Seid ihr wirklich bei (annähernd) 100%?

  • Freilauf nur im gesicherten Gelände. Auch aus durchaus eigennützigen Gründen. Ich will keinen Nervenzusammenbruch erleiden wenn der Hund abhaut und ich keine Ahnung habe wo er ist und was er treibt. Auch wenn er nur kurz weg wäre.

  • Ich fand's übrigens ein paar Posts vorher wunderschön gesagt: Ein Hundertprozenthund, wie ich einen haben durfte, ist einfach eine Gnade, ein Geschenk der Hundegötter. Nichts anderes.


    So sehe ich das inzwischen auch, bin dankbar dafür und würde weder mich noch die weniger überirdischen Nachfolgerinnen mit dem Versuch stressen, Ähnliches zu erreichen. Was ich in keiner Weise als Manko der Hunde sehe. Die sind einfach anders, wir leben anders zusammen, es gibt Kompromisse - und ich habe nicht einen Funken weniger Freude an diesen Hunden als an der Perfekten.


    Es kann nämlich mitunter auch ganz gut frustrieren, wenn der eigene Hund vernünftiger ist als man selbst und einen dann mit diesem leicht genervten Gouvernantenblick so verständnislos mustert, dass man das Kopfschütteln regelrecht sieht....

  • Die alte Jule, die hier erst zwei ist, hatte mitunter schon etwas sehr Strenges, und dazu diese unglaublich ausdrucksvollen Dackelaugen. Wenn dann noch ihre Mißbilligung dazukam und sie einem durchdringend ins Gesicht sah, konnte man sich schon vorkommen wie gerade von Professor McGonagall abgekanzelt....



    Aber sie war großartig, großartig, großartig - und eben ein absolutes ,leider nicht reproduzierbares Einzelstück.

  • Wie macht ihr (mit euren nicht 100%-Hunden bzgl. Rückruf) das denn im Alltag mit dem Freilauf?

    Jedes Mal neu entscheiden, ob es möglich ist. Deswegen trägt Mico zB auf allem, was länger ist als eine kurze Pipirunde Geschirr und ich hab die Flexi oder seltener die Schlepp dabei. Merke ich das er freilaufen kann, darf er das auch und ich trag die Flexi eben mit mir rum. Etwas nervig zwar, aber inzwischen merke ich sie ehrlich gesagt kaum noch in der Hand. Hab auch Wichtigeres zu tun in dem Moment. Bin ich aber nicht der Meinung das heute ein guter Tag ist, bleibt er an der Flexi/Schlepp und darf eben da so frei wie möglich sein.


    Man sieht ja doch immer nur eine Momentaufnahme.

    Das ja sowieso. Mico zB wird hier von einer Hundehalterin im Dorf gerne als "der best erzogenste Hund der Welt" bezeichnet. Danke für die Blumen, aber ich garantiere, dass er das nicht ist xD

    Sie sieht in aber eben nur in Situationen, in denen er sich gerade gut benimmt bzw unauffällig gemanagt ist.

  • Bei sowas ist doch viel mehr die Frage, was passiert denn in den 1% in denen es nicht klappt. Wenn, ganz polemisch gesprochen, der übergewichtige Goldie dann durch den Park dackelt und grad keinen Bock hat zu kommen, nun gut. Ein Husky mit Ziel - weniger gut. Oder potentiell aggressive/panische etc Hunde. Das muss man ja je nach Hund, und auch je nach Situation abwägen. Und ja, dann ist es auch immer noch Typfrage, ob ich meinen Goldie durch den Park dackeln lasse, selbst wenn er mal nicht kommt, da kommen wir wahrscheinlich in den Entscheidungsbereich der dich gerade interessiert. Aber in dem sind ja viele Hunde auch gar nicht.

    Deinen letzten Satz verstehe ich nicht. Ansonsten hast du es genau erfasst.

    Ich meinte damit, dass es allein schon ziemlicher Luxus ist, das so abwägen zu können. Es gibt auch Hunde, da kann man es sich nicht den kleinsten Fehler leisten.


    Aber zu den 100%, das kann man ja allein deshalb schon nicht sagen, weil man ja erstmal definieren was "Erziehung" eigentlich ist. Befolgt irgendwelche Kommandos? Belästigt/gefährdet keine anderen Lebewesen oder sich selbst? Keiner meiner Hunde bis jetzt konnte irgendwelche Kommondos. Zwei, drei Wörter, aber nicht mal basics wie "Fuß" oder so. Ganz ehrlich, hatte ich nie Lust zu, haben wir aber auch einfach nie gebraucht. Das mit dem nicht belästigen kriegen wir trotzdem im Normalfall ganz gut hin.

  • Ich finde das eine schwierige Frage.

    Sagen wir mal so : Wenn ich meinen Hund an der Leine habe läuft er zu 100 % nicht wegen. Es sei mir fällt die Leine aus der Hand. Ob er dann wirklich wegläuft hängt von so vielen Faktoren ab .


    Ich finde es wichtig das ich meinen Hund gut kenne und genau weiß was er leisten kann. 100 % erreiche ich selbst dann nicht

  • Wie macht ihr (mit euren nicht 100%-Hunden bzgl. Rückruf) das denn im Alltag mit dem Freilauf?


    Bei Nastro besteht immer ein Restrisiko, wenn die Leine ab ist. Sollte direkt neben ihm ein Eichhörnchen loslaufen, würde er wahrscheinlich hinterher bis zum Baum.


    Ehrlicherweise gehe ich das Risiko ein und er hat trotzdem Freilauf.

    Kaya hat bei mir im Stammgebiet 70 bis 90 % Freilauf. Je nachdem, wo ich gehe.

    Das Restrisiko ist, dass direkt vor ihr Wild hochgeht und sie hinterhergeht. Das hatte ich ewig nicht mehr.

    Ansonsten kommt sie, wenn man es ihr sagt oder wartet oder man kommandiert sie ins Sitz oder Platz.

    Wenn sie sichtbar "on" ist oder im Wald kommt die Leine dran.

    Ich bin zufrieden damit, wie es bei uns läuft.

    Aber für die 100% dürften für mich z.B. so Dinge nicht passieren, wie heute morgen: ich laufe über eine große Wiese am Waldrand. Kaya dödelt halt so auf der Wiese rum und geht dann plötzlich auf Spur. Sie spurt engagiert mit tiefer Nase, was heißt, dass die Spur frisch ist. Ich rufe mit Pfiff und "zurück" ab. Sie spurt 20 Sekunden weiter und erst ein erneuter vehementerer Abruf lassen sie von der Spur gehen und zu mir kommen. Dann leine ich sie den Rest der Wiese an und auf dem Weg wieder ab. Dass sie so engagiert spurt, kommt alle paar Wochen mal vor, weswegen ich davon ausgehe, dass die Spur dann ganz "heiss" ist. Aber idealerweise sollte sie auf Pfiff sofort reagieren, was sie ja kann und macht, aber eben nicht zu 100%.

    Ist halt so, ärgert mich auch nicht weiter, aber toll ist das auch nicht. Mir fehlt aber auch die Phantasie, was ich da wie konkret verbessern/ändern kann.

  • Ich finde den Thread so mega spannend.


    Bin mit einem Border Collie aufgewachsen und als Kind mit ihm alleine um die Häuser gezogen.

    Also Dorf, aber im Nachhinein natürlich verrückt. Aber es ist nie was passiert, niemals abgehauen oder ähnliches.


    Dann war lange Jahre ein Hovawart mein Herzenshund.

    Hofhund, wo "meine" Pferde standen.

    Er fehlt mir ständig. Dabei gehörte er mir gar nicht. Aber wenn ich kam, lief er mit und war halt da. Irgendwann starb der Hofbesitzer (ganz tragisch) und Jumbo kannte bis dahin nur den Hof.

    Er war dann mit mir in Hamburg, in Hotels etc. und hat einfach alles mitgemacht.

    Wirklich unglaublich.


    Und jetzt habe ich meine griechische Kröte. Sie ist großartig. Der Alltag klappt zu 100 %. Ich kann sie überall mit hinnehmen, sie "muss" zu vielen Arztterminen mit, kann super alleine bleiben, ist unglaublich freundlich- dennoch nicht aufdringlich Fremden gegenüber, geht super an der Leine und noch vieles mehr, ist aber eine absolute Jagdsau.


    Daher könnte ich es nie in Prozenten ausdrücken.

    Für mich ist sie perfekt, andere würden wahrscheinlich verzweifeln.


    Fun Fact:

    Wir haben (Fun) Agility ausprobiert. Das erste Mal Kennenlernen allet Geräte. Null Angst, Brücke, Wippe, Tunnel, Ring etc.

    Zweites Mal dann mit mir alles im Parcours gelaufen.

    Drittes Mal alleine mit Ablage und allem "alleine", die Trainerin völlig begeistert und meinte, sowas hat sie noch nicht erlebt. (Ich wusste da schon, dass es so nicht weiter gehen wird...).


    Viertes Mal. Erste Runde super. Sogar Slalom, den sie von Anfang an deutlich schwachsinnig fand.

    Und dann war Ende.

    Sie hat sich hingesetzt und mich angestarrt, ob wir nicht bitte gehen können.


    Finde es so individuell, wie man das beurteilt.


  • Ein nicht ausgeführtes Kommando immer durchsetzen? Ich wüsste oft nicht, wie. Weil der Hund ja per definitionem nicht in meinem Einwirkungsbereich ist, wenn er sich erfolgreich dafür entscheiden kann, diesmal vielleicht einfach nicht zu gehorchen. Und in anderen Situationen, wo ich ein nicht ordentlich ausgeführtes Kommando durchaus durchsetzen könnte, ist es mir dann nicht wichtig genug. Zum Beispiel, wenn ich an der Straße „Sitz“ sage und der Hund nur antäuscht und den Hintern sofort wieder hoch nimmt. Ist mir doch egal, wartet sie halt im Stehen, bis die Ampel grün wird.

    Das ist bei mir und meinen Hunden eine Grundregel, die ich im ersten Lebensjahr ins Hirn betoniere ...

    Ich nutze dazu

    - meine Fähigkeit zur Hartnäckigkeit, die immer einen Tacken länger ist als die Hartnäckigkeit des Hundes (und des Pferdes, da habe ich das genauso gemacht)

    - die Fähigkeit, bei aller Hartnäckigkeit freundlich zu bleiben

    - meinen Verstand zu erkennen, wann ich auf "verlorenem Posten" stehe und mich nicht durchsetzen kann - weshalb ich das Kommando dann lasse ...


    Erziehung ist ja ein andauernder Prozess, und gerade beim Junghund schreitet das Lernen rasant voran - aber nichts davon ist erst mal "sicher", also verlässlich.


    Ich persönlich sehe eigentlich erst nach der durchstandenen Pubertät eines Hundes, wie gut ich bis zur Pubertät "gearbeitet" und "erzogen" habe, also wie gut ich die Aspekte etabliert habe, die mir für ein umweltkompatibles Verhalten wichtig sind.


    Mit einem Jungspund bewege ich mich äußerst umsichtig, suche mir die Bereiche sorgfältig aus, in denen ich mich mit ihm bewege, um bestimmte Fehler zu vermeiden.


    Also ja - wenn ich ein Kommando (ich rede eigentlich lieber von Signalworten) gebe, dann will ich auch, dass der Hund das bei seinem Handeln berücksichtigt.

    Erst deutlich später, wenn ich mir sicher bin dass der Hund den Sinn verstanden hat, lasse ich dem Hund den Spielraum, ein Kommando aufzulösen und eine passendere Reaktion zu zeigen.


    Dazu ein Beispiel:


    Mir kommen Menschen mit angeleintem Hund entgegen.

    Mein Hund wird langsamer, schaut die Entgegenkommenden an.

    Von mir kommt ein: "*Hundename*, machst du bitte Sitz :smile: ".

    Hund setzt sich.


    Die Menschen kommen strammen Schrittes auf uns zu, ihren Hund mit sich ziehend, der sich hinter seinen Menschen einsortiert, und eigentlich gar nicht zu dem sitzenden Hund hinwill, zumindest nicht so direkt und in dem Tempo, wie seine Menschen es ihm aufzwingen.


    Mein Hund löst das Sitz selbständig auf, und geht an den Wegrand, um dort einen hochinteressanten Grasbüschel zu inspizieren.


    Ein solches Mitdenken meines Hundes ist von mir erwünscht, und auch wenn er damit ja mein "Kommando" auflöst, verhält er sich im Rahmen dessen, was ich mit diesem "Abbruch" eigentlich erreichen will: Sich nicht weiter dem anderen Hund annähern.


    Aber bis ein Hund bei mir soweit ist ... dauert es.


    Bis dahin muss ich äußerst umsichtig sein, und 100% aufmerksam meinem Hund gegenüber (wobei nicht in jedem Bereich 100% nötig sind).


    Aber ja: Meine Hunde lernen von Beginn an bei mir, was sie von mir zu halten haben: "Mist - die Alte ist so dermaßen hartnäckig ... wenn die wat sacht, dann machich dat lieber sofort, weil die nich aufgibt :ugly:".

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