Falsche Konditionierung...Mythos?

  • Hallo ihr alle!

    Folgende Frage stellt sich mir schon seit längerem...
    Sehr viele Menschen hantieren ja glücklich mit Clicker, Reizangel, Dummy, Leckerli und Co. Positive Bestärkung ist regelrecht "in".
    Ich bin da KEINESFALLS dagegen!!! Viele Sachen finde ich toll, sehr hilfreich, wirkungsvoll und ich freu mich total, wenn ich sehe, wie jemand mit seinem Hund so arbeitet und keine Leinenrucks und Co anwendet.
    Aber kann man da nicht genauso fehlkonditionieren wie mit den "gefürchteten" Wurfketten/Discs/Spraycommandern und Co?
    Also wenn ich z.B. clicker, wenn der Hund grad nen Jogger anschaut, vielleicht clicker ich, weil er sitz macht, aber er denkt sich "Hey, den würd ich gern jagen!"
    Versteht ihr was ich mein? Es besteht doch IMMER die Gefahr der Fehlkonditionierung, dass der Hund was missversteht, dass das Timing falsch ist. Und bei RICHTIGEM Timing kann z.B. eine korrekt angewendete Wurfkette ein tolles, einfaches Hilfsmittel mit großer Wirkung sein!
    Natürlich NUR (das will ich besonders betonen!), wenn es dem Hund angepasst ist. Denn die Individualität des Hund-Halter-Teams ist natürlich besonder beachtenswert und das Maß aller Dinge. Also z.B. könnte man unserem Sturkopfpflegi Raya so ne Kette vor die Füße knallen, das fänd sie vielleicht kurz beeindruckend, aber ganz sicher wär ich mir nicht. Andererseits haben wir auch mehrere Pflegis, denen man mit sowas nicht kommen kann, sonst haben die n Schock fürs Leben.

    Was meint ihr dazu?

    Liebe Grüsse

  • Natürlich, du hast recht, es kann immer zu Fehlverknüpfungen kommen. Ob du Hilfsmittel benutzt, oder sogar nur deine Stimme. Ob du Leckerchen einsetzt oder ein Spielzeug. Aber irgendwie muss man einen Hund doch konditionieren, er ist auf Lob angewiesen, egal in welcher Form, sonst wird er ja nie begreifen, was man von ihm möchte bzw. was richtig ist. Darum muss immer gut überlegt werden, wann man die Bestärkung einsetzt, und wie. Ansonsten könnte man nur ein Fehlverhalten bestrafen, aber wie macht man das, ohne einen Hund einzuschüchtern, ihn angstvoll oder agressiv zu machen. Eine Bindung würde gar nicht erst zustande kommen. Also muss man positiv bestärken. Und wenn der eine oder andere auch mal eine falsche Bestätigung gibt, so ist das immer noch besser, denke ich.

  • Nun wie heißt es so schön: Lieber 10x falsch bestätigt als einmal falsch bestraft.

    Natürlich kann man auch falsche Dinge bestätigen, wenn man zur falschen Zeit bestätigt oder halt nicht schnell genug war. Das ist zwar nicht schön, aber weit weniger gefährlich, als eine Fehlverknüpfung bei einer "falschen" Strafe. Eine durch falsches Lob entstandene Verhaltenskette kann man viel schneller wieder auflösen, als eine, die durch eine bestraftes Fehlverhalten zum falschen Zeitpunkt oder in der falschen Intensität entstanden ist.

    Nun um mal bei dem Beispiel Jogger zubleiben. Hund macht Sitz und schaut den Jogger an. Ich bestätige das nun, ich bestätige das der Hund sitzt. Auch wenn der Hund vielleicht denkt, den würde ich viel lieber jagen, bleibt er doch sitzen und wird dafür bestätigt. Das bedeutet, auch wenn der Hund nun denkt, ich hätte den gern gejagt bin aber geblieben und werde nun belohnt, dann ist das doch positiv und diese Belohnung wird sich auch positiv auf die Impulskontrolle des Hundes auswirken. Habe ich einen Hund, der Jogger für sein Leben gern jagt und ich sehe den Jogger, rufe meinen Hund ab, lasse ihn bei mir sitzen und bestätige das, währende der Jogger vorbei läuft und mein Hund bleibt sitzen, ohne das ich ihn jetzt festhalten muss, habe ich doch mein Ziel für den Moment erreicht, der Hund konnte seinen Impuls den Jogger zu Jagen wieder stehen und ist entsprechend auch dafür zu belohnen und dieses ist dann wieder ein Schritt weiter in seiner Impulskontrolle.

  • Bei der Gegenkonditionierung mache ich mir ja genau das zu Nutzen. Wenn der Hund immer hinter dem Jogger her rennt, bestätige ich ihn beim ersten Mal sofort dann, wenn er den Jogger erspäht. Er wird also für's schauen belohnt. Ich arbeite mich dann in der Belohnungs-Timing-Kette so weit vor, dass ich den Hund belohnen kann wenn er schaut und steht (oder sitzt) und so weiter und so fort bis ich ihn neben mir sitzen lassen kann und der Jogger vorbei rennt ohne Hund am Fersen.

  • Zitat

    Was meint ihr dazu?

    Liebe Grüsse

    Die Gefahr einer Fehlverknüpfung besteht immer. Auch, wenn Du ohne Hilfsmittel arbeitetst und z.B. mit einem "Nein". Auch dann kann es schnell passieren, dass Dein Hund das nicht auf das bezieht, was Du Dir gedacht hast ;)

    Und auch das Maß der Strafe ist immer eine schwierige Sache. Meiner Meinung nach Strafen die meisten gerade beim ersten Mal zu "lau". Wenn ich mir überlege, dass ich etwas als "Tabu" belege, dann rappelt es stimmungsmäßig beim erstenmal derart, dass der Hund deutliches Wegweichen und Abducken zeigt! Das darf auch gerne noch eine Weile anhalten...

    Im Grunde braucht man all die Hilfsmittel kaum, wenn man sich selbst richtig rüberbringt. Wenn der Hund gelernt hat, wann miese Stimmung ist und wann nicht. Dafür muss man allerdings auch selbst gut umschalten können. Und darf nicht nachtragend sein.

    Nach einem Donnerwetter kommt bei mir gar nichts. Weder eine andere Übung, noch was zum Wiederauflockern, auch keine Fortsetzung der miesen Stimmung. Einfach nix. Der Hund darf gern noch ein wenig darüber grübeln, aber aus mir wird er in dem Augenblick nicht schlau ;)

    Hab ich mir übrigens bei meinen Hunden untereinander abgeschaut...

    Viele Grüße
    Corinna

  • Zitat

    Und auch das Maß der Strafe ist immer eine schwierige Sache. Meiner Meinung nach Strafen die meisten gerade beim ersten Mal zu "lau". Wenn ich mir überlege, dass ich etwas als "Tabu" belege, dann rappelt es stimmungsmäßig beim erstenmal derart, dass der Hund deutliches Wegweichen und Abducken zeigt! Das darf auch gerne noch eine Weile anhalten...

    Stimmt. Wenn die Strafe punktgenau sitzt, und in der "Heftigkeit" angemessen ist, ist es sehr sehr wirkungsvoll. Ein Beispiel was mir dazu eben eingefallen ist, wäre, dass ich Lena an Tag 2 oder 3 mit den Vorderpfoten auf der Küchenplatte erwischt habe. Es gab ein gesalzenes verbales Donnerwetter und seit dem war sie nie wieder oben, habs sogar mit Leckerlies getestet, bleibt alles liegen.

    Strafen sind vermutlich immer dann zu lau, wenn man sich nicht sicher ist, ob die Strafe punktgenau und angemessen ist. Dann ist sie möglicherweise sogar weniger wirksam als gar nicht gestraft.

    Zum positiven bestärken und dem Beispiel mit dem Jogger: Ich müsste die VErhaltenskette ja weiter positiv bestärken. Also nicht nur "falsch" wenn der Hund den Jogger anguckt, sondern dann beim nächsten mal wenn er erst guckt und dann aufsteht. Doppelte Fehler sind aber vermutlich seltener.

    Ich würde auch (meine eigene Einschätzung) eine Strafaktion mit 10 Klicks gleichsetzen von der Wirkung. Ich müsste also 10 mal die Verhaltensette weiter falsch positiv belohnen, um den gleichen "Mist" hinzukriegen, als mit einer Strafe (bei meinem Hund möglicherweise sogar noch mehr, beim Hund meiner Eltern evt ein bisschen weniger). Positive Belohnung findet in kleineren Schritten statt als Strafe.

  • Wäre doch schön, wenn der Hund so viel "Will to please" hätte, dass sich nach einer positiven Rückmeldung sofort das gewünschte Verhalten etabliert.
    Tatsächlich ist es aber so, dass der Click im falschen Moment, z.B. wenn der Hund gerade losschießt um einen Jogger zu jagen, nur noch die Zugabe auf ein selbst gewünschtes und sich selbst belohnendes Verhalten ist. Der Hund isst die Schokolade sozusagen schon und ich lege nur noch ein Stück dazu.

    Durch eine Strafe dagegen wird ein Meideverhalten ausgelöst, dass sich je nach Hund nicht so schnell wieder auflösen lassen wird. Zumal eine Strafe, wie meine Vorschreiber schon bemerkt haben, immer so heftig ausfallen muss, dass sie auch ein deutliches Resultat erzielt.

  • Zitat

    Nun wie heißt es so schön: Lieber 10x falsch bestätigt als einmal falsch bestraft.

    Das finde ich sehr gut


    So ein Donnerwetter reicht eigentlich, zumindestens bei meinem Hund. Wenn ich ihn direkt bei etwas erwische, und dann richtig schimpfe, das macht er kein zweites Mal

    Allerdings muss man im allgemeinen ruhig und geduldig mit dem Hund umgehen. Wenn man bei jeder Kleinigkeit laut wird, dann verpufft so etwas natürlich

    Klaut Chandro einen Handschuh von mir der auf dem Stuhl liegt und will damit in den Garten, sage ich auch nur etwas strenger NEIN gehe hin, nehme das Teil und sage MEINS.

    Also kein grosses Geschimpfe.

    Erwische ich ihn allerdings so wie eben kopfüber im Brunnen um die ganzen Kabel für die Beleuchtung rauszuziehen, dann gibts schon ein grösseren Einlauf.

    Nun habe ich das Glück, Chandro beeindruckt das sehr, er sieht aus, als hätte ich ihn verhauen, und er macht es auch nicht wieder.

    Habe ich allerdings einen Hund, den das überhaupt nicht beeindruckt, tja, ich weiss nicht, aber dann würde ich mir wohl immer was einfallen lassen,das er selber schlechte Erfahrungen damit macht.

    Travis hat in letzter Zeit immer den Mülleimer geräubert, also hat mein Sohn leere Dosen so drapiert, das geht Travis dabei, sie laut scheppernd runterfallen.
    Das hat gewirkt, an den Mülleimer ist Travis nicht mehr gegangen.

    Der Jogger, ich lasse die Hunde absitzen, Jogger ist vorbei, dann lobe ich.
    Einmal ist Chandro hinterher, da gab es ein lautes Nein. Also hat er gelernt, die Leute nicht zu jagen, oder :???:

    Hilfsmittel.. zum einen besitze ich zu viel Ehrgeiz es auf normalem Wege zu versuchen ich hätte zu viel Sorge, das etwas schief läuft.

    Ich denke ein umlenken, so das der Hund begriffen hat das unerwünschtes Verhalten ihm nichts bringt , das erwünschte aber sehr wohl, bringt mehr, als wenn er nur aus angst und Schreck etwas NICHT tut, was er auch nicht soll.

    Ich hatte einen Welpen und gehe davon aus, alles irgendwie schon hinzubekommen, auch wenn ich manchmal ziemlich verzweifele.

    Was allerdings wenn man einen " vorbelasteten " Hund zuhause hat, da muss man wahrscheinlich auch mal Hilfsmittel einsetzen, gewaltfrei natürlich. Also ich rede hier nicht von Teletak, Stachelwürger und Co.

    Aber da würde ich mir dann wohl auch professionelle Hilfe holen, um sicher zu sein, das eben nichts falsch verknüpft wird.

    Ob ich leicht reden habe, bestimmt nicht. Ich habe schon sehr viel geheult, Verletzungen gehabt und eine absolute Stresszeit hinter mir, ich wünschte mir manchmal gedanklich, ihm eine Kette vor die Pfoten zu werfen, aber ich habe es zum Glück nicht getan.

    Ich möchte, das mein Hund Vertrauen zu mir hat, und keine Angst

  • Also ich habe meine Hündin definitiv falsch konditioniert.

    Ich benutze jetzt schon seit längerer Zeit den Clicker nicht mehr, denn sobald ich den in die Hand genommen hab ist sie völlig übergedreht. dann konnte sie sich nicht mal mehr konzentrieren.

    Wenn das der erste Klick kam, war es echt vorbei... sie war einfach nur hibbelig und nach 5 Klicks fast schon ein nervliches wrack. es ging zum teil sogar so weit, dass sie vor lauter hibbelei nichtmal mehr ihr leckerlie wollte...

    Ich hab dann versucht sie zu sensibiliseren, also immer mal wieder den clicker in die hand nehmen und nichts damit machen, nur rumtragen, aber es war das gleiche. mein hund klebte an mir war nicht mehr zu beruhigen, einfach nicht schön.

    vor ca 2 wochen hatte ich den clicker zufällig wieder in der hand beim aufräumen und Numa hat das mitbekommen und es war auch wieder so. obwohl wir seit monaten nicht mehr damit gearbeitet haben.

    Ich finde den Clicker an sich sehr sinnvoll, aber wie ich gemerkt habe, hat er auch sein grenzen.

  • Zitat

    Nun wie heißt es so schön: Lieber 10x falsch bestätigt als einmal falsch bestraft.

    Absolut richtig!

    Strafe ist NUR effektiv wenn sie effizient angewendet wird!
    Das heißt:

    - Punktgenau
    - Strafereiz ist abgestimmt mit der Strafhandlung (nicht mit Kanonen auf Spatzen schießen)
    - kein Nachtragen

    Hat man wirklich richtig gestraft, das kann man daran erkennen das man, wenn man WIRKLICH Effizient gestraft hat, Strafe nur ein bis höchstens zweimal anwenden muss! DAS war dann Wirklich effektiv!

    Die meistens verwendete Strafe die ich so sehe (und manchmal auch selbst praktiziere denn wer ist schon perfekt?) ist meistens nichtmal eines von den Aufgezählten Punkten sondern dient lediglich des Stressabbaus des Strafers bzw. zum "Luftablassen" und bringt seine Unfähigkeit, Angst und Unsicherheit die allem zu grundeliegt zum Ausdruck.
    Jeman der wirklich effektif und effizient Strafen KANN der ist nicht unsicher und brüllt drauf los, sondern brinkt Punktgenau DAS vor was eben gerade ist und danach kommt nichts.
    Danach kann ruhig erstmal Ruhe sein oder nach kurzer Zeit wieder etwas initiiert aber nicht negativ gepolt.
    Das ist wie "Und jetzt geh bitte auf dein Zimmer und denk drüber nach".
    Und bringt eine Menge, weil selbst auch der Hund denken kann und denken wird...
    Wenn es danach wieder ok ist, ist es auch okee und in Ordnung.
    jahrelanges Anschweigen, Ignorieren und weiterhin Böse sein bringt eher das Gegenteil.

    Da die wenigsten eben nicht richtig Strafen können, würde ich auch eher sagen, bestätige lieber falsch und schaffe dir ne fehlverknüpfung als das du ständig rumstrafst und es dir nichts bringt.
    Außer Bad-feeling für dich und noch viel schlechterer Luft in der Mensch-Hund-Beziehung.
    Denn Strafe die nicht effizient und gut gemacht ist, bringt unsicherheit, Angst und Willkür in die Beziehungs und Vertrauensebene und zudem muss man immer und immer und immer wieder bestrafen.
    Und das schlimme dabei ist auch noch: das man gegen Strafreize abstumpfen kann!
    Das bedeutet mit der Zeit muss man immer mehr und mehr Strafen bzw. auch härter Strafen und wird es auch tun weil man in einen Teufelkreis gerät.
    Da wird aus leichtem rucken, rucken bis Hund durch die Gegend fliegt , dann kommt noch lauteres Gebrüll dazu und irgendwann sinnmer bei Dauerrucken und Dauerbrüllen.

    Aber beim Fehlkonditionieren beim Clickern oder belohnen, da ist es zwar MIST und man hat arbeit das wieder "loszuwerden" ABER es schädigt weder der Beziehung und dem Vertrauen, noch dem Hund!

    Im übrigen würde ich zusätzlich noch sagen das Strafen auch NUR in bestimmten Situationen SINN macht.
    Dafür muss man Wissen aus welchen gründen handlungen ausgeführt werden und schauenw as drunterliegt!
    Bei Angstaggression würde ich z.B. NIE auf die Idee kommen den Hund zu Strafen!
    Beim Klauen vom Tisch allerdings, da rappelt es schonmal und zwar die "Falle" :P Und nicht ich... was man auch unter Effektiver und Effizienter Strafe verstehen kann!
    Da der Hund ansonsten das mit MIR und meiner Anwesenheit verbinden kann und somit wenn ich NICHT im Raum bin trotzdem klaut, das tun machen, selbst mit perfektem Timing.
    In dem falle war es nicht Effizient genug um Effektiv zu sein.
    Da kann dann z.B. ne "Falle" helfen.

    Strafe ist eben ein sehr komplexes Thema und nur weil ich brüllen und schlagen kann auf jemand anderen heißt es noch lange nicht das ich richtig Strafen kann. Leider wird das oft verwechselt - weil es "anscheinend" ja auch wirkt... kurzfristig in der Situation UND für den Strafer selbst!

    Nina

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