Verschiedene Trainingsansätze: wo fängt aversives Training an und wie findet man seinen eigenen Weg?

  • Hi,


    wir waren mit unserem Pudel mittlerweile in 3 Hundeschulen und haben zusätzlich noch ein paar Stunden bei einer Trainerin gehabt.


    Die ersten beiden Hundeschulen waren mehr oder weniger nutzlos und wir haben die Kurse schnell wieder abgebrochen. Unsere jetzige Hundeschule ist super, die Gruppe ist klein und auf jeden einzelnen Hund wird eingegangen. Vorher hatten wir wie erwähnt noch einige Einzelstunden bei einer anderen Trainerin, die uns bei einigen Themen geholfen hat (z.B. Autofahren).


    In den Einzelstunden haben wir sehr viel mit Leckerli gearbeitet. Wir haben ein Umorientierungssignal gelernt, das für vieles eingesetzt wurde, z.B. auch für das Jagen von Blättern. Sobald unser Hund die Blätter im Fokus hatte, sollten wir das Signal sagen und ihn davon abbringen. Das funktioniert auch gut, hat allerdings keinen Lerneffekt bei unserem Hund. Beim nächsten Blatt rennt er wieder hinterher. In der Hundeschule haben wir jetzt daran gearbeitet, den Hund aktiv von Bewegungsreizen abzuhalten indem man ihn an der Schulter zurückzieht (nicht grob, aber bestimmt).


    Wir haben jetzt also zwei Ansätze für ein Problem. Der eine funktioniert in der Situation gut, der andere ist deutlich direkter, aber scheint eine Verhaltensänderung zu ermöglichen. Da unser Barry gut darauf reagiert, werde ich den Griff an die Schulter weiter verfolgen.


    Trotzdem bin ich mir nicht sicher, ob das unsere Linie wird. Ich kenne die Diskussionen über aversives Training und möchte meinen Hund auf jeden Fall nicht so trainieren. Die Grenze von dem, was als "aversiv" bezeichnet wird, ist aber schwierig und vermutlich muss das jeder für sich selbst definieren. Mögt ihr was dazu sagen, wie ihr euren Weg gefunden habt? Wie kann ich einschätzen, ob ein Trainingsansatz schon "zu viel" ist? Pudel sind ja als sensibel bekannt.

  • Wo ist das Problem alle Trainingsansätze die man zur Verfügung hat zu nutzen? (Auch) aversiv trainieren ist an sich nichts Schlechtes.

    Hirnlose Gewalt, weil man weder Ahnung hat was man da macht, kein Plan was man damit überhaupt bezweckt und im Endeffekt nur den Frust am Hund ausleben ist schlecht.
    Und, genau wie ausschließlich positiv trainieren, ausschließlich aversiv trainieren, wenn der Hund das Konzept nicht verstehen kann, überfordert ist, Alternativen braucht usw. weil man als Mensch nichts anderes kann ist schlecht.


    Wenns zu viel ist wirst du das am Hund schon merken. Und nein, wenn du da einmal etwas zu heftig wirst, ist das kein Weltuntergang.
    Und, es ist absolut okay, wenn ein Hund lernt, dass die Welt nicht aus Regenbogen und Leckerlies besteht, sondern er manches einfach nicht darf (Punkt.) und man das auch durchsetzt.

    Mein persönlicher Weg ist: aufgewachsen mit sowas wie Leinenruck, dass der Hund einen Salto macht, das für mich selbst als falsch empfunden und auch guten Erfolg mit weicheren Methoden gehabt. Dann zwei super sensible Hunde gehabt, bei denen ich mehrmals gemerkt habe, dass das immer noch zu grob war und ich habe noch weiter runterkorrigiert und jetzt geht es seit einer Weile in die Gegenrichtung, und ich muss die ganze Zeit nachjustieren und gröber werden, weil anderer Typ Hund und auch zunehmend andere Anforderungen.

  • Wo ist das Problem alle Trainingsansätze die man zur Verfügung hat zu nutzen? (Auch) aversiv trainieren ist an sich nichts Schlechtes.

    Das Problem liegt darin, dass mir die Erfahrung fehlt um zu beurteilen, was wann angemessen ist. Viele Dinge sind ja Lernprozesse und man kann nicht sofort erkennen, ob etwas funktioniert.


    Natürlich erkenne ich, wenn Barry Angst hat bzw. der Schwanz eingeklemmt ist. Aber ist das der Punkt, an dem es zu viel war?


    Unsere Hundetrainerin benutzt für viele Situationen das Umorientierungssignal, in denen ich intuitiv "Nein" gesagt und den Hund weggezogen hätte. Das "Nein" sagen hat z.B. beim Jagen nach Blättern nichts gebracht. Die Umorientierung holt ihn aber zumindest aus der Situation raus, allerdings einfach nur weil er weiß dass er ein Leckerli bekommt. Das körperliche Stoppen bzw. Zurückhalten bringt ihn ziemlich aus der Fassung. Er duckt sich dann oft weg, legt die Ohren an und klemmt die Rute ein, hört aber auch sofort auf Interesse an den Blättern zu haben. Ist dann das körperliche Stoppen das richtige, weil sofort ein Erfolg zu sehen ist?

  • Da wirst du keine allgemeingültige Antwort zu erhalten.

    Es gibt Leute die verteufeln es alle vier Seiten zu nutzen und aversiv zu arbeiten.

    So ein bisschen Intuition/ Bauchgefühl sollte man ja haben zu erkennen wann etwas tatsächlich unangemessen ist .

    Nur weil ein Hund beschwichtigt und sich zurück nimmt war/ ist es nicht zu viel, man möchte eventuell genau das in dem Moment haben um dieses Verhalten abzuhaken.

  • Die Herausforderung bei diesem Thema ist, dass man eine konkrete Vorgehensweise eine ganze Weile mit einem Hund konsequent durchziehen muss, um erkennen zu können, ob der Weg bei diesem Tier funktioniert. Blöd wird es dann, wenn der Trainer auf der Eskalationsleiter noch weiter gehen will, man selbst aber die Grenze tiefer zieht. Deshalb würde ich bei der Auswahl eines Trainers schon im Vorfeld fragen (anhand von Beispielen), wo bei ihm die Grenze des aversiven Trainings liegt, vielleicht kann man sich den Trainer auch mal mit anderen Hunden ansehen, die sich an dieser Grenze bewegen.

  • Wie schon oben geschrieben wurde, ist aversiv nicht per se schlecht und nicht alles was als positiv und sanft angepriesen wird, ist es auch.


    Wo die Grenze verläuft, ab wo es zu viel wird, sollte eigentlich immer der Hund bestimmen. Denn danach sollte sich gute Erziehung und Ausbildung richten, nach den Lernbedürfnissen des Hundes. Es macht keinen Sinn, sich irgendeine Ideologie zurecht zu legen (z.B. nur nicht aversiv arbeiten, auf keinen Fall) und dann sich und seinen Hund ein Hundeleben lang schikanieren, weil es einfach nicht funktioniert.


    Am Besten fährt man damit, wenn man sich alle Wege offen hält, seinen Hund beobachtet, auch mal auf sein Bauchgefühl hört und einfach immer bereit ist, dazu zu lernen und sich selbst auch immer wieder kritisch zu hinterfragen.

  • Ich persönlich versuche es mit so nett wie möglich und so aversiv wie nötig. Also in Situationen, in denen die Umweltbelohnungen größer sind als alle Belohnungen, die ich für richtiges Verhalten anbieten kann, die ich aber nicht vermeiden kann, arbeite ich auch aversiv, d.h. in unserem Fall mit körpersprachlichem Druck und/oder einem akustischen Schreckreiz (klatschen/klappern) bzw. einem aversiv aufgebautem Abbruch.


    Das richtige Maß an aversiver Einwirkung ist für mich dann erreicht, wenn der Hund sich sichtlich zurücknimmt, also bspw aufhört, Blätter zu jagen, die Aufmerksamkeit auf mich lenkt und gerne auch leicht beschwichtigt. An der Stelle nehme ich sofort den Druck raus und biete gerne auch ein Alternativverhalten an, das ich dann belohne.


    So funktioniert das meiste für mich und meinen Hund sehr gut.


    Edit: Wichtig dabei ist natürlich, das überhaupt nur in Situationen anzuwenden, in denen der Hund das richtige Verhalten auch leisten kann. Wenn der Reiz zu stark ist und er völlig "über die Uhr", geh ich da auch nicht mehr aversiv ran.

  • In der Hundeschule haben wir jetzt daran gearbeitet, den Hund aktiv von Bewegungsreizen abzuhalten indem man ihn an der Schulter zurückzieht (nicht grob, aber bestimmt)

    Irgendwie kann ich mir den Lerneffekt davon schwer vorstellen. Wenn der Hund zurückgezogen wird und sich nicht selbstständig abwendet oder Abstand zum Reiz herstellt, lernt er dann wirklich, dass das aktuelle Verhalten unerwünscht ist? Oder lernt er eher, Zug nachzugeben?

  • Ich bin so jemand, der meist aversiv wenig Gutes abgewinnen kann (das liegt aber eher daran, dass es in der Realität einfach von vielen absolut falsch, blind und übertrieben angewendet wird). Allerdings kommt es mir persönlich immer auf den Rahmen an.

    Es sollte also mind. fair eingesetzt werden (damit meine die Handlung muss im Gleichgewicht zum Verhalten sein). Zudem finde ich den Aspekt bei dir, dass du es eben vorher schon lange anders probiert hast, auch nicht unwichtig. Und man sollte es bewusst einsetzen also mit Wissen dahinter u.A. über was will ich erreichen, was macht was mit dem Hund etc. und nicht einfach drauf los.


    Niemand wird dir hier sagen können, was in welcher Situation gut oder schlecht ist, da man schlicht nicht dabei ist.


    Mir fällt aber auf: Es könnte sein, dass dein Hund in der speziellen Situation mit den Blättern gelernt hat oh cool ich kann das jagen und bekomm dann sogar noch was leckeres. Also könnte es sein, dass bei eurem Hund das für eine Verstärkung geführt hat. Edit: bei Daisy zB hat so etwas gut funktioniert bei einem Grundstück mit einem blöden Hund. Vorher hat sie dort immer gepöbelt. Heute schaut sie lieber auf mich, weil sie sich gemerkt hat, hier gibts Leckerlies. Hier finde ich es also hilfreich und gut, dass sie das auf die Leckerlies scharf ist)


    Ich muss aber auch sagen, dass ich Daisy auch gerne mal körperlich begrenze. Bei ihr klappt das super! Bspw. beim Spazieren gehen bzw. der Leinenführigkeit hat es sehr geholfen. Das ist so ein Punkt, wo ich es wiederum gut finde. Bei Jacky würde so etwas eher Unsicherheit auslösen, was dazu führen würde, dass sie erst recht nicht zuhören kann und eher in extremen Stress verfällt.


    Was ich insgesamt auch wichtig finde: Wieso macht der Hund das? Jacky, auch Pudel, bellt ebenfalls sehr gerne Blätter o.Ä. an. Bei ihr ist das definitiv Unsicherheit. Würde Mama sie hier also noch "bestrafen" würde das Jackys Unsicherheit nur verstärken. Da würde ich bei jedem Problem ansetzen. Erst einmal rausfinden, was der Grund ist. Auf dieser Basis kann man dann weiter machen.

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