Die Vergangenheit Eures Hundes...

  • Heute spielt das keine Rolle mehr, was vorher war. Biene hab ich ja seit der 8. Woche.

    Bei Bossi hab ich lange wissen wollen, wo er herkam etc. Hatte Tel.-Kontakt mit den Vorbesitzern (das Tierheim durfte uns deren Nummer geben), hab den TA gesucht, der ihn gechipt und wohl auch kupiert hatte, und dort erfahren, wo er geboren wurde. Selbst da bin ich noch hingegangen und hab einfach Bescheid gegeben, daß der Kerle jetzt bei uns ist, und durfte Bossis Wurfschwester, einen richtigen kleinen "Feger" *gg, die durfte als Einzige aus dem Wurf bleiben, kennenlernen.

    Ich dachte damals, das wäre wichtig, um den Hund besser kennenzulernen. Aber aus heutiger Sicht - von Frieda weiß ich gar nix, die wurde damals auf der Straße gefunden, da gibt es einfach keine Unterlagen zu ihr, und das Verhältnis zu allen meinen drei Hunden ist dasselbe, ohne Rücksicht darauf, was früher war. Aus heutiger Sicht ist das also alles unwichtig, ich würde wahrscheinlich auch mimmer so nachforschen.

    Frieda war, bevor sie zu mir kam, 7 Monate lang (u.a. im tiefsten Winter bis sie Anf. Februar zu mir kam) in ner kleinen Box eingesperrt in einer Auffangstation (keine Bewegung = noch kälter!). Und das einer 8jährigen Jagdterrine im besten Alter! Weil sie auf andre Hunde losging, und woanders daher nicht untergebracht werden konnte. Sie wurde blind gefunden als Straßenhund, kein Mensch konnte mir sagen, wie lange sie schon alleine auf den Streßen blind umhergeirrt war. Als sie kam, war sie verwurmt, hatte ne Augenentzündung. Bei 200-300 Hunden plus ähnlich vielen Katzen in einer Auffangstation kann sich net um jeden einzen ständig gekümmert werden, die waren froh, das Futter für die Tiere irgendwie herzubekommen.

    Ich denke, von Menschen hat sie nichts Böses erlebt, sie hat sich von Anfang an von jedem (!) auf der Straße knuddeln lassen, sich auf den Rücken gedreht und den Bauch kraulen lassen. Die kam damals an, stieg aus dem Auto der Transportierenden Tierschützerin aus, wedelte mich an, pieselte, ließ sich in meine Box setzen, und hat sichs umgehend wieder gemütlich gemacht. Heute macht sie das mit dem Bauchi-Kraulenlassen nur noch bei mir :-) weil sie weiß, wo sie hingehört, damals fand sie alle Menschen toll. Ich hab keine Ahnung, ob sie abhanden kam, beim Gassi oder auf der Jagd, und nicht gefunden wurde von den Besitzern, oder von denen auf die Straße gesetzt wurde, als sie blind wurde. Aber sie wußte von Anfang an, daß man nicht in der Wohnung pinkelt, ich denke also, sie war in einer Familie vorher, an Zwingerhaltung glaube ich net.

    Nur die Streßsituationen mit anderen Hunden anfangs, da stand ich öfter da mit Tränen in den Augen, weil der Hund echt Todesangst hatte, und in solchen Situationen nicht mehr zu bändigen war. 7,5 Kilo sich windender, kreischender, zappelnder und nach vorn gehender Aal..... *gg Einerseits hab ich mich in Grund und Boden geschämt, weil die Leute ja net wußten, daß der Hund neu bei mir war, und sich so aufführte, andererseits mußte ich weinen, weil ich gesehen habe, was sie für einen Streß hatte, das ging so weit, daß sie, sobald der Fremdhund weg war, sich hinhockte und Wasser gesch.... hat! Lange Zeit hab ich dann überlegt, oh Gott, was muß dem Hund passiert sein, so allein auf der Straße, sie mußte sich andren Hunden gegenüber behaupten, Futter finden und verteidigen etc., und das alles blind. Aber ein Jagdterrier zeigt einem relativ schnell, daß Mitleid kontraproduktiv ist - die tanzen einem dann ganz schnell auf der Nase rum. Und die Erkenntnis, daß dem panischen Hund auch net geholfen ist, wenn ich danebensteh und rumheule, hat mich dann auch eher weitergebracht *gg Da war erstmal beschützen vor Hundekontakten angesagt, ein paar Jährchen lang....

    Heute ist das alles vergessen, das ist einfach "nur" meine Frieda. Ich kenne sie genauso gut wie die andren Beiden, und Biene ist ja seit Welpe bei mir, was vorher war, interessiert nicht mehr - ich denke, je besser man den Hund kennenlernt, desto unwichtiger ist eine Info aus der Vergangenheit. Klar - ich hätte gern Welpenfotos von Bossi und Frieda, oder würde gern über die ein oder andre Jugendsünde der beiden schmunzeln können. Aber das ändert nichts daran, wer die beiden sind - und deren Vergangenheit zählt nicht zu meinem Leben. Unser Leben ist heute; was war, nicht mehr relevant.

    Die Vergangenheit zu kennen, kann beim Training weiterhelfen, ganz klar. Man kennt evtl. Auslöser für bestimmte Verhaltensweisen, kann besser verstehen und reagieren bzw. vorausschauender agieren unterwegs. Aber ohne sie zu kennen, gehts auch. Muß man halt vlt. bissel austesten, was am besten hilft, weil man den Grund fürs Austicken nicht kennt, aber gehen tut´s auch. Wenn der Hund bei Begegnungen austickt, isses schließlich egal, warum - er zeigt ja, daß er Streß hat, unter Streß ist er nicht lernfähig, logisch, also muß man ihn erstmal runterfahren und vor Begegnungen beschützen. Dann kann man anfangen, zu trainieren. Hätt mir das vor 9 Jahren mal einer so simpel gesagt, wären wir schneller ans Ziel gekommen *gggg

    Tja - heute, nein, am Montag wird mein inzwischen sehr gechillter "Hund ohne Vergangenheit" schon 17 Jahre alt - ich glaubs ja gar net..... *freu....

  • 17 schon ... Donnerwetter ... zähes Friedalein

  • Ich mach mir überhaupt keine Gedanken drum. Ich weiß das die Vergangenheit nicht toll war, aber mein Hund lebt im Hier und Jetzt. Radikale Akzeptanz, ändern kann ich die Vergangenheit eh nicht mehr.

  • Die Bo hat mein Mann mit ca. 5 Monaten bekommen. Was wir wissen ist, dass sie als Welpe von ihrem Züchter in eine TK zum einschläfern, gebracht wurde. Das Muttertier hätte ihr angeblich den Kiefer gebrochen. Die TK hat sich geweigert, sie übernommen, mehrfach operiert und dann kam sie in den privaten Tierschutz, wo mein Mann sie dann übernommen hat.

    Von Sam sind wir zwar schon die dritten Besitzer, aber ihm ging es vorher wohl ganz gut. Er lebte bis zum 9 Lebensmonat bei einer Familie. Die Frau kam dann aber mit dem 70cm Junghund und Baby nicht mehr zurecht. Die Familie hat ihn aber nicht ins TH gegeben, sondern es über privat versucht. Mein Mann wurde dann von einer Bekannten angesprochen, ob er ihn haben möchte und er wollte. Der Vermieter meines Mannes wollte aber nicht, so dass Sam erst mal zum Bruder meines Mannes kam. Mein Mann hat dann ein Haus mit Garten direkt am Rhein gekauft und nach dem die gröbsten Renovierungsarbeiten erledigt waren, konnte Sam zur Bo und meinem Mann ziehen.

  • Ich mache mir da ehrlich gesagt auch kaum Gedanken, das war vor uns. Ich vergleiche mit der Zeit ihres Einzuges, die Entwicklung die sie schon gemacht hat.

    Einige Wochen nach Einzug gab es ein Foto auf FB von ihrer Verletzung am Bein, das sah übel aus. Aber im Tierheim wollte ich davon nix wissen und es auch nicht sehen, es spielte keine Rolle.

    Manches kann man am Verhalten erahnen, aber das sind Spekulationen.

    Ich frage mich eher so ganz allgemeine Sachen zu ihrer Geschichte, wenn ich es wissen würde, würde sich nix ändern, aber ich fände es interessant.

    Wo genau aus Polen kommt sie her, welche Region, wie sahen die Eltern aus, hat sie irgendwo noch Geschwister und wie sehen die aus, leben sie wohl noch,...

    Die negativen Seiten will ich gar nicht wissen, es ändert nichts, es ist vorbei.

  • Ich wollte immer wissen, was mein Hund in den 2,5 Jahren vor mir erlebt hat und hab daher den Kontakt zu einem der Vorbesitzer gesucht. Die anderen zwei Vorbesitzer leben/lebten in meinem direkten Umfeld, sodass uns die Vergangenheit sowieso regelmäßig einholt, bzw. ich so einiges erfahren habe.

    Am Anfang bin ich ganz unbefangen rangegangen, weil Charly ja eh nur kurz bei mir in Pflege sein sollte :hust: und es zeigten sich auch erstmal keine Probleme. Dann kam plötzlich eins nach dem anderen mit voller Wucht und ich war wirklich verzweifelt, wusste nicht, wie ich damit umzugehen hatte, und holte mir für den noch fremden Hund zwei Trainer ins Haus, um ihn einschätzen zu lassen. Der erste sah uns nur einmal, der zweite kam dann öfter. Diagnose: Der Hund ist vollkommen traumatisiert. Das wollte ich erst nicht so richtig glauben, im Nachhinein weiß ich, er hatte Recht.
    Meine Höhen und Tiefen mit diesem Hund kann man hier im Forum nachlesen. Ich habe oft an Abgabe gedacht, weil ich dem ganzen nicht gewachsen war. Nur langsam habe ich verstanden, warum dieser Hund so ist, wie er ist und wie ich mit ihm umgehen muss. Dabei haben mir die Gespräche mit eben diesem einen Vorbesitzer auch sehr geholfen.
    Jeder erzählt die Geschichte ja so, dass er selbst am besten dabei weg kommt. Aber dadurch, dass ich drei verschiedene Version der gleichen Geschichte gehört habe, den Hund und nun auch alle Vorbesitzer kenne, glaube ich, ziemlich nah an die Wahrheit rangekommen zu sein, auch wenn ein paar dunkle Flecken geblieben sind, aber das muss ich auch nicht mehr wissen, denn es ist zum Verstehen nicht mehr relevant.
    Hätte ich das vorher alles gewusst, was ich jetzt weiß, ich hätte ganz anders reagiert bzw. diesen Hund vielleicht erst gar nicht aufgenommen, aber vielleicht hätten wir beide dann auch eine tolle Chance verpasst, aneinander zu wachsen.
    Wenn ich ab und zu an Charlys Vergangenheit denke oder mal wieder etwas Neues erfahren habe, dann könnte ich heulen vor Wut. Am schlimmsten war aber eigentlich ein Video vom jungen Charly, als er mit rund einem Jahr in seiner ersten Familie angekommen war und trotz den Misshandlungen im Welpenalter ein total ausgeglichener, fröhlicher Reitbegleithund war. Ich habe meinen Hund nicht wiedererkannt. Das zu sehen und zu wissen, der wird nie wieder so, das war echt hart für mich. Vor allem die Vorstellung, wie es ihm danach ergangen sein muss, dass seine Seele so schwere Schäden erlitten hat, da könnt ich zur Furie werden, weil es so ungerecht ist.
    Aber mich tröstet, dass es ihm jetzt bei mir inzwischen ganz gut geht und er nicht an die Vergangenheit denkt. Das versuche ich mir von ihm abzuschauen.

  • Mein erster Hund kam ebenfalls aus dem Tierschutz. Er kam aus sehr schlechten Verhältnissen und war wohl kurz in Budapest im Tierheim, bevor er von der Orga übernommen wurde - da war er gerade mal ein halbes Jahr alt. Er wurde scheinbar misshandelt, hatte überall alte und neue Narben und extreme Angst vor Männern, lauten Geräuschen, schnellen Bewegungen usw. Wir haben fast alle Probleme mit Mühe und Training hinbekommen und er war der beste Lehrmeister in Hinsicht Hundeverhalten: im Nachhinein merke ich, wie wenig ich davor eigentlich (trotz Info im Net) über die Verhaltensweisen der Hunde gewusst habe. Trotz vieler Tränen und schlafloser Nächte bin ich sehr froh, ihn gekannt zu haben und werde ihn nie vergessen. Er war extrem verschmust und ist nie von unserer Seite gewichen, man hat gemerkt wie sehr er positive Aufmerksamkeit genießt und alleine deshalb hat sich der Rest gelohnt =)

    Ich möchte generell immer alles wissen, also habe ich mich natürlich über seine Vergangenheit informiert und drüber nachgedacht - die Grausamkeit der Menschen macht mich heute noch wütend. Hat es mir was gebracht das zu wissen? Im Training ja, leider habe ich aber anfangs dazu geneigt, Mitleid mit ihm zu haben was natürlich nicht so gut war ;)

    Mein jetziger Hund Ernie stammt ebenfalls aus dem TS, er kommt aus Bulgarien. Dort wurden er und seine Geschwister als Babies von Tierschützern auf der Straße gefunden und mitgenommen, weil die Mutter tot war. Ernie war anfangs seeeehr scheu, nur ich und meine Schwester durften ihn anfassen - heute, 5 Monate später, begrüßt er jeden freudig und liebt es, wenn man sich mit ihm beschäftigt. Er ist sehr anhänglich, lieb und mein ein und alles :herzen1:

  • Finya ist inzwischen ja schon einige Jahre bei mir. Es geht ihr gut, sie hat alles, was sie will und braucht (okay, außer einem Hof zum Bewachen) und ist ein furchtbar verwöhntes lebendiges Plüschtier. Die Zeit, in der ich darüber nachgedacht habe, was sie wohl vor der Zeit bei mir erlebt hat, ist vorbei. Das hat mich in den ersten Jahren aber doch viel bewegt und mitgenommen.

    Ich weiß, dass sie aus Nis/Serbien ist und dort irgendwo auf dem Land in einem kleinen Dorf mit ihren 2 noch trinkenden Welpen, sowie einer etwa 6 Monate alten Tochter eingesammelt wurde (alle Hunde haben in Österreich ein neues Zuhause gefunden, wobei Finyas älterste Tochter leider vor ein paar Jahren entlaufen ist und von einem Auto überfahren wurde :( : ).
    Sie musste mit ihren Welpen nicht in ein Auffanglager, sondern wurde einige Monate in einer Pflegefamilie untergebracht.

    Als sie dann ein paar Monate bei mir war, hat mich ihr Pflegefrauchen aus Serbien auf Facebook angeschrieben und mir ein bisschen was über Finyas Vergangenheit erzählt. Die Kinder aus dem Ort haben die Hunde getreten und mit Steinen beworfen, die Männer haben die Hunde ebenfalls nicht gut behandelt.
    Was mit ihrem Bein passiert ist, wusste sie allerdings auch nicht. Das war wohl eine alte Verletzung. In der Anzeige stand damals, dass Finya von einem Traktor angefahren worden wäre...naja bezweifle ich stark, aber ist letztlich auch völlig egal. Ich will gar nicht wissen, ob sie misshandelt wurde oder ob es "nur" ein Unfall war.

    Diese Infos haben viel von Finyas Verhalten erklärt.
    Ich finde auch heute noch, dass man ihr anmerkt, dass sie viel erlebt hat. Sie wirkt auf mich immer unheimlich weise und wissend. So unbekümmert und sorgenfrei wie Frodo war sie nie. Das Leben war für sie niemals einfach nur ein großer Spielplatz wo alles lustig ist. Egal, was sie erlebt hat, es steckt zum Teil noch in ihr drinnen, auch wenn sie sich aktiv wahrscheinlich nicht mehr daran erinnern kann.

  • Ich habe meinen Hunden seinerzeit versprochen, dass sie nicht mehr frieren müssen. Dass sie nie mehr an eine Kette draussen angebunden werden. Das ich sie beschützen werde und dass ich mir großmögliche Mühe geben werde, ihr Vertrauen nicht zu enttäuschen.

    Jeden Tag möchte ich sie mit einem Lächeln belohnen. Wenn sie zu mir kommen, sie sanft streicheln. Sie immerzu liebevoll ansprechen. Nicht so streng mit ihnen zu sein. Ich möchte, dass sie jeden Tag ein gefülltes Bäuchlein bekommen und keine Entbehrungen mehr haben müssen.

    MIr ist es besonders wichtig, dass alle drei immer die Möglichkeit haben, sich weich zu betten. Dieses Privileg hatten alle drei nicht. Das ist eines der ganz besonderen Dinge, die sie wirklich genießen. Weich und warm zu liegen. Wenn sie ihre Lieblingsplätze aufsuchen, mit spitzen Pfoten erst alles schön platt trippeln, sich ein paar mal drehen, um dann ganz langsam in die Wärme, Weichheit versinken - ganz ehrlich, da geht mir mein Herz über. Ihr erster Blick, nachdem sie ihre "Nester" eingenommen haben, gilt mir. Ich bin mir sicher, dass sie glücklich sind. Das sie das Leben wieder genießen, es macht ihnen Freude, am Leben zu sein, keine Angst haben zu müssen. Und ihr Strahlen ist so herrlich ansteckend, es ist einfach einzigartig, wie diese tägliche Lebensfreude ansteckt.

    Ich denke selten an die Vergangenheiten meiner Hunde. Ich weiss, dass sie sehr schlimm waren und meine Hunde zT sehr darunter gelitten haben mussten. Sie gehört jedoch zu ihnen, auch wenn sie alles andere als schön war. Ich bin mir sicher, dass sie, seitdem sie in meiner Obhut sind, nicht nur die physischen, sondern auch die Psychischen Narben weicher werden. Verschwinden werden sie nicht, aber diese Narben sind auch das, was meine Hunde zu etwas Besonderen machen.

    Dieses ganz besondere Strahlen, wenn sich unsere Blicke begegnen, das wärmt bis ins Herz. Ich danke dem Schicksal, dass ich in der Lage bin, gut für meine Hunde zu sorgen. Ich wünschte, alle Hunde würden so eine Chance bekommen.

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