Hund mit Vorgeschichte aus dem Tierheim

  • Hallo DF-User,

    ich habe mich entschieden Anfang des Jahres einen Hund aus dem Tierheim zu mir zu nehmen. Er ist jetzt 2,5 Jahre dort und erst 4 Jahre Alt. Er soll wohl zweimal gebissen haben aber sein Charakter wird als unsicher beschrieben was wohl auch der Grund für diese Zwei Zwischenfälle sein sollen. Ich gehe seit 10 Wochen mit ihm regelmäßig raus und sein Verhalten hat sich sehr zum positivem verändert. Er lernt sehr schnell und hört auch sehr gut, nur prägt er sich wohl immer auf eine Person und die gehört dann sozusagen ihm. Und genau davor habe ich Angst. Ich habe halt noch die Hoffnung aus ihm einen Gesellschaftsfähigen Hund zu machen. Er ist übrigens ein großer Schäferhund und die sind ja leider auch mit großen Vorurteilen belastet. An sich denke ich das er perfekt zu mir passt. Ich mache viel Sport (Joggen) und habe auch so großes Interesse daran mit ihm Mantrailing zu machen. Denke also er wäre bei mir gut ausgelastet. Eine Hundeschule würde ich mit ihm auch besuchen. Nun meine eigentlichen Fragen, wie schädlich ist es für einen Hund 2,5 Jahre im Tierheim zu sein ? Wird er noch Menschenfreundlicher werden ? Meine Familie, Freunde etc. müssen ja auch gut mit ihm klarkommen. Bisher ist er halt sehr reserviert oder er knurrt. Ich kenne ihn ja mittlerweile anders und weiß das er eigentlich ein sehr lieber Hund ist, ich glaube eher er ist mit den falschen Menschen aufgewachsen... Ich bin Student und muss ja auch mit ihm mal Busfahren z.B. oder wenn ich mal nen Tag weg bin und jemand anderes auf ihn aufpassen müsste wäre das halt bisher wohl problematisch, bekommt man das mit viel Arbeit hin ?

    Danke schonmal für eure Antworten!! Viele Grüße

  • Hallo,
    Ich habe auch einen Hund aus dem Tierheim mit "Vorgeschichte"
    Ich will nichts schön reden, es wird wohl ein Haufen Arbeit auf dich zukommen, vorallem da man nicht weiß, was dem Hund auch alles passiert ist. Wir(mein Partner und ich) kannten unseren Hund auch schon über ein halbes Jahr, so konnten wir z.B. rausfinden, dass er wohl geschlagen worden ist, zudem mag er einen gewissen Typ Frau nicht, da haben wir aber immernoch ein 100%iges Muster erkannt. Wie schwer die Tierheimzeit für einen Hund ist, ist wohl sehr unterschiedlich, für meinen war es wahrscheinlich sogar besser dahin zukommen als noch mehr gebrochene Knochen zu haben.
    Es ist aber kein Hopfen und Malz verloren, mit viel Geduld und Konsequenz und einem guten Trainer an der Seite bekommt man das hin.
    Wie schnell muss er denn an deinem alltäglichem Leben teilnehmen, da ich mir Busfahren und Besuch als problematisch vorstellen könnte.
    In "meinem" Tierheim ist es möglich, dass man seinen Hund schon für ein paar Stunden auf Probe bekommt, so dass man mit ihm mal andere Orte besuchen kann, schauen kann, wie er sich beim Autofahren benimmt, etc. Frag mal, ob das auch bei dir gehen würde

  • Guten Morgen!

    Mensch, da hast du dir ja was vorgenommen. Ich finde es klasse, dass du dich seiner annehmen willst. Wäre das dein erster Hund?

    Ich kann nur von mir sprechen: Würde ich einen Hund mit so einem Hintergrund aufnehmen, würde ich immer vom Schlimmsten ausgehen - und dann überlegen, ob ich damit zurecht kommen würde.
    Würde ich damit zurecht kommen, meinen Hund in "Ballungsgebieten", wo wir eventuell nicht leicht ausweisen können, vielleicht auch dauerhaft mit Maulkorb zu führen?
    Würde ich damit zurecht kommen, eventuell viel Geld auch in Einzeltraining zu stecken (und gerade am Anfang würde ich mir auf jeden Fall einen Trainer nehmen, um nicht erst später eventuelle Fehler wieder gerade zu biegen, sondern diese gleich zu vermeiden)? Genau so in kompetente Betreuung, wenn du mal keine Zeit hast und nicht einfach jeden mit dem Hund losschicken kannst?
    Würde ich mit dem Stigma zurecht kommen, dass ein großer, dazu noch aggressiver Schäferhund mit sich bringt?
    usw.

    Ich habe selber einen Hund, der nicht allzu sehr auf fremde Menschen steht, wenn er im Verhalten auch nicht so extrem ist, wie du es beschreibst. Und das ist einfach nicht die romantische, entspannte Hund-Mensch-Idylle, wie man sie sich vorstellt. Das ist Arbeit und Management und das sind hin und wieder extrem überspannte Nerven. Aber es lohnt sich, zumindest für mich.
    Ob du damit klar kommst, musst du selber wissen und da würde ich mich einfach erkundigen, was kommen kann.

    Liebe Grüße

  • Wenn Du viel Zeit und Geduld aufwenden kannst - und Deine Freunde und Familie ebenfalls - dann sollte es möglich sein, den Hund "gesellschaftsfähiger" zu trainieren. Aus eigener Erfahrung kann ich aber sagen, dass es möglicherweise nicht 100 %ig klappen wird. Leika hat eine ähnliche Vergangenheit - zwar nicht im Tierheim, sondern in Privathaltung - aber es wurde nichts mit ihr gemacht. Auch sie schloss sich sehr schnell an uns an, war aber sehr misstrauisch gegenüber Fremden - und das ist bis heute so geblieben.

    Ich würde den Hund an einen Maulkorb gewöhnen, den er insbesondere in Situationen wie im Bus oder in belebten Gebieten tragen sollte. Das dient zu seiner und zu Deiner Sicherheit, denn wenn es zu einem Beissvorfall kommen sollte, wärst Du immer der Dumme.

    Deine Freunde usw. würde ich in kleinen "Dosierungen" vorstellen. Alle briefen, den Hund nicht direkt anzustarren, nicht zu forsch auf ihn zugehen, sondern einfach mal hinsetzen und so tun, als ob da kein Hund ist. Eventuell wird er dann schon neugierig und kommt von selbst zum schnuppern. Dann bitte nicht gleich zugreifen und streicheln wollen, sondern einfach mal abwarten. Beim nächsten Mal dann vielleicht mit Leckerchen in der Hand - aber immer noch abgewandt - hinsetzen. Ein Trainer kann da sicher noch weitere Tipps geben.

    Man sagt zwar, dass Hunde kein wirkliches Gedächtnis hätten - aber das glaube ich nicht. Da bleiben schon Erinnerungen an blöde Situationen und die kommen immer wieder mal hoch. Wachsamkeit von Halterseite ist also auf Dauer extrem wichtig. Du musst und wirst lernen, den Hund "zu lesen" und proaktiv zu handeln. Dann wird das schon was....

    Gruss
    Gudrun

  • Für mich wäre erst mal interessantesten zu wissen in welchen Situationen er gebissen hat und wie ernst die Bisse waren..geschnappt oder richtig zugelangt? Dann würde ich mir die ganzen negativen Eventualitäten durchdenken die der Hund in Dein Leben bringen könnte und ernsthaft darüber nachdenken ob Du den damit verbunden Aufwand oder auch Verzicht dauerhaft leisten kannst und willst. Denn erst mal finde ich es total super daß Du darüber nachdenkst ihm ein neues Zuhause zu geben, aber ich denke dabei auch immer an den Hund (und das eigentlich zuerst) für den die Rückgabe eine neue Lebenskatastrophe wäre. Also lieber länger überlegen als für den Hund scheitern.

  • Ich habe hier auch so einen sitzen, der schon mal gebissen hat und dessen 4. Besitzer wir sind... es ist ganz wichtig, dass man weiß, in welchen Situationen er gebissen hat und wie er allgemein drauf ist.
    Dazu würde ich mich zusätzlich an einen Verhaltensspezialisten wenden, der den Hund einschätzen und Euch Tips geben kann. Am Besten bevor Du den Hund zu Dir holst!

    Bei uns gibt es zwei bestimmte Regeln, an die sich alle halten MÜSSEN! (1. Wenn der Hund liegt, darf in niemand anfassen; 2. Liegt der Hund ihm Körbchen, wird er in Ruhe gelassen) und Red ist an den Maulkorb gewöhnt, den ziehe ich ihm beim Auskkämmen über. Ihm wurde leider das Warnen abgewöhnt und wenn er sich bedrängt fühlt, weiß er sich wohl nicht anders zu helfen. Es ist allerdings schon besser, wenn er keine Lust mehr hat, geht er einfach weg.

    Inwieweit bindet er sich an eine Person? Red ist auch Papahund, aber er zeigt keinerlei Aggressionen gegenüber anderen Menschen, die sind einfach nicht interessant.

    Es ist schön, dass Du dem Hund ein Leben bei Dir ermöglichen willst, aber wenn es von beiden Seiten einen zu hohen Preis fordert und die Gefahr zu groß ist, ist er im TH wohl besser aufgehoben.

  • Ich halte viel davon, Hunden aus dem Tierheim ne x-Chance zu geben, hab hier selbst so ne Tierheim-Seele sitzen.
    Allerdings warne ich davor zu blauäugig an die Sache zu gehen. Es sind und bleiben Überraschungspakete, bei denen sich im neuen Heim viel im Verhalten ändern kann, sowohl zum Positiven aber auch zum Negativen. Spaziergänge oder die Einschätzung vom Tierheimpersonal ist für mich stets ein erstes Zeichen, aber sobald der Hund bei dir ist und später dann angekommen ist, sieht die Sache jeweils völlig anders aus. Darüber muss man sich vorher klar sein. Die Spannweite ist da sehr groß und man muss mit allen Eventualitäten leben können bzw. die Lust darauf haben Zeit und ggf. Geld zu investieren.

    Du solltest für dich entscheiden, was passiert, wenn er nicht gesellschaftsfähig wird? Was machst du dann? Es gibt Hunde, die sind auf eine Person fixiert und da wird es schwierig, wenn die Prägezeit rum ist, das zu ändern - in vielen Fällen kommt zwar eine Besserung zustande, aber unbekümmert wird so ein Hund sehr wahrscheinlich nie mit vielen Menschen auf einem Haufen umgehen können.
    Was machst du, wenn zu dieser Problematik noch andere kommen, die sich jetzt noch nicht mal abzeichnen? Unsauberkeit zum Beispiel, ein Hund, der im Zwinger gelebt hat, muss nicht unbedingt stubenrein sein - dann fängt das Training wie beim Welpen an.
    So ein Hund wird viel Anleitung durch dich brauchen, kannst du das zeitlich gewährleisten oder auch von deiner Persönlichkeit her, nicht jeder Mensch ist für jeden Hund geeignet? Auch die Umgebung kann entscheidend sein, tu ich dem Hund einen Gefallen, wenn ich ihn bei mir aufnehme, braucht er eher Ruhe oder kommt er auch mit der Innenstadt zurecht?
    Ist es wirklich nur Unsicherheit oder kommen da noch andere Dinge zusammen? Unsicherheit und nach-vorne-gehen ist ne Mischung, die gehandelt werden muss und die nicht unbedingt einfach ist.
    Das sind ein paar Fragen, die du für dich beantworten solltest.

    Die Zeit, die ein Hund im Tierheim verbracht hat, sagt nix über den "Schaden" aus. Der eine Hund ist mit einem Tag schon total fertig, der nächste verträgt es ganz gut.

  • Wir haben hier auch so ein Exemplar sitzen.

    Es ist Arbeit, viel Arbeit und teilweise auch Organisation. Wir können den Hund nicht länger abgeben, weil sonst keiner mit dem Gassi gehen kann. Mit viel Gewöhnung, Kennenlernen etc. an einen professionellen oder zumindest sehr erfahrenen Gassigänger würde es aber wahrscheinlich schon gehen. Er kann beispielsweise bei meinen Eltern, die er kennt, schon bleiben ohne uns, lässt sich auch von ihnen auf den Platz schicken, aber Gassigehen könnte keiner, weil er dazu draußen auch manchmal für andere zu unerwartet reagiert. Er lässt sich auch von Fremden erst mal nicht anfassen und wenn ihm was nicht passt, knurrt er etc. Bei unsicheren, unerfahrenen Leuten gibts da sicherlich ein Problem. In den Bus o.ä. würden wir nicht machen, und wenn, nur mit Maulkorb. Aber der Hund würde sich total unwohl fühlen und das wollen wir nicht. Aber daran könnte man den Hund sicherlich auch gewöhnen, wie schon gesagt, es ist halt Arbeit.

    Wir arbeiten auch seit Monaten dran, dass andere Menschen und andere Hunde nichts schlimmes sind. Bei ersterem arbeiten wir mit "Zeigen und Benennen", also bestätigen von ruhigem Verhalten und positiver Verknüpfung, bei anderen Hunden haben schon viele positive Kontakte, gemeinsame Spaziergänge etc. ausgereicht. Wir sind noch lange nicht fertig, aber es wird besser.
    Ob der Hund z.b. jemals mit auf eine Geburtstagsfeier kann (und sich dort auch nicht total unwohl fühlt), steht in den Sternen.

  • Klasse, dass Du Dich um ihn kümmerst!
    Einer meiner Hunde kommt ebenfalls aus dem Tierheim, saß 3 von 4 Lebensjahren dort, und hat mehrere Menschen ernsthaft gebissen, außerdem trainiere ich gerade mit diesen schon auffällig gewordenen Hunden sehr, sehr gerne. Aus dieser Erfahrung heraus würde ich Dir gerne einiges auf Deinen Weg mitgeben, unabhängig davon, ob Du es vielleicht eh schon tust:
    - lass Dir Zeit, jedes Training, jede Begegnung, jede Arbeit mit dem Hund passiert in Ruhe, mit Geduld, mit innerer, zufriedener Sicherheit. Lieber kein Training als ein gestresstes Training.
    - Du schreibst, "nur prägt er sich wohl immer auf eine Person und die gehört dann sozusagen ihm". Bindung ist toll, aber es sollte nie wieder sein Job sein, "seine" Bezugsperson zu kontrollieren/ verteidigen/ etc. Es ist wichtig, jeden Ansatz in dieser Richtung zu unterbrechen.
    - hab keine Erwartungen, wie gesellschaftsfähig der Hund werden soll, und erst recht keine zeitlichen Hoffnungen diesbezüglich. Was Du von dem Hund erwarten kannst, ist, dass er in Deiner Gegenwart andere Menschen ignoriert. Ob er jemals ein offener Hund wird, der sich womöglich noch über andere Menschen freut, steht in den Sternen.
    - Du willst mantrailen... schau, ob das wirklich das ist, was Deinem Hund liegt. Nasenarbeit ist natürlich super, die Frage ist, was macht er mit dem Opfer? Wie unsicher ist er tatsächlich, käme er damit klar? Wenn Ihr Euch fürs Trailen entscheidet, schau Dich nach einem wirklich guten Trainer in dem Bereich um, das ist oft nicht leicht, einen zu finden.
    - zur Frage der Fremdbetreuung: mach Dir erstmal bewusst, dass jede Fremdbetreuung aus Sicht eines Hundes völlig unnormal ist. Ein Hunderudel in freier Wildbahn trennt sich nicht einfach mal so für einen oder mehrere Tage. Manche/ die meisten Hunde kommen damit zurecht, ob genau Dein Hund damit zurecht kommt, lässt sich aber nicht vorhersagen. Es kommt auf die Sicherheit und Gelassenheit des Hundes an, auf die Betreuung, uvm.
    - unsichere Hunde brauchen Ruhe, Struktur und Sicherheit. Was davon könnte ihm Dein Studentenleben bieten? Wo wohnst Du? (Ich hätte meinen TH-Hund, von dem ich anfangs gesprochen habe, nicht in meine damalige Wohnsituation geholt, obwohl ich recht ruhig am Stadtrand gelebt habe. Selbst das wäre für ihn zuviel gewesen. Erst nach dem Umzug in die Pampas passte auch das, und ich habe mich für ihn entschieden.) Kannst Du ihm lange, tägliche und am besten schon morgendliche Runden bieten, die nicht nur durch Stadtgebiet, Stadtparks o.ä. führen? Welche Regeln vermittelst Du ihm, und ist gewährleistet, dass er bei Betreuungspersonen die gleichen Strukturen erlebt?

    Hast Du die Möglichkeit, jetzt schon vor Ort einen Trainer hinzuzuziehen, der sich Euch beide anschaut, der den Hund live kennenlernt und einschätzen kann, ob die Lebensbedingungen, die bei Dir auf den Hund zukämen, für ihn passt? Das lässt sich halt kaum übers Forum sagen; so genial ich es fände, wenn Du einem Hund mit "Vorgeschichte" ein Zuhause geben könntest, es muss halt auch so gut passen, dass das Risiko, dass der Hund doch nochmal abgegeben werden muss, weil er nicht mit diesen Bedingungen klarkommt, wirklich minimal ist, denn das ist in der Regel für die Hunde noch schlimmer als "nur" weiterhin auf den idealen Platz zu warten.

    Triff dem Hund zuliebe eine Entscheidung in seinem Sinne, ich drück die Daumen, dass diese Entscheidung dann auch ganz in Deinem Sinne ist! ;)

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!