Wie "trainiert" man generell Panik weg?

  • bei Wikipedia kann man zu "Flooding" folgendes finden (die Gründe, warum ich Flooding nicht anwende sind rot markiert):

    "Das Flooding (auch Überflutung, Reizüberflutung) ist eine Form der Konfrontationstherapie, die v. a. in der Verhaltenstherapie eingesetzt wird. Es wird als massiertes Verfahren in vivo eingeordnet. Als massiertes Verfahren wird es nicht graduell, in kleinen Schritten angewendet. In vivo bedeutet ein Vorgehen in der Realität.

    Dabei wird der Patient nach ausführlicher Information und Vorbereitung dem stärksten angstauslösenden Reiz ausgesetzt und soll in der Situation bleiben, bis seine Angst zurückgegangen ist. Wenn eine Person z. B. Höhenangst hat, dann wäre die Reizüberflutung das Verweilen auf einem hohen Turm. Diese Therapieform sollte nur durch einen entsprechend ausgebildeten Therapeuten ausgeführt werden.

    Sinn der Therapie ist, dass der Patient durch die Erfahrung, dass er die stärkste Angst ausgehalten hat, lernt bzw. erkennt, dass er die Situation überlebt. Als einziger Sicherheitsreiz dient dabei der Therapeut."

    Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Flooding_%28Psychotherapie%29

    Warum wende ich es also nicht an:
    - ich kann den Patienten nicht vorab ausführlich Informieren und vorbereiten und vor allen Dingen kann ich keine Absprachen treffen, unter welchen Umständen die Session abgebrochen wird.

    - Die wenigsten Hundetrainer geschweige denn Hundehalter haben Verhaltenstherapie studiert...


    Mir ist die Gefahr, dass das ganze nach hinten losgeht, zu hoch. Die Gefahr, dass der Hund anschließend noch sensibilisierter ist als vorher, und die Ängste generalisisert, auf Sachen, die vorher nicht betroffen waren.

  • Ich sehe allerdings bei manchen Hunden nur eine Chance durch diese Form des Trainings. Wenn es sich z.B. um eine Panik vor Dingen handelt, denen ich nicht kontrolliert begegnen kann, dann ist genau dieser Trainingsmethode eine echte Chance.

    Allerdings darf man da als Mensch nicht zu sensibel sein. Der "Vorteil" gegenüber dem Flooding beim Menschen ist, dass ich den Hund nicht durch meine mentale Unterstützung in der Situation halten muss. Ich kann ihn eigentlich recht einfach dazu "zwingen". Ja, es ist Zwang und es kann dazu kommen, dass der Hund phasenweise ziemlich heftig reagieren und versuchen wird sich zu befreien.

    Therapeut sein hin oder her - fakt ist, dass Hundehalter ohne jede therapeutische Ausbildung so oder so mit ihrem Hund trainieren und Dinge versuchen. Und das hier ist ein Weg, den man natürlich genauso konsequent gehen muss, wenn man ihn einschlägt, wie alles andere auch...

    Wie bereits geschrieben, habe ich gute Erfolge mit dieser Methode erzielen können. Nicht nur bei meinen eigenen Hunden.

    Viele Grüße
    Corinna

  • Ich finde gut, dass du auf die Gefahren hinweist! Natürlich muss man es sachgemäß anwenden. Nur würde ich bei Hund und Mensch "sachgemäß" anders auslegen.
    ich sehe es beim Hund biologischer als beim Menschen. Der Hund soll sich nicht kognitiv klar machen, dass er die Situation wider Erwarten überlebt hat. Sondern es soll neben der Panikspur eine neue bzw eine bislang wenig genutzte Nervenbahn genutzt werden. Diese erzwungene Auseinandersetzung mit dem Reiz hinterlässt neuronale Spuren.
    Ist doch so: Die Nervenverbindungen, die häufiger benutzt werden, sind "dicker". Auf die wird auch häufiger zugegriffen - was sie weiter ausbaut.
    Beim Flooding setzt man darauf, dass der Hund andere Nervenverbindungen nutzt als die Panikspur.

    Manchmal kommt man auch nicht umhin, so zu handeln, denke ich. Man kann nicht jeden Reiz systematisch desensibilisieren, man kann nicht immer solche klinischen Bedingungen erzeugen.

    Es ist eine Rosskur - für Ross und Reiter bzw Hund und Halter. Und es kann nach hinten losgehen, keine Frage!
    Ich finde es auch eine Abwägungssache, denn gestresste Hunde haben massive Einbußen bei der Lebensqualität. Und mitunter ist ein "kurz und schmerzhaft" angesichts der positiven Konsequenz eher zumutbar als ein langanhaltender, wiederkehrender Angstzustand.

  • Zitat

    Wie habt Ihr solche Dinge gelöst?

    Indem ich dahingehend arbeite das der Hund seine emotionelle Haltung Dingen gegenueber die ihn in Angst versetzen aendert.

    Ich kann Hund trainieren und dressieren Dinge zu tolerieren.....oder ich kann ihn konditionieren furchteinfloessende Dinge langsam als etwas Normales zu betrachten die keinerlei Gefahr fuer ihn bedeuten.

  • das wüsste ic hauch gerne. Unserer hat Angst vor Motorrädern seit einiger zeit.
    war evtl auch unsere Schuld. Vor ein paar wochen war mein Bruder mit dem Motorrad da(Harley). Wir waren auf dem Hof, die Kinder wollten sehen,wie er weg fährt, und unsrer Hund stand dabei. er wurde panisch und wollte nur noch weg. Ich konnte ihn jetzt aber nicht weg bringen,weil die Kids noch da standen und ich auch aufpassen musste, dass sie nicht zum Motorrad gehen,wenn es fährt. Doofe Situation, und jetzt haben wir den Salat, meistens sind es aber die Roller,die er jetzt überall anbellt.

    habe jetzt schon öfters gehört, dass man die Hunde nicht beruhigen soll, was ich allerdings im Moment immer mache.

  • Zitat

    dem stärksten angstauslösenden Reiz ausgesetzt und soll in der Situation bleiben, bis seine Angst zurückgegangen ist.

    Diese Therapie-Form sehe ich ebenfalls sehr kritisch.

    Das macht man genau solange, bis einem das erste Tier vor Panik gestorben ist... wobei ich jetzt nicht unbedingt nur von Hunden "rede".

    Das sind Methoden, die nur von Therapeuten angewendet werden sollten, die dann auch bitte jederzeit "Herr der Lage" sind und einschätzen können, ab wann der Streß rein medizinisch betrachtet für das Tier ins vital bedrohliche übergeht - denn selbst bei Menschen, denen man bis zu einem gewissen Angstgrad noch mit Argumentation begegnen kann, fallen ab einem gewissen Stand der Panik in unbeeinflussbare körpereigene Regularien, die vom Verstand absolut unbeeinflußbar sind - spätestens dann, wenn mensch sich vor Angst wirklich in die Hose macht, sollte solch ein Versuch beendet werden.

    In den beschriebenen Beispielen gehe ich einfach davon aus, dass die Angst bei den Vierbeinern noch auf einem vital-verträglichen Level war - DANN kann das sicherlich funktionieren und DANN bleibt es auch für die Gesundheit folgenlos. Und nur DANN kann es ein hilfreicher Versuch sein.

    Aber die Einschätzung, wie ausgeprägt die Angst/Panik bei einem Vierbeiner ist, stellt sich hier m. E. als der limitierende Faktor für die Anwendung dar.

    LG, Chris

  • Ich finde Corinnas Weg gut. Rusty hatte als Welpe/Junghund große Angst vor Autos, besonders wenn sie schnell unterwegs waren oder sehr dicht an uns vorbei fuhren. Ich hab mich dann oft lange an die dicht befahrendste Kreuzung (mit Bus- und Tramverkehr dazu) gestellt und Hundi gar nicht mehr beachtet. Nach anfänglichen Fluchtversuchen (gesichert mit HB und Geschirr) wurde er ruhiger und hat sich schließlich mit der Situation abgefunden. Wir haben die Stellen erst wieder verlassen, wenn Rusty sich hin gelegt und weitgehend entspannt hat. Manchmal hat er dann sogar vor sich hin gedöst. :smile:
    Das Problem ist zwar noch nicht endgültig behoben, aber er ist deutlich entspannter und bleibt ansprechbar. Dran arbeiten müssen wir sicher immer, da es immer wieder verschiedene Stressauslöser gibt (z.B. LKW auf Kopfsteinpflaster- dummerweise haben wir solches vor unserer Haustür), aber ich denke, dieser Weg war/ist in unserem Fall richtig! :D

  • Zitat

    Das macht man genau solange, bis einem das erste Tier vor Panik gestorben ist... wobei ich jetzt nicht unbedingt nur von Hunden "rede".

    Ein gesunder Hund stirbt bei einer Panikattacke?

  • Zitat

    Ein gesunder Hund stirbt bei einer Panikattacke?

    Wenn wir beide unter "Panik" dasselbe verstehen, kann das wirklich vorkommen, ja. In dem Moment, wenn wie oben beschrieben ein Hund/Tier für einen längeren Zeitraum dem größten angstauslösenden Moment ausgesetzt wird, kann die hormonelle Antwort so "entarten", dass die "Streßhormone" z. B. zu Herzrhythmusstörungen führen.

    Häufiger als bei Hunden findet man dieses Geschehen bei Wildtieren - z. B. "krank" geschossene Hasen, deren Verletzungsmuster sie fluchtunfähig macht, das aber eigentlich kein Grund zum Sterben wäre - nähert sich der Jäger, sterben diese Hasen oft am plötzlichen Herztod durch Über-Erregung aufgrund ihrer Panik.

    Mir fehlen nun leider die verhaltensbiologischen Hintergründe, um die korrekte Wortwahl zu treffen - aber in dem Moment, in dem ein Tier wirklich Todesangst hat, kann die oben beschriebene Vorgehensweise des Floodings tödlich enden.

    LG, Chris

  • Ja, dass das Problem bei Kaninchen besteht, weiß ich. Auch Laufenten sind da sehr anfällig und können bei zuviel Stress schneller sterben als andere Tiere...

    Und da ist eben die Frage, ob Hunde da generell genauso empfindlich sind. Ich meine wirklich gesunde Hunde.

    Übrigens würde ich das mit keinem Hund machen, bei dem ich nicht die Chance darauf sehe, dass in der Situation irgendwann die Entspannung folgt. Sonst wäre das ja nicht das Training, dass ich meine ;)

    Es soll jetzt auch nicht heißen, dass ich das für alle Angstprobleme als Mittel der Wahl halte. Es ist ein möglicher Weg.

    Viele Grüße
    Corinna

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