Kontrolle des Jagdtriebs über positive Verstärkung

  • esiontour: Meine dürfen sich auch ziemlich weit entfernen, sogar stöbern und Mäuse buddeln. Aber das alles nur, wenn ich spüre, dass sie noch die Verbindung zu mir haben. Der Weg dorthin war allerdings geprägt von sehr viel Beschäftigung während des Spaziergangs, von Handfütterung etc. Man muss das alles ja erstmal aufbauen, um es nachher auch abrufen zu können. Bei Kalle hatte ich nachher tatsächlich das "Problem", dass er ständig bespaßt werden wollte und eigentlich sonst gar nichts mehr machte beim Spaziergang. Nun, viele Beaglehalter wären froh drum. Ich fand's irgendwie auch schade für ihn. Also hab ich das Beschäftigungsprogramm runtergefahren. Und jetzt, mit der Kleinen, da rennen die fröhlich durch die Gegend und bespaßen sich untereinander. Schön azusehen für mich.

  • Zitat

    Ich frage mich wo das noch natürlich ist? Wo kann da der Hund mal noch Hund sein? Ich sehe das jetzt auch ganz losgelöst von Futter etc.... Ein Hund soll doch auch mal das tun können worauf er Lust hat ... in den Grenzen die ich stecke. Meine Hunde dürfen Mäuse buddeln, ich gehe auch oft EINFACH MAL SO spazieren, Dusty kann noch nicht mal "Platz" (Sitz auch nur wenn er will), geschweige denn "Fuß" etc., er entfernt sich auch ab und zu mal weiter von mir (weiter als normal) und trotzdem kann er recht oft Leinenlos laufen.


    Esi, eigentlich sehe ich das auch so. Aber je nach Hund und Spaziergebiet kann man es sich nicht leisten, den Hund einfach so machen zu lassen, weil er dann eben unkontrolliert jagt. Es geht doch genau darum, dass er lernt, die vom Menschen sehr willkürlich gesteckten Grenzen zu respektieren. Und da kann es notwendig sein, den Hund erst mal stärker zu begrenzen. Freiheiten müssen verdient werden.


    Klar, ich persönlich würde dafür sorgen, dass der Hund zwischendurch auch ohne Gefährdung von Wild einfach nur Hund sein darf. Aber wenn er sich dabei total in seiner Welt verliert, nicht mehr ansprechbar ist? Selbst wenn es da kein Wild gibt, wie soll der Hund etwas lernen, wenn man ihm gar keinen Grund dazu gibt? Wieso sollte er eines Tages hinter dem Reh abrufbar sein, wenn Frauchen ihm nix zu bieten hat und sich nicht für ihn interessiert? Warum sollte er Kontakt halten, wenn es sich nicht lohnt?


    Als Dauerprogramm könnte ich mir so eine Nonstop-Kontrolle auch nicht vorstellen. Aber ich habe zeitweilig auch sehr viel mit Rhian gemacht, und nicht nur dann, wenn sie jagdliches Interesse gezeigt hat. Zum auftrainieren der Ersatzbeschäftigungen braucht man nämlich zuerst ein ablenkungsärmeres Umfeld, sonst wird das für beide Seiten frustrierend statt erfreulich. Rhian hatte eine Zeit, in der sie sehr unternehmungslustig war: gerne mit mir, notfalls mit eigenen Ideen. Hatte mit Jagdverhalten wenig zu tun, aber da haben wir intensiv Alternativverhalten geübt, und später konnte ich dann komfortabel darauf zurückgreifen.


    Ich könnte es mir auch gemütlich machen und fast gar nichts tun, denn hier kann man auch einen jagdlich ambitionierten Hund sehr viel frei laufen lassen, solange er weder Vieh noch Enten jagt. Rhian würde sich auch ihre eigenen Beschäftigungen suchen, kein Problem. Und ich bin die allerletzte, die ihr ihre nasalen Entdeckungen vorenthalten will. Aber einen Hund, der sich völlig von mir abseilt, für den ich draussen nur noch Anfang und Ende des Spaziergangs markiere - dem tue ich keinen Gefallen. ich habe unterwegs auch meine eigenen Interessen, aber gewisse Dinge will ich mit meinem Hund gemeinsam tun. Hat auch den Vorteil, dass es seine Kooperationsbereitschaft deutlich erhöht, als wenn ich nur als Spassbremse auftrete, die anleint, wenn was Interessantes im Verzug ist. Es gilt, die richtige Balance zu finden.


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    Was ich übrigens sehr sehr wichtig finde: Findet euch ab das euer Hund Jagdtrieb hat (ist natürliches Verhalten). Wenn man sich jeden Tag darüber ärgert, das der Hund Jagdtrieb hat, das man ihn nicht überall leinenlos laufen lassen kann, dann wird das nix. Nach 10 Jahren Huskymixhaltung ist für mit Jagdtrieb niemals ein Ausschlusskriterium bei der Anschaffung eines Hundes.


    Da stimme ich dir völlig zu. Gerade, wenn man positiv arbeiten möchte, hat es keinen Sinn, GEGEN den Jagdtrieb zu arbeiten. Aber genausowenig kann es sich ein verantwortungsbewusster HH leisten, einfach "der braucht das" zu sagen und den Hund lustig jagen zu lassen. Das wäre zwar natürlich, muss aber mit einem toten Hund (vom toten Wild gar nicht zu reden) rechnen. Einfach anleinen, wo Hund möglicherweise jagen könnte, ist für mich eine temporäre Management-Massnahme, keine hundegerechte Dauerlösung.

  • Es ist nicht so das wir rein gar nix machen beim Spazierengehen ... ab und zu schon, ansonsten gibts verschiedene Dinge die wir eben so tun. Nur mache ich die eben nicht mit dem Hintergedanken damit ihn führbarer zu machen, was seinen Jagdtrieb angeht, sondern weil es uns Spaß macht. Z.B. hab ich oft ein Zerrspielzeug dabei, entweder ein Spieltau, eine Beisswurst oder ein Stück Gartenschlauch.


    Das hole ich einfach irgendwann mal raus, spiele eine Runde mit ihm, lass es ihn auch mal apportieren, "verliere" es aufm Weg und lass es ihn dann holen und und und. Mal rennen (oder Fahren mitm Fahrrad) wir um die Wette (ich verliere immer...), mal verstecke ich mich und lass mich suchen oder wir machen mal Dummytraining. Das Spielen mache ich mal als Bestätigung für ein Kommen auf Zuruf (in bestimmten Spaziergehgebieten brauch ich ihn gar nicht rufen), mal einfach so. Ich will bestimmt nicht sagen das ich nicht ohne positive Bestätigung arbeite (vorallem nachdem ich mich lange krampfhaft daran festgekrallt habe), aber es geht nicht mehr den ganzen Tag darum.


    Vielleicht liegt es auch an unserer Konstellation wie schnauzermädel schon sagte. Dusty ist einfach permanent sehr dafür interessiert Kontakt mit mir zu halten (klar taucht auch er mal in die Hundewelt ein). Und ich kann nicht sagen ob es an seinem Charakter liegt oder wir haben eine gute Bindung, wo ich ja auch meinen Beitrag dazu geleistet habe. Deswegen halte ich mir ja auch die Option offen, das ein nächster Hund vielleicht wieder ganz anders erzogen wird, sollte es sich dort anders abzeichnen.


    Nur bin ich vor einigen Monaten noch mit einer Tasche voller Leckerchen, Dummys, Clicker, Reizangel, und und und durch die Gegend spaziert und mal abgesehen davon, dass mein Hund diese Tasche bis aufs Blut verteidigt hat, er an der Schleppleine nicht EINMAL zu mir geschaut hat (was er ohne Leine wirklich ständig tut) und wir vorallem in Verbindung mit der Schlepp eher nur frustriert waren.


    Natürlich ist es auch nicht mein Ziel meinen Hund ständig anzuleinen wenn Wild in der Nähe ist, aber ich bin ja gerade dabei meinen Weg mit Dusty zu gehen. Deswegen schrieb ich ja irgendwo (keine Ahnung mehr wo ^^) bei uns ist momentan der Weg das Ziel. Wir sind garantiert noch nicht am Ziel und wie ich den erreiche wird sich erst in den nächsten Monaten zeigen, aber der Weg ist momentan recht zufriedenstellend für uns, also halte ich erstmal dran fest. ;)


    Natürlich plädiere ich auch nicht dafür den Hund jagen zu lassen bzw. jeden Tag einfach nur als Beiwerk zum Hund durch die Gegend zu laufen, aber wenn ich meinen Hund den ganzen Spaziergang bespaßen würde, würde der sogar das Kacken vergessen. ^^ Ich denke die gesunde Mischung machts.


    Ich denke man sollte die Vorgehensweise vorallem dem Hund anpassen und auch deren Rasse/Mischung beachten. Ich denke man muss es bei einem Husky-Leonberger-Mix anders handhaben, als bei einem Englisch Pointer oder einem Labrador. Jeder Hund/Rasse bringt andere Voraussetzungen mit. Wenn ein Hund von sich aus prima vorsteht ... hey toll, sollte man nutzen, so als Beispiel. Und manchmal muss man nach Monaten einfach mal einen anderen Blickwinkel sehen und eben anders weitermachen, bevor man jahrelang an der alles-positiv-Front kämpft ohne genügend Raum für ein anständiges Hundleben (z.B. immer nur an Schleppleine) zu erlangen. Zumindest hat mir das gut getan, mal auch in eine andere Richtung zu denken, so schwer es mir auch viel die Leckerchen daheim im Napf zu lassen. ;)

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    esiontour: Meine dürfen sich auch ziemlich weit entfernen, sogar stöbern und Mäuse buddeln. Aber das alles nur, wenn ich spüre, dass sie noch die Verbindung zu mir haben. Der Weg dorthin war allerdings geprägt von sehr viel Beschäftigung während des Spaziergangs, von Handfütterung etc. Man muss das alles ja erstmal aufbauen, um es nachher auch abrufen zu können.


    In unserem Fall ist es sogar mein Bestreben durch mein Training eine Grundsituation zu schaffen, in der ich Missy "frei" lassen kann beim Spazierengehen, da ich weiß, dass gewisse Reize von mir antrainierte Reaktionen auslösen.
    Wenn nun häufig solche Reize vorkommen, muss ich natürlich ebenfalls entsprechend reagieren, immerhin bin ich ja ein wesentlicher Teil dieses Jagdverhaltens.
    Und dann kann es schonmal sein, dass alle 5 Minuten etwas im Busch raschelt, Missy steht und ich entsprechend reagieren muss.
    Das hat dann aber inzwischen nichts mehr mit Dauerbeschäftigung zu tun, sondern mit dem Vorbeugen von unkontrolliertem Jagen.


    Aber, wie bei Corinna, war der Weg hierher auch recht steinig und irgendwie musste das Verhaletn ja auf den Alltag übertragen werden.
    Was bedeutet, dass ich viele Reize selber auslösen musste, entsprechend viel wurde Missy von mir beschäftigt.

  • Nun gut...zumindest ein Stück weit haben mich die Ausführungen hier überzeugt, dass es unter gewissen Umständen möglich ist Jagdverhalten über positive Bestärkung günstig zu beeinflussen.
    Aber, berichtigt mich wenn ich falsch liege, ich hab das Gefühl, dass das nur bei einem gewissen Teil von Hunden funktionieren kann, nämlich bei Hunden, die einen relativ ausgeprägten Beute- bzw. Spieltrieb haben und eine möglichst enge Führerbindung.
    All das hier Gesagte könnte ich auf Emma (absolut beutegeil, starke Führerbindung, kaum Selbstständigkeit) ohne Zweifel übertragen, bei Janosch (weniger Beute- und Spieltrieb, um einiges selbstständiger) wird es da schon schwieriger und bei den beiden Foxhounds (0 Spieltrieb, 100% Selbstständigkeit) weiß ich gar nicht, wie ich irgendwas davon umsetzen sollte. Das sind zwei (alte) Hunde aus dem Tierschutz, die rassemäßig schon sehr, sehr selbstständig sind, zusätzlich haben diese Hunde es nie gelernt mit Menschen zusammen zu arbeiten. Das einzige womit man sie (solange der Erregungszustand nicht all zu hoch ist) kriegt ist Futter, ansonsten ist es unmöglich mit ihnen zu spielen, sie alternativ zu beschäftigen etc....das interessiert sie nämlich 0!
    Vielleicht hab ich noch ein Brett vorm Kopf...ich kann mir aber immer noch nicht vorstellen wie man solche und ähnlich gestrickte Hunde (Schlittenhunde, Herdenschutzhunde, alle Lauf- und Schweißhunde) ohne Zwang vom Jagen abhalten kann...insbesondere, wenn man die Hunde NICHT von Welpenbeinen an hat... :???:

  • OK, dafür müsste man vielleicht wissen wer seinen Hund hier von kleinauf hat u. wer nicht. Diesen Aspekt der daraus resultierenden Selbstständigkeit habe ich bis jetzt noch gar nicht bedacht aber Du hast vollkommen Recht, wir haben Luna von kleinauf an u. so konnte ich sie von Anfang an was das jagen betrifft in gewisser Weise beeinflussen.


    LG Tanja mit Luna

  • Ich denke, meine Beagles sind mit Deinen Foxhounds vergleichbar, was das Jagdverhalten oder allgemein die Trieblage anbelangt. Das "Problem" ist ihre Selbständigkeit. Sie sind halt rassebedingt nicht die kooperativsten Hunde :/ . Und ganz ehrlich: Genau deswegen liebe ich sie so.
    Der Schlüssel für mich ist bei diesen Hunden das Futter. Und dann tatsächlich die ausschließliche Handfütterung. Irgendwie muss man da eine Abhängigkeit schaffen, denke ich. Bei Kalle hab ich über den Futterdummy auch das Spiel aufgebaut. Heute ist er total verrückt nach Dummy, Ball & Co. Wir zergeln auch viel. Von der kompletten Handfütterung gehe ich dann später ab, bleibe aber bei ca. 40-50% der Tagesration beim Spaziergang.
    Und was mir sehr geholfen hat (bei Paco und Kalle, Lilo ist noch zu jung), das war Agility. Ist eine wahrhaft herrliche Bindungsarbeit und verfeinert die körpersprachliche Kommunikation ungemein. Teamarbeit vom Feinsten. Ich glaube nicht, dass ich es ohne diesen Sport geschafft hätte, ehrlich gesagt.
    Kalle war übrigens 7 Monate und eher "autistisch", als ich ihn bekam. Erst durch die Handfütterung hab ich überhaupt Kontakt zu ihm bekommen.

  • Björn, sicher hat man es wesentlich leichter mit einem führigen Hund - nicht von ungefähr wird bei Jagdhunderassen meist auch sehr auf Führigkeit selektiert. Und es behauptet ja auch niemand, dass es ein Universalrezept gäbe. Aber Zwang funktioniert ja auch nicht bei allen Hunden - was ist mit jenen, die sich auch durch massivste Strafen nicht abhalten lassen? Oder jene, die insbesondere keinen Starkzwang vertragen? Es gibt nicht DAS Rezept.


    Die Trainerin, bei der ich den Kurs gemacht habe, hat übrigens zwei jagderfahrene spanische Windi-Mixe - auch nicht gerade die leichtesten Hunde mit von Haus aus grossem Will to please.... Es hat zwei Jahre gedauert, bis sie sie auch aus der Hetze abrufen konnte.

  • @ Corinna:


    Ich find das schon ganz spannend, was du da mit deinen Beagles erreicht hast, und ja ich denke schon, dass sie ganz gut mit Foxhounds vergleichbar sind!
    Ich mache auf den Spaziergängen auch wahnsinnig viel mit Futter...und das hat natürlich den entsprechenden Erfolg gebracht...so wurde die Bindung entsprechend gestärkt, der Anreiz auf Kommandos zu hören wurde deutlich erhöht etc.
    ABER...sobald es im Gebüsch raschelt oder sie auf eine frische Fährte stoßen komme ich da ganz klar an unsere Grenzen...
    Natürlich ist auch in solchen Situationen durch die ganze Bindungs- und Futterarbeit eine Entwicklung zu erkennen...Situationen in denen sie noch vor einem Jahr mit Jagdgebrüll in der Leine standen lassen sich heute schon ganz gut ohne Leine händeln, aber bei direkter Wildsichtung komm ich auch heute noch nur ans Ziel indem ich sie (meist verbal) massiv beeindrucke und sie somit davon abhalte durchzustarten...

  • Gerade bei Bracken hat man oft das Problem, das diese bei Strafe vollkommen dicht machen oder überhaupt nicht auf diese reagieren (und gerade im Brackenlager gibts viele "Positivler"). Schweißhunde sind wohl die betüdelsten Hunde, die es gibt. Dort wird überhaupt nicht körperlich gestraft, denn die Tierchen sind äußerst sensibel und das wissen die Führer auch.


    Ein Vorstehhund soll wohl besser mit Strafen umgehen können und am schwierigsten wären wohl die Herdenschutzhunde, das sie sehr schwer für irgendetwas zu begeistern sind. Bei denen geht die Kosten-Nutzen Rechnung nicht so richtig auf.


    Zitat

    ABER...sobald es im Gebüsch raschelt oder sie auf eine frische Fährte stoßen komme ich da ganz klar an unsere Grenzen...


    Genau das hätte man wahrscheinlich als Belohnung einsetzen können.

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