Tierschutzhund: Wann und wie mit Training beginnen, wenn keine (guten) Trainer/Hundeschulen vor Ort?

  • Hallo,


    wir haben seit 10 Tagen einen Hund aus dem Tierschutz bei uns. Freddy ist ein großer Mischlingsrüde (uns wurde vom Verein eine Schulterhöhe von 50cm genannt, allerdings ist er eher 65cm hoch, wie sich dann rausstellte, als er aus dem Transporter stieg - also bitte keine Kommentare darüber, warum wir als Ersthund so einen "Riesen" adoptiert haben - war keine Absicht, ist nun aber nicht zu ändern. ;-) ) aus Bulgarien, aber wohl kein Straßenhund oder Kettenhund. Er wurde von einer Familie auf deren Grundstück gehalten und beim Umzug abgegeben.


    Bisher läuft es ganz gut, aber Freddy kam in keinem guten Zustand an: Er ist viel zu dünn, man sieht jede einzelne Rippe, er hatte massiv Durchfall und war völlig verstört. Uns wurde auf Nachfragen hin erläutert, dass er in der Station in Bulgarien, wo die Hunde leben bevor sie nach Deutschland ausreisen, von den anderen Hunden gemobbt wurde, weil er trotz seiner Größe überhaupt nicht dominant ist. Inzwischen frisst er gut und die Verdauung ist okay, er ist uns gegenüber auch schon aufgetaut und fordert massiv Streicheleinheiten ein. Trotzdem ist er noch sehr schreckhaft, alles ist Stress für ihn und er ist noch nicht richtig angekommen, das merkt man deutlich. Er kann uns noch nicht einschätzen und obwohl er gern gestreichelt wird, vertraut er uns noch nicht richtig, zuckt bei schnellen Bewegungen zurück und beobachtet ganz genau, was wir machen. Zum Schlafen zieht er sich am liebsten von uns zurück und geht in einen anderen Raum.


    Natürlich bringt er auch seine Päckchen mit und das wird wohl nach den viel besagten 3 Monaten Eingewöhnungszeit noch schlimmer, aber was jetzt schon zu erkennen ist:

    Zunächst hat er panische Angst vor anderen Hunden. Sowas habe ich wirklich noch nicht gesehen. Ist der andere weiter weg, springt Freddy in die Leine und verbellt ihn, aber nähert sich der andere erstarrt Freddy, wird geradezu katatonisch, ist überhaupt nicht mehr ansprechbar und bepinkelt sich teilweise sogar während er völlig bewegungslos mit eingekniffenem Schwanz und gesenktem Kopf dasteht, der Arme. Daher machen wir so gut es geht einen Bogen um andere Hunde, aber auf Dauer sollte das natürlich besser werden. Dann haben wir ein Problem, wenn er auf seiner Decke oder in seinem Körbchen liegt: Versucht man ihn dort anzufassen, schnappt er in die Luft und knurrt (ein Mal hat er versehentlich meinen Arm erwischt, aber er hat nicht zugebissen, nur das offene Maul drum gelegt. Dennoch müssen wir daran unbedingt arbeiten.). 30 Sekunden später, wenn er von seinem Platz runter ist, kommt er wieder wedelnd und Streicheleinheiten fordernd zu einem als wär nichts gewesen.


    Mir ist schon klar, dass das mit einem Hundetrainer angegangen werden muss. Ich hab selbst zwar ein wenig Erfahrung, aber Freddy ist mein erster Tierschutzhund und der erste für den ich komplett allein verantwortlich bin. Bei unserem letzten Schäferhund wohnte ich noch bei den Eltern. Ich war zwar hauptsächliche Bezugsperson, aber der Hund kam vom Züchter zu uns, war super sozialisiert und wuchs bei uns auf. Das ist erziehungstechnisch nicht zu vergleichen mit bereits erwachsenem Tierschutzhund, klar.


    Nun habe ich das Problem, dass ich im letzten Zipfel wohne. :grinning_squinting_face: Hier gibt es genau eine Hundeschule ca. 15 Min mit dem Auto entfernt, die aber gerade auch gar nicht offen zu sein scheint und die einen grauenhaften Ruf hat (arbeiten wohl nicht gewaltfrei sagen mehrere Quellen unabhängig voneinander). Sonst gibt's hier im Ort/den Vororten nichts. Dann gibt's im Einzugsbereich einen Hundetrainer der bis hier her kommen würde und der ganz gut zu sein scheint nach Erfahrungsberichten meiner Hunde-Bekannten, der aber voll ist und keine Klienten mehr annimmt.

    Die nächste Hundeschule ist schon 50 - 60 Minuten Fahrtzeit pro Weg entfernt. Autofahren ist für Freddy noch die Hölle - was nach dem Transport aus Bulgarien wohl nicht verwundern dürfte.


    Daher frage ich mich jetzt, ob es sinnvoll ist, erst einmal zu versuchen, den Hund richtig ankommen zu lassen und dabei möglichst schon sanft gegen die unerwünschten Verhaltensweisen zu arbeiten (ich habe Bücher und Online-Material bis zum Abwinken rausgesucht). Ich habe aufgrund seiner Unsicherheit nämlich wirklich Sorge, falls ich ihn jetzt ins Auto zwinge, mit ihm 50 Minuten durch die Gegend fahre zu einem Ort mit anderen Hunden und wieder zurück, dass dann das bisschen Vertrauen, was er bisher hergestellt hat, gleich wieder flöten geht und ich ihn erst recht traumatisiere.

    Oder ist es ratsam, möglichst umgehend mit dem (professionell begleiteten) Training zu beginnen, weil sich die Ängste und unerwünschten Verhaltensweisen sonst sogar noch auswachsen?

  • Hallo,

    Schreibe nur kurz, muss gleich los.


    Viele Trainer kommen auch zu dir nach Hause, wenn Autofahren aktuell noch zu stressig ist...

    Unsere ist auch von "weiter weg", 45min einfach. Hundeschule aus der Nähe war leider nix für uns, hätte nicht funktioniert.


    Mit unserer hatte ich beispielsweise das Erstgespräch telefonisch (coronabedingt).

  • Hey,


    ihr braucht keine Sorgen haben, dass euch die Zeit wegläuft mit Training, da ihr quasi jeden Tag den Hund mit Alltag trainiert (siehe Bögenlaufen, euch Vertrauen lernen, Abläufe). Ich würde einen Trainer anfahren lassen und nicht in eine Hundeschule, wenn das soviel Stress bedeutet und für mich eindeutig zu früh klingt. Ein Trainer vor Ort kann euch schon für Zuhause Tipps geben und euch beibringen den Hund zu lesen und Sicherheit/Struktur zu geben.


    Übrigens heißt Päckchen auspacken nicht nur negatives. Meine Hündin war von Anfang schlimm (angstaggressiv) und es wurde mit jedem Monat (und Alltagstraining) definitiv besser. Aber Bögen von Teils 100m müssen wir weiter um Hunde laufen. Ein vortraumatisierter Hund kann manches lernen, manches nicht(wenn das Mobbing in det Gruppenhaltung beobachtet wurde, muss es auffällig gewesen sein)


    Was mir auffällt, habt ihr euren Hund auf Gardien oder andere Darmerkrankungen, Herzwürmer oder ähnliches schon beim TA untersuchen lassen? So abgemagert und gestresst aus Gruppentransport, da schrillt bei mir der Krankheitsalarm.

  • Wenn ihr wirklich so weit weg von gut und böse lebt, dass da niemand zu euch gefahren kommen kann, dann ist das halt so und man arbeitet damit. Ganz viele Hundetrainer*innen bieten ja auch schon Kurse oder individuelle Betreuung im Onlineformat an. Der Nachteil liegt auf der Hand: auf Videos sieht man weniger als vor Ort.
    Die Vorteile sind aber: du kannst in Videos genau die Passagen zeigen, um die es dir geht und man muss nicht vorher staubsaugen (das finde ich äußerst relevant) und du kannst dir einfach jemanden aussuchen, den du gern magst - unabhängig von der räumlichen Nähe.

    Bögen laufen und in Ruhe lassen, insbesondere auf seinem Platz - das sind doch schon mal die wichtigsten Punkte.
    Zu dem Punkt, ob er streicheln gerade gut findet - kommuniziert miteinander. Was macht er, wenn du aufhörst? Wenn er dich danach z.B. kurz anstubst, streichle ihn noch mal kurz, stubst er dann wieder? (etc)

    Dann versucht er ziemlich eindeutig dir zu sagen, dass er es gut findet. Und wann immer ihr euch unsicher seid: lasst es einfach erst mal.
    Vertrauensverhältnisse reifen unterschiedlich schnell. Der arme Kerl sollte jetzt erst mal pennen, futtern, verarbeiten. Vertrauen kann dann ja in Ruhe endgültig wachsen, wenn der den Stress der letzten Monate erst mal etwas verarbeiten konnte.


    Und: FOTO!! :D Ohne Foto kann man das ja alles gar nicht beurteilen. ;)

  • Versucht man ihn dort anzufassen, schnappt er in die Luft und knurrt (ein Mal hat er versehentlich meinen Arm erwischt, aber er hat nicht zugebissen, nur das offene Maul drum gelegt. Dennoch müssen wir daran unbedingt arbeiten.).

    Bitte da NICHT dran arbeiten. Der Hund sollte einen Platz haben, an der nicht angefasst und bedrängt wird, auf dem er sich absolut sicher fühlen kann. Und auf den er sich zurückziehen kann, wenn ihm alles zu viel wird.


    Ansonsten würde ich auch zu einem Trainer raten, der euch zu Hause besucht.

  • Leider schaff ich das mit dem Zitieren nicht, aber eine Sache fiel mir auf:

    Lasst ihn an seinem Platz absolut in Ruhe, er darf einen Ort zum sich zurück ziehen haben.

    Wenn ihr dann (nur unbedingt Notwendiges!) etwas von ihm wollt, lockt ihn runter.


    Zuviel Streicheleinheiten fördern muss übrigens nicht unbedingt rein positiv sein, sondern kann seine Konfliktlösungs-Strategie sein


    Lasst ihn noch viel in Ruhe, würde ich raten.


    Viel Spaß mit Eurem Neuzugang

  • Erstmal danke für die Antworten. Bekomme das mit dem Zitieren noch nicht einwandfrei hin, aber ich versuch mein Bestes:

    Was mir auffällt, habt ihr euren Hund auf Gardien oder andere Darmerkrankungen, Herzwürmer oder ähnliches schon beim TA untersuchen lassen? So abgemagert und gestresst aus Gruppentransport, da schrillt bei mir der Krankheitsalarm.

    Der Hund wurde vor dem Abtransport in Bulgarien noch durchgecheckt, hat einen EU-Heimtierpass und wurde auf alles Mögliche getestet, wozu uns auch Unterlagen vorliegen. Das lief über den deutschen Verein, der in Bulgarien aber nicht selbst tätig ist, sondern dort Partnervereine hat (wo Freddy bis zur Ausreise auch aufgenommen wurde). Wir planen natürlich, ihn so schnell es möglich ist hier einem TA vorzustellen. Haben uns auch schon eine gute Adresse besorgt. Aber auch das ist wieder mit 45 Minuten Anfahrt verbunden. Wir trainieren aktuell "Auto gutfinden". Inzwischen streckt er schon den Kopf rein bei offenen Türen (im Gegensatz zu vor 4 Tagen, wo er nicht auf 20 Meter ran wollte). Sobald es möglich ist, wollen wir zum Durchchecken fahren. Ich hoffe allerdings, dass er nichts Physisches hat sondern wirklich "nur" nicht in Ruhe fressen konnte im Shelter. In den ersten Tagen hier hat er sich kaum getraut zu fressen und hat wirklich extremes Stressverhalten gezeigt, sobald es Richtung Fütterung ging. Inzwischen wird das ganz schnell besser.


    Darüber hinaus: Danke für die positiven Worte. :)

    Wenn ihr wirklich so weit weg von gut und böse lebt, dass da niemand zu euch gefahren kommen kann, dann ist das halt so und man arbeitet damit. Ganz viele Hundetrainer*innen bieten ja auch schon Kurse oder individuelle Betreuung im Onlineformat an.

    Danke für den Tipp. Über so ein Online-Training habe ich auch schon nachgedacht. Es gibt hier offenbar wirklich nur diesen einen Trainer, der nach Hause kommt und der ist der bereits ausgebuchte. Wir können da "in ein paar Wochen" aber nochmal fragen, also vielleicht klappt das.

    Sonst finde ich online noch 2 Trainer, die aber gleich auf der Webseite stehen haben, dass sie das Training nur auf ihren Plätzen machen und keine Hausbesuche anbieten.


    Ich schau mir mal Online-Angebote an und sehe dann weiter. :)


    Ludmilla  @Turbofussel


    Wegen der Platzsache:


    Der Hund hat mehrere Plätze in verschiedenen Räumen, da die Wohnung sehr weitläufig ist (erstreckt sich über Vorder- und Hinterhaus, sozusagen 2 "Trakte" durch Tür getrennt). Freddy soll nicht unbeaufsichtigt im vorderen Trakt (Wohnzimmer mit offener Küche und angeschlossener Werkstatt mit Verletzungspotential) sein. Wenn wir also den vorderen "Trakt" der Wohnung verlassen (das hört sich an als würden wir in einem Schloss wohnen, aber ich kanns nicht anders beschreiben. Der Grundriss ist sozusagen ein großes L mit Verbindungstür in der Gelenkstelle) und in den hinteren (Schlafzimmer, Arbeitszimmer, Aufenthaltsraum) gehen, muss er mit. Daher haben wir, sofern er vorne auf einem Platz liegt und wir hinter gehen, keine andere Wahl, als ihn mitzunehmen. Da er noch nicht durch bloßes Rufen mitkommt, hat er eine Hausleine dran, die wir dann greifen um ihn rüber zu bringen. Dabei schnappte er dann. Wir streicheln ihn da nicht aus Langeweile oder irgendwas sondern gehen da wirklich nur dran, wenn er mit rüber muss. Ich wüsste jetzt aber nicht, wie ich das sonst lösen soll. :thinking_face:


    Runter locken lässt er sich dann auch nicht. Er scheint sowieso nicht so sehr auf Leckerchen zu stehen, weil Futter im allgemeinen für ihn eher negativ verknüpft zu sein scheint (siehe oben) und wenn er gemütlich liegt, steht er dafür sowieso nicht auf.



    Und: FOTO!! :D Ohne Foto kann man das ja alles gar nicht beurteilen. ;)

    Hier isser: https://imgur.com/a/m6u6C5a

  • ein Hübschi! Mit langen Gräten!
    Mit welchen Leckerchen lässt er sich nicht locken? Mit allen? Auch mit the F-Word (Fleischwurst)?
    Auch, wenn du sie über den Boden kullerst?
    Auch, wenn du sie fallen lässt und den Raum verlässt?

    Ich glaub, da geht bestimmt noch was.
    Das allermindeste ist: Berührungen ankündigen. Sag immer das gleiche Wort vorher, dann ist zumindest der Schreckmoment raus. Was der Grätenboy gerade am allerwenigsten braucht, ist jede Form von negativem Stress und auch von ängstlicher Erwartungshaltung.

    Zum Tierarzt:
    Lasst euch Zeit. Kotprobe geht auch postalisch über Vetevo, wenn's Not tut.

    MMK werden die wahrscheinlich getestet haben, ein komplettes MMK-Profil (sofern eins gemacht wurde) reicht zur Überprüfung 6 Monate nach Einreise.
    Wenn die keins gemacht haben: blöd. Aber trotzdem kommt's da dann jetzt nicht auf ein paar Tage an, fahrt zum Tierarzt, wenn ihr es könnt - solang nicht Holland in Not ist.

  • Nabend,



    wir haben seit 10 Tagen einen Hund aus dem Tierschutz bei uns

    Herzlichen Glückwunsch =)

    weil er trotz seiner Größe überhaupt nicht dominant ist

    Dominantes Verhalten hat ja auch nichts mit Größe zu tun.
    Ich kenne eine Dackelhündin (Zwergdackel-Langhaar - Zuckersüß!) die so sicher und souverän (und situationsbedingt dominant) ist, dass selbst der Neufundländer sich als Jungspund seinen Übermut abgelegt, und sich ihr umsichtig und vorsichtig gegenüber verhalten hat.

    Trotzdem ist er noch sehr schreckhaft, alles ist Stress für ihn und er ist noch nicht richtig angekommen,

    Ist ja auch kein Wunder, bei der "Mobber-vorgeschichte" - und dem wesen des Hundes sind 10 tage gar keine Zeit.

    vielleicht als Vergleich: Mein in sich ruhender, vor nix Angst habender, neugieriger, aufgeschlossener Mischling aus Polen hat ca. 3 Monate gebraucht um "angekommen" zu sein.

    Natürlich bringt er auch seine Päckchen mit und das wird wohl nach den viel besagten 3 Monaten Eingewöhnungszeit noch schlimmer,

    Mach dir da keine Platte.

    Bei meinem tollen super Hund habe ich immer gedacht "irgendwann packt der sein Päckchen aus - sagen ja alle!" - da kam nie etwas. Kein Stück.

    Wenn sie ihr "Päckchen" auspacken, dann weil sie sich sicher und angekommen fühlen. Das wäre doch in deinem Fall sehr zu wünschen - dass dein Hund sicherer wird, sich nicht mehr in der Opferrolle sieht und ständig Angst haben muss.

    Also - mach dir keine Gedanken ums "problemverhalten" wenn er angekommen ist - freu dich, wenn er sich sicher genug fühl - denn vielleicht (auch nur vielleicht) kommen dann andere Verhaltensweisen ans Licht - dafür verschwinden andere, die er jetzt aus Unsicherheit zeigt.


    Akzeptiere ihn wie er ist, nimms wie es kommt und wachst an euren Aufgaben =) sowas schweißt zusammen!

    Zunächst hat er panische Angst vor anderen Hunden. Sowas habe ich wirklich noch nicht gesehen. Ist der andere weiter weg, springt Freddy in die Leine und verbellt ihn, aber nähert sich der andere erstarrt Freddy, wird geradezu katatonisch, ist überhaupt nicht mehr ansprechbar und bepinkelt sich teilweise sogar während er völlig bewegungslos mit eingekniffenem Schwanz und gesenktem Kopf dasteht, der Arme. Daher machen wir so gut es geht einen Bogen um andere Hunde, aber auf Dauer sollte das natürlich besser werden.

    Das Verbellen auf Entfernung ist natürlich nicht so angenehm.

    Wenn es nur der Unsicherheit geschuldet ist wird es sich legen, sobald er sicherer wird.

    Dazu braucht er oft genug die Erfahrung, dass er bei dir in Sicherheit ist.

    Du musst jeglichen Hundekontakt von ihm fern halten, ihn mit deinem Körper schützen - dich souverän und vertrauenswürdig verhalten.

    Dass das nach 10 tagen noch nichts ist, ist logisch.


    Wenn du das Gefühl hast, Freddy ist ansprechbar und ihr beide seid schon soweit dass ihr etwas methodisch trainieren könnt,

    würde ich es mit "zeigen und benennen" versuchen. Dazu gibt es Anleitungen im Netz.


    Aber - dazu sschreibe ich später noch mehr - ich finde Bindung, Kommunikation und Sicherheit so viel wichtiger und effektiver als "methodisches Training nach Plan".
    Zumindest in eurer jetzigen Situation.



    Dann haben wir ein Problem, wenn er auf seiner Decke oder in seinem Körbchen liegt: Versucht man ihn dort anzufassen, schnappt er in die Luft und knurrt (ein Mal hat er versehentlich meinen Arm erwischt, aber er hat nicht zugebissen, nur das offene Maul drum gelegt. Dennoch müssen wir daran unbedingt arbeiten.)

    Ihr müsst nicht am Hund arbeiten, sondern an eurem übergriffigen Verhalten.

    Der Hund verhält sich hundetypisch absolut korrekt und - das finde ich sehr beruhigend - er hat NICHT gebissen.

    Er hat normal gedroht 1. knurren 2. abschnappen 3. schnappen. in der Reihnfolge - das ist absolut korrekte Hundekommunikation.

    ich bin relativ sicher, dass er schon vor dem Knurren Signale gesendet hat (Kopf wegdrehen, lefzen lecken, ...) die euch gezeigt haben, dass ihr gerade eine Grenze überschreitet.


    Die Grenzen des Hundes zu berücksichtigen ist ein wesentlicher Bestandteil von Bindung und Vertrauen.

    Er kann euch nur vertrauen, wenn ihr seine Bedürfnisse achtet und respektiert.

    Wo der Hund seine Grenze zieht, entscheidet er und nicht ihr. (Du entscheidest ja auch selber über deine Empfindungen und wann und wo dich jemand berühren darf - das entscheidet kein Anderer)


    Lest euch in die Beschwichtigungssiglane des Hundes ein. Versucht situationen zu lösen, BEVOR der Hund knurren oder gar schnappen muss.

    Und keine Angst vor der Mär, dass das Hund nun ständig knurren wird, weil er damit durchkommt.

    Merkt der Hund dass seine Grenzen respektiert werden, vertraut er euch.

    Wenn er euch vertraut, wird er euch gegenüber weniger Grenzen haben als bei fremden Personen.


    Mein Hund hat mich auch ab und an angeknurrt.

    Ich habe es stets respektiert und die Situation aufgelöst (mich zurück gezogen).

    Mein Hund hat gelernt, dass ich mich NIE übergriffig verhalte und ich immer aufhöre, sobald er mir seine Grenze aufzeigt. Dadurch darf ich viel mehr beim ihm "anstellen" als andere Leute - er weiß, dass ich ihm nie Schaden zufügen würde.

    Und eine gute, vertrauensvolle Bindung verzeiht auch mal übergriffiges Verhalten in Ausnahmesituationen.


    Grenzen respektieren ist übrigens auch keine Einbahnstraße sondern beruht auf gegenseitigkeit.

    Wenn ihr die Grenzen des Hundes achtet, wird es auch für ihn selbstverständlich sein, eure Grenzen zu achten.

    So etwas geschieht über alltägliche Kommunikation, Vertrauensaufbau und Bindung - das geschieht nicht in 10 Minütigen Trainingssituationen.

    Noch was, bevor es falsch verstanden wird:
    Knurrt der Hund, ziehe ich mich zurück und bedränge ich ihn nicht weiter.

    Aber dennoch überlege ich, wie ich "meinen Willen" durchgesetzt bekomme.


    Z.B:

    - Mein Hund liegt in meinem Bett.

    - Ich will auch dahin, schiebe ihn runter.

    - Mein Hund hasst es im Schlaf rumgeschoben zu werden (ich ja auch) und knurrt mich an.

    - Ich geh in die Küche, hole ein Stück Käse - und schwupps hüpft der Hund vom Bett wegen des Käses.

    - Problem gelöst, ohne das ich den Hund bedrängen musste - eine Win-Win-Situation.


    Da die Käselösung kein Dauerzustand bleiben kann, übe ich parralel ein "Geh-Ab" Kommando. (das dauert aber ein paar/Wochen)

    30 Sekunden später, wenn er von seinem Platz runter ist, kommt er wieder wedelnd und Streicheleinheiten fordernd zu einem als wär nichts gewesen.

    Ich vermute, das wird Beschwichtigung gewesen sein.

    Ihr überschreitet seine Grenzen, er sieht sich gezwungen sich zu wehren. Er schnappt.

    ihr seid perplex/verängstigt/verhaltet euch unberechenbar für den Hund - einfach anders.

    (als mein Hund mich das erste mal angeknurrt hat, war ich innerlich sehr aufgewühlt und überfordert - er wollte mich beruhigen indem er mich zum Spiel aufforderte)


    Da Hunde sehr harmonie-bedürftig sind und Konflikte und Streit nicht mögen, wird Freddy euer "komisches" Verhalten irritiert und verängstigt haben.

    Also kommt er zu euch und versucht euch mitzuteilen "hey, alles gut oder? ich tu euch nichts, bitte bitte tut mir auch nichts" - oder so ...

    Mir ist schon klar, dass das mit einem Hundetrainer angegangen werden muss.

    Jein ...

    Ich sehe euch und den Hund nicht ... Aus der Ferne ist es schwer zu sagen ...


    Ich könnte mir aber vorstellen dass sich viele Probleme lösen lassen, indem ihr empathischer und rücksichtsvoller mit Freddy umgeht.

    Er ist Sensibel, mit schlechten Vorerfahrungen. Da braucht es vor allem Sicherheit von Euch. Geduld und Zeit. Und viele schöne und positive Erlebnisse mit euch.

    Er braucht ein stressfreies Zuhause indem er seinen Bedürfnissen entsprechend gehalten wird.

    Das ist nichts, was man trainieren kann ...

    Das ist etwas, was ihr mit eurem Umgang und eurer Einstellung bewerkställigen müsst.


    Bitte versteh mich nicht falsch.

    ich lese in deinem Beitrag ganz viel Verständnis und Zuneigung für Freddy - und viel Empathie um ihm ein schönes Leben bei euch zu ermöglichen.

    Ich denke, er hat es bei euch wirklich gut getroffen!


    Jetzt fehlt nur noch ein bisschen mehr Eingehen auf das Wesen des Hundes - welches man nicht wegtrainieren kann ;)

    Daher frage ich mich jetzt, ob es sinnvoll ist, erst einmal zu versuchen, den Hund richtig ankommen zu lassen

    Oh ja!

    Oder ist es ratsam, möglichst umgehend mit dem (professionell begleiteten) Training zu beginnen, weil sich die Ängste und unerwünschten Verhaltensweisen sonst sogar noch auswachsen?

    Seine Unerwünschten Verhaltensweisen werden auf seinen Ängsten beruhen.

    Angst ist eine Emotion - Angst wird nicht mehr wenn es dem Hund gut geht. Ansgt wird nicht mehr, wenn der Hund sich sicher fühlt.


    Angst wird mehr, wenn man für immer neue Angst-Reize sorgt, oder auch wenn man in der Angst noch mehr negative Dinge dazu tut.

    Ich denke, was Freddy jetzt braucht ist Struktur und Sicherheit bei euch. Schutz bei euch. Routine - gleiches Verhalten von eurer Seite - Berechenbarkeit.

    Souveräne Führung in beängstigenden Situationen. Seid unaufgeregt für Freddy da - gebt ihm die zeit die er braucht ohne die Situation überzubewerten.


    Man kann Freddys Angst tatächlich verstärken, indem man sich selber verunsichert, panisch und hektisch verhält.

    Aber werdet ihr zum sicheren Hafen, hilft es ihm. Ihr müsst den schmalen Grad finden zwischen "Angst ignorieren" und "Angst überbewerten".


    Ein Trainer bringt neue Situationen mit sich.

    Neue Methoden an die ihr euch haltet - neues Verhalten was ihr ausübt.

    Neue gekünstelte, mitunter stressige, Trainingssituationen.

    Vielleicht auch Verunsicherung auf eurer Seite.


    Entscheiden müsst ihr - hört aufs Bauchgefühl.

    Keiner hier sieht euch und Freddy.


    Aber von dem was du schreibst, würde ich jetzt noch keinen Trainer hinzu ziehen.

    Ankommen lassen, vertrauen aufbauen, schöne Momente sammeln, einander kennen lernen, eine gemeinsame Sprache finden, so viele Angst-Momente vermeiden wie möglich. Das ist nichts, wobei mir eine gestellte Trainingssituation helfen könnte.

    Also wäre Trainer derzeit nicht mein Weg.


    Alles Gute!

  • Da er noch nicht durch bloßes Rufen mitkommt, hat er eine Hausleine dran, die wir dann greifen um ihn rüber zu bringen. Dabei schnappte er dann. Wir streicheln ihn da nicht aus Langeweile oder irgendwas sondern gehen da wirklich nur dran, wenn er mit rüber muss. Ich wüsste jetzt aber nicht, wie ich das sonst lösen soll.


    - die "Raum-Wechsel-zeiten" reduzieren - vielleicht nur 1-2 mal am Tag wo er mitkommen muss. Ständig aufstehen ist ja schon nervig ^^
    - die Wohnugn so herrichten, dass keine Gefahr mehr besteht wenn er mal unbeaufsichtigt in einem der beiden bereiche ist (reicht ja wenn er ein bereich sicher ist?)
    Dann vielleicht auch mit Türgitter arbeiten. Das würde ich langfristig eh so machen als ständig den Hund mitzunehmen wenn ich den Bereich wechsel.

    - findet raus, was euren Hund neugierig macht, wenns nicht die Leberwurscht ist (menschen-Fressen ist übrigens meist viel cooler als schnöde leckerlies)
    Meinen Hund bekomme ich zum mitkommen bewegt durch ein Quitschspielzeug, oder wenn ich in einem Karton raschel und so spreche wie mit einem Kleinkind - große Augen, hohe stimme "Oha, was ist denn DAS???!!! schau doch mal!! Ooooh!!" O.O

    vor allem ist es aber auch für tierschutzhunde - gerade bei der stressigen vorgeschichte - nicht unüblich wenn die erst mal gaaanz viel schlafen. die müssen einiges nachholen und sind dann auch mal doppelt genervt, wenn man sie stört.

    Stell dir vor du kannst seit 3 Monaten nicht richtig durchschlafen - dann bist du auch echt grantig wenn jemand meint, dich ohne vorwarnung, mit ner Schnur am Bauch, aus dem Bett zerren zu müssen ;) (obwohl in deinen Augen gar keine Notwendigkeit besteht)

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