Warum hören Jagdhunde auf Kommandos?

  • Hallo zusammen,


    ein intelligenterer Titel ist mir irgendwie nicht eingefallen, aber letztendlich geht es mir genau darum.


    Mich faszinieren Hunde, die "einen Job" machen immer sehr, bzw. deren Ausbildung. Fatal, dass ich null Ahnung davon habe :see_no_evil_monkey: .

    Neulich habe ich schon mal was bzgl. Assistenzhunden gefragt und habe aus den Antworten echt viel gelernt.


    Heute habe ich eine andere Frage, auf die ich so kam:

    Seit acht Jahren haben wir nun unseren ersten Hund und kennen ihn nicht anders, als dass er in großer Aufregung nicht mehr zugänglich ist. Egal, wodurch die Aufregung verursacht wurde.

    Kommandos trainieren wir erst in reizarmer Umgebung, dann werden die Reize und die Schwierigkeit gesteigert usw. Aber es klappt eben nur bis zu einem gewissen Punkt, und ich dachte "es ist halt so". (Ich will jetzt keine Tipps, wie man das verbessern kann, die eigentliche Frage kommt unten).

    Nun haben wir seit einem Jahr noch einen zweiten Hund, mit dem wir ja letztendlich identisch trainieren.

    Gestern ist mir etwas Erstaunliches aufgefallen: Abends rannte eine Katze über die Straße - der Endgegner unserer beiden Hunde und der einzige Grund, aus dem Junior so richtig in die Leine rennt und echt außer sich ist. Spaßeshalber gab ich das Seitenwechselkommando und was macht er? Wechselt trotz Aufregung sofort hinter meinem Rücken die Seite (nur um gleich wieder nach vorne in die Leine zu rennen). Ich dachte, das wäre ein Zufall und wiederholte es. Er machte es sofort.

    Dann fiel mir rückblickend noch auf, dass er, wenn die Katze auf der Terrasse rumrennt und er es von seinem Körbchen aus sieht, das Deckenkommando einhält und sich zwar in seinem Körbchen furchtbar aufregt - es aber nicht verlässt (weil er ja drin bleiben soll).


    Diese beiden Situationen haben mich total überrascht, aber ich dachte dann sofort, dass Jagdhunde trotz "Zielobjekt" ja vermutlich auch perfekt auf Kommandos hören müssen.


    Jetzt endlich zu meiner Frage: Wie trainiert man sowas (falls man das grob erklären kann). Ich finde das echt interessant.

    Gibt es da spezielle Methoden, oder wird es auch so trainiert, dass Reize langsam gesteigert werden?

    Oder ist das eine Typsache (wofür ja sprechen würde, dass unser einer Hund es kann, der andere aber nicht)?


    Sorry, falls das alles naiv klingt, wie gesagt, ich habe keine Ahnung aber großes Interesse.


    Danke schon mal.

  • Naja, der erste Punkte wäre ja, dass es zwischen Jagdhund und Jagdhund riesige Unterschiede gibt. Und das selbst dann, wenn man "nur" die Rassen betrachtet die in D auch wirklich jagdlich geführt werden.

    Und der nächste Punkt wäre die Frage, über welche jagdliche Situation reden wir?


    Aber mal so ganz pauschal, es gibt bei den Jagdgebrauchshunden auch kooperativere Rassen und weniger kooperative Rassen. Und es gibt Situationen in denen es für den Hund relativ einfach ist sich zu beherrschen und welche die halt schwerer sind. Und es gibt Wildarten auf die die jeweiligen Rassen stärker reagieren als auf andere.

    Und dann kommt natürlich noch dazu, dass Menschen unterschiedliche Methoden nutzen. Das alleine zeigt schon wie breit es da zugeht.

    Und es geht halt auch wirklich von Klicker bis zu ähm... aversiven Methoden. Viel geht auch einfach ganz normal über Konditionierung und über die Erfahrung des Hundes, dass er nur über den Menschen ans Ziel kommt. Also die meisten Jagdhunde wollen, zumindest auf ihre Weise, schon auch kooperieren. Aber halt nicht unbedingt im Sinne von Gehorsam, sondern im Sinne von gemeinsam zum Jagderfolg. Also mein Vorsteher macht schon recht deutlich, dass er das als Teamarbeit ansieht. Aber auch Bracken hetzten das Wild ja nicht einfach wahllos durch den Wald, sondern treiben es auf die Jäger zu.

    Und sehr viel, gerade bei schlechter ausgebildeten und eben unkooperativeren Hunden, geht auch einfach über eine Leine. Einfach und effektiv...


    Also, was deiner Situation vielleicht etwas ähnelt: Wenn Argos was Spannendes in der Nase hat, dann ist der sehr selektiv ansprechbar. Rückruf, kann ich (v.a. derzeit) komplett knicken, der dreht nichtmal ein Ohr, selbst wenn ich wenige Meter hinter ihm einen Urschrei loslasse. Aber Richtungsanweisungen, Stopps (auch wenn die Beute da entkommt) usw, nimmt er problemlos selbst geflüstert an. Also er unterscheidet schon stark zwischen dem Ablassen von der Beute und meinen Anweisungen folgen wie er zu jagen hat. Ich könnte mir vorstellen, dass das bei dir etwas Ähnliches war, er sollte ja nicht aufhören, sondern es nur von der anderen Seite nochmal probieren ;)

  • Die sog. "Gun dogs" sind einfach darauf selektiert, dass sie (in der Regel) gern eng mit dem Menschen zusammenarbeiten. Ich weiß aus erster Hand, dass es gerade mit den Bewegungsreizen zum Beispiel so trainiert wird, dass einfach drölf Dummys o.ä. geworfen werden und der Hund wird halt festgehalten, bis er checkt, dass er da nicht einfach hinterher kann. Also ganz simpel eigentlich. Aber viele Wege führen nach Rom und es gibt da sicher dutzende verschiedene Ausbildungsweisen.

  • Mir sagte neulich bei der Spurlautprüfung eine Prüfungsanwärterin, sie findet es fürchterlich, wenn Beagle z.b. im Hundesport geführt werden. Die sollen keine Kommandos befolgen sondern jagen. Und zwar immer und ohne Kompromisse. Selbst nach einer stundenlangen Jagd, sollte er wieder voll dabei sein, wenn man ihn z.b. auf einen Hasen ansetzt. Das einzige was sitzen muss ist der Zückruf.

    Ob deren Hunde jetzt allerdings wärend der jagt abgerufen werden oder erst wenn sie die Spur verloren haben weiß ich nicht. Bei den Spurlautprüfungen konnte jedenfalls niemand seinen Hund wärend der aktiven Jagdphase abrufen. Weder Beagle, Dackel noch die Westphalenbracken. Die meisten Hunde kamen aus einem Jägerhaushalt.


    Dann kam es auch nochmal drauf an, ob der Hund wirklich der Spur hinterher geht oder ein Tier vor sich sieht. Den Hasen durften sie nicht sehen. Die Spur wurde eine Zeit lang verfolgt. Die meisten waren in sichtnähe und nach vllt 10 min wieder an der Leine. Ein Beagle und ein Dackel hatten plötzlich Rehe vor der Nase. Da sind die aber gerannt. Dackel konnte nach 30min vom Besitzer eingefangen werden, beim Beagle mussten die mit Auto und Traker hinterher.

  • Wenn Argos was Spannendes in der Nase hat, dann ist der sehr selektiv ansprechbar.


    Ist hier auch so. Die Hunde sind schon ansprechbar, nur nicht auf alle Kommandos.

    Gut angenommen wird in hoher Aufregung alles, was sie nicht direkt vom Objekt des Interesses wegbringt.


    Und auch wenn die Ansprechbarkeit zu Beginn mit kleinen oder wenig Reizen aufgebaut wird, übe ich das gezielt in sehr aufregenden Situationen weiter. Nehme jede Möglichkeit, dies zu üben.


    Gestern rannten zB mehrere Eichhörnchen 🐿 vor uns herum. Das ist ein super Trigger da wir bei uns zu Hause keine haben. Hier hat es sehr viele.

    Nevis hat erwartungsgemäss stark darauf reagiert. Statt zügig aus der Situation zu gehen habe ich gleich an Ort und Stelle das als Training genommen. Und konnte es wenige Stunden später gleich wieder nutzen. Ein Lerneffekt war bereits eingetreten. (Selbstverständlich durch Leine gesichert. Ohne ginge bei uns nie und nimmer)

  • Also die Jagdhunde hier in der Umgebung hören null auf Kommandos. :roll: Mitten im Wald Jeeptür auf, Hund raus, Hund weg, Jäger ruft, keiner kommt, Jäger fährt weiter, Hund irgendwann wieder da....

  • Jagdhunde führen Verhalten auf Kommando aus den gleichen Gründen aus wie andere Hunde auch: Weil sie es gelernt haben.


    Dass manche Hunde im Jagdverhalten leichter zu trainieren sind, liegt am genetisch verankertem Will to please. Darauf wird bei denen dann in der Regel selektiert.

  • Spaßeshalber gab ich das Seitenwechselkommando und was macht er? Wechselt trotz Aufregung sofort hinter meinem Rücken die Seite

    Meiner Erfahrung nach ist es ein riesen Unterschied, ob man "Nein" sagt oder ein konkretes Verhalten vorgibt. Der Hund ist in einem Modus, in dem er unbedingt etwas tun will. Etwas auftrainiertes abzufragen ist da oft leichter umzusetzen als ein "lass das". Ich hab zwar nur Hütehunde, aber auf Bewegungsreize sprechen die größtenteils schon auch an. Hier funktioniert das sehr gut so. Dazu muss natürlich der eigentlich präferierte Weg des Hundes nie zum Erfolg führen, der "Ersatz"/die Kooperation dagegen schon.

  • Vielen Dank erst mal für Eure ganzen interessanten Antworten!!!


    Also, was deiner Situation vielleicht etwas ähnelt: Wenn Argos was Spannendes in der Nase hat, dann ist der sehr selektiv ansprechbar. Rückruf, kann ich (v.a. derzeit) komplett knicken, der dreht nichtmal ein Ohr, selbst wenn ich wenige Meter hinter ihm einen Urschrei loslasse. Aber Richtungsanweisungen, Stopps (auch wenn die Beute da entkommt) usw, nimmt er problemlos selbst geflüstert an. Also er unterscheidet schon stark zwischen dem Ablassen von der Beute und meinen Anweisungen folgen wie er zu jagen hat. Ich könnte mir vorstellen, dass das bei dir etwas Ähnliches war, er sollte ja nicht aufhören, sondern es nur von der anderen Seite nochmal probieren ;)

    Das stimmt natürlich! Daran hatte ich gar nicht gedacht. Stimmt, das mache ich bei unseren Familienhunden ähnlich. Stopp können sie in manchen schwierigen Situationen auch besser als Zurückkommen.


    Bei den Spurlautprüfungen konnte jedenfalls niemand seinen Hund wärend der aktiven Jagdphase abrufen. Weder Beagle, Dackel noch die Westphalenbracken. Die meisten Hunde kamen aus einem Jägerhaushalt.

    Oh, ok, interessant!

    Also die Jagdhunde hier in der Umgebung hören null auf Kommandos. :roll: Mitten im Wald Jeeptür auf, Hund raus, Hund weg, Jäger ruft, keiner kommt, Jäger fährt weiter, Hund irgendwann wieder da....

    :hushed_face: okaaaay, das dachte ich jetzt echt nicht.

    Meiner Erfahrung nach ist es ein riesen Unterschied, ob man "Nein" sagt oder ein konkretes Verhalten vorgibt.

    Das stimmt... Seit ich Click für Blick und Zeigen und Benennen mache, ist v.a. mein älterer Hund bei Katzen nicht mehr so krass drauf, weil er ja gezielt zu ihnen hinschauen SOLL.

  • Katzen sind bei uns auch Endgegner. 🤪Rehe jucken ihn nicht, Hasen sieht er nicht mal, aber wehe eine Katze sitzt irgendwo oder läuft …


    Was ich sagen will … mein Manchmal Gassipartner ist Jäger und hat einen Jagdhund (Griffon Korthals), der definitiv einen will to please hat. Aber jagt er, heißt, er hat eine Fährte, hört er auch nicht. Nun muss man dazu sagen, dass er auch noch recht jung ist. Kenne auch ältere Jagdhunde, die hören aufs Wort. Meistens aber, werden die jagdlich geführten Hunde hier eben nicht von der Leine gelassen, denn scheinbar ist es nicht so einfach, wie du denkst. Ich rede allerdings nicht von Retrievern, sondern eher Vorstehern und oder Bracken. Ein Nichtjäger hat hier eine Bracke, die hörte Null, sondern jagt gemütlich über die Felder.


    Ich denke mal, wenn ich aus meiner eigenen Erfahrung spreche, Katze wird bei uns immer ein Endgegner bleiben. Da ist nichts mit Gewöhnung. Da kann man maximal über den Gehorsam gehen, dessen 100% Erfolg ich aber anzweifeln will.

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