Anfängerfragen zu Körpersprache, Verhalten und Erziehung

  • Halte ich den Welpen dann auch einfach fest, wenn er wo hin möchte und er nicht darf?

    Wie korrigieren die älteren Hunde?

    Es ist schon richtig, was @Turbofussel sagt - Alternativverhalten anzubieten umgeht meist einen Abbruch. Das kann man beim Welpen sehr lange sehr gut machen, das funktioniert auch. Je nach Hund braucht es da einfach auch Geduld. Was meiner Meinung nach beim Abbruch viele falsch machen, sind zwei Punkte: a) sie nehmen es persönlich und strahlen das auch aus - "der knabbert schon wieder am Stuhlbein, obwohl ich ihn schon drölfmal weggenommen hab", "der zerfetzt mit Absicht das Kissen" usw. Der Hund ist Hund, bzw. Welpe. Für mich ist wichtig, auszustrahlen: das, was du da MACHST, ist Mist. Nicht: "du bist doof, ich bin dir böse, ich bin enttäuscht, dass das nicht klappt" und sowas. Das erste kann Welpi/Hund verstehen, das andere nicht. Und b) ist, dass wenige drauf bestehen. Das sehe ich zB auch viel bei meinen Hunden. Wenn ihnen etwas wirklich wichtig ist, setzen sie es durch - dann wird der andere so oft vom Spielzeug weggeknurrt, bis er es nicht mehr versucht. (Fiktives Beispiel) Wenn Menschen dem Hund einen Abbruch ansagen, kommt oft lapidar erstmal "nee", dann "lass das", dann "geh doch mal da weg" etc., und das steigert sich dann gern, und dann mischt sich der Fehler aus a) rein. Erwachsene Hunde machen EINE Ansage, dann wird darauf bestanden, sonst wird die nächste Eskalationsstufe (nach Knurren vielleicht Ansehen+lauter Anknurren) gewählt. Wenn ich meinen Welpen also wo weghaben wollte, bin ich hin, hab gesagt "nein" (oä) und bin dort stehen geblieben und hab jegliche Versuche per Blick und Gestik unterbunden, bis er es gelassen hat. Weißt, wie ich meine? Nicht erst laber-laber-laber und Hund macht ein Spiel draus, sondern "nein" und dabei ist sofort Ende. Drauf bestehen, dass das, was du sagst, gilt, und zwar ab sofort.

    Aber ja, es hängt extrem vom Charakter ab, und einen Welpi muss man eben auch erstmal kennenlernen. Das KANN gar nicht perfekt funktionieren, es sei denn, man ist Profi im Welpenkennenlernen und weiß nach 3 Tagen sicher, wie der Hund tickt ;)

    Das Wort Impulskontrolle kommt sehr häufig vor. Auch beim Nachbarhund habe ich ein nervöses fiepen und bellen gehört, als er nicht zu den Enkeln durfte. Wie baut man das kleinschrittig auf? Wie reagiert man, wenn der Hund schon in der Leine hängt und jault? Verlässt man die Situation? Abbruch versuchen?

    Ommmmmmmm :)
    Das Schwierigste für Anfänger in der Hundehaltung ist die "wurschtegal"-Haltung. Vielen ist peinlich, wenn Hund nicht hört oder sich an der Leine aufregt und so. Dabei braucht der Hund genau in diesem Moment einen sicheren Hafen: eine ruhige Person, die ihn auch beruhigen kann, die ihn immer noch wohlwollend in seinem Stress auffängt und ihm hilft. Mein Mittel bei Aufregung an der Leine ist immer ein "schau mich an" (zuerst daheim geübt natürlich, dann draußen ohne Aufregung etc, eben genauso, wie jedes Kommando). Schaut mich der Hund an, lobe ich ihn seeeehr ruhig mit tiefer Stimme, behalte ihn gedanklich so gut es geht bei mir (vielleicht auch durch eine Futterbelohnung, die er mir aus der Hand zuppeln darf) und verlasse die Situation. Hund erlebt: 1. ich rege mich auf 2. Frauchen ist da, und wenn ich sie anschaue, werde ich belohnt und der Stress "geht weg". Selber aufgeregt zu sein, egal aus welchem Grund, ist da total kontraproduktiv. Das ist aber eben auch eine persönliche Sache. Wenn es mir nicht so gut geht, kann ich das auch nicht leisten und gehe halt etwas später in der Dunkelheit oder in der Pampa, um möglichst keine Situationen zu riskieren.

    Generell ist "Ruhe an der Leine" schon ein fortgeschrittenes Thema, je nach Hundetyp. Da spielt auch ein wenig mit rein, wie konsequent ich sonst im Alltag bin... aber da bin ich die Falsche, um Tipps zu geben, denn hier ist keiner außer dem 13-jährigen Rentner wirklich leinenführig.
    Viele Grüße
    Silvia

  • Ich habe noch etwas die Hoffnung dass mir mein Umgang mit Pferden da auch etwas hilft. Da ist Konsequenz genauso wichtig und viel herum reden hilft auch nichts. Aber da geht man körperlich manchmal mit etwas mehr Nachdruck vor und hat einen Strick oder eine Gerte zum herum fuchteln als Hilfsmittel. Auch ist da eher ein Druck weg nehmen als Belohnung im Training oft das Mittel der Wahl.

    Aber eure Antworten helfen mir auf jeden Fall weiter da etwas um zu denken.

  • Wobei da, zumindest in meinem Umfeld, auch in Bezug auf den Reitsport gerade viel Umdenken stattfindet. Und zB auch in Bezug auf Polizeipferde stark hinterfragt wird, wie die Ausbildung dort abläuft. Pferde sind ja immerhin sehr sensible Fluchttiere und werden da durch Zwang und teils auch (zumindest meiner Auffassung nach) körperliche Gewalt dazu gebracht Situationen auszuhalten, in denen sonst der Fluchttrieb einsetzen würde.


    Eigentlich ja ein ziemliches Grundsatz-Thema. Auch in Bezug auf Kindererziehung. Da hat man als erwachsene Person früher auch gesagt, wo's lang geht und wenn ein Kind sich nicht dran hält, gab's halt einen Klaps / Schimpfe o. Ä.

    Und da geht es heute ja auch eher in die Richtung, dass man dem Kind auf Augenhöhe begegnet und Dinge erklärt, anstatt einfach "nein" zu sagen und das durchzusetzen.


    Um zum Thema zurückzukommen: Hunde kann man ganz wunderbar ohne Druck oder körperlich werden zu müssen erziehen

  • Hunde kann man ganz wunderbar ohne Druck oder körperlich werden zu müssen erziehen

    Ich kann mir nicht vorstellen, wie das wirklich aussehen würde im Alltag.

    Körpersprachlich baut man ja je nach Hund schon Druck auf, wenn man sich normal durch den Raum bewegt - weil man dabei in Richtung des Hundes sieht, geht oder sich vorbeugt. Oder wenn man selbst vielleicht mal wütend ist, ohne dass das irgendetwas mit dem Hund zu tun hat. Oder in Momenten, wo man etwas trainiert, also mit der Belohnung abwartet, und der Hund nicht weiß, was er tun soll - auch da gibt es Hunde, die sich da unter Druck gesetzt fühlen.

    Und natürlich Halsband/Geschirr und Leine. Druck nutzt man schon dann, wenn der Hund mal an der Leine zieht und man nur gegenhält. Erst Recht natürlich dann, wenn man die Leine nutzt, um den Hund irgendwo wegzuholen oder wegzuhalten. Und das kann man mMn nicht immer verhindern. Vielleicht in einzelnen sterilen Trainingssituationen, aber nicht im Alltag, wo plötzlich irgendwelche Hunde/Menschen/Objekte/Tiere auftauchen. Und in solchen Momenten wird man damit eigentlich auch körperlich - denn man nutzt ja die eigenen Kraft, um den Hund von etwas abzuhalten (zB Jagen gehen, zu anderen Hunden hinrennen, die Pferdeäppel da auf dem Weg fressen...), was er eigentlich gerne tun würde.


    Das ist für mich so wie die Idee, man könne ohne Strafe erziehen. In einzelnen Situationen möglicherweise, ja. Aber permanent im Alltag? Das ist finde ich gar nicht möglich. Sicher kann man sich selbst das Ziel setzen, möglichst wenig Druck auszuüben, den Hund nicht zu überfordern etc. Das soll jetzt hier kein Plädoyer dafür sein, ins andere Extrem zu springen. Aber komplett verhindern kann man Druck/körperlich-werden doch nicht, oder wie siehst du das?

  • Ich jedenfalls kann das nicht.

    Zumindest nicht, wenn ich am Ende einen Hund haben will, den ich als alltagstauglich bezeichnen würde.

    Aber ich stehe immer mit bewunderndem Staunen vor denen, die behaupten, sie könnten das. Seltsamerweise habe ich die im Real Life noch nicht wirklich getroffen.

  • Aber komplett verhindern kann man Druck/körperlich-werden doch nicht, oder wie siehst du das?

    Also ich meinte es in Bezug auf das, was ich bewusst und aktiv trainiere. Da habe ich mich aufgrund der Kürze des Beitrags (und weil ich nicht wusste, ob es hier den Rahmen sprengt), nicht so differenziert ausgedrückt.


    Ein Zusammenleben, das allein auf positiver Verstärkung beruht gibt es nicht, da hast du recht! Also allein schon aufgrund der Einschränkung durch die Leine oder aufgrund der Tatsache, dass ein Hund natürlich nicht jedem Bedürfnis nachgehen kann oder auch mal Situationen aushalten muss.


    Was ich hauptsächlich meinte ist, dass man meiner Meinung nach zB nicht unbedingt einen aversiv trainierten Abbruch braucht, dass man nicht körpersprachlich Blocken muss etc. und trotzdem einen "gut erzogenen" Hund haben kann.

    Weil hier ja auch das Beispiel aus dem Reitsport mit der Gerte kam, was ja schon ein aversives Mittel ist.



    Was es vielleicht besser trifft ist das Prinzip LIMA „Least Intrusive, Minimally Aversive“


    Dass man also aus den Mitteln, die man zur Auswahl hat, das am wenigsten aversive wählt.

    Und das ist in Situationen, in denen man etwas aktiv trainieren will der Signalaufbau über positive Verstärkung und in Notfallsituationen (zB Hund will Jagen gehen) wäre es Festhalten am Geschirr anstatt den Hund körpersprachlich zu blocken bspw.



    Mir war das nur wichtig zu erwähnen, weil der*die TE im Eingangspost ja schon etwas Richtung körpersprachliche Korrektur geschrieben hatte. Und das absichtliche Druckaufbauen über Körpersprache ist einfach nicht notwendig, weil es auch über positivere Wege mindestens genauso gut funktioniert.



    Ich bin gerade etwas angeschlagen und kann mich deshalb nicht so gut konzentrieren, aber ich hoffe du weißt wie ich das meine! :smile:

  • Körpersprachlich baut man ja je nach Hund schon Druck auf, wenn man sich normal durch den Raum bewegt - weil man dabei in Richtung des Hundes sieht, geht oder sich vorbeugt.

    Vielleicht noch kurz hierzu:


    Das stimmt auf jeden Fall. Fina ist auch so eine Kandidatin, die total sensibel auf Körpersprache reagiert, also wenn man bspw. in ihre Richtung genau auf sie zugeht.

    Aber mein Weg, da möglichst positiv mit umzugehen, ist ihr diese Angst zu nehmen. Also ihr zu zeigen, dass es nichts bedrohliches ist, wenn ich auf sie zugehe und dass sie nicht zurückweichen muss. Und ich würde das niemals bewusst gegen sie einsetzen (was ja auch ein gängiger Trainingsansatz ist, dass man körpersprachlich blockiert / einschränkt). Und das ist dann für mich der Unterschied.


    Also wofür entscheide ich mich bewusst? Was mal aus Versehen passiert oder durch die Umwelt , andere Mitmenschen bedingt, ist was anderes. Das kann man ja nicht steuern.


    Ich hab Fina am Anfang zB angekündigt, wenn ich an ihr vorbei musste oder bin die erste Zeit nur seitlich an ihr vorbeigegangen um den Druck rauszunehmen. Das hat ihr gezeigt, dass das nichts bedrohliches ist und mittlerweile können mein Freund und ich ganz normal an ihr vorbeigehen, ohne dass sie Anstalten macht zurückweichen zu müssen.

  • Oh, ich hab hier auch sehr viel mitnehmen können! Danke an dieser Stelle für deine Fragestellung.


    Hier ein paar grundsätzliche Gedanken die sich auf viele Situationen übertragen lassen:


    Der Hund nimmt sich nur die Freiheiten, die du ihm gibst.

    Man hat die Leine dran und unterhält sich mit jemandem, dabei konzentriert man sich nicht auf den Hund und geht mit der Leine unterbewusst seinen Bewegungen nach, er schnüffelt daraufhin wild umher und ist total im Außenfokus. Nach dem Gespräch kriegt der Hund einen Anranzer + Ruck auf die Leine was das Verhalten eben sollte. Mh, der Hund hat nur das getan was du in der Situation kommentarlos zugelassen hast. Es ist obendrein unfair ihn dafür zu bestrafen. Das ist nicht berechenbar für ihn, und Berechenbarkeit ist für mich sehr wichtig im Zusammenleben. Der Hund muss sich auf dich und deine Worte verlassen können.


    Hunde sind Opportunisten, sie machen immer das beste aus der Situation und nehmen alles wie es kommt.


    Meist agiert der Hund, und der Mensch reagiert (Hund läuft einem Reh hinterher und der Mensch hinterher). Besser ist es wenn der Mensch den Rahmen vorgibt und daraufhin der Hund entsprechend handelt (Leine dran, Hund ansprechen bei Sichtung des Rehs BEVOR er lossprinten möchte, rückwärtsig den Hund zu sich einladen nach Blickkontakt, kräftig belohnen für die Umorientierung). Das ist nur ein Beispiel...


    Nach Worten müssen Taten folgen. Klingt total banal aber das ist im Endeffekt das was alle immer mit dieser berühmt berüchtigten Konsequenz meinen. Sitz heißt Sitz. Platzt heißt Platz. Weiter heißt weiter. Klingt viiiieeeel einfacher als es ist... Wir sind nunmal bequeme Menschen.


    Das bedeutet für mich eben auch, gewisse Kommandos in gewissen Situationen erst gar nicht abzufragen. Macht er eh (noch) nicht und durchsetzen ist vielleicht situativ schwierig. Also lasse ich es. Wäre kein gutes Training.


    Kein Training ist besser als schlechtes Training. Ich trennen strickt nach Training und Management.

    Hundebegegnungen die mein Hund noch nicht meistern kann weil Weg zu schmal? Dann lenke ich ihn halt Mal ab mit Leckerli oder drehe ganz einfach um. Das bringt uns allen mehr als, dass er komplett ausflippt an der Leine und sich das Verhalten so nur noch mehr festigt. Training ist das keineswegs, aber schlimmer gemacht hab ich es damit eben auch nicht.

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