"Übermäßig männliche Rüden"/Zuchtziele

  • Hallo,

    ich habe gestern und heute das Buch "Einfach artgerecht" von dem Hundepsychologen Anders Hallgren gelesen. Im Grunde genommen stimme ich ihm in vielen Dingen zu, da er sehr für eine positive und sanfte Erziehung ist, aber mich hat das Ende seines Buches, wo er das Thema Kastration beim Rüden anschneidet, ein wenig verwundert.

    Unter der Unterüberschrift "Die Zuchtziele sind das Problem" schreibt Hallgren, der Grund, warum Rüdenbesitzer so häufig kastrieren lassen, sei "übermäßig männliches" Verhalten der Rüden. Schuld daran seien Hundeausstellungen bzw. die dort agierenden Richter, die "besonders männliche Rüden" für ihre "gute sexuelle Ausstrahlung" auszeichnen. Die Züchter würden häufig bei Ausstellungen gut abschneiden wollen und darum weiter solche Hunde züchten.


    Blödsinn. Angezüchtete Körperbaumerkmale haben nichts mit angezüchteten Charaktermerkmalen zu tun.

    Ausserdem bedeutet das, was der Mann behauptet, dass hier Rüden mit höherem Testosteronspiegel gezüchtet würden.
    Und das könnte man ja ganz einfach per Blutprobe nachweisen.

  • Mir wär keine Studie bekannt, die irgendwie belegen würde das Rüden mit ausgeprägterem Geschlechtsgepräge auch einen höheren Testosteronspiegel haben. Wenn das so ein klarer Zusammenhang wäre, müsste sich das ja relativ einfach untersuchen lassen.

    Ich kenne innerhalb der Rassen mit denen ich vornehmlich zu tun habe wirklich einiges von "eher feminin" bis "auch aus 100m als Rüde zu erkennen". Mir wäre bis dato noch keinerlei wirklicher Zusammenhang zwischen Optik und irgendwie hypersexuellem Verhalten aufgefallen.

    Egal ob man die Hunde nun konstant zusammen hält oder nicht, aber gerade Aussteller sind darauf angewiesen das die Rüden sichanständig benehmen, egal ob heisse Hündin oder Rivale in der Nähe ist. Mal davon ab, dass es dafür keinen Nachweis gibt, ist diese Behauptung auch einfach auch unlogisch.

  • Neuesten Forschungen nach hängen übrigens Körperbau und die Neigung zu bestimmten Charaktermerkmalen durchaus zusammen ...

    Kann man sich eigentlich auch angucken. Bestimmte Rassetypen für bestimmte Jobs haben besonders häufig bestimmte körperliche Merkmale, die durch den Arbeitsgebrauch entstanden sind und nicht in erster Linie funktioneller Natur sind.

  • Ich habe letztens auf einem Seminar gehört, dass in bestimmten Rassen der Trend immer mehr zum "rüdig" aussehenden Rüden gehen soll, Beispiel war der Ridgeback. Die Referentin kennt sich mit der Rasse aus und bemerkt seit einigen Jahren auf Ausstellungen, dass die Rüden auch im jüngeren Alter immer massiger/muskulöser werden und zwar ohne fett füttern bzw. übersteigerter Belastung des Hundes zum Muskelaufbau. Wurde damit erklärt, dass die massigen Rüden mit mehr Testosteron mehr genutzt werden, weil das Rassebild erwünschter ist und damit die Nachwuchsrüden auch eher in die Richtung "rüdiger Rüde" gehen als früher. Hoffe ich habe es richtig wiedergegeben, aber klingt für mich nicht abwegig.

  • Vielleicht ist das ein Auswuchs der Versuche Geschlechtsunterschiede immer mehr wegzudiskutieren.
    Wenigstens beim Hund soll noch klar zu erkennen wer was ist. :ka:

    Ich treffe immer mehr Menschen, die von vorneherein einen intakten Rüden für sich ausschließen, was sie aber nicht abhält sich einen ins Haus zu holen.
    Angeblich funktionieren Rüden in Männerhand auch besser.
    Ach!

    LG, Friederike

  • Das kann ja keiner nachweisen, es gibt ja keinen "Geilheitsindex" oder sowas xD Die Tierärzte kastrieren immer noch viel zu gern, auch der Kastrachip wird sehr sehr gern gesetzt.Ich hab eher das Gefühl, dass der "Leidensdruck" heutzutage immer sofort ganz weit oben ist. Wenn der Rüde an der Tür jammert, ist das nicht normal, dann muss kastriert werden. Wenn der Rüde jung an die Hündin will und noch lernen muss, dass er nicht ran darf, ist er gleich hypersexuell.

    [...]

    Da kannst du als TA aber noch so sehr gegen anreden, wenn die Leute nicht klarkommen, kommen sie nicht klar.

    Du kannst ihnen 100x erzählen, dass es völlig normal ist, dass ein junger Rüde mal versucht andere Hunde oder sogar Leute zu berammeln und dass das einfach Erziehungssache ist bzw dass er jetzt grade auch in der wildesten Pubertät ist und auch einfach noch ein bisschen Zeit (zusätzlich zur Erziehung) braucht.
    Du kannst auch erklären, dass "knurren, wenn der Besitzer auf die Couch will" und "schnappen, wenn man dem Hund eine Zecke wegmachen will" nicht sexualhormon-gesteuert sind, sondern dass der Hund rotzfrech ist und einfach mal lernen muss, wo der Bauer den Most holt.
    Du kannst auch erklären, dass ruhigeres Verhalten in der Nachhitze und Scheinträchtigkeit, auch mit Milcheinschuss, völlig physiologisch sind.
    Du kannst auch drauf hinweisen, dass es so schwer nicht ist, zu erkennen, wann eine Hündin läufig ist und zu verhindern, dass sie gedeckt wird.

    Nützt alles nix. Der Rüde würde gar keine Ruhe finden, der wäre völlig von der Rolle, der LEIDET! Man kann die Hündin nicht an der Leine lassen oder mal für 3-4 Wochen festsetzen, die MUSS auf dem Hof frei rumrennen, die kennt gar keine Leine, das ist Quälerei!
    Grade bei Hündinnen: Bevor dann da bald der nächste Wurf liegt, weil die Leute zu doof waren, ihre Hündin unter Kontrolle zu halten (oder überhaupt zu erkennen, dass sie läufig ist, auch das schaffen wirklich viele Leute nicht), kastriere ich sie lieber.

    Das beste, was ich idR schaffe, ist, dass ich die Leute überzeuge, wenigstens zu warten, bis der Hund körperlich ausgewachsen und geistig ein bisschen reifer ist.

    Neuesten Forschungen nach hängen übrigens Körperbau und die Neigung zu bestimmten Charaktermerkmalen durchaus zusammen ...

    Kann man sich eigentlich auch angucken. Bestimmte Rassetypen für bestimmte Jobs haben besonders häufig bestimmte körperliche Merkmale, die durch den Arbeitsgebrauch entstanden sind und nicht in erster Linie funktioneller Natur sind.

    Ja, aber bedingt da der Job den Körperbau und den Charakter (aber getrennt,also Selektion auf passendes Gebäude und gleichzeitige Seletion auf passenden Charakter) oder bedingt wirklich der Körperbau das Wesen?

  • Ein Deckrüde muss funktionieren, wenn die Hündin da ist. Wenn der zögert oder nicht will, weil die Hündin oder etwas anderes ihn hemmt, dann fahren sicher nicht mehr viele Leute extra zu ihm und riskieren eine Hitze zu verpassen.

    Anders herum sind Rassekenner und Züchter nicht nur geübte Hundehalter, sondern kennen und lieben die Eigenarten ihrer Rasse.
    Wenn da ein Rüde "wilder" oder triebiger ist, kostet sie das nur ein müdes Lächeln und sie können damit umgehen.

    Anders als die Hobbyhalter, nicht ahnen können, dass dermaßen viel Triebigkeit für ihre Wunschrasse normal ist.
    Aber deren Meinung wirkt sich ja auf das Zuchtziel nicht aus.

  • Vielleicht ist es Zufall: ich habe einen sehr großrahmigen, rüdigen Rüden und einen sehr kleinen, zierlichen. Der kleine wurde durch sein Äußeres auch schon für eine Hündin gehalten.
    Dem Großen ließ ich vor einer Weile den Kastrationschip setzen, weil seine Verliebtheit kaum noch auszuhalten war.
    Der kleine, äußerlich weniger männliche Hund, hat ein stinknormales Sexualverhalten. Ihn finde ich dahingehend gar nicht auffällig.

    Und ich hab das Gegenbeispiel hier sitzen. Hamilton ist für seine Rasse ein sehr rüdiger Rüde und den halten auch völlig unkundige Leute auf der Straße nie für eine Hündin.
    Der braucht weder Chip noch Skalpell, der ist ein Kerl, zeigt das gerne und ist dennoch völlig problemlos.


    Das Problem sind doch in vermutlich 95% der Fällen die Halter.
    Von "Der klappert mit den Zähnen, der ist hypersexuell!" über "Der kann sich garnicht mehr konzentrieren, das geht so nicht." bis zu "Der ist 5 Monate alt und reitet auf!" Dem jungen Hund mal etwas Zeit geben, und zwar nicht nur 3 Wochen, sich mal drauf einlassen auf das Lebewesen was man an der Seite hat, das ist doch vielen schon zu viel.
    Ja mei, da tanzen die Hormone halt Samba. So wie beim Menschen auch, wie ätzend waren denn wohl die meisten von uns in den ersten Verliebtheiten? Haben unsere Eltern auch überstanden, wir ebenso. Braucht halt Zeit.
    Nur der Hund, der muss funktionieren. Immer. Wehe wenn nicht....

    Was hab ich mir anhören dürfen weil Hamilton intakt bleiben sollte. Und beim Gassi, wenn er mit glasigem Blick, zähneklappernd und sabbernd, an einer Stelle festhing. Wie schlimm das wäre, das wäre doch Quälerei für ihn, wie ich so ein triebgesteuertes Tier nur aushalten könnte, etc.
    Ja, es hat gedauert. Einige Läufigkeitswellen, also so 2 Jahre. Er leckt heute noch gerne an manchen Stellen und klappert dann, ist aber im Kopf da und kommt auch weiter mit.
    Der kann sich auch bei läufigen Hündinnen benehmen, da nehm ich ihn dann halt lieber an die Leine. Er ist interessiert, sucht danach auch die Stellen wo sie war, geht aber fröhlich mit mir weiter.
    Da wird dann auch öfter gefragt ob er gechippt ist, die fallen aus allen Wolken bei meinem Nein. Und erzählen dann das Tierarzt und/oder Hundeschule immer zur Kastration raten, weil es doch sooooo schlimm sei mit nem intakten Rüden.

    Und das Aufreiten, ebenso wie zuviel Sexualverhalten durchaus nichts mit echtem Sexualverhalten oder gar Dominanz, sondern mit Streß zu hat, das wissen da draußen doch auch viele nicht.

    DA Hallgren der Kastra eher kritisch gegenübersteht, listet er verschiedene Alternativen auf, z.B. chemische Kastra und natürliche Mittel, schreibt am Ende aber, dies sei auch nicht die "absolute Lösung", da die Züchter die Verantwortung hätten, "gesunde Hunde" zu züchten, die "im Leben gut zurechtkommen".

    Also, im Leben gut zurechtkommen ist auch gleichbedeutend mit andere Hunde nicht scheiße finden?
    Und was macht man dann mit den Hündinnen, die andere Mädels scheiße finden? Haben die dann auch zuviel Testosteron und das liegt dann vermutlich daran das die Züchter keine zu zarten Hündinnen wollen?
    :???:

  • Also dass rüdigere Rüden bei Ausstellungen besser abschneiden ist Quatsch. Wenn bei uns die Rüden anfangen rumzuprollen und sich aufzublasen bis zum geht nicht mehr, um den Rüden vor/hinter sich zu verunsichern dann wird das eher negativ bewertet. Hängt aber vielleicht auch mit der Rasse zusammen, sowas will man da einfach nicht haben.

    Aber klar kommen sehr sexuelle Rüden häufiger zum Einsatz, weil die halt alles decken was man ihnen vor die Nase setzt. Wird auch gern "instinktsicher" genannt. Heißt, der Rüde ist ne sichere Nummer und wenn alle Stricke reißen geht man eben dort hin wenn die Hündin so gar nicht mag und andere verschreckt.

    Rüden, die sich von zickigen Hündinnen zu sehr beeindrucken lassen, auch mal durch Antipathie keine Lust haben, etc. gibt es, aber die haben schnell einen schlechten Ruf.

    Kenne sogar einen "schön-Wetter-Hüpfer", der deckt nicht wenns regnet :pfeif: Was nicht heißt, dass er es nicht kann ;) Er will nur nicht.

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