Wie viel "hinten über fallen" ist noch ok?

  • Dass ich zur Aufrechterhaltung von Basisfunktionen scheinbar gleich noch ein dauerhaftes Friseurabo und regelmäßige Wartungstermine brauche, wär zb aus meiner Sicht schon problematisch

    Genau das...

    Am Beispiel des pflegeleichten Pudel den man nur kurz halten muss dann ist alles ok. Also naja, wenn man in den 3.5 Wochen zwischen den Terminen mindestens 2x badet und blowert und bürstet und bitte ja keinen Bademantel anzieht...ne, ich wüsst garnicht wo ich die ganzen Friseurtermine (aka hinfahren, Zeit vertrödeln, abholen alle 4 Wochen also 3Std) unterbringen soll...

    Ich bade meine Kurzhaarhunde auch alle paar Wochen und striegel bissle drüber. Gesamtaufwand 10min für 2 Hunde. Dremeln dazu sind wir bei ca 30min Aufwand im Monat...

  • Ich habe einige Jahre im Tierheim mitgearbeitet und gelebt.

    Wir hatten da definitiv nicht die Zeit, die Hunde ständig zu bürsten, zu waschen, etc. Rasta an den Ohren etc wurden weg geschnitten, zum Fellwechsel wurde gebürstet, Schneidefell wurde kurz gehalten.

    In all den Jahren hatten wir genau einen (von einer hohen 4-stelligen Zahl) Hund, einen Samojeden, den wir runter geschoren haben, weil er eine einzige Filzplatte war und dadurch Maden in der Haut hatte.

    Und auch nach dem Scheren ist der Hund nicht automatisch erleichtert und glücklich. Die Haut, die vorher unter Dauerspannung und Druck stand, beginnt in der Regel stark an zu jucken, manchmal sogar deswegen, weil vorher die Blutzufuhr in der Haut gestört war. Auf einmal kommt Luft an Stellen, die lang keine Luft gesehen haben. Je nach psychischem Zustand kann das zu massiven Verhaltensauffälligkeiten führen.

    Es gibt Hunde, die ihren eigenen Körper plötzlich nicht mehr kennen, die Angst vor Wind bekommen oder vor jeder kleinsten Berührung zurückschrecken. Manche geraten regelrecht in Angstzustände und trauen sich tagelang nicht mehr vor die Tür.

    Dazu sind auch noch die Ohren super gefährdet. Das neue Körpergefühl dort ist oft so unangenehm, dass die Hunde ununterbrochen den Kopf schütteln. Dadurch fließt Blut in die Ohrspitzen, wird durch die Schwerkraft nach außen gedrückt und innerhalb von Minuten kann ein Blutohr entstehen. Und viele Hunde, besonders die Rüden, lecken sich nach so einer Schur die Genitalien und/oder den After wund bis blutig, weil die Haut plötzlich extrem empfindlich ist.

    Und ja, das alles klingt, als wäre es selten oder übertrieben, aber das passiert leider viel öfter, als man glauben möchte.

    Das ganze gilt übrigens auch für kleine Filzstellen wie in den Achseln, nur an den Ohren oder nur an den Genitalien, aber das kann der Körper in der Regel gut kompensieren.

    Solche Dramen hatten wir kein einziges Mal, auch wenn wir Ohren und Genitalien oft frei geschnitten haben.


    Ich bezweifel auch stark, daß alle unsere Hunde bis kurz vor Tierheim-Einzug regelmäßige Körperpflege erhalten haben. Und trotzdem war eine komplette Schur im Promillebereich nötig.


    Ich sage gar nicht, daß das nicht passiert, aber ich habe aus eigener Erfahrung große Vorbehalte dagegen, wenn das als "in der Regel", "oft", "super gefährdet", etc dargestellt wird.

    Für mich klingt das alles nach übertriebener Darstellung, oder nach Qualzucht.


    Blutohr hatten wir in den Jahren genau eines, das war bei einem uralten Kettenhund, DSH, der nicht gebürstet wurde, erst recht keinen Haarschnitt an den Ohren bekommen hat

  • Und manchmal gibt es eine klare genetische Disposition.

    Die Aussage finde ich interessant. Kennst du Menschen, die das klar wissen? Also so klar wie die Diagnose eines Beinbruchs? Ich meine das jetzt wirklich nicht sarkastisch, ich würde es gerne wissen.

    Im Spoiler, weil es ja nicht mehr direkt was mit dem Thema hier zu tun hat.

    Spoiler anzeigen


    Also falls du meinst, ob die Person in meinem Umfeld einen klaren genetischen Test darüber hat - nein.
    Allerdings gehen die behandelnden Ärzte von einer, zumindest begleitenden, genetischen Disposition aus, da auch der Vater (hier wird es vermutet) und Mutter und Tante (mindestens diese beiden) entsprechend betroffen sind.
    Wissenschaftlich, wie hier schon einige sagten, ist es zumindest anerkannt, dass die Häufigkeit innerhalb von Familien in den Generationen zunimmt, sobald Personen von vorherigen Generationen ebenfalls betroffen waren.

    Das heisst aber nicht, dass nun jeder dann plötzlich einfach so erkranken kann. Es bedarf da, meines Wissens nach, schon noch entsprechend auslösender Faktoren. Man kann aber sagen, dass z. B. bei gleicher potentiell auslösender Lebenssituation derjenige mit entsprechenden Fällen in der Familie tendenziell eher erkranken kann, als derjenige, bei dem derlei Leiden bisher nicht aufgetreten sind. So ungefähr wurde es uns mehrfach erklärt.

  • Was ich nicht so recht verstehe, ist das Herumreiten auf der DF Bubble. Das liest sich für mich, als ob das ein absolut übertriebenes Zielbild ist. Klar, der durchschnittliche User hier ist besser informiert als der durchschnittliche Hundehalter in Deutschland und kümmert sich vermutlich auch besser um seine Hunde.

    Aber am Ende ist das auch genau so, wie es sein sollte, oder?

    Mich nervt immer wieder so eine gewisse Doppelmoral, wenn es um Bedürfnisse von Hunden geht. In jeder Martin Rütter Folge geht es darum, dass Hunde übergewichtig sind, zu wenig Auslastung bekommen oder einfach die falsche Rasse für die Person sind. Aber im direkten Diskurs gibt es viel zu viele Befindlichkeiten, die "Fachpersonal" davon abhält, klare Worte zu finden.

    Ich sehe es als Pflicht dieser Personen an, Kunden auf Gesundheitsrisiken oder Mängel hinzuweisen. Das geht bei sichtbar schlechten Zähnen oder verfilztem Fell los, aber auch Probleme mit dem Bewegungsapparat oder Bewegungsmangel. Das kann man sehr neutral und respektvoll tun, ohne jemanden bloßzustellen: "Hier, das ist nicht gut, ich zeige dir, wie es besser geht".

    Unsere Hundetrainerin hat mal erzählt, dass sie 10 Jahre gebraucht hat, um an den Punkt zu kommen, dass sie Kunden klar sagt, wenn der Hund übergewichtig ist. Vorher hatte sie Angst davor, dass Kunden nicht mehr kommen oder sie schlechte Bewertungen bekommt. Tatsächlich ist das aber nicht einmal passiert. Stattdessen vermittelt sie jetzt regelmäßig Kunden an eine Ernährungsberatung, sowohl wegen Übergewicht als auch wegen Unverträglichkeiten (die auch vielen Hundehaltern nicht auffallen).

  • Die Frage wie viel noch ok ist kann ich für mich nur dann beantworten wenn ich die Auswirkungen auf den Hund und die Hintergründe kenne.

    Wenn mir auf der Straße ein verfilzter Hund begegnet kann ich nicht beurteilen ob das nur schlecht aussieht oder ob es dem Hund auch schlecht geht.

    Wenn ich einen Hund mit langen Krallen sehe weiß ich nicht ob die schon so lang sind dass er dadurch Probleme hat und ob das immer so ist oder ob er vielleicht am nächsten Tag einen Termin zum Krallen schneiden hat.

    Wenn ich aber einen Hund mit seit Monaten entzündeten Ohren sehe und weiß das der Halter Markenzigaretten, Markenbier und Essen vom Lieferservice konsumiert dann ist das für mich nicht ok.

    Ich halte es für absolut zumutbar das Billigzeug vom Discounter zu nehmen damit Geld für den Tierarzt da ist.

    Wenn ich einen Hund sehe der ständig Durchfall hat, als einzige Therapie Trockenfutter bekommt (der Durchfall ist dann etwas dickflüssiger als bei Nassfutter) und der Besitzer von seinem schönen Urlaub erzählt dann ist das für mich nicht ok.

    Solchen Leuten würde ich am liebsten in den Hintern treten. Ich tue es nur deshalb nicht weil ich weiß dass es den Hunden nicht hilft.

    Bei den beiden letzten Beispielen weiß ich es nur so genau weil ich die Hunde (und die Tierarztkosten) übernommen habe.

    Bei fremden Hunden und Besitzern kann ich höchstens in extremen Fällen freundlich verpackte Anregungen geben, mehr Möglichkeiten sehe ich da leider nicht.

    Besitzer k.o. hauen und den Hund mitnehmen könnte ich nur einmal machen, dann wären meine finanziellen Kapazitäten erschöpft und die Aussetzung der Strafe zur Bewährung ist bei Wiederholungstätern auch schwierig.

  • Eine Bekannte ist Tierärztin in einer Gemeinschaftspraxis und dort die einzige, die Übergewicht direkt und sofort anspricht, weil: ja, KundInnen bleiben weg, KundInnen sind tödlich beleidigt. Natürlich ist das so. Die Leute nehmen das entweder nicht ernst oder persönlich. Kennt man doch selbst auch aus dem Bekanntenkreis. Und wenn das eigenen Einkommen dran hängt, ist das schon mal noch was anderes. Kann ich auch echt verstehen. Nicht jede Praxis läuft super.

  • Was ich nicht so recht verstehe, ist das Herumreiten auf der DF Bubble. Das liest sich für mich, als ob das ein absolut übertriebenes Zielbild ist. Klar, der durchschnittliche User hier ist besser informiert als der durchschnittliche Hundehalter in Deutschland und kümmert sich vermutlich auch besser um seine Hunde.

    Aber am Ende ist das auch genau so, wie es sein sollte, oder?

    Was genau wundert dich daran, dass hier ausgesprochen wird, was Tatsache ist?
    Interessiert mich, weil ich ja zu jenen gehöre.

    Und ja, es ist meines Erachtens nunmal ein übertriebenes (unrealistisches) Zielbild > viele Hundehalter können und wollen das gar nicht leisten, was viele hier tun. Es scheitert oftmals schon am Interesse sich theoretisches Wissen anzueignen. Ich sage nicht(!) das ich das gut finde, keineswegs, aber so ist es halt.

    Schon alleine deine Reaktion zeigt doch, wie sehr du unterschätzt das hier im DF vieles geleistet wird, was eben nicht selbstverständlich ist für viele Hundehalter „da draußen“.

    Aber, was genau wundert dich daran?

  • Ich trainiere mit Airedale Terrier Züchtern zusammen, natürlich ist das Aufwand und mitunter sogar sehr schwierig wen zu finden der das noch machen möchte

    Das war es auch früher schon. Meine Eltern haben 1996 unseren Lakeland Terrier gekauft, da gab es neben dem Züchter hier im ganzen Umkreis (und wir wohnen nicht irgendwo auf dem Land sondern in einer 100.000-Einwohner-Stadt) genau eine Person, die professionell getrimmt hat und natürlich entsprechend gefragt war.

    Auch wenn es angenehm ist wenn ein Hund quasi nicht haart sind das neben dem zeitlichen Aufwand auch regelmäßige Zusatzkosten, die sich über die Jahre summieren. Das war tatsächlich mit der Hauptgrund, warum nach dem Tod dieses Hundes nicht noch mal eine Trimmrasse bei meinen Eltern eingezogen ist.

    Dass viele Groomer nicht trimmen hat verschiedene Gründe. Für die einen ist es körperlich zu aufwendig, die anderen haben es schlicht nicht gelernt, können oder möchten es nicht, haben vielleicht auch selber keinen Bezug zu Trimmhunden und sehen das Scheren nicht als so schlimm wie es ist.

    Prinzipiell, eben dadurch dass viele als "Ausbildung" nur nen ordentlichen Batzen Geld zahlen und grad mal paar Wochen/Monate Theorie vermittelt bekommen oä ist es leider allgemein nicht so einfach nen guten Groomer zu finden, und diejenigen die gut sind sind Monate im voraus ausgebucht.

    Bei Trimmhunden isses noch schwieriger, das is ja der Grund warum ich damals selber angefangen habe, wir haben einfach niemanden gefunden der getrimmt hat.

    Später als ich dann selber in nem Salon angefangen hatte ( ich hatte das Glück für die "Ausbildung" nix zahlen zu müssen und viel viel Praxis vor mir zu haben ), hatten wir teils auch Hunde die relativ weit her gekommen sind. Wir hatten bspw ne Airedale Hündin, da sind die Besitzer über 200 oder 300 km zu uns gefahren.

    So an sich gibt's aber Anlaufstellen wo man nach Groomern schauen kann die trimmen. Es gibt da bspw ne Liste im KfT.


    Ansonsten um noch ein Problem zu nennen : Wenn man trimmt, kann man nur ne begrenzte Zahl an Trimmhunden in den Terminkalender setzen. Scheren geht immer, aber zum Trimmen muss man immer schauen wie viel man da wirklich abarbeiten kann und auf Pausen achten, sonst hat man ganz schnell ne Sehnenscheidenentzündung.

    Das alles is wirklich schade, dass das mit Trimmhund mitunter wirklich ne Sucherei sein kann. Oft ist es aber bspw auch so dass einem die Züchter da gern weiterhelfen.


    ( sry übrigens, bin versehentlich zu früh auf den Abschick-Button gekommen, wollt eigentlich mehr schreiben)

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