeitet Ihr es, wenn Ihr über die Vergangenheit Eures Hundes nachdenkt, die nicht gut war?
    Wenn Euer Hund im Verhalten oder auch in körperlichen Beschwerden die Narben seiner Vergangenheit zeigt?


    Ich tu mir schwer damit. Und wenn ich sehe, wie Bonnie jetzt das gute und liebevolle aufsaugt wie ein Schwamm und im Moment gar nicht genug bekommen kann, tut es schon sehr weh zu wissen, was sie all die Jahre entbehren mußte.

  • Hm, ich halte es, wie mit meiner eigenen, nicht unbedingt schönen Vergangenheit, die auch gewisse Narben hinterlassen hat :


    Reflektieren, akzeptieren was ich ohnehin nicht mehr ändern kann, und das Beste daraus machen.


    Insofern finde ich es zwar sehr schade, dass viele Hunde viel Unschönes mitmachen mussten, aber das ist nun eben Vergangenheit.
    Das ist doch etwas Gutes, ein neues, befreiteres, liebevolles Zuhause zu haben!

  • Wie verarbeitet Ihr es, wenn Ihr über die Vergangenheit Eures Hundes nachdenkt, die nicht gut war?

    Ich halte es nicht für sinnvoll ständig an die Vergangenheit zu denken.


    Jeder hat sein Päckchen zu tragen, der eine mehr, der andere weniger - aber sich den Kopf darüber zu zerbrechen wie schlecht es dem Hund mal ging, bringt dem Hund auch nichts mehr. Es entstehen höchstens neue Probleme, weil "dem armen Hund" alles erlaubt und er verhätschelt wird.

  • Ich kenne dieses Gefühl.
    Man weiß, dass mein Hund eine scheiß Welpenzeit hatte.


    Sie hat in einem Hinterhof an der Kette gelebt, die dann irgendwann eingewachsen ist (alles voller Narben, kann kein Halsband tragen)
    Sie wurde mit Feuerwerkskörpern beschossen und wird daher immer Panik haben, wenn es knallt
    Sie hatte einen schweren Unfall als Junghund und wird deshalb bis an ihr Lebensende schwer gehbehindert sein


    Aber: Sie liebt ihr Leben. Wenn ich sehe, wie sie erstmal zusammenzuckt wenn ich Bretter zerschlage, tut mir das weh. Mir macht es auch einen Kloß in den Hals wenn ich sie aus dem Gestrüpp befreien muss, weil sie trotz aller Mühe ihre Beine nicht weit genug anheben kann und dann irgendwann verzweifelt aufgibt. Sehr weh tut mir das, wenn ich es sehe, und ich empfinde dann nicht nur Schmerz, sondern auch Wut.


    ... nur hilft ihr das nicht. Ich gehe damit um, indem ich ihr das größtmöglich glückliche Hundeleben biete, das sie einfach verdient hat. Ja, die ersten Jahre waren scheiße- aber jetzt ist es toll. Sie hat noch viele Jahre, in denen sie das aufholen kann, was sie versäumt hat, soweit es eben geht. Ich sehe sie im Rahmen ihrer Möglichkeiten herumturnen, ich sehe sie lachen, ich sehe, wie sie die Schalkhaftigkeit auspackt, die eigentlich zu ihrem Charakter gehört und jede Streicheleinheit aufsaugt, als könne sie es immer noch nicht fassen. Sie bekommt hier ärztliche Versorgung, damit sie nie mehr Schmerzen leiden muss.


    Sie hat sich nicht ergeben, also tu ich es auch nicht. Ich kann keine Zeit damit verschwenden über ihre Vergangenheit traurig zu sein, denn dann würden mir wichtige Augenblicke in der Gegenwart verloren gehen. Und die sind letzten Endes das, was zählt.

  • Kimi hat eine schwierige Vergangenheit. Kimi hat keine schwierige Vergangenheit? Ich weiß es nicht. Und das macht mich manchmal fertig.


    Sie kam mit knapp 17 Monaten zu mir und damit ins dritte Zuhause. Die ersten 11 Monate lebte sie bei der "Züchterin", dann einen Monat (!) bei einer anderen Frau, dann 5 Monate bei einem Pärchen, wo sie ohne Training (also Frauchen hatte nur mal eben zwei Wochen Urlaub) acht Stunden am Tag allein bleiben musste. Dort hat sie Fell abgeworfen, in die Wohnung gepinkelt, sich die Pfoten fast wund geleckt und mitunter auch mal vier Stunden durchgebellt. Deswegen wurde sie dann auch abgegeben.


    Da hatte ich nun einen sehr jungen Hund, der vielleicht Gutes, vielleicht Schlechtes erlebt hatte und völlig aufgelöst war. Gerade am Anfang war es so schwer, ihre Verlustängste mitzuerleben, sich da nicht selbst mit reinzusteigern und ihr Sicherheit zu geben. Ich weiß noch, wie sie einmal mit meiner Familie im Garten zurückblieb und ich kurz weg war, um etwas einzukaufen. Sobald sie gesehen hat, dass ich wiederkam, hat sie angefangen zu schreien. Aber richtig. Sowas hatte ich vorher noch niemals gehört. In den ersten Tagen ist sie in Panik ausgebrochen, wenn sie mich nicht mehr gesehen hat, obwohl ich im selben Zimmer war.


    Vieles hat sie schnell abgelegt. Die Panik war nicht mehr ganz so groß, sie hatte keine Angstzustände mehr. Sie fing an zu spielen und hörte langsam auf ihren Namen. Aber sie hatte so viele Momente, wo man gemerkt hat, dass sie einfach total weg im Kopf war. Klarheit hat ihr gefehlt und ich habe lange gedacht, dass sie das nie mehr bekommen wird, dieses "klar im Kopf Sein". Mittlerweile hat sie es. Es gibt nur noch seltene Situationen, in denen sie wirklich mal ausklinkt (am 08. ist sie seit dreieinhalb Jahren bei mir).


    Manchmal schaue ich sie an und frage mich, was sie schon alles erlebt hat. Oder ob sie einfach nicht gut sozialisiert wurde? Wie sah sie als Welpe aus? War sie ein kleiner Irrwisch? Wie viele Geschwister hatte sie, wie ist sie mit ihnen umgegangen? Mir fehlt eigentlich so viel Vorgeschichte... das ist nicht schlimm und eigentlich nicht relevant, aber ich würde das alles einfach so gern wissen. Natürlich auch, um gewisse Verhaltensweisen zu verstehen, wissen, ob sie mit bestimmten Sachen schlechte Erfahrungen hat. Das Einzige, was ich an diesem Hund bereue, ist es, nicht die 17 Monate "vor mir" zu kennen, obwohl ich dafür nichts kann.


    Zurück zur Vergangenheit... mit manchen Sachen lernt man eben zu leben. Vieles erfordert Management, das mir im Alltag gar nicht mehr auffällt. Sie ist sehr anhänglich (wohl aber auch rassebedingt) und ich kann sie nicht einfach mal eben bei Freunden unterbringen. Wenn ich krank bin, kann (außer meinem Freund) niemand mit ihr spazieren gehen. Und noch so viele andere Kleinigkeiten... am Anfang hat mir das sehr zu schaffen gemacht, dass sich manche Dinge aufgrund der Vergangenheit eben nicht mehr ändern werden. Mittlerweile ist es mir einfach egal.


    Aber ehrlich gesagt habe ich, wenn ich über all das nachdenke, schon echt Lust, gewissen Menschen mal ein paar deutliche Worte mitzuteilen.

  • Ich bin ganz froh, dass ich Bilder von Janoschs vorherigem Leben erst ein Jahr nach seinem Einzug bekommen habe. So hat Mitleid mich nicht anders handeln lassen. Der Krawallpups hat nämlich kein bisschen davon gezeigt wie dankbar gerettete Hunde sein sollen. Vielleicht hat mich seine rauhe Art und die vielen Anfangsprobleme mit ihm mich das auch besser vergessen lassen, als wenn er sich sehr ängstlich und schüchtern gezeigt hätte.


    Krass ist, wie lange er gebraucht hat sich mir gegenüber zu "öffnen". Wenn dann so ein Moment ist, in dem ich spüre, dass er jetzt mal seinen weichen Kern zeigt, dann kommen mir da manchmal die Tränen, weil das echt tief geht. Sonst ist da oft dieser Schutzwall um ihn herum. Obwohl man inzwischen (nach knapp 6 Jahren bei mir) immer öfter seine nette Seite zu sehen bekommt.


    Über seine Vergangenheit denke ich ansonsten nicht wirklich nach. Ich kann mir schlicht nicht vorstellen wie er das ausgehalten hat, an der (eingewachsenen) Kette, über und über mit Dreck. Hat sich mit einem anderen Hund die Essensreste geteilt und die Fliegen haben ihm das Leben zusätzlich zur Hölle gemacht. Darüber nachzudenken bringt einfach nicht viel und er tut es gottseidank auch nicht =)

  • Ich hatte bisher zwei Hunde mit ziemlich katastrophaler Vergangenheit, was man so rekonstruieren konnte, und einen, der eigentlich bloß gedankenlose Halter hatte. Umgegangen bin ich mit ihnen allen ziemlich gleich, und das tu ich auch bei den Tierheim-Pfleglingen.
    Ich finde es gut, wenn ich etwas über die Vergangenheit weiß, da es für mich im Umgang und im Training hilfreich sein kann. Es hilft, wenn man ungefähr einschätzen kann, was den Hund ggf. triggern könnte. Bei meinem Collie waren es Besen und Zeitungen. Meine Hündin biss bei Panikattacken um sich. Spuk mag absolut keine Kinder und hatte eine Wasserphobie, als er zu mir kam. Den Grund für diese beiden "Macken" habe ich erfahren, und so konnte ich leichter dran arbeiten.
    Was ich nicht tue, auch wenn es mir gerade bei den Tierschutzhunden manchmal noch etwas schwerfällt, ist, Mitleid zu haben und deshalb das Tier zu verhätscheln. Klar, bei einigen Schicksalen musste ich schon schlucken, manchmal kamen mir auch die Tränen, aber das passierte einmal. Danach habe ich meine Energie lieber darin investiert, herauszufinden, was ich tun kann, um dem Hund zu helfen, sich in seinem neuen Leben zurechtzufinden.
    Hunde, deren Vergangenheit wir nicht kennen, müssen natürlich anders "getestet" werden als solche, von denen wir wissen, was sie vorher erlebt haben. Schon allein deshalb, weil wir im Tierhofalltag und vor allem bei neuen Besitzern gern unangenehme Überraschungen vermeiden würden.

  • Hallo,


    die Vergangenheit der Hunde, darf niemals der Maßstab sein.


    Zwei Hunde hatten wir, die eine schlechte Vergangenheit vorweisen können.


    Jimmy wurde auf Kreta von Kindern misshandelt, als er ein Welpe war.
    Verona, als Jagdhund, wg. Jagduntauglichkeit auf die Strasse geworfen.
    Dort musste sie sich alleine durchschlagen. Nicht einfach auf Aegina.
    Zahlreiche Narben zeugen davon.


    Wir haben ihnen alles geboten, was ein Hundeleben lebenswert macht.


    Trotzdem blieben ihre Ängste, ihre Eigenheiten, ihr Wahnsinn.


    Mann muss diese Köter so nehmen, wie sie sind. Man kann es nicht ändern.
    Und da helfen auch keine Trainerstunden, keine gute Ratschläge und keine
    Erziehungsmethoden.


    Unser Jimmy hätte sich eher totschlagen lassen, als sich beruhigen zu
    lassen, wenn es einen Böller gab. Oder gar ein Feuerwerk. Verona könnte
    man mit einem Spaten erschlagen und sie würde es schwanzwedelnd
    hinnehmen, bevor sie sich auch nur ansatzweise dazu überreden ließe,
    bei einem nahenden Gewitter nicht hechelnd und speicheltriefend durch
    die Bude zu trappsen. Stundenlang.


    Man kann ihnen alles bieten, ihnen alles geben, sie lieben und verhätscheln.
    Wenn sie im Panikmodus sind, in ihrer Vergangenheit, in ihrem Status
    des Todes, hilft nichts.
    Besserwissern, die mit guten Ratschlägen daher kommen, muss ich leider
    sagen, dass sie keine Ahnung davon haben.


    Sorry.


    Die Tage werden wir einen Segugio bekommen. Fünf Jahre alt. Nicht mehr
    jagdtauglich, war er zum Tode durch Verhungern verurteilt.
    Auch da werden wir wohl einiges erleben. Auch er wird seine großen Macken
    haben.
    Drauf geschissen. Auch da werden wir Kompromisse eingehen müssen.


    Wer das nicht sieht, nicht akzeptiert, der darf sich solche verbeulten Seelen
    nicht holen.


    Liebt sie so wie sie sind. Sie geben alles. Nur ganz alles können sie nicht mehr
    mit ihrer gebrochenen Seele.
    Dafür sind wir da. Nicht um zu zweifeln. Nur um zu Verstehen und zu Vergeben.
    Um Zuzulassen was möglich ist um zu akzeptieren, was nötig ist.


    So ist das und nicht anders.


    liebe Grüsse ... Patrick

  • ...und wie geht Ihr damit um?
    Damit meine ich nun nicht Training, sondern seelisch. Wie verarbeitet Ihr es, wenn Ihr über die Vergangenheit Eures Hundes nachdenkt, die nicht gut war?
    Wenn Euer Hund im Verhalten oder auch in körperlichen Beschwerden die Narben seiner Vergangenheit zeigt?


    Ich tu mir schwer damit. Und wenn ich sehe, wie Bonnie jetzt das gute und liebevolle aufsaugt wie ein Schwamm und im Moment gar nicht genug bekommen kann, tut es schon sehr weh zu wissen, was sie all die Jahre entbehren mußte.

    Ich habe ja auch ein Maidli mit sehr zweifelhafter Vergangenheit. Wie beschissen ihre Welpenzeit war, habe ich auch erst ein gutes Jahr nach ihrem Einzug mit damals fast 6 Monaten erfahren. Die Katastrophen, die sich in ihrer Vergangenheit abspielten (deutscher Tierschutz), ihr Leid und das Leid so vieler anderen Hunde, die sich in vermeintlicher Sicherheit fühlten, hat mir sehr zu schaffen gemacht. Ja, es ist wie es ist, aber die Grausamkeit mancher Menschen im Umgang mit dem Tier macht mich fassungslos. Ich habe mich berappelt. Das Kenzkind hat vielleicht meine tiefe Trauer mitbekommen, aber nicht auf sich bezogen und wurde auch nicht auf irgendeinen Thron gehoben. Es hat viele, ganz viele Jahre gedauert, bis die frühen Negativerfahrungen vernarbten, aber heute - öhm, mit fast 10 - ist sie eigentlich ein (fast) ganz normaler Hund.


    Liebe Grüße
    Bea & Maidlis


    PS: falls jemand mehr über Kenzies "Geschichte" wissen möchte, gerne per PN

  • Hm, ich mach mir da ehrlich gesagt wirklich keine Gedanken drüber.


    Also, ich nehme aus Prinzip nur Hunde MIT Vergangenheit, also Tierschutz. Aber weil ich das mag. Dass sie Persönlichkeit und Vergangenheit OHNE mich mitbringen. Sie sind quasi nicht meine Kinder, sondern Teil unserer WG.


    Ich gebe zu, ich empfinde Hunde "ohne Vergangenheit", also, die vom Züchter ins liebevolle Zuhause kamen, oft als langweilig (nicht alle natürlich, aber schon einige).

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