"Schwaches Nervenkostüm" - Was versteht ihr darunter?
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In letzter Zeit kann man gefühlt immer häufiger den Begriff "schwaches Nervenkostüm" hier lesen. Meist geht es dann um Weiße Schweizer Schäferhunde, aber auch im Zusammenhang mit Malis und (Border) Collies fällt der Begriff öfter. Sprich Rassen, denen eine hohe Sensibilität und eine starke Reizoffenheit zugeschrieben wird.
Mich würde mal interessieren, was genau für euch ein schwaches Nervenkostüm ausmacht. Woran macht ihr fest, dass Hund X schwache Nerven hat? Und wie grenzt ihr die Begriffe voneinander ab? Wann ist ein Hund sensibel, wann reaktiv - und wann hat er wirklich schwache Nerven?
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Hi
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Ich hatte bisher nur die gegenteiligen Hunde, die einfach nur sehr schwer aus der Ruhe zu bringen waren. Da wurde schon mal bei der Sichtung eines Heißluftballons gewufft, dann war’s auch schon gut. Ich denke Hunde mit schwachen Nerven fahren schnell hoch, benehmen sich teilweise hysterisch und werden schwer zu kontrollieren. Ob es rassebedingt ist doch eher eine Charaktersache, ist schwer zu beurteilen. Sicher spielen auch die Wurzeln der jeweiligen Rasse eine Rolle, und nat. deren ursprüngliche Aufgabe.
Meine BX war hochsensibel und feinfühlig ( ein bisschen lauterer Tonfall hat gereicht, um ihr zu sagen, dass ihr Verhalten unerwünscht ist), aber sie war nicht nervenschwach. Da gibt es also schon einen großen Unterschied.
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Sensibel und reaktiv sind keine grundsätzlich schlecheten Eigenschaften.
Ein Hund der sensibel ist, nimmt einfach seine Umgebung sehr gut wahr, ist sehr empfänglich für Stimmungen und kleine Nuancen in der Kommunikation. Ein Hunde der sehr reaktiv ist, ist einfach nur sehr schnell und aktiv in der Reaktion auf seine Umwelt. Beides im Grunde doch Eigenschaften die sich jeder wünscht. Ein Hund der wach ist, der schnell ist, der auf kleinste Zeichen reagiert...
Die oben genannten Eigenschaften können dann aber in der Kombination mit "Schwacher Nervenstärke" aus dem angenehmsten Arbeits-/Begleithund, ein völlig hysterischen schwer führbaren Hund machen.
Balin ist so ein Hund, er ist sensibel und reagiert stark auf meine Stimmung und dann ist er eben auch einfach ein (halber) Terrier und sehr reaktiv. Dazu ist er nicht besonders nervenstark (auch wenn er sicher kein extremer Fall ist) und das sorgt dafür, das er beim kleinsten Pups ausflippt und nur schwer wieder runterkommt. Er ist einfach nicht belastbar, kann sich nicht gut runterregulieren und reagiert oft hysterisch.
Dino ist das komplette Gegenteil. Selbst wenn der Stress / die Reizlage hoch ist, bleibt er ansprechbar und klar im Kopf. Er kann sich selbst schnell wieder runterregulieren und reagiert nie hysterisch, das verstehe ich unter Nervenstärke.
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Schwache Nerven / Schwaches Nervenkostüm ist ja keine offizielle "Diagnose" oder ein Fachbegriff und von daher super schwammig. Ich kenne das als Synonym für "wenig belastbar", "schnell zu extremen Emotionen neigend" oder eben extrem sensibel auf Reize / Belastungen reagierend.
Mein Mali reagiert sehr schnell auf Reize, aber eben angemessen, bzw. kann sie genauso schnell einordnen und dann angepasst handeln. Er ist auch durchaus sensibel, ohne aber mit extremen Handlungen auf eine Belastung zu reagieren. Für mich wäre das ein reaktiver, sensibler Hund mit Nerven aus Drahtseilen um das Mal ganz unprofessionell zu beschreiben.
Gehe ich mit meinem Labrador und mit dem Mali in der Stadt spazieren, nimmt der Mali war, dass dort eine Taube fliegt, ein Kind rennt, ein Mann ihn anschaut, eine Frau auf uns zu geht, eine Ladentür knallt, ein Jogger angerannt kommt, eine Papiertüte weg weht und und und, er geht trotzdem aufmerksam aber ruhig neben mir und ist am Ende des "Stadtbummels" nicht völlig fertig mit sich und der Welt. Mein Labbi nimmt höchstens war, dass das rennende Kind eine Bockwurst in der Hand hat, der bemerkt nicht, dass dort Bewegung in einer Papiertüte ist, das ihn jemand fixiert oder das eine Person in angespannter Körperhaltung auf uns zu kommt. Ich war mit dem Mali auf einem Mondi Seminar und es ging darum den Hund durch geschickte Helferbewegung aussteigen zu lassen, der Mali war in der Lage blitzschnell auf den kleinsten Muskeltonus des Helfers zu reagieren und extrem schnell Richtung, Wucht und Taktik des "Angriffs" zu ändern. Trotzdem hat er gedöst, als der Helfer im Anzug rumgehüpft ist um sich aufzuwärmen. Den Labbi kann man 3m vorher schon aussteigen lassen, bis der reagiert, dass sein anvisiertes Ziel sich verschoben hat, ist er schon vorbeigesegelt.
Beide Hunde haben ein sehr gutes Nervenkostüm, aber beide sind grundverschiedene was die Aufnahme von Reizen, die Reaktivität und die Sensibilität angeht.
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Max hier ist auch nervenschwach.
Das äußert sich darin, dass er alle möglichen Reize wahrnimmt, die aber nicht gut verarbeiten kann.
Seine überforderte Reaktion wäre ohne Regelung Bellen, angreifen, durchaus zuhacken, er fährt sich total hoch und steigert sich rein.
Wenn er keine andere Ansage bekommt, fühlt er sich für alles zuständig und möchte das auch selbst regeln.
Das ist mit Training und Zeit und viel Aufpassen meinerseits besser geworden. War noch viel schlimmer anfangs
Aber es bleibt weit weg von Dexter, der viel von dem was Max meint zu sehen erst garnicht sieht, oft die Aufregung null versteht und grundsätzlich auch entspannter im Charakter ist.
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ich hab mal einen sheltie kennengelernt der ein wie ich finde "schwaches Nervenkostüm" hatte.
Der war halt die ganze Zeit total nervös, hat jede Bewegung von Menschen oder Vögeln die da irgendwo rum liefen / saßen / hopsten / flogen kommentiert.
Er konnte Kommandos wie "sitz / Platz" aber nur solange da wirklich nichts in Sichtweite war, sonst war er sich immer am umschauen und sobald was zu nah kam oder "komisch" war, ging es los mit bellen.
Wenn er sich mal hingelegt hatte, war er sofort wieder am bellen, sobald er irgendwo einen floh pupsen gehört hat.
Eine Frau hatte aus der Entfernung "awww" gemacht, da brauchte er erstmal paar minuten um sich neu zu sortieren, weil ihn das Geräusch so ducheinandergewühlt hatte. -
Wir haben zwei BC die ja grundsätzlich für ihre Sensibilität bekannt sind. Sensibel sind sie, beide, aber der eine verarbeitet die Reize anders und "gesünder" als die andere.
Der Rüde ist wahnsinnig gechillt, dreht schnell auf wenn gefordert und fährt runter wenn vorbei. Sind wir zum Kindergeburtstag eingeladen legt der sich in ne Ecke und pennt.
Die kleine ist... anders. Die reagiert auf alles. Jede noch so kleine Stimmungsschwankung nimmt sie wahr, jede falsche Körperbewegung meinerseits (und ich bin ein Körperklaus) führt dazu das sie anders reagiert oder überfordert ist. Starrende Blicke kann sie nicht ab, Aufmerksamkeit sowohl von Fremden Menschen als auch von Hunden lässt sie bedroht fühlen und sie geht nach vorne.
Eine Window Color Bild an einem Fenster wird verbellt sobald gesehen und alles wir gescannt. Unsere TÄ meinte einmal das sie die Reize welche sie bekommt nicht erst verarbeitet sondern gleich drauf anspringt (Window Color Bild in der Praxis war ein schöne Demonstration).
Sie muss sehr engmaschig geführt werden, braucht klare Körpersprache (yay!) und absolut eindeutige Kommandos. Wir haben unheimlich viel mit ihr gearbeitet und dieser Hund lässt sich, wenn man die Special Effects kennt, unheimlich leicht führen aber der Weg da hin war schwer und wir sind noch lange nicht am Ziel. Wir arbeiten außerdem mit so nem Pülverchen von VetConcept welches uns die TÄ empfohlen hat und seit wir das geben + der letzten Läufigkeit ist es besser geworden aber sie wird nie so leicht zu führen sein wie es der Rüde ist.
Dieses originelle Verhalten ist schon so normal für mich geworden das es mir, wenn ich alleine mit dem Rüden unterwegs bin, schwer fällt einfach nur Gassi zu gehen. Dann merke ich immer wie entspannt es eigentlich sein kann wenn man nicht immer die Umgebung zu 150 % im Blick haben muss.
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Schließe mich allen Vorschreibern an, total gut erklärt, die Unterschiede.
Boerkur, ich lach dich nicht aus mir dem Lachsmilie, ich fand den Vergleich zwischen Mali und Labbi einfach so treffend & lustig beschrieben
Denke, bei sogenannten Gebrauchshunden ist eine gewisse Sensibilität und Reaktivität erwünscht und gefordert. Für die Erziehung ist das aber ein schmalerer Grad, durch zu "harte" oder zu "lasche" Erziehung kann das schneller in eine unerwünschte Richtung gehen und man hat dann als negatives Ergebnis uU einen nervenschwachen Hund. Deswegen gelten die nicht als Anfängerhunde würde ich sagen. Sozialisation spielt natürlich auch mit rein, ich denke, da sind sensible und reizoffene Hunde auch anfälliger für negative Einflüsse.
Ob es eine genetische Disposition für "wesensschwach" in bestimmten Rassen gibt, oder da "nur" besonders häufig die Umwelteinflüsse aus sensiblen & reizoffenen Hunden "wesensschwache" Hunde machen - keine Ahnung, wäre interessant!
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Ich hab hier jetzt auch erstmals einen Hund mit einem echt schlechten Nervenkostün: meine PRT-Hündin ist supersensibel und schon auf die Andeutung eines Reizes reagierend. Also haargenau die Eigenschaften, die sie beim Ursprungsjob, der Bauarbeit oder vor einer Wildsau, bestens brauchen könnte, und die auch mir zupass kommen, weil sie damit so leicht erziehbar ist. Im Zivilleben steht sich der Hund damit leider manchmal selbst im Weg, insofern nehme ich sie inzwischen in ein zu trubeliges Umfeld grundsätzlich nicht mehr mit. Allerdings, das muß ich dazu sagen: Ist der Reiz weg, kann sie auch ebenso schnell wieder runterfahren, wie sie reagiert hat.
Die Züchterin erzählte mal, bei diesem Hundetyp balanciere man da beim Anpaaren immer auf einer Messerklinge: zuwenig Sensibilität, und der harte, größenwahnsinnige, sozusagen Andeutungen überhörende Kleine ist auf der Jagd ebenso gefährdet wie im Alltag, zuviel, und der Hund wird überempfindlich und kriegt da in einem ungeeigneten Umfeld schnell Probleme.
Ich schätze mal ,das ist der Grat ,auf dem viele Gebrauchshunderassen balancieren müssen?
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Zwischen Reaktivität bzw. Sensibilität und „schwachem Nervenkostüm“ besteht für mich der Unterschied darin, wie ein Reiz „bewertet“ wird (Begriff Bewertung ist beim Hund mit Vorsicht zu nutzen): Reaktiv heißt erst mal die Bereitschaft, zackig und mit Power auf einen Reiz zu reagieren. Sensibel heißt erstmal, Reize auch bei schwacher Ausprägung schnell und differenziert wahrzunehmen und sich angesprochen zu fühlen.
Ein schwaches Nervenkostüm würde ich dann annehmen, wenn die unmittelbare Reaktion auf den Reiz in Beunruhigung, Ängstlichkeit oder starker reaktiver Aggression besteht, ohne dass der Reiz selbst diese Reaktion quasi erzwingt.
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