Der verdeckt arbeitende Therapiehund

  • Nachdem ich heute morgen mal wieder so sauer auf ihn war, weil es irgendwie einfach nicht geklappt hatte auf dem Spaziergang musste ich mir das heute Abend einfach mal von der Seele schreiben:

    Als du in mein Leben stolperstest wollte ich schon nicht, hatte ich schon genug vom leben und leben lassen. Die Schnitte an meinen Pulsadern waren noch nicht verheilt, doch kaum warst du da waren sie vergessen. Ich weiß nicht mehr was es war und bis heute weiß ich nicht wo dieses rote Band zwischen uns ist von dem alle sprechen, die einen Hund sahen und wussten „Das ist mein Hund“. Aber ich wusste es damals einfach. Wie du in dieser Mischung aus Anmut und Schlacksigkeit im Gehege auf und ab liefst, versuchtest die anderen zu einem Spiel zu überreden und bei jedem erfolglos warst.

    Du warst ein Häufchen Elend – genau wie ich. Vielleicht war es das. Und wenn ich zu anderen sage, dass ich keine Bindung zu dir habe, dann widersprechen sie mir vehement. Sehe vielleicht nur ich das rote Band zwischen uns nicht?

    Ich durfte dich anfangs nicht streicheln, es dauerte bis du dich nah genug an mich heranwagtest um mir den Ball vor die Füße zu legen. Doch obwohl ich nicht über dein Fell streichen konnte, eine Beschäftigung die der menschlichen Seele gut tun soll, gabst du mir die Ruhe die ich suchte.
    Unser Weg war gesät von Steinen. Ich machte so viel falsch. Ich schrie dich an, ich schlug dich und ich wollte dich zu jemandem geben der sich mit Hunden auskannte. Du warst schwierig und du warst mein erster Hund. Und du überforderstest mich. Doch als mein Vater sich nicht mehr länger mit ansehen wollte wie ich jeden Abend wegen dir heulte, weil du mir wieder einmal weggelaufen warst und sagte, er würde dich am nächsten Morgen ins Tierheim zurückbringen während ich in der Schule bin, da ging ich mit dir mitten im Winter nachts in unseren Garten und setzte mich dort für eine knappe Stunde mit dir hin. Ich weinte bitterlich, der drohende Abschied zerriss mich. Du schmiegtest dich nicht an mich, aber du wichst auch nicht vor mir zurück. Die ließt meine Tränen kommentarlos fließen, erlaubtest mir meine Finger durch dein weiches Fell gleiten zu lassen. Mein Vater gab sich geschlagen. Mein Freund war überzeugt, dass wir irgendwie auf eine verquere Weise wohl doch zusammen gehören.

    Mein ganzes Leben lang hörte ich immer nur, was ich nicht kann. Meine Eltern meinten es bestimmt nie böse, aber sie trauten mir nichts zu, redeten mir alles aus und der Satz „Das schaffst du nicht“ brannte sich in mein Hirn. Durch die erlebte ich das erste Mal nach 15 Jahren dass ich nicht so unfähig war wie alle behaupteten. Du zeigtest mir wie es ist stolz sein zukönnen. Auf den Hundeplätzen gabst du alles, ließt andere im Schatten stehen und legtest ein Lerntempo vor dem andere kaum folgen konnten. Dort bautest du mein Selbstvertrauen auf.

    Ließ ich dich aber außerhalb eines umzäunten Geländes von der Leine warst du weg. Du hörtest einfach nicht, ich versuchte so viel. Nie klappte es.
    Sechs Jahre hat es gedauert bis ich verstanden habe ich wie mit dir umzugehen habe. Du gabst mir die Zeit. Du verzeihtest mir so viele Fehler und ich kann mir nicht erklären wieso. Immer wieder suchtest du meine Nähe, wie wütend ich auch wahr, wie groß die Gefahr auch für dich wieder einen Schlag abzukriegen.

    Du warst nie ein Schmusehund. Nur selten hast du mir die Tränen aus dem Gesicht geschleckt. Selten war ich der Meinung, dass du gemerkt hattest, dass es mir schlecht ging. Aber du hast etwas an dir, das all das ersetzt. Nur dank dir bin ich immer weiter gegangen. So oft wollte ich nicht mehr. So oft habe ich mir in der Zeit mit dir Arme oder Bein aufgeschnitten, doch dein Blick war es wieder und wieder der mich vor dem letzten Schnitt bewahrt hatte.

    Ich weiß dass es falsch ist sich in eine solche Abhängigkeit einem Hund gegenüber zu begeben. Ich weiß, dass Menschen wichtiger sein müssen und dass man wegen Menschen am Leben bleiben muss. Aber sie können doch für sich selbst sorgen. Wenn ich aber nicht mehr da bin, was ist dann mit dir? Du kannst dich nicht um dich selbst kümmern, für dich muss ich hier bleiben.

    Inzwischen will ich hier bleiben, nicht nur um für dich zu sorgen, auch um zu leben. Mit dir hat meine Flucht ins Glück begonnen. Du hast mir gezeigt wie ich an den Hindernissen des Lebens vorbeifinde.

    Nie vergesse ich den Tag, an dem ich meinen Freund zum ersten Mal sah. Du warst erst ein halbes Jahr bei mir und noch zu niemandem warst du einfach so hingegangen und hattest dich streicheln lassen. Schon vor mir warst du die Treppe nach unten gerannt nachdem meine Mutter meinen Freund hereingelassen hatte. Ich kannte ihn genauso wenig wie du, es war unser erstes Treffen. Als ich um die Ecke bog sahst du neben ihm, ließt dich einfach so von ihm über den Kopf kraulen. Sahst mich an als wolltest du sagen: „Frauchen, den nehmen wir, der gefällt mir.“

    Was ich dir damit nur sagen will: Du bist etwas ganz Besonderes für mich, du hast mir wieder Luft zum Atmen gegeben. Unser Weg war nicht einfach, ich wollte so oft aufgeben, aber du hast mich nie gelassen. Für mich bist du nicht einfach nur ein Hund, einfach nur ein Haustier, du bist mein Halt, mein Wegbegleiter und mein Beschützer. Ohne dich wäre ich jetzt nicht so, wie ich bin – vielleicht wäre ich auch gar nicht mehr hier. Egal wie viel sagen, dass du damit nichts zu tun hast, ich weiß, dass du es warst.

    Mir ist bewusst, dass du irgendwann nicht mehr an meiner Seite gehen wirst, ich alleine gehen muss oder einen anderen Begleiter bei mir haben werde. Aber du sollst wissen, dass es nie noch einmal so einen Hund wie dich geben wird und ich verspreche dir später auch ohne dich stark zu sein, dir nicht zu früh zu folgen. Auch wenn ich sicher bin, dass du noch lange an meiner Seite bleiben wirst, denn wegen wem sonst sollte ich denn dann regelmäßig die Nerven und die Stimme verlieren, weil er wieder mal nicht das tut, was ich gerne hätte?

    Du bist auf deine ganz eigene Art und Weise perfekt.

    Danke dir.

    Ein Tribut an meinen unerkannten Therapiehund

  • ich kann auch nachfühlen was du schreibst *ein bischen überrumpelt ist weil sie hier nicht mit svv und suizid geschichten gerechnet hat*

    viel erfolg auf der weiteren jagt nach dem glück ;)

  • mensch Mädel,

    deine Geschichte rührt an und geht zu Herzen.

    Aber nichsdestotrotz: ich hoffe für dich, dass du ne Therapie machst.


    und für den Umgang mit dem Hund:
    bist du schon mal in einer Hundeschule gewesen?


    P.S.
    Mal Hilfe für Dumme: ich weiß ja mittlerweile, dass "svv" schneiden bedeutet.
    Aber wofür ist das eigentlich ne Abkürzung? Wärt ihr so lieb, meine Wissenslücke zu schließen?

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