Probleme mit Angsthündin

  • Hi zusammen,


    wo soll ich anfangen: ich bin neu hier, habe mir aber in den letzten Monaten schon einiges hier im Forum durchgelesen und Tipps umgesetzt. Nun haben wir einige Baustellen. Einmal kurz zur Ausgangssituation:


    Wir haben vor ein paar Monaten eine junge Hündin aus Bulgarien adoptiert (nun bald ein Jahr alt). Sie war wirklich extrem ängstlich (so etwas habe ich noch nie erlebt), allem und jedem gegenüber. Ließ sich zu Beginn nicht anfassen und spazieren gehen war kaum möglich, allerdings war sie niemals aggressiv oder laut, einfach nur panisch und total verängstigt. Uns wurde gesagt, dass sie wirklich schlimme Dinge erlebt haben muss und fast nicht überlebt hätte. Sie wurde wohl mit circa 1 1/2 Monaten zusammen mit ihren Geschwistern irgendwo ausgesetzt. Mittlerweile hat sie aber uns (meinen Freund und mich) akzeptiert und man merkt richtig, wie sie (wenn sie Zuhause ist) aufblüht. Uns gegenüber ist keine Scheu mehr vorhanden - allerdings auch zu wenig Respekt…

    Sie war im November das erste Mal läufig und ist nun wohl in der Pubertät, seitdem stellen sich Veränderungen ein.


    Unser größtes Problem:

    Sie fällt uns beim Spazierengehen regelmäßig an, vor allem meinen Freund. Es ist kein Muster zu erkennen, oft macht sie das wenn wir die Straße überqueren, andere Male einfach aus dem nichts auf einem Feldweg. Sie macht zwar zwischendurch immer die Spielpose, knurrt aber wie verrückt, springt hoch und gnapst wie wild in Arme und Beine. Wir haben wirklich viel versucht, ignorieren, Maßregeln, umlenken, Sprühflasche usw….das einzige was funktioniert ist die Sprühflasche, sollte aber ja eigentlich keine Lösung sein und wenn wir die aber mal nicht dabeihaben merkt sie das und macht es umso öfter. Was ist der Grund dafür und wie können wir das in den Griff bekommen? Es muss noch erwähnt werden, dass uns empfohlen wurde sie aufgrund ihrer Angst mindestens ein Jahr nicht von der Leine zu lassen


    Das zweite Problem ist ihre Reaktion auf Menschen und Hunde

    Am Anfang ist sie einfach erstarrt, wenn uns jemand entgegenkam, es ging nicht mehr weiter. Eingeklemmter Schwanz und Bürste. Besonders bei Hunden. Das besserte sich mit der Zeit und mit viel gutem Zureden ging sie irgendwann auch tatsächlich vorbei (trotzdem mit Bürste)

    Mittlerweile, seit Ende der Läufigkeit ist sie aber vom einen auf den anderen Tag extrem offensiv geworden, bellt wie verrückt und wirft sich nach vorne in die Leine, wenn uns ein Hund entgegenkommt. Mittlerweile macht sie das auch bei Menschen. Ich kann das Verhalten nicht einschätzen, wenn sie dabei defensiv sein würde könnte man ja noch annehmen, dass sie Angst hat, sie ist aber wirklich total offensiv und will unbedingt auf das „Ziel“ zustürmen. Andere Spaziergänger gucken uns schon immer tadelnd an…sie ist aber in solchen Situationen nicht in den Griff zu bekommen, sie hört uns einfach nicht, ist nur fixiert auf den Entgegenkommenden.


    Das dritte Problem ist Besuch bzw. ihr Territorialverhalten.

    Auch da hat sie sich zu Beginn immer in ein anderes Zimmer verkrochen und ist dann später mal zum vorsichtigen schnuppern rausgekommen. Mittlerweile bellt und knurrt sie Besuch an, kommt dann irgendwann zur Ruhe, aber sobald derjenige aufsteht oder eine schnelle Bewegung macht springt sie auf und bellt…ich habe Angst, dass sie wirklich irgendwann mal zubeißen könnte und möchte das so schnell wie möglich in den Griff bekommen.


    Ich weiß, dass eine Hundeschule bzw ein Trainer wichtig wäre und versuche schon seit Monaten etwas zu bekommen, bei einer Dame die sich auf Angsthunde spezialisiert hat habe ich lange auf einen Termin gewartet, den sie dann kurz vorher abgesagt hat, ich habe es noch ein paar mal versucht aber sie hat sich nicht mehr gemeldet. Von vier anderen Hundeschulen kam ebenfalls nie eine Rückmeldung. Bald haben wir ein Vorgespräch in einer Online-Hundeschule. Hat damit jemand Erfahrungen gemacht? Ich versuche es natürlich weiter, möchte mir aber für den Übergang gern erstmal vielleicht hier ein paar Ratschläge einholen.


    Ich bin für jeden Tipp dankbar! :)

  • Hallo,


    auweia, das klingt wirklich so, als solltet ihr möglichst schnell fachkundige Hilfe vor Ort in Anspruch nehmen, bevor die Situation sich zuspitzt. Ich denke nicht, dass in eurem Fall eine "Online-Hundeschule" eine richtige Alternative dazu ist, ihr braucht Anleitung vor Ort und jemanden, der sich wirklich gut mit ängstlichen Hunden auskennt!

    Schau doch mal auf der Website von "Trainieren nach Dominieren" in der Trainersuche, ob ihr da jemanden in eurem Umkreis findet.



    Ganz ehrlich, was das "Anfallen" betrifft, kann ich mir nur scher vorstellen, dass sie euch tatsächlich in aggressiver Absicht angeht. Sie ist noch jung, da geht schon mal das Temperament mit den Hunden durch, die wollen sich halt auch mal bewegen und austoben.

    Zudem kann dieses exzessive "Spielgehabe" aber auch eine Bewältigungsstrategie sein, um mit z.B. Frust und Überforderung klarzukommen. Diesen Gedanken finde ich gerade in Hinblick auf das Wesen eurer Hündin und ihre Vergangenheit nicht so abwegig. Zudem scheint sie ja bei jedem Spaziergang durch Sichtungen von Menschen und Hunden ordentlich Stress zu haben, da ist es ja klar, dass sie schnell mal "drüber" ist und das irgendwie abbauen muss.


    Was mich dazu bringt, euch ganz eindringlich von Sprühflasche, "Maßregelungen" und Co. abzuraten! Gerade bei einem eher ängstlichen Hund ist das wirklich Gift für die Beziehung, ihr schadet dem Vertrauen eures Hundes in euch damit ganz massiv und es kann richtig, richtig lange - damit meine ich Jahre - dauern, bis ihr das wieder halbwegs hinbekommt! Zudem ist es für eure Hündin ein recht unberechenbares Verhalten eurerseits, wenn ihr innerhalb eines kurzen Zeitraums von wenigen Monaten mehrere Dinge ausprobiert, anstatt klar und berechenbar in eurem Handeln zu bleiben.



    Für Begegnungen braucht ihr auf jeden Fall sachkundige Anleitung vor Ort, damit eure Hündin nicht immer wieder in ihr Muster verfallen muss. Wie geht ihr denn zurzeit in solchen Situationen vor? Habt ihr schon mal versucht, wirklich großräumig Abstand zu diesen Auslösern zu nehmen, sodass sie ansprechbar und ruhig bleiben kann?

    Manche Hunde lernen halt auch, dass "Angriff die beste Verteidigung" ist. Zudem ist das Erwachsenwerden bei eurer Hündin ja auch voll im Gange, da kann es durchaus sein, dass dann auch mal andere Strategien eingenommen werden.



    Was Besuch betrifft, ist es schwer zu sagen, ob das Territorialverhalten ist oder nicht vielmehr Unsicherheit. Ich fände es wichtig, dass die Hündin sich überhaupt nicht mit Besuch auseinandersetzen muss, wenn sie das so überfordert. Warum nicht einen Rückzugsort einrichten, an dem sie wirklich ihre Ruhe vor Besuch hat, wo keiner sie anschaut, anspricht etc.? Habt ihr das schon einmal ausprobiert?

  • Hi,


    vielen Dank für deine schnelle Antwort!

    Ich werde mich auf der Website mal schlau machen, ob es in der Nähe etwas für uns gibt, guter Tipp :)


    Ich denke auch, dass sie uns nicht wehtun möchte, sie tut es aber…wir haben auch schon an Überforderung gedacht, allerdings fing das ganze erst später (seit der Pubertät?) an und wir haben an unserem Gassiverhalten nichts verändert…


    Dass wir ständig unsere Taktik geändert haben ist auch sicher nicht gut, wir waren aber so überfordert mit allem, was wir gelesen und gehört haben, dass wir uns einfach ständig umentschieden haben. Was wäre denn die beste Strategie? Ab und zu (bei weitem nicht immer, eher 50/50) hilft es sie mit einem Kommando abzulenken, wie zB. „Sitz“


    Bezüglich Hundebegegnungen versuchen wir natürlich immer großen Abstand einzuhalten, damit haben wir schon angefangen, als sie noch super ängstlich war und nicht weiter wollte…in manchen Situationen wird das aber eher schwierig. Sollte man dann lieber umdrehen anstatt ihr der Situation auszusetzen? Sie muss aber ja lernen, dass sie keine Angst bzw. keine Aggression zeigen muss.


    Bezüglich Besuch: sie ist am Anfang immer ins Schlafzimmer gegangen und dort geblieben, mittlerweile bringen wir sie dort auch immer hin wenn Besuch kommt und lassen die Tür angelehnt. Sie kommt dann wirklich alle 2 Minuten zurück und kommt gar nicht zur Ruhe, einsperren wollen wir sie da eigentlich nicht, oder wäre das eventuell die beste Lösung?

  • Oh je. Da ist ja ganz schön was los bei euch. Vermutlich ist die junge Dame jetzt so richtig bei euch angekommen und durch die Läufigkeit kommt auch das erwachsen werden. Es liest sich, als wäre sie mit vielen Situationen überfordert und weiß nicht was sie tun soll. Ich würde sie beim Gassi mit Maulkorb sichern dass sie euch und andere nicht mehr angehen kann. Und bei Besuch erstmal wegpacken. Mit was zu kauen. Und dringend einen fachkundigen Trainer zu Rate ziehen.

    flying-paws hat sicher auch noch hilfreiche Tipps für euch.

  • Dass wir ständig unsere Taktik geändert haben ...

    Hey!

    Das könnte evtl. der Dreh- und Angelpunkt sein.


    Das erste ca. halbe/dreiviertel Jahr ist komplett unbekannt. Was hat sie da gelernt? Jetzt ist sie bei Euch und ihr verhaltet Euch in ihren Augen nicht berechenbar. Somit fällt es schwerer, Vertrauen aufzubauen.


    Du schreibst, dass sie anfänglich ängstlich war, jetzt ABER nach vorne geht. Das eine muss das andere nicht ausschließen. Sie kann auch aus Angst nach vorne gehen.


    Beim Thema "Besuch" schreibst Du, dass sie irgendwann zur Ruhe kommt, sobald aber jemand aufsteht, springt sie auf. Woran misst Du, dass sie vorher in Deinen Augen zur Ruhe gekommen ist? Ich glaube nämlich, dass sie nur still ist, aber nicht ruhig.


    Die kleine Maus braucht einen verlässlichen Partner an ihrer Seite, den berühmten Fels in der Brandung. Bei der geschilderten Problematik sehe ich aber als einzig probates Mittel einen versierten Trainer vor Ort. Deine Schilderung hier in allen Ehren, aber selbst wenn Du die hündischen Kommunikationssignale halbwegs richtig lesen kannst, ist es immer noch Deine Wahrnehmung, subjektiv, die dann hier verschriftlich sind. Da gibt's zu viele Möglichkeiten für das berühmte Stille-Post-Phänomen. Das muss einer live sehen, der davon Ahnung hat.

  • Hmm, aus dem Ostblock kommen oft HSH- und auch Hütehundmischlinge. Es wäre interessant zu wissen, was in der Dame drinsteckt. Zumal sie so langsam wohl die Kiste rassentypisches Verhalten aufmacht.


    Zum anderen vermute auch ich ein Ankommen der jungen Lady bei Euch und die ersten Schritte in Richtung erwachsen werden.


    Holt Euch bitte einen guten Trainer ins Haus, der sic das vor Ort anschaut und direkt mit Euch arbeitet.

  • Hi,


    von dem was wir rausgefunden haben wurde sie in Bulgarien lange aufgepäppelt und kam dann mit circa 4 Monaten nach Deutschland in eine Pflegestelle. Dort hat sie soweit ich weiß viel Zeit im Zwinger, aber auch mit vielen anderen Hunden verbracht und war weiterhin extrem ängstlich. Die Dame, von der wir sie haben hat uns gesagt, dass sie mit den ganzen Hunden und relativ lauten Menschen nicht zurecht kommt und einen Ort braucht, an dem sie Ruhe hat und auch ruhige Menschen um sich.


    Wenn wir Besuch haben schläft sie tatsächlich irgendwann ein, daher dachte ich eigentlich schon, dass sie zur Ruhe kommt. Wie gesagt verjagt sie sich aber direkt, sobald der Besuch kurz aufsteht oder z.B. schnelle Bewegungen macht, dann wird aufgesprungen und gebellt…


    Ich denke einfach, dass sie bei uns nicht das Gefühl hat sicher und beschützt zu sein :(

    Ich weiß aber auch nicht, wie wir ihr das vermitteln sollen. Wie zeige ich ihr, dass sie zu mir kommen kann wenn sie Angst hat, und nicht die Flucht (nach vorne oder hinten) ergreifen muss?


    Weitere Hundeschulen wurden angerufen und angeschrieben, mal sehen, was jetzt kommt..

  • Hi,


    Eskannauch sein, dass sie zu einem gewissen Grad eine Deprivationsproblematik hat. Unsere Katza hat das auch: die Mutter war viel zu dünn, hatte nicht genug Milch und nur das eine Kätzchen. Sie hat nie was schlimmes erlebt, aber konnte sich halt nicht richtig entwickeln, ist ängstlich und schreckhaft und verhält sich manchmal einfach merkwürdig (im Sinne von, sie hat nicht den allerhöchsten IQ).

    Sie ist jetzt 6 Jahre alt und lässt sich inzwischen anfassen, aber erschreckt sich trotzdem total wenn die Person dann aufsteht, selbst wenn es ihre absoluten Bezugspersonen sind.

    Sie hat auch ein körbchen drinnen, wo sie schläft, aber sobald ein kleines Geräusch kommt schreckt sie hoch. Obwohl ihr die Umgebung und Menschen sehr vertraut sind und es sehr ruhig ist. Das liegt einfach daran, dass sich ihr Gehirn nicht richtig entwickelt wurde aufgrund von Unterversorgung des Körpers im Bauch der Mutter und als Katzenwelpe.


    Ich hatte auch schonmal einen Gassihund, bei dem es ähnlich war wie bei deiner Hündin (allerdings weniger extrem). Unsicherer Hund, sobald er in die Pubertät kam fing er an nach vorne zu gehen aber aus Unsicherheit. Gute Auftzucht, aber schlechte Gene (Designermix-Doodle).

    Uns hat es geholfen, dass ich die Dinge die ihm Angst machen immer benannt habe. Er hatte zB Angst vor anderen Hunden und wollte die gern vertreiben. Also habe ich immer, wenn ich einen anderen Hund gesehen habe „Wo ist der Hund?“ gesagt. Dann hat er sich umgeschaut, den Hund entdeckt (der dann noch sehr weit weg war) und sofort Leberwurst aus der Dose bekommen.

    Das hat sehr gut funktioniert, er hatte das schnell raus, dass ich mitgucke und er nucht gan allein die ganze Umgebung im Blick haben muss, und hat dann angefangen andere Hunde durch Hingucken anzuzeigen. Aber statt zu pöbeln hat er dann stattdessen zu mir geguckt und Leberwurst verlangt, deutlich angenehmer so :)

    Leiderhabe ich dann aufgehört ihn zu sitten, weil die Besitzerin andere Methoden nutzen wollte (Wasserflasche, Kopf am Halti hochreißen, Hund in die Büsche drängen…) mit denen ich absolut nicht einverstanden war. Man stelle sich vor man hat Angst und jemand greift einen dann auch noch an, nicht nur irgendwer sondern die eine Person, der man eigentlich vertraut. Habe den Hund später nochmal beim Spazieren gehen getroffen, er hat zwar gehorcht, war aber total angespannt, Stresslevel sehr hoch. Nicht schön sowas.


    Also, was ihr eventuell probierne könnt bis ihr einen Trainer findet: Zeiten und Orte mit wenig Verkehr zum Gassigehen nutzen (früh morgens, spät abends, bei schlechtem Wetter oder in einer abgelegenen Gegend). Und zeigen und benennen, wenn ihr Auslösern ihrer Angst begegnet, möglichst so früh, dass sie noch aufnahmefähig ist.

    Und die Runden nicht zu lang machen. Ein so beanspruchtes Gehirn, und dann auch noch in der Pubertät verträgt nicht so gut Riesenrunden. Selbst mein wesensfester Setter konnte in der Pubertät nur noch 45 Minuten am Stück laufen bis ihm die Sicherungen rausgeflogen sind, er war dann nicht ängstlich sondern nur sehr anstrengend.

    Mein jetziger Gassihund ist auch ein sehr unsicheres Exemplar aus Rumänien, der ist nach etwas über einer Stunde deutlich weniger entspannt.


    Viel Erfolg euch, ich drück die Daumen für einen zeitnahen, guten Trainertermin!

  • Hi :winken: Unsere bulgarische Straßenhündin Lilly mit vielen Ängsten und großem Herzen grüßt ihre unbekannte Kollegin. Wie heißt die Süße denn und wie schaut sie denn so aus? Magst Du mal ein Foto einstellen? Wie alt war sie denn, als Ihr sie übernommen habt? Steht Euch der vermittelnde Verein mit Rat zur Seite?


    Dann verlinke ich Dir hier erstmal den Thread füe alle Bangbüxen und deren Halterinnen:


    Der Angsthunde Thread


    Jetzt ganz viel Fragen zu Deinen Themen:


    Wie seid Ihr denn anfangs mit ihrer Panik umgegangen, gabs da Maßnahmen? Was denkst Du, hat ihr dabei geholfen, in der Wohnung zur Ruhe zu kommen, wenn Ihr allein seid? Hat sie einen „safe place“ abseits von Euch, den sie aufsuchen kann, wenn sie sich einfach mal aus allem Kontakt zurückziehen möchte? Wie wohnt Ihr generell und was sind Eure Routinen und Strukturen, wie schaut Euer Tagesablauf aus? Ist es eher laut oder leise in Eurer Umgebung? Abgelegen ist es nicht, wenn ich Deinen Text richtig verstehe, aber ist es sehr städtisch/unruhig oder eher ländlich.


    Kann sie alleine sein? Schläft sie gut, tief und entspannt - und wie viel schläft sie?


    Bei unserer Hündin - die war aber auch schon älter, als wir sie übernommen haben, hatten wir mehrere Ansätze, mit denen wir an der Angst gearbeitet hatten. Und etwas, was kaum ersetzbar ist, Euch aber leider fehlt: Einen souveränen älteren Hund als „Dolmetscher“ zur Welt. Vielleicht kennt Ihr ja wen mit richtig coolem ausgeglichenem Althund, mit dem Ihr öfter mal Runden drehen könnt?


    Drinnen gabs bei uns Ruhe, Ruhe, Ruhe, Sicherheit, Wärme, volle Näpfe und Tagesstruktur. Außer mit uns Gassi musste sie nichts, da haben wir gewartet, bis sie mit uns Kontakt aufgenommen hat. Später dann viel positive Bestätigung und kleine Spiele für Körperwahrnehmung und Erfolgserlebnisse. Die generalisierten Bangbüxen sind ja mit ihren Sinnen und Antennen stark nach außen orientiert, die müssen erstmal lernen, „in ihrem eigenen Fell“ bleiben zu können.


    Draußen gabs erstmal nur kurze Strecken, immer die gleichen. Wir wohnen sehr ländlich und sind in ein paar Minuten Fußweg im Wald oder auf dem Feld. Im Lauf der ersten Tage haben wir entdeckt, dass sie sich draußen in der Dämmerung leichter tut, diese Zeiten haben wir dann zur Gewöhnung genutzt.


    Etwas später gab es dann aber auch die Gelegenheit, mal zu rennen und zu bolzen. Klar, erstmal nur mit Sicherheitsgeschirr und Schleppleine bzw. Flexi. Und körperliche Spiele zum Spaß und für den Frustabbau. Das fehlt mir in Deiner Schilderung - gibts da etwas, was Ihr macht? Ist mit einem nicht ableinbaren Angsthund echt nicht einfach.


    Wichtig ist es halt, weil Angst im Körper hormonell und nervös ein hohes Aktionspotenzial aufbaut. Wenn Adrenalin einschießt, braucht man Bewegung, um es wieder abzubauen. Wenn die Nerven feuern, dann will der Körper was tun. Schnell, heftig und zeitlich begrenzt, um danach wieder in ein Ruhegleichgewicht zu kommen. Ist das nicht möglich, dann kann sich Frust Dauerstress aufbauen (Cortisolspiegel). Das wiederum verursacht eine Grundanspannung, die ruheraubend wirkt und das Lernvermögen hemmt. Da kan sich ein richtiger Teufelskreis ausbilden. Deshalb ist es wichtig, nicht immer nur den Deckel drauf zu haben (sei es nun der Hund selbst, der sich nix traut, oder der Mensch), sondern auch mal „die Sau rauszulassen“.


    Und dass es da irgendwo hakt, das könnte ziemlich viel von dem erklären, was Du schilderst. Ich schreib da später nochmal was dazu, aktuell warten hier 3 aufs Mittagessen :smile:

  • Vielen Dank für eure lieben, konstruktiven Antworten, die mir schon total viel geben! Leider kann ich nicht auf alles antworten, weil diese Nachricht wahrscheinlich ohnehin schon sehr, sehr lang werden wird.

    Vielen Dank für den Tipp mit der Deprivation, da mache ich mich gleich einmal schlau.


    Niki grüßt freudig zurück :) leider weiß ich nicht, wie ich vom Handy ein Foto reinstellen kann, geht das überhaupt?


    Zu Deinen Fragen:

    Als wir sie übernommen haben war sie fast 7 Monate alt, wir haben sie nun also schon über 4 Monate bei uns. Mit fragen können wir uns jederzeit an die Vermittlerin wenden, allerdings bringt das nicht wirklich viel, weil ihr Charakter in dem anderen Umfeld ein komplett anderer war..

    Am Anfang war spazieren gehen außerhalb des eigenen Grundstücks nicht möglich und wir sind nach kurzer Zeit, wenn die Panik immer größer wurde umgedreht. Als es dann besser ging und das Problem mit der Angst vor Entgegenkommenden da war, haben wir glaube ich falsch gehandelt. Uns wurde gesagt, dass man nicht umdrehen darf weil man den Hund dann in seiner Angst bestätigt, deshalb haben wir sie, panisch wie sie war oft in diese Situationen gedrängt :/

    Natürlich mit Abstand, aber vorbeilaufen musste sie.

    Ich glaube ihr hilft einfach möglichst wenig Reiz und komplette Ruhe von außen, also Fernseher zB ist vollkommen in Ordnung für sie, nicht aber der bellende Nachbarshund.

    Sie hat eigentlich immer die Möglichkeit ins Schlafzimmer ins Bett zu gehen, im Wohnzimmer steht ihr Körbchen. Allerdings ist sie sehr anhänglich und bleibt eigentlich immer dort, wo wir gerade sind. Wir arbeiten beide von zuhause im Wohnzimmer (ich Coronabedingt, mein Freund ist generell zu 100% im Homeoffice)

    Momentan wohnen wir in einem Zweifamilienhaus im Erdgeschoss. Unser normaler Tagesablauf sieht folgendermaßen aus:

    Wir gehen morgens nach dem aufstehen (meistens zwischen 6 und 7) ca. 45-60 Minuten mit ihr, danach gibt es Frühstück und wir fangen an zu arbeiten, sie schläft dann meistens bis 12 manchmal wird sie auch schon vorher „quäkig“, dann geben wir ihr einen Kauknochen oder spielen kleine kurze Suchspiele. Gegen Mittag geht dann einer von uns nochmal ca. 20-45 Minuten mit ihr, danach ist sie dann erstmal wieder müde. Nachmittags nochmal kurz Pipi machen und nach Feierabend gehen wir auch nochmal eine Stunde, danach gibt es wieder essen und noch ein Spiel. Abends dann nochmal Pipi machen und ins Bett.

    Wir wohnen auf dem Dorf und sind auch in 5 Minuten im Wald, allerdings gibt es eine verhasste Kreuzung, über die wir rübermüssen, an der sehr viel Verkehr ist.

    Sie kann absolut nicht allein sein, selten mal ein paar Minuten. Wir wollten das eigentlich von Anfang an aufbauen, allerdings nimmt sie sich dann immer etwas, was sie nicht soll (Schuhe, Verpackungen…). Auch geht es ihr mittlerweile um meinen Freund und mich und nicht ums generelle Alleinsein, wenn wir sie zB zu seiner Mutter bringen um einkaufen zu gehen bellt sie eine Stunde durchgehend.

    Sie schläft an normalen Tagen normal würde ich sagen, nachts schläft sie bei uns im Bett und mittlerweile auch gut durch. Wenn wir Besuch haben der länger bleibt, auch die ganze Nacht, kann sie sich erst richtig entspannen wenn der Besuch weg ist.

    Bezüglich Bewegung spielen wir mit ihr auf den Spaziergängen öfter Ball und Stöckchenholen an der schleppleine, oder üben den Rückruf, da rennt sie auch wie eine wilde und sehr gern.

    Oft fängt sie auch einfach an, an der kürzeren Leine wie verrückt im Kreis zu rennen.


    Vielen Dank auch für deine Schilderungen, finde es total interessant zu lesen, wie es Leute machen, die es hinbekommen haben.

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