Junghündin aus dem Tierschutz eskaliert abends – wir kommen an unsere Grenzen

  • Hallo liebe Forumsmitglieder:innen

    Seit knapp zwei Wochen lebt eine etwa fünf Monate alte Hündin aus dem Tierschutz bei uns. Sie wurde mit ihren Geschwistern ohne Mutter in Griechenland gefunden und ist vermutlich zu früh von ihr getrennt worden. Wir sind Ersthundehalter und haben uns sehr intensiv vorbereitet, aber im Moment fühlen wir uns oft hilflos.

    Amara lebt mit uns in einer Mietwohnung ohne Garten. Wir gehen mehrmals täglich mit ihr raus, erkunden die Umgebung und achten dabei auf Ruhe, sichere Begegnungen und ausreichend Zeit zum Schnüffeln. Im Haus hat sie Zugang zu mehreren Räumen und ruht tagsüber häufig in Sichtnähe von uns. Sie ist sehr auf uns bezogen, sucht unsere Nähe, lernt schnell, reagiert gut auf unsere Stimme und liebt gemeinsame Übungen. Auch die Ruhephasen klappen meist gut.

    Abends aber kippt es. Fast täglich steigert sie sich ab etwa 18:30 oder 19:00 Uhr in einen Zustand hinein, in dem sie kaum noch ansprechbar ist. Sie rennt hektisch durch die Wohnung, knabbert an Möbeln oder Wänden, schnappt nach Kleidung, springt an uns hoch und kommt kaum zur Ruhe. Es ist ein Wechselspiel aus Aufdrehen, kurzem Ablegen, wieder Aufspringen. Sie zeigt dann kaum noch Impulskontrolle. Ruhiges Stoppen oder Umleiten hilft nur kurz. Kauartikel oder Schleckmatten werden manchmal angenommen, oft aber im Stehen oder in hektischem Zustand.

    Gestern hat sie sich in einer Wand verbissen. Als ich sie ruhig am Halsband zurückhalten wollte, hat sie geknurrt und die Zähne gezeigt. Das war das erste Mal und hat mich ehrlich gesagt sehr erschreckt. Wir bestrafen sie nie, sprechen meistens ruhig (was mitunter schwierig fällt), aber diese Eskalation macht uns Sorgen.

    Wir haben bald einen Termin mit einer Hundetrainerin, was uns etwas Hoffnung gibt. Trotzdem wären wir sehr dankbar für konkrete Erfahrungswerte oder Tipps, wie wir sie abends besser regulieren können. Kennt jemand solches Verhalten bei Junghunden mit unsicherem Start? Was hilft langfristig, was kann man sofort tun?

    Herzlichen Dank für Eure Zeit und Antworten im Voraus
    Philippe mit Amara

  • Wie oft genau geht ihr raus und wie / wo ? Wie ist euer Tagesablauf?

    Hat sie die Möglichkeit einfach mal zu rennen , ggfalls mit anderen Hunden zu interagieren?


    Wie lange ist sie jetzt bei euch ?


    Wenn ihr grob die Uhrzeit wisst würde ich den Hund dann kurz vorher räumlich begrenzen in nem Auslauf o.ä. um ihr das zu nehmen.

  • Was für Rassen werden in eurem Hund vermutet? Richtung Herdenschutz oder Hütehund? Jagdhund?

    Vielleicht hast du ein Bild, wo man das ein bisschen einordnen kann? Das müsstest du auf picr zb hochladen und dann hier verlinken, wenn du möchtest.


    Allgemein scheint euer Hund scheinbar doch zu viel Input über den Tag zu haben, wenn er abends nich zur Ruhe kommt.

    Das sehr auf euch bezogen sein kann Kontrolle sein, was eher nicht erwünscht ist und den Hund stresst, weil er damit Aufgaben übernimmt, die ihn überfordern.


    Was hast du gemacht, als der Hund dich angeknurrt hat? Es kann sein, dass Amara da ihr erstes Aha-Erlebnis hatte, allerdings in eine unerwünschte Richtung.

  • Wie oft genau geht ihr raus und wie / wo? Wie ist euer Tagesablauf?
    Wir gehen aktuell etwa vier bis fünf Mal täglich raus. Morgens direkt nach dem Aufstehen, dann am späteren Vormittag nochmals kurz oder je nach Lage auch etwas ausgedehnter. Am Nachmittag eine weitere Runde und abends nochmals, bevor es ins Bett geht. In der Nacht kommt es gelegentlich auch noch zu einem kurzen Gang, wenn sie sich meldet.
    Wir wohnen in einer Mietwohnung ohne Garten. Spazieren gehen wir meist in einer eher ruhigen Wohngegend oder auf einer nahegelegenen Wiese. Je nach Tagesform ist sie dabei mit der 3-Meter-Führleine oder mit Schleppleine unterwegs. Sie zeigt draussen viel Interesse an der Umwelt und ist dabei schnell hochgefahren.
    Der Tagesablauf ist durch feste Fütterungszeiten strukturiert, auch Ruhephasen sind uns wichtig. Morgens nach dem ersten Spaziergang gibt es Futter, danach möglichst Ruhe. Dasselbe am Mittag und frühen Abend. Dazwischen bauen wir punktuell etwas Beschäftigung ein wie z. B. Schleckmatte oder Kauartikel.

    Hat sie die Möglichkeit einfach mal zu rennen oder mit anderen Hunden zu interagieren?
    Im Moment noch nicht. Wir haben anfangs viel Zeit gebraucht, um das Vertrauen zu ihr aufzubauen, und sind auch im Alltag noch stark am Einpendeln. Normale Spaziergänge wühlen sie oft schon sehr auf, daher trauen wir uns noch nicht, sie frei laufen zu lassen oder sie mit anderen Hunden spielen zu lassen.
    Wir sind uns unsicher, ob es besser wäre, sie körperlich mehr auszulasten oder sie eher in der Reizverarbeitung zu unterstützen. Online findet man dazu sehr gegensätzliche Meinungen. Wir suchen gerade unseren Weg.

    Wie lange ist sie jetzt bei euch?
    Heute ist der neunte Tag.

    Wenn ihr grob die Uhrzeit wisst würde ich den Hund dann kurz vorher räumlich begrenzen in nem Auslauf o. ä. um ihr das zu nehmen.
    Vielen Dank für diesen Hinweis. Das ist ein sehr guter Gedanke. Wir hatten das punktuell mit dem Büro (einziger Raum mit Tür) probiert. Das hilft bedingt, weil sie sich dabei schnell hochfährt oder an der Tür bellt. Aber vielleicht war der Zeitpunkt jeweils ungünstig gewählt. Wir probieren das nochmals gezielter aus.

  • Sie hatte bisher den ganzen Tag zur freien Verfügung. Mit ihren Kumpels. Nun ist sie bei euch Riesenwesen eingesperrt in einer Umgebung in der sie nix selbst entscheiden kann, mit niemandem "reden", die ihr alles abverlangt und so gut wie nix bekanntes und keine Hunde zum "reden" bietet. Das ist hart. Da kann man nach einem langen Tag voller Beherrschung schon auch mal überfordert sein. - Das darf natürlich trotzdem nicht zu einer festen Verhaltens-Routine werden. -

    Gib ihr Zeit, such ihr gute! Hundebekannte und euch gute Hundehalter zum Austausch. Mir wäre wichtig dass sie sich am Tag auch mal frei bewegen kann ohne von euch beobachtet oder angeleitet zu werden. Dass sie einfach die meiste Zeit selbst beobachten und ankommen kann. Wahrscheinlich steht sie derzeit sehr im Mittelpunkt. Das verunsichert (junge, neue) Hunde sehr.

    Dass ihr derzeit in der gleichen Umgebung unterwegs seid, berechenbare Routinen schafft ist ein guter Anfang. Aber ein junger Hund braucht halt auch "Kindergartenzeiten". (Moderierter Umgang, nicht einfach zusammen schmeißen)

    Die Hundetrainerin wird euch hoffentlich alle drei begleiten. Das wird schon

  • Ohne weitere Fragen: Es ist alles VIEL zu viel.

    Ihr müsst komplett runterschalten.

    Lass alle "Übungen" sofort sein lassen.

    Rausgehen möglichst einmal am Tag in wirklich ungestörter Athmosphäre für den Hund. Nur Welt angucken.

    Ansonsten nur zum Lösen raus.

  • Die Hündin ist erst 9 Tage bei euch….also mitten in der Anpassung an eine neue Lebenssituation. Die Eingewöhnung wird ein langer Prozess, der Wochen, wenn nicht Monate, dauern wird.

    Ihr braucht also viel Geduld und macht eigentlich bisher alles richtig. Ein strukturierterTagesablauf, Ruhephasen, Laufen an der Schleppleine. Ich würde auch versuchen, die abendlichen „Ausraster“ durch Begrenzung einzuschränken und einen Ruheplatz zu etablieren. Evtl. könnt ihr etwas zum Kauen anbieten.

    Kontakt zu anderen Hunden wäre mir wichtig. Evtl. kennt ihr jemanden, mit dem ihr euch auf einer Freilauffläche (eingezäunt!!) treffen könnt.

  • Danke auch Dir für die Rückfragen.

    Was für Rassen werden in eurem Hund vermutet? Richtung Herdenschutz oder Hütehund? Jagdhund?
    Man schätzt aufgrund der Musterung auf Border Collie, allerdings sind die Pfoten zu gross dafür. Daher geht man zusätzlich von Hütehund-Anteilen aus, wie sie in Griechenland offenbar oft mit drin sind. Genauer wissen wir es nicht.

    Vielleicht hast du ein Bild, wo man das ein bisschen einordnen kann?
    Ja, hier die Bilder, gerne zur Einschätzung:
    https://up.picr.de/49911012bq.jpg
    https://up.picr.de/49911011rc.jpg
    https://up.picr.de/49911010yp.jpg

    Allgemein scheint euer Hund scheinbar doch zu viel Input über den Tag zu haben, wenn er abends nicht zur Ruhe kommt.
    Das sehen wir ähnlich. Wir haben viel ausprobiert, um die Reizmenge gering zu halten, aber die Abende sind dennoch sehr unruhig. Der Tag wirkt nicht überladen, aber offenbar reichen einzelne Impulse schon, um sie hochzufahren. Die Selbstregulation fällt ihr schwer.

    Das sehr auf euch bezogen sein kann Kontrolle sein, was eher nicht erwünscht ist und den Hund stresst, weil er damit Aufgaben übernimmt, die ihn überfordern.
    Das ist ein Aspekt, den wir ernst nehmen. Sie sucht stark unsere Nähe, liegt fast immer in Sichtweite. Gleichzeitig scheint es sie innerlich stark zu binden, wenn wir uns entfernen. Auch das könnte mitspielen, warum sie abends so aufdreht.

    Was hast du gemacht, als der Hund dich angeknurrt hat?
    Es war in einer sehr angespannten Situation. Sie hatte sich in einer Wand verbissen und ich wollte sie am Halsband davon abhalten. Dabei hat sie mich angebellt, angeknurrt und mir die Zähne gezeigt. Das hat mich erschrocken. Ich bin nicht an solche Reaktionen gewöhnt und zucke ehrlich gesagt bei jedem Bellen noch zusammen. Vermutlich bin ich in dem Moment etwas zurückgeschreckt. Jedenfalls hat meine Partnerin mir danach gesagt, dass ich nicht hätte zurücktreten sollen. Wir haben definitiv schon zu viele Hundetheorie gelesen, aber jetzt in der Praxis passiert etwas und alle Theorie ist weit weg. Amara war nach der Situation ruhiger. Vielleicht war es einfach Erschöpfung nach über einer Stunde Anspannung oder es war der Gefühlsausbruch, der sich lange angestaut hatte und endlich ein Ventil gefunden hat.

  • Was für Rassen werden in eurem Hund vermutet? Richtung Herdenschutz oder Hütehund? Jagdhund?
    Man schätzt aufgrund der Musterung auf Border Collie, allerdings sind die Pfoten zu gross dafür. Daher geht man zusätzlich von Hütehund-Anteilen aus, wie sie in Griechenland offenbar oft mit drin sind. Genauer wissen wir es nicht.

    Vielleicht hast du ein Bild, wo man das ein bisschen einordnen kann?
    Ja, hier die Bilder, gerne zur Einschätzung:
    https://up.picr.de/49911012bq.jpg
    https://up.picr.de/49911011rc.jpg
    https://up.picr.de/49911010yp.jpg

    Ja... Border Collie... Klar. :hust: Absolut nichts gegen Dich an der Stelle!

    Bei der Färbung und der Größe in dem Alter ist ein Hellenikos Poimenikos, also der griechische Hirtenhund (kein(!) Hütehund!) zumindest anteilig am wahrscheinlichsten.
    Für einen "reinen" Hellenikos hat sie zu viel Schwarz.

    Mit dem Programm wäre meine 9 jährige Hellenikos Hündin nach ein paar Tagen auch überfordert und die ist die Ruhe selbst.
    Die griechischen Hirtenhunde sind meist sehr entspannte Vertreter, wenn man sie das machen lässt, wofür sie geschaffen sind: Glotzen und Ruhen.

    Das sind Spezialisten im Stand-By.
    Wir wohnen in Feldrandlage und meine Hündin liegt, bei passendem Wetter, fast den ganzen Tag draußen auf der Terrasse. Alles, was auf dem Feldweg langgeht kriegt maximal ein Ohrenzucken, egal ob Hunde, Pferde, Esel, ... Aber sobald jemand unser Grundstück betritt (noch nicht eingezäunt) steht sie beeindruckend Drohbellend am (provisorischen) Zaun.

    Das ist das, wofür diese Hunde (genetisch gesehen) gemacht sind:
    Ruhen und punktuell Action zeigen, wenn notwendig, so lange wie es notwendig ist.

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!