ANTI-JAGD-TRAINING oder Dr. Jekyll und Mr. Hyde

  • Was mich mal interessieren würde, ist Jagd gleich Jagd?

    Oder gibt es da hinsichtlich der Beute echte Unterschiede? Ich dachte eben immer, dass ein Jagdhund grundsätzlich alles jagt.

    Ich warte ja täglich auf den großen Ausbruch bei meinem RR. Aber da tut sich nichts. Frische Spuren ( ich sah den Hasen noch weghoppeln) = keine Reaktion. Eine Familie Rehe im Unterholz, ca 15 Meter entfernt, nichts. Kein Naseheben, null. Hasen sieht er grundsätzlich nie. Mäuse interessieren ihn auch nicht besonders. Steckt mal die Nase rein ins Loch, das war’s. Keine nennenswerten Buddelansätze.

    Da ich noch nie einen Jagdhund hatte, versuche ich weiterhin sein Jagdinteresse zu erkunden, um reagieren zu können, bevor es sich manifestiert. Deswegen habe ich festgestellt, dass Eros eher der Bewegungsreizjäger ist. Immer noch liegen Vögel in seinem Interesse weit vorn. Kleine Vögel, die auf dem Weg sitzen, lässt er bei guter Aufmerksamkeit meinerseits, inzwischen in Ruhe. Da fixiert er kurz, ich sage Nein, er bleibt stehen, dreht sich zu mir und wartet entweder bis ich zu ihm komme oder er läuft zu mir, um sich den Keks zu holen. Der Vogel ist dann meist weg.

    Schwieriger sind gerade die größeren Vögel auf den abgemähten Feldern, Krähen, Gänse, Störche, Reiher, alle meist weiter weg. Für Eros aber sehr interessant. Wenn er dürfte, würde er die schon gern aufscheuchen.

    Nun habe ich mal gelesen, dass RR auch Vogelhunde waren/vielleicht noch in anderen Ländern sind.

    Ich kann mir nur wenig darunter vorstellen und dachte immer, dass es Retriever oder Spaniels sind, die das geschossene Federvieh holen. Kann mich da jemand aufklären?

    Also, Eros ist da auch nicht unkontrollierbar, ganz und gar nicht. Ich schreibe es nur, weil es bisher das einzige Jagdintresse ist, was er hat. Wir gehen ja öfter mal mit einem echten Jagdhund in Ausbildung Gassi und wenn der eine Spur hat marschiert er los. Eros bleibt dann nach einer Weile stehen und schaut mich fragend an. Ist nicht seins 😜

    Gibt es also so Spezialisten, die sich für andere Beute gar nicht interessieren? So ein Allrounder ist der Ridgeback ja eh nicht. Ich glaube vorstehen kann er gar nicht.

    Andere Frage noch. Endet die Jagd immer mit dem Tod der Beute? Ich frage mich das, weil es ja viele Hunderassen gibt, die darauf selektiert wurden das (meist Groß-) Wild nur zu stellen und festzuhalten. Also eigentlich dürften sie es doch gar nicht attackieren, oder? Oder muss man ihnen das beibringen?

    Sorry für meine dummen Fragen 🙈

  • Sind keine dummen Fragen!

    Jagen besteht ja aus einer ganzen Abfolge von Sequenzen.

    Je nach Rasse sind die einzelnen Sequenzen stärker herausgezüchtet und fixiert. Das Verhalten wird also verstärkt gezeigt.

    Sei dies das Vorstehen bei einem Setter, oder das Stöbern bei einem Spaniel, das Aufnehmen und bringen bei Retrievern, das Anpirschen und fixieren bei gewissen Hütehunden etc

    Diese Sequenzen - also die Verhaltensweisen - zeigt der Hund verstärkt, damit wird gearbeitet. Diese Verhaltensweisen können aber auch Probleme machen. Eben WEIL sie genetisch so stark verankert sind.

    Die Wildschärfe ist bei einigen Rassen noch stark vorhanden und gewollt. Aber sich diese Hunde müssen mit Verstand an die harte Arbeit am Tier herangeführt werden. Das Niederziehen von verwundetem Wild zB ist für den Hund gefährlich und ein harter Job.

    Viele Hunde haben ein individuelles Beutespektrum. Sei dies, dass einer vor allem auf Mäuse geht, ein Anderer auf Vögel, oder nur auf Rehe. Da kann die Genetik mitreden, oder aber auch einfach das Individuum.

  • Zum Beitrag von wildsurf noch als Ergänzung:

    Die Spezialisierung ist zwar ausgeprägter (sonst würde die Selektierung ja sinnlos sein), aber:

    Es ist das gesamte Paket des Jagdverhaltens verankert im Gehirn, also jede einzelne Sequenz wird immer "mit geliefert".

    Ob ein Hund alle Sequenzen - bis hin zum Tod der Beute - auch ausführt, hängt dabei tatsächlich vom Hund, der Beute und den Umständen ab.

    Mein Hund Amigo hat mal ein Huhn getötet - dabei ist er doch (O-Ton Rütter): "... darauf spezialisiert, die verletzte Ente zum nächsten Sanitäter zu bringen.".

    Jegliche Spezialisierung auf Jagd bringt mit sich, dass das Jagdverhaltensspektrum sehr dicht an der Oberfläche des Gesamtverhaltens "schwimmt" - es kann also leichter in Gang gesetzt werden, als bei Hunden, die diese Spezialisierung nicht haben.

    Damit ist natürlich auch das Bedürfnis nach Jagderleben bei diesen Hunden größer.

    Übrigens endet nicht jede Jagd mit dem Tod der Beute - es reicht auch, die Beute so kampfunfähig zu machen, dass sie gefressen werden kann.

  • Und dein RR ist ja auch noch verdammt jung. Meine Jagdsau hatte als Welpe und bis fast ein Jahr kaum Interesse an Wild. Auch Blätter, Vögel usw waren nie wirklich spannend. Hier ging es erst so langsam los, als er sich auch für die Damenwelt interessiert hat mit ca 1 Jahr und hatte (trotz Training von Anfang an) seinen Höhepunkt mit ca2 Jahren. Jetzt ist er 3 und im letzten halben Jahr wurde er wohl tatsächlich erwachsen, kann sich deutlich besser beherrschen und das wirkt sich auch auf das Jagdverhalten aus. Also bei einem ca halben Jahr alten Hund würde ich mich noch freuen, dass jagdliches Interesse fehlt, aber noch nicht zu optimistisch sein, dass das so bleibt.

  • Oder gibt es da hinsichtlich der Beute echte Unterschiede? Ich dachte eben immer, dass ein Jagdhund grundsätzlich alles jagt.

    Also mein Pointer differenziert schon sehr stark, was er da vor der Nase hat. Auf Rehe, Hasen oder Kaninchen springt sie extrem an. Vögel interessieren sie größtenteils nicht, außer Fasane und Rebhühner, da sind anfangs komplett die Sicherungen raus geknallt. Füchse würde sie theoretisch auch jagen, verhält sich da aber ganz anders als z. B. bei einem Reh. Mäuse sind eher unspannend, Gehegewild ignoriert sie grundsätzlich. Ich erkenne auch wenn sie eine Spur findet oder was wittert, welches Tierchen sie da in der Nase hat.

  • Und dein RR ist ja auch noch verdammt jung. Meine Jagdsau hatte als Welpe und bis fast ein Jahr kaum Interesse an Wild. Auch Blätter, Vögel usw waren nie wirklich spannend. Hier ging es erst so langsam los, als er sich auch für die Damenwelt interessiert hat mit ca 1 Jahr und hatte (trotz Training von Anfang an) seinen Höhepunkt mit ca2 Jahren. Jetzt ist er 3 und im letzten halben Jahr wurde er wohl tatsächlich erwachsen, kann sich deutlich besser beherrschen und das wirkt sich auch auf das Jagdverhalten aus. Also bei einem ca halben Jahr alten Hund würde ich mich noch freuen, dass jagdliches Interesse fehlt, aber noch nicht zu optimistisch sein, dass das so bleibt.

    Also wachsam bleibe ich definitiv.

    Witzig ist, dass mein Hund dann direkt vor dem Tier (nehmen wir mal ein Pferd oder eine Katze) scheut und Meideverhalten zeigt. Das wird noch interessant.

    Meine Jagdbegleitung meint immer, Eros weiß gar nicht, was er machen soll. Das würde aber bedeuten, wenn man es ihm nicht zeigt, macht er es nie. Denke aber eher, es ist ein Instinkt, der eben irgendwann hervor bricht. Allerdings hat mein Hund eine ausgesprochen ruhige Art und von Haus aus eine gute Impulskontrolle. Wir können ewig Vögel beobachten, ohne dass er hin will oder fiept o.ä.

    Die Damen werden so langsam auch spannender, zumindest braucht er schon länger zum Schnüffeln und Markieren.

    Da RR auch äußerst spätreif sind, kann alles natürlich länger dauern.

  • Meine Jagdbegleitung meint immer, Eros weiß gar nicht, was er machen soll. Das würde aber bedeuten, wenn man es ihm nicht zeigt, macht er es nie.

    Nein.

    Wenn du Pech hast, bricht es dann so richtig vehement in der Pubertät aus. Pubertät ist ein Entwicklungsstadium, in dem die Hormone quer und alles Mögliche ins Hirn schießen - wenn du Pech hast, hast du in dieser Phase hormonell (also nicht mehr kontrollierbar) getriggert einen Hund, der durch Zufall seinen ersten Jagderfolg hat (was auch aus reinem Hetzen bestehen kann, was für einen Dopaminausstoß sorgen kann, den der Hund zeitlebens nicht vergisst ... und deshalb immer wieder auf der Suche danach bleibt).

    Du hast einen RR - es ist also sehr wahrscheinlich, dass bei diesem Hund das Bedürfnis auf Jagd höher liegt als bei Nicht-Jagdhunden.

    Ich rate dir, schon vor der Pubertät den Grundstein für Teamjagd (also mit dir) auf Beute zu geben, die du als jagdattraktiv belegst.

    Damit zu deiner Frage:

    Oder gibt es da hinsichtlich der Beute echte Unterschiede? Ich dachte eben immer, dass ein Jagdhund grundsätzlich alles jagt.

    Er jagt alles, was ihm lohnenswert scheint.

    Was für ihn lohnenswert ist, hängt von den Erfahrungen ab, die er gemacht hat.

    Auf diese Erfahrungen hat der Mensch maßgeblich Einfluss.

    Legst du vor der Pubertät den Grundstein für kontrolliertes Jagen mit dir im Team, hat der Hund schon mal im Kopf, dass er sein Bedürfnis auf Jagd zusammen mit dir befriedigt bekommt. So "ganz nebenbei" bringt das gemeinsame Jagdtraining auch solche Bausteine wie Impulskontrolle, Anweisungen des Teampartners beachten etc. mit sich.

    ................

    Jeder Hund kann auch alleine lernen. Ist nur fraglich, ob das was er dann lernt auch das ist, was ich mir als Ergebnis wünsche.

    Ich lerne lieber beizeiten mit ihm gemeinsam, weil so die Aussicht darauf zu Lernen, was ihn für mich einschätzbar, kontrollierbar und vor Allem umweltkompatibel macht auch größer ist.

  • Genau so würde (bzw habe) ich das auch handhaben bei einem Hund, bei dem ich mit Jagdtrieb rechne. Ich war sehr froh, dass ich von seinen Jagdambitionen dann nicht überrascht wurde und wir schon gute Grundlagen erarbeitet hatten.

    Unterschiede was er wie lohnend findet gibt es hier auch ganz gewaltig. Hase, Kaninchen, Katze und Eichhörnchen sind hier der absolute Endgegner, Wasservögel komplett uninteressant, größere Vögel wie Krähen z. B. sind ausschließlich spannend wenn er komplett drüber ist usw. Denke das ist wohl eher normal und Hunde die wirklich auf alle Bewegungsreize, Gerüche, egal welches Tier anspringen, dürften in der deutlichen Unterzahl sein.

  • Wäre eine jagdliche Teamarbeit Dummyarbeit? Das machen wie nämlich, wenn auch im Moment ein wenig eingeschränkt, wegen Hitze und Unlust meines Hundes. Habe aber vor, das in Richtungen Herbst auszubauen, wenn die Hormone mitmachen 😁

  • Ich bin absoluter Befürworter von Apportierarbeit, weil die Übungen so vielfältig gestaltet werden können, dass mit Ihnen tatsächlich alle Jagdverhaltenssequenzen bedient werden.

    Warum bis Herbst warten?

    Zwei schöne, knackige, wohlüberlegte (den bisherigen Fähigkeiten des Hundes angepasste) Apportaufgaben reichen auch aus.

    "Das beste Trainingsergebnis erzielt man dann, wenn man aufhört wenn es am Schönsten ist."

    Das ist an manchen Tagen halt schon mal nach 2 kurzen Übungen, an anderen Tagen nach 4 (umgangreicheren) Übungen - hauptsache, es wird aufgehört bevor der Hund keine Lust mehr hat.

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