Wie "trainiert" man generell Panik weg?

  • Inspiriert von einem grade aktuellen Thread mit ähnlichem Titel möchte ich gerne mal ein bißchen allgemeiner fragen:

    Meg (und ich denke, das haben viele Hunde) reagiert in manchen Situationen panisch. In erster Linie ist das bei plötzlichen (Knall-)Geräuschen draußen, wenn wir an einer Ansammlung Menschen vorbeigehen und diese möglicherweise auch noch laut sind und plötzliche Bewegungen machen, in Bahnunterführungen, wenn dort jemand ein lautes Geräusch macht (das hallt ja auch so schön) oder die S-Bahn oben drüber rattert.

    Sie reagiert dann mit einem Fluchtreflex, nur schnell weg, legt sich dann fürchterlich in die Leine (was sie normalerweise überhaupt nicht tut, die Leine hängt immer locker durch), bis sie nur noch auf den Hinterbeinen läuft und vor sich hin röchelt. Netterweise hat sie die doofe Angewohnheit, mir dann auch noch direkt vor den Füßen herumzuhampeln, so dass ich wirklich Mühe habe, nicht über sie zu fallen.

    Sehr lästige Sache, das.

    Das mit der Unterführung löse ich derzeit nach dem Abstumpfungsprinzip: wir sind da in letzter Zeit öfter durch, weil es der Weg zum Tierarzt ist, und ich hab immer (so gut es ging) ihr Theater einfach ignoriert. Mittlerweile läuft sie da schon viel cooler durch als am Anfang, und ich bin guter Dinge, dass das auch noch vollends weggehen könnte.

    Mir war nämlich aufgefallen, dass sie vor einem Jahr, als wir sie bekommen hatte, noch viel schreckhafter gewesen war, da hat sie ständig wegen jedem Mist Panik bekommen und ist mir vor die Füße gelaufen. Ich hab einfach gar nichts gemacht, auch nicht mit ihr gesprochen, das hat sich von selber gelegt bis auf die paar Fälle.

    Ich würde sie gerne so hinkriegen, dass wir auch mal im Einkaufscenter herumschlendern können, ohne dass sie panikt, meint Ihr, dass auch da mein "Augen zu und so lange durch bis der Gewöhnungseffekt eintritt"-Prinzip helfen könnte - oder ist das zu grausam, gibt es da noch bessere, sanftere Methoden? Wie habt Ihr solche Dinge gelöst?

  • Ein komplexes Thema!
    Mit dem "Abstumpfen" funktioniert es so, dass der Hund die Erfahrung macht: "Ach, passiert (doch) nichts, ich überleb die Situation. Ist vielleicht etwas unangenehm, aber geht." DAS ist der Lerneffekt. Den kann man (nur) erreichen, wenn der Hund OHNE Panik aus der Situation rausgeht. Also auch eine Frage des Timings. Man muss den Hund dazu durch die Situation durchführen (ggf die Panikmacher abstufen) und ihn ggf an der Flucht hindern. Denn: Endet die Situation für den Hund panisch, verstärkt das die negative Verknüpfung!

    Und grundsätzlich gilt: IN der Panik lernt der Hund nix. Man erreicht ihn einfach nicht; er ist blockiert. Insofern ist es gut, den Hund gar nicht erst in die Panik kommen zu lassen, sondern ihn unterhalb der Nix-geht-mehr-Marke zu bleiben.

    Ein konkret zu umreißender und selbst zu beeinflussender Angst auslösender Reiz ist dabei einfacher zu händeln als ein unvermeidbarer Reiz, der sich der eigenen Kontrolle entzieht (zB Silvesterknaller, Insekten, usw).

    Hunde, sie auffallend ängstlich sind, stehen häufig vermehrt unter Stress. Dann ist ggf eine eigene Stressbehandlung angesagt, damit ihr Nervenkostüm den angstauslösenden Reizen (besser) gewachsen ist.

    Neben der direkten Angstbearbeitung würde ich auch drauf setzen, das Selbstbewusstsein eines Angsthundes zu stärken. Ihm Erfolgserlebnisse zu verschaffen, ein Gefühl von "Ey, ich kann das/was!".
    Und darauf achten, dass er die Stresshormone abbauen kann, die er in den Angstsituationen aufbauen kann. Also Bewegung und Freiräume, in denen nicht mit Angst zu rechnen ist, ermöglichen.

    Ein komplexes Thema!

  • Hallo,
    ich bevorzuge eine "wilde" Mischung aus verschiedenen Umgangs-Methoden, die ich je nach Situation bei unserer "Ex-Angsthündin" angewandt habe.

    Nur "Augen-zu-und-durch/Ignorieren" wende ich allerdings bei ANGST eher selten an, weil ich die These vertrete, dass ein "panikender Hund" nicht auch noch das Gefühl haben sollte, er sei der einzig "Sehende unter den Blinden", der als Einziger die vermeintliche Gefahr wahrnimmt...
    Im Gegenteil, gerade anfangs, habe ich unserer Hündin geholfen, indem ich ihre Angstauslöser "bewertet" habe, mit einem "Ach, das ist nix, komm weiter" in wegwerfendem Tonfall - so hatte der Hund ein Verhalten, an dem er sich orientieren konnte.

    Bei aufflackernden Unsicherheiten, wenn der Hund sich noch nicht so ganz schlüssig ist, ob er in sein Angstverhalten verfallen soll oder nicht, neige ich mittlerweile weitaus eher zum Ignorieren, denn da holt sich unser Hund die Entscheidung, ob er eine Situation als angstauslösend interpretieren will oder nicht, aus der Beobachtung unseres Verhaltens und wenn wir da einfach unbeeindruckt weitermachen, kippt der Hund vom "GRat der Entscheidung" wieder auf die "alles im grünen Bereich"-Seite zurück...

    Ganz konkrete Angstauslöser konditioniere ich anfangs gegen. Um dann irgendwann - wenn der Hund statt Angst nur noch "Unwohlsein" in dieser Situation zeigt, in den "Stell Dich mal nicht so an -Modus" zu verfallen.

    Manchmal wird auch regelrecht desensibilisiert.

    Es gibt soviele Möglichkeiten, an Angstauslösern zu arbeiten - über die Entfernung zum Reiz, über die Intensität des Reizes und über die Dauer des Reizes - ich glaube, es kommt sehr darauf an, dass man als Halter recht flexibel agiert (nicht immer nur reagiert!) und sich situativ für an den jeweiligen Hund angepaßte Methoden und deren "wilden Mischungen" entscheidet.

    Manche Reize müssen auch mal ausgehalten werden.

    Ich für mich unterscheide an den Reaktionen des Hundes, was ich ihm gerade zumuten kann. Am ehesten trifft es vermutlich die Unterscheidung in "Unwohlsein/Unsicherheit", "Angst" und "Panik", um daran auszumachen, wie ich für meinen Hund in dieser Situation reagiere.

    Regelrechte Panik ist für mich zunächst einmal ein absoluter "Notfall", in dem mein Bestreben dahingeht, den Hund möglichst sofort aus dieser Situation herauszuholen oder die Situation möglichst rasch für den Hund deutlich erträglicher zu machen. Fast egal, wie. Bei langanhaltender Panik müssen die Systeme des Hundes notfalls auch medikamentös runtergefahren werden, um DANACH planmäßig, gezielt dran arbeiten zu können.

    LG, Chris

  • Zitat

    Ein komplexes Thema!
    Mit dem "Abstumpfen" funktioniert es so, dass der Hund die Erfahrung macht: "Ach, passiert (doch) nichts, ich überleb die Situation. Ist vielleicht etwas unangenehm, aber geht." DAS ist der Lerneffekt. Den kann man (nur) erreichen, wenn der Hund OHNE Panik aus der Situation rausgeht. Also auch eine Frage des Timings. Man muss den Hund dazu durch die Situation durchführen (ggf die Panikmacher abstufen) und ihn ggf an der Flucht hindern. Denn: Endet die Situation für den Hund panisch, verstärkt das die negative Verknüpfung!

    Das ist einer der wichtigsten Punkte bei so einem Training. Wenn ich die "Durchstehtaktik" wähle, dann muss ich sie in aller Konsequenz durchziehen, sonst entsteht tatsächlich genau die gegenteilige Verknüpfung.

    Das heißt z.B. bei der Unterführungssituation, dass man solange da unten drin bleibt, bis der Hund sich nicht mehr in die Leine hängt, sondern deutlich ruhiger wird. Das kann manchmal ganz schön lange dauern. Am besten ein Buch mitnehmen und viel Zeit ;) Das ist aber auch die effektivste und nachhaltigste Methode einen Angstauslöser zu trainieren auf dessen Anwesenheit man Einfluss hat.

    Ansonsten wäre Desensibilisierung eben auch noch eine Möglichkeit. Das heißt, man nähert sich dem Objekt der Angst immer gerade soweit, dass der Hund noch ruhig bleibt und belohnt dann. Man meidet hierbei, im Gegensatz zu dem anderen Weg, dass der Hund überhaupt richtig Angst bekommt. Er soll den Angstauslöser grad mal wahrnehmen, aber noch nicht ängstlich reagieren.

    Ich muss sagen, dass ich mittlerweile die erste Methode bevorzuge, weil sie schneller geht und die Gefahr für Fehlverknüpfungen geringer ist. Wo ich nichts bestätige, kann ich auch nichts falsch bestätigen ;)

    Viele Grüße
    Corinna

  • An unserem ersten Sylvester ist Kimba in Panik verfallen bei Knallern. Auslöser waren sau dumme jugendliche, die genau als wir an ihnen vorbei sidn einen riesen Böller in einem Rohr gezündet haben. :zensur: Danach wars vorbei. Sie zog an der Leine wie irre. Trotz ihren nur 20kg konnte ich sie kaum noch halten.

    Ich bin so vorgegangen, dass ich sie noch in der Nacht und die weiteren Tage wo geböllert wurde, immer wieder mit den Knallern konfrontiert habe. Heißt sie wollte panisch eine andere Richtung, vorzugsweise nach Hause, ich in in die Richtung gegangen wo der Knall her kam. Mein Kommentar dazu "alles ok". So hat sie erstmal gelernt nicht kopflos loszurennen, sondern sich an mir zu orientieren.

    Danach kam Stufe 2. Habe zwei Kids beim Böllern getroffen. Bin dann immer näher an die beiden ran. Wenn Kimba ruhig war gabs mal ein Leckerli. Entfernt habe ich mich erst wieder, als sie einigermaßen ruhig war und nicht an der Leine gezogen hat. Hat sie gezogen, bin ich umgedreht und zurück. Nach 30 Min. ging auch das.

    Heute erschreckt sie sich zwar noch wenns knallt, beruhigt sich aber sofort wieder.

    Auch in allen anderen Situationen in denen sie dazu neigt Panik zu bekommen, gehe ich so vor. Und bei Kimba funktioniert es super.

    Ich denke da muss jeder für sich ausprobieren, was für den Hund am besten ist.

  • Zitat

    Das ist einer der wichtigsten Punkte bei so einem Training. Wenn ich die "Durchstehtaktik" wähle, dann muss ich sie in aller Konsequenz durchziehen, sonst entsteht tatsächlich genau die gegenteilige Verknüpfung.

    Das heißt z.B. bei der Unterführungssituation, dass man solange da unten drin bleibt, bis der Hund sich nicht mehr in die Leine hängt, sondern deutlich ruhiger wird. Das kann manchmal ganz schön lange dauern. Am besten ein Buch mitnehmen und viel Zeit ;) Das ist aber auch die effektivste und nachhaltigste Methode einen Angstauslöser zu trainieren auf dessen Anwesenheit man Einfluss hat.

    Auf diese Weise ließe sich dann ja famos das Einkaufscenter trainieren: man gehe hin, hole sich bei Starbucks einen TallChocolateMoccaLactosefreiPeppermintmiteinwenigSahne und setze sich dann gemütlich in einen der plüschweichen Sessel, bis Hundi ruhiger wird?

    Das würde mir gefallen. Ich wäre täglich am Üben. :D

  • Witr haben auch einen Angsthun: Seppi hat totale Angst vor Strassen und Häuser. Anfang haben wir gedacht ein kleines Stück schadet nicht, und sind mit unseren beiden Hunden( July super ruhig und keinerlei Angst) gegangen. Seppi Zustand wurde immer schlechter. Sobald wir in der Nähe von Häuser kamen wurde er panisch. Besonders an einer Strassenecke. Selbst das vermeiden dieser Ecke hat nichts geholfen. Nun fahren wir immer ein Stückchen mit dem Auto und dann gleich auf Wiese etc. Wir versuchen es nun, dass wir erst spät abends mit ihm die gleiche Strasse/Ecke gehen und wir vorhin beschrieben, lenke ich ihn viel ab mit leckerlies und Worte "wie toll er doch ist etc" und es klappt besser.
    Aber sollte er doch mal in Panik geraten, hilft wirklich nichts mehr. Oft habe ich ihn nach Huase getrage (uhh 17 Kg), mir tat der Wurm einfach leid, wie er an die Leine zog.
    Weiss nicht ob tragen richtig war, wollte ihn aus seiner Stresssituation rausholen.

  • Zitat


    Das ist einer der wichtigsten Punkte bei so einem Training. Wenn ich die "Durchstehtaktik" wähle, dann muss ich sie in aller Konsequenz durchziehen, sonst entsteht tatsächlich genau die gegenteilige Verknüpfung.

    Ich muss sagen, dass ich mittlerweile die erste Methode bevorzuge, weil sie schneller geht und die Gefahr für Fehlverknüpfungen geringer ist. Wo ich nichts bestätige, kann ich auch nichts falsch bestätigen ;)

    Funktioniert das? Ich hab nämlich ein ähnliches Problem. Es gibt genau einen Bahnübergang (bei meinen Eltern), vor dem sich mein Hund fürchtet.
    Ich dachte, die Angst würde von alleine wieder weggehen, wenn wir einach über den Bahnübergang gehen als wenn nix gewesen wäre. Allerdings ist die Angst bei jedem Überqueren noch schlimmer geworden. Dann werde ichs mal mit Flooding probieren...

  • Ich hab jetzt nicht alles durchgelesen, ich hoffe ich schreibe nichts doppelt ;)

    Meine Maja ist auch ein ziemlich ängstlicher Hund (gewesen) und mir hat das Buch "Trau nie einem Fremden!" von Patricia McConnell sehr weitergeholfen. Im großen und ganzem geht es eben darum, den Hund dem Reiz in so schwacher Form auszusetzen, dass er es ertragen kann. Wenn man das raus hat, dafür sorgen, dass der Hund den schwachen Reiz mit etwas positiven verknüpft. Das heißt zB im Falle der Bahnunterführung: Nähere dich ihr so nah, dass dein Hund sie erblickt und denkt: "Oh nein, gleich muss ich da wieder durch, oh nein, ich will nicht!...". In diesem Moment bleibst du stehen und setzt deinen Hund einem positiven Reiz aus - das kann ein besonderes Leckerchen sein oder ein Spiel, je nachdem, was dein Hund besonders gern mag. Wichtig ist: Er darf an dieser Stelle noch nicht in Panik sein! Der Reiz muss wirklich "gut dosiert" sein, so dass das positive Gefühl (durch die Belohnung) im Endeffekt überwiegt. Anschließend drehst du um und gehst wieder nachhause (oder in den Park oder sonst wohin). Das wiederholst du so oft, bis bei deinem Hund die Verknüpfung entsteht: "Oh toll, da ist die Unterführung! Das bedeutet Leckerlie/ Spiel". Wichtig ist: Dein Hund darf in dieser Zeit keine negativ Erlebnisse mit dem angstauslösenden Reiz machen! Das heißt nie weiter als bis zu dieser Stelle gehen, ansonsten ist das ganze Training hinfällig. So, dann näherst du dich auf die selbe Art und Weise dem angstauslösenden Reiz immer ein bisschen mehr. Erst kannst du die Distanz zwischen euch und der Unterführung verringern, dann unmittelbar vor der Unterführung üben, dann auf der Treppe, dann bei der Treppe unten angekommen usw. usf. Wichtig ist eben, dass du direkt danach kehrt machst, damit der Hund die Übung positiv abschließt. Wie viel Zeit ihr dafür brauchen werdet kann man pauschal nicht sagen, das kommt immer auf den Hund an. Grundsätzlich gilt aber: Immer lieber einmal mehr mit einem (mittlerweile zu) schwachen Reiz üben als den Hund überfordern. So verhinderst du Rückschritte.

    Ich wünsche euch viel Erfolg dabei :)

  • Zitat


    Funktioniert das? Ich hab nämlich ein ähnliches Problem. Es gibt genau einen Bahnübergang (bei meinen Eltern), vor dem sich mein Hund fürchtet.
    Ich dachte, die Angst würde von alleine wieder weggehen, wenn wir einach über den Bahnübergang gehen als wenn nix gewesen wäre. Allerdings ist die Angst bei jedem Überqueren noch schlimmer geworden. Dann werde ichs mal mit Flooding probieren...

    Ja, das funktioniert. Mein Zeus - Schissbuxe vor dem Herrn - hat wohl mal von einem Schafzaun mal eine gewedelt bekommen. Tja, seeeehr unpraktisch für mich. Also hab ich ihn neben meiner Schafweide an einen Baum gebunden und habe meine Schafe umgesteckt - das dauert gut zwei Stunden. Solange hat es gar nicht gedauert bis er ruhiger wurde.

    Mittlerweile läuft er wieder unbekümmert an Schafzäunen entlang. Und das ist für ihn wirklich ein enormer Fortschritt, denn er ist bei solchen Sachen wirklich kein einfacher Hund.

    Viele Grüße
    Corinna

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