Rasse spielt kaum eine Rolle?

  • Hier gibt es ja immer wieder User, welche aufschlagen und meinen, mit der richtigen Erziehung ist jeder Hund ein guter Familien- und Begleithund. Ich hab bisher nicht 1x gelesen, dass so einer Aussage zugestimmt wurde.

    Wir hätten heute auch nicht diese Bandbreite an Rassen, wenn es mehr aufs Individuum ankäme, als auf die Rasse. Will ich einen Hund mit bestimmten Eigenschaften (sei es, als weil ich den Hund für eine bestimmte Arbeit, einen bestimmten Sport oder als reinen Begleithund möchte), dann ist es einfach so, dass sicher die meisten Hunde einer Rasse sich für diese Aufgabe eignen.

    Trotzdem hat jeder Hund einen eigenen Charakter, welcher sich dann in den Details zeigt.


    Auch muss man sich fragen, wie sehr eine Charaktereigenschaft spezifiziert wurde im Test. Zum Beispiel die Eigenschaft Jagdtrieb. Für den durchschnittlichen Hundehalter heißt Jagdtrieb „Hund rennt Wild hinterher“. Fragt man nun einen Jäger unterscheidet der schonmal, wie der Hund jagt: geht er hauptsächlich auf Spur und sucht Wild? Reagiert er mehr auf Bewegungsreize? Gibt er Spurlaut? Steht er vor? Hält er Wild im Schach oder geht er nur nach? Die Liste lässt sich sicher noch weiter führen. Und zeigt damit deutlich, wie komplex ein einzelner Charakterzug sein kann. Und da zeigt sich dann eben auch der Unterschied in den Rassen.

    Auch ein Grund, warum ich Halterbefragungen als Basis einer Studie schwierig finde. Es kommt immer auf das Wissen über Hunde(verhalten) an, damit Fragen verstanden und passend beantwortet werden.


    LG Anna

  • Auch muss man sich fragen, wie sehr eine Charaktereigenschaft spezifiziert wurde im Test. Zum Beispiel die Eigenschaft Jagdtrieb. Für den durchschnittlichen Hundehalter heißt Jagdtrieb „Hund rennt Wild hinterher“. Fragt man nun einen Jäger unterscheidet der schonmal, wie der Hund jagt: geht er hauptsächlich auf Spur und sucht Wild? Reagiert er mehr auf Bewegungsreize? Gibt er Spurlaut? Steht er vor? Hält er Wild im Schach oder geht er nur nach? Die Liste lässt sich sicher noch weiter führen. Und zeigt damit deutlich, wie komplex ein einzelner Charakterzug sein kann. Und da zeigt sich dann eben auch der Unterschied in den Rassen.

    Auch ein Grund, warum ich Halterbefragungen als Basis einer Studie schwierig finde. Es kommt immer auf das Wissen über Hunde(verhalten) an, damit Fragen verstanden und passend beantwortet werden.


    LG Anna

    Das finde ich auch immer etwas schwierig an Halterbefragungen, aber ohne diese kommst du schwer auf so eine breite Datenbasis. Ich möchte halt meinen, dass die Forscher bei der Fragetechnik der Unschärfe des Halterwissens Rechnung tragen und so fragen, dass valide Daten rauskommen.

    Zum Thema Individuum schlägt Rasse. Das ist sicher richtig, aber eine Tendenz ist erkennbar. Grad bei Eigenschaften, die mir sehr wichtig sind, würde ich immer schauen, dass ich eine Rasse wähle, wo die tendenziell ausgeprägt vorhanden sind.

    Aber andererseits bin ich auch jemand, der sagt, für das Alltagshandling ist Sozialisation und Erziehung viel wichtiger als Rasse. Also in dem Sinn, dass auch ein Dsh lernen kann stressfrei, ignorant und gelassen mit Fremdhunden umzugehen und sie nicht alle töten zu wollen.

  • Ich bin misstrauisch, was diese Studie angeht.

    Die Persönlichkeit eines Individuums ist nicht Rasseabhängig. Das wussten doch Tierliebhaber schon immer. So, nu ist es bestätigt, jedes Tier anders.

    Und ( :ironie2:) Nicht jeder Collie ist ein Clon der anderen. Upps, hab mich bei meinen zwei BCs, den beiden Collie eh immer gefragt, warum einer das liebt und der andere das. Und nicht alle genau gleich sind ( :ironie2:)


    Und nun zur Rasse….ich sag nur hütende BCs…..da sind schon deutliche Übereinstimmungen, das erkenne ich ohne 18 Tausen und drölfzig Menschen mit Rassehunden zu befragen, ob ihr Hund gerne Stoffhasen verbuddelt oder nicht.


    Soviel zu Studien, die kein Mensch braucht.

    Und übrigens: Elefanten weinen, wenn man ihre Partner ermordet, um Ihre Hauer abzusägen.

    Ahhhhh…Menschen….Manmanman

  • Ich habe gestern einen Beitrag in einer Wissenschaftssendung des Deutschlandfunks darüber gehört. Der war etwa 5 Minuten lang, die Redakteurin sprach mit der Forscherin. Die Quintessenz war auch hier, daß die Rasse so gut wie keine Vorhersagbarkeit von Verhaltensweisen erlaubt.


    Ich war ziemlich entsetzt. Anschließend habe ich zwei Stunden damit verbracht, eine Mail an die Redakteurin zu schreiben. :ugly:


    Ich kopiere den Text mal hier rein:


    Sehr geehrte Frau XXX,


    mein Kommentar betrifft Ihren Beitrag in der Sendung "Forschung Aktuell" von heute, 29.4.22:


    "Hunderassen

    Verhalten und Charakter kaum durch Genetik vorhersagbar"


    Ihr Beitrag lief im wesentlichen auf die Aussage hinaus "Hunde unterscheiden sich genetisch kaum, die charakterlichen Unterschiede kommen durch äußere Einflüsse zustande."


    Das ist ein leider sehr verbreiteter Irrtum. Die angeborenen Eigenschaften bestimmen durchaus viel vom Wesen eines Hundes, und ja, einiges läßt sich anhand der Rasse voraussagen. Warum das so ist möchte ich etwas näher erläutern.


    Auch wenn die von Ihnen befragte Genetikerin anderer Meinung ist, die Rasse oder besser gesagt: der Hundetyp ist abgesehen von Prägung und Sozialisierung so ziemlich das wichtigste bei der Auswahl eines passenden Hundes, und zwar in erster Linie wegen der Wesenseigenschaften. Denn diese müssen zum Halter, aber auch zum Umfeld passen, wenn die Beziehung für alle Beteiligten glücklich werden soll.


    Die Unterschiede zwischen den Rassen mögen im Genom nicht sichtbar sein, aber sie sind dennoch vorhanden.


    Zwar teilen Hunde viele allgemeine Wesenseigenschaften, wie zB die Anhänglichkeit an ihre Menschen, es gibt aber einige Wesensmerkmale, die bei verschiedenen Rassen/Typen sehr unterschiedlich ausgeprägt sind. Oft sind es solche, die dem unwissenden Halter sowie der Umwelt Probleme bereiten können. Genannt seien ausgeprägtes Jagdverhalten, Schutz- und Wachverhalten, Artgenossenunverträglichkeit und andere. Es handelt sich dabei nämlich um die gewollten Arbeitseigenschaften verschiedener Gebrauchstypen, die dem heutigen Halter eines Familienbegleithundes im besten Falle nur Mühe und Arbeit bereiten, im schlechtesten Falle aber zu Konflikten bis hin zur Abgabe des Hundes führen.


    In Tierheimen sitzen zB reihenweise Herdenschutzhunde, die aufgrund ihrer angeborenen Eigenschaften nicht das erfüllen können, was der hiesige normale Hundehalter von seinem Hund erwartet. Im Tierheim bleiben diese Hunde dann sehr lange oder für immer, denn mit gutem Grund werden sie nur an Plätze vermittelt, die den speziellen Ansprüchen dieser Rassen an ihr Umfeld entsprechen können, und die sind in Deutschland sehr rar.


    Es ist zwar richtig, daß es Hunderassen im heutigen Sinn, also mit Ahnentafel und Zuchtverein erst seit etwa 150 Jahren gibt. Arbeitshunde verschiedener Typen werden aber schon weitaus länger, oft seit vielen Jahrhunderten gezielt gezüchtet. Nur waren sie optisch weit uneinheitlicher als heutige Rassen. Aufs Äußere kam es früher nicht so an, aber auf die Arbeitsfähigkeit im gewünschten Bereich umso mehr. So wurden bestimmte Verhaltensweisen schon früh züchterisch gefördert und diese bestimmen auch heute noch das Verhalten der Hunde.



    Windhunde, verschiedene Jagdhunde, Wach- und Schutzhunde, Herdenschutzhunde, Hütehunde, aber auch kleine Begleithunde seien als Beispiele genannt. Alle diese Typen unterscheiden sich im Wesen bzw in ihren angeborenen Wesenseigenschaften und Neigungen ganz wesentlich.


    Gerade die oben genannten Arbeitseigenschaften und Neigungen sind angeboren und lassen sich nicht wegerziehen. Sie werden vom Jäger, Hirten oder sonstigem Nutzer nicht andressiert, sondern die vorhandenen Anlagen werden lediglich gefördert und ausgeformt.



    Leider denken immer noch viele Menschen so wie Ihre Genetikerin und folgern daraus, daß es auf die Rasse nicht ankommt und man durch Liebe und gute Erziehung jeden Hund passend machen kann. Sehr oft ist das eine Katastrophe mit Ansage!

    Dann holt man sich eben den Malinois oder Akita, weil er cool ist, oder läßt sich von unseriösen Tierschutzorganisationen einen Herdenschutzhund oder -Mix als Labradormischling andrehen.



    Anschließend ist die Überraschung und das Entsetzen groß, wenn der Hund seine typischen Rasseeigenschaften auspackt. Meist geschieht das mit dem Erwachsenwerden oder in dem Maße, wie sich der bereits erwachsene Tierschutzhund in seine neue Umgebung einlebt.


    Der Wachhundtyp fängt an, Besucher zu verbellen, zu kontrollieren und wegzubeißen und muß fortan jedesmal weggesperrt werden. Fremde Menschen im Haus sind purer Stress für ihn. Nicht schön, wenn man Kinder und eine offenes Haus mit viel Besuch hat. Und als Welpe war er doch so lieb...


    Der Akita, der als Junghund noch so nett mit allen Hunden auf der Hundewiese spielte, findet ab der Pubertät Artgenossen auf einmal überflüssig und verletzt einen Kleinhund schwer. Überaschend? Nein, denn das ist typisch für die Rasse, die als Erwachsene keinen Wert mehr auf Argenossen legt. Wer Akitas und ihr Wesen kennt, wird sich keinen Illusionen hingeben,vorausschauend handeln und es gar nicht zu einer solchen Situation kommen lassen.


    Die Bracke aus dem Tierschutz versinkt draußen sofort in ihre Geruchswelt, folgt jeder Spur und ist ansonsten kaum ansprechbar. Nur die Leine hält Hund und Halter zusammen. An Freilauf ist lebenslang nicht zu denken und Herrchen fühlt sich ignoriert und ist leise enttäuscht. Er hatte sich gemeinsame Spaziergänge ganz anders vorgestellt, mit einem Hund, der fröhlich um ihn herumhüpft und seinen Menschen nicht aus den Augen läßt...


    Diese Beispiele sind aus dem Leben gegriffen und lassen sich beliebig fortsetzen. Ich bin in einem großen Hundeforum aktiv und dort fragen reihenweise Menschen um Rat, die gerade mit den angeborenen, rassetypischen Eigenschaften ihrer Hunde nicht zurechtkommen. Sehr viele Mensch-Hund-Beziehungen scheitern genau daran. Hätten sich die Halter vorher über die Rasseeigenschaften realistisch informiert, hätten sie einen passenderen Hundetyp auswählen und damit glücklicher werden können. Und der Hund mit ihnen.


    Es läßt sich nicht alles wegerziehen und wegtrainieren! Und schon gar nicht ignorieren.


    Das Gesagte gilt selbstverständlich ebenso für Mischlimge wie für Rassehunde. Viele Mischlinge aus dem Auslandstierschutz entsprechen bestimmten Typen wie Bracken, Hetzhunde, Herdenschutzhunde und Hofwächter, alle mit ihren jeweiligen typischen Wesenszügen.


    Jeder Hund ist ein Individuum, und es läßt sich immer ein grundgutmütiger Malinois finden oder ein Labrador, der nichts vom Schwimmen oder Apportieren hält. Aber das ist dann eben die Ausnahme von der Regel. Hunde, die ein ihrem Rassetyp entsprechendes Wesen und Verhalten zeigen, sind aber ungleich häufiger!


    Zum Schluss noch zwei Bemerkungen zu zwei explizit in Ihrem Beitrag erwähnten Hunderassen:


    Border Collie: "Gehorsam" ist keine genetische Eigenschaft, sondern das Ergebnis eines gelungenen Trainings.

    Was aber doch rassetypisch ist, ist die Neigung, eng mit dem Menschen zusammenzuarbeiten und dabei auf kleinste Hinweise zu achten. Dies hängt wiederum mit einer hohen angeborenen Reizempfänglichkeit und schneller Reaktionsfähigkeit zusammen.

    Beide Eigenschaften können aber im normalen Alltagsleben auch Probleme verursachen und dazu führen, daß der BC als wenig gehorsam bzw eher eigenständig wahrgenommen wird. Nicht wenige BCs werden nämlich gerade wegen ihres rassetypischen (angeborenen) Verhaltens als Problemhunde abgegeben.


    Pitbullterrier: diese Hunde wurden nicht als scharfe Wächter gegen Menschen gezüchtet, sondern für den Hundekampf. Dabei vermischt sich Agressionsverhalten gegenüber Artgenossen mit Jagdverhalten, der Hund neigt also nicht nur zur Rauflust, sondern betrachtet andere Hunde auch leicht als Jagdbeute.

    Tatsächlich sind gut gehaltene Pitbulls und Amstaffs daher nicht gegen Menschen agressiv, aber Agression und Jagdverhalten gegenüber Artgenossen ist ein ganz großes Thema.

    Hier in meiner Gegend sind diese Hunde recht häufig und ausnahmlos alle werden, sobald sie erwachsen sind mit gutem Grund nur noch angeleint geführt und haben keinen Fremdhundekontakt. Denn zum Glück gehören sie vernünftigen Haltern.


    Ich danke Ihnen, daß Sie bis hierher durchgehalten haben!


    Das Thema liegt mir am Herzen, denn durch die Unterschätzung der angeborenen Wesenseigenschaften von Hunden wird leider viel vermeidbares Leid verursacht.


    mit freundlichen Grüßen


    Das ist natürlich ein bißchen lang, aber die Redakteurin kennt sich natürlich nicht mit Hunden aus und auch die Forscherin nicht so wirklich, nach ihren Aussagen nach zu urteilen. Also mußte ich einiges schreiben, was hier im Forum vorausgesetzt werden kann.


  • Hallo Dagmar (?)


    Vielen Dank für die außergewöhnlich zutreffende Klarstellung. Der bisher beste Beitrag, den ich hier im Forum gelesen habe! :face_with_monocle:


    Grüße, Alf

  • Es kann ja sein, dass laut aktuellen Stand der Forschung Genetisch keine Unterschiede zwecks Charaktereigenschaften zu sehen sind. Aber gerade eine Genetikerin sollte doch wissen, dass die Genforschung generell noch nicht soweit ist, alles erklären zu können…


    LG Anna

  • Das hast du wirklich super formuliert, dagmarjung.

    Ich hoffe, dass du daraufhin eine angemesse Reaktion erhältst und dein Brief etwas bewirkt.

    Wenn ich sage, dass man mit Sozialisation und Erziehung im Alltag viel erreichen kann, meine ich damit nicht, dass man Rasseeigenschafte ignorieren soll, sondern dass der kundige Halter so damit umgehen kann, dass der Hund problemlos geführt werden kann.

    Die Problematik, dass Rassen bei unpassenden Haltern mit mit einem ungeeigneten Lebensumfeld landen, kann nicht oft genug herausgestellt werden.

  • Aus der Aussage: "Nicht alle typischen Rasseeigenschaften treffen auf alle Individuen zu" ergibt sich ja noch lange nicht die Aussage "Es gibt keine typischen Rasseeigenschaften".


    Von daher ist ja die Fragestellung schon irgendwie komisch.

  • Joa, Selektion wird völlig überbewertet... da können wir doch beruhigt dem Kangal in 40qm Wohnung im dritten Stock eines Hauses in einer deutschen Großstadt über den Kopf streicheln und ihm die Studie vorlesen...

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