ANTI-JAGD-TRAINING oder Dr. Jekyll und Mr. Hyde

  • drums030


    Da fehlt ein wenig was.


    Stell dir mal vor, du kannst noch nicht Auto fahren. Du weisst zwar was ein Auto ist, aber selbst noch nie am Steuer gesessen.


    Dein Fahrlehrer sagt in der ersten Fahrstunde:

    "Voilà, da steht ein LKW mit Anhänger. Bitte zuerst auf die Autobahn, dann raus, um den Kreisel und rückwärts in die schmale Gasse parkieren! Und das bitte innerhalb von 5min."



    Das wird nicht klappen. Auf keinen Fall.



    Also: das Zauberwort? Basics.


    Immer diese Basics 😉


    - ein Abbruchkommando muss ganz in Ruhe korrekt auftrainiert werden. Wirklich richtig trainiert. Nicht nur so ein bisschen äh äh mit Keksen und fertig. Das muss sitzen, der Hund auf jeden Fall nach dem Abbruch seine Handlung unterbrechen. Dann passt es und kann situativ angewendet werden.


    - abwenden von Reizen fängt man im Kleinsten an! Im Alltag, Schwache Reize, abwenden, markern. Bis abwenden normal wird.

    Weil abwenden von Wild ist die Königsdisziplin. Das ist rückwärts einparken eines LKWs mit Anhänger!


    - wir üben zB gerade an Singvögeln. Die sind ja jetzt wieder sehr fleissig unterwegs. Mein Hund sieht jeden! Und daher sind das super Objekte, um sich abwenden zu üben und zu markern.


    - Impulskontrolle. Das liest man ja so oft. Und vernachlässigt es doch permanent.

    Für Nevis zB ist der Impuls, einem interessanten Geruch nachzugehen sehr gross. Jedes von sich aus verharren und nicht sofort wegsausen wird da von mir eingefangen und gemarkert.


    - Fokus auf mich. Nein, er muss natürlich nicht wie ein Satellit um mich kurven und mich permanent angucken. Aber bitte immer wieder mal Blick zu mir, mich in seine Welt miteinbinden. Bedeutet aber, dass ich auch mitarbeiten muss und wenn er sich mir schon zuwendet, darauf auch eingehen sollte. Sonst ist das eine unfaire Einbahnstrasse und wird nichts bringen.

  • wildsurf Hab vielen Dank! Du hast vollkommen recht, wir haben ungefähr 100 Baustellen mit denen ich mich versuche aktiv zu beschäftigen, jagen habe ich bisher versucht wegzuschieben..


    Fokus auf mich ist schon seit Monaten ein Thema an dem wir versuchen zu arbeiten. An manchen Tagen läuft es relativ gut, an anderen bin ich Luft..


    Auch Impulskontrolle versuche ich mit den ‚Standardübungen‘ immer wieder zu trainieren.


    Nochmal zum Abwenden: Wir machen das natürlich auch bei anderen Dingen, er hat bspw. einen Faible für draußen rumliegende Taschentücher. Das klappt auch oft ganz gut. Wäre das etwas, dass du zB clickern würdest? Denn zugegebener Maßen belohne ich solche Dinge oftmals nur verbal.

  • nimm dir ein Baustelle nach der anderen vor. Arbeite wie wildsurf schon sagt an den basics. Das ist der Grundstein auf dem nachher deine ganze Arbeit aufbaut und viele "baustellen" verlieren sich dann oft selbst (und andere kommen hinzu :rolling_on_the_floor_laughing: )


    Ich hab zum Beispiel 1-1,5 Jahre nut basics bearbeitet um bei uns auf dem aktuellen Stand zu sein (100% Freilauf in feld und Wald,abrufbar von wild selbst direkt vor der Nase und halten der Kommandos unter großer ablenkung)


    Belohne wie es für deinen Hund am besten ist und wie er am beste reagiert. Hier zb werden draußen jegliches an leckerchen abgelehnt, gelobt wird nur verbal - und da das richtige zu finden da muss man schauen (am meisten wird sich gefreut wenn ich mir nen ast ab freue, dann merkt man richtig wie er stolz rum spaziert und weiss er hat was gut gemacht)


    Fokus - Wenn du merkst er entgleist dir,lenk ihn um. Hier ist fährten das absolute none plus ultra (schon immer gewesen). Also lernt der Wutz im spielerischen das ich immer die "besseren" fährten und Ziele hab - zeig ich was an dann ist der bei mir denn am Ende ist irgendwas tolles was er mag/gerne macht - so lenk ich ihn um und arbeite gleichzeitig mit ihm zusammen wo er merkt das er mehr davon hat als wenn er alleine los zieht


    Versuch mit Übungen spielerisch zu wechseln, das gleiche mehrmals hintereinander und der Dackel blockiert weil er keinen Sinn mehr hinter der Aufgabe sieht und sucht sich dann was eigenes

  • nimm dir ein Baustelle nach der anderen vor. Arbeite wie wildsurf schon sagt an den basics. Das ist der Grundstein auf dem nachher deine ganze Arbeit aufbaut und viele "baustellen" verlieren sich dann oft selbst (und andere kommen hinzu :rolling_on_the_floor_laughing: )

    Danke für deinen Input, noch dazu aus dem Leben mit einem Dackel wie er hier auch sitzt.

    Gerade deshalb würde mich sehr interessieren, wie du Dinge wie Abbruch / Abwenden von Spannendem trainiert hast! Würde mich freuen wenn du dazu und vielleicht auch zum Thema RR etwas berichten würdest, gerne auch per PN weil etwas off-topic. Und auch zum Thema Aufbau der Fährtenarbeit wäre ich an deinen Erfahrungen sehr interessiert! 😊

  • weil es hier jetzt gleich direkt nacheinander kam mit dem Umorientientieren. Sollte das sein oder "reicht" es auch, wenn der Hund zumindest nur fixiert und den Reiz aushält, ohne hinterher zu gehen?

    (ich frage, weil ich meiner Hündin zwar lobend sage, dass ich gesehen habe, dass sie etwas sieht und das sie mir das toll gezeigt hat, aber sie "entscheidet" dann selbst, wann sie sich abwenden und sich den Keks abholen kann. Mir persönlich ist das auch egal, ob sie da länger steht und schaut, manchmal setzt sie sich sogar hin, um gemütlicher gucken zu können. Gucken darf sie. Ist das ok oder komme ich damit in Teufelsküche?)

  • Das kommt sehr auf den Hund an.


    Je nach Energie, die sich da staut. Oder was der Hund an Aktionen noch hinterher liefert. Was für Absichten er hat und wie er auf Reize anspringt.


    Es ist sehr individuell. Auch je nach Situation.



    Manchmal sage ich auch einfach; danke, habs gesehen, wir gehen weiter.


    Oder ich sage; nö du, da gehen wir nicht durch. Los komm, weiter.


    Andere Situationen brauchen andere Reaktionen.


    Grundsätzlich: so viel wie nötig, so wenig wie möglich. Alles Andere ist Spam 😉

  • Mach ich normal auch. Wurmt mich ein bisschen, dass ich das heut verbummelt hab. Zu meiner "Entschuldigung" kann ich nur sagen, dass ich auch erstmal geschaut hab, warum sie weiterhin starrt und dann das Timing nicht mehr gepasst hat.

    Ich habe für solche Momente ein „kannst du schauen?“. Das ist kein Kommando, sondern wirklich eine Frage, ein Vorschlag. Den bringe ich gerne, wenn ich weiss, dass Vespa nicht sicher umorientieren kann. Guckt sie, tolle Belohnung. Guckt sie (noch) nicht, frage ich kurz darauf nochmal und warte bis die Spannung genug niedrig ist.


    In deinem Fall hätte ich also das benutzt und mich dann gefreut wenn sie es kann.

  • weil es hier jetzt gleich direkt nacheinander kam mit dem Umorientientieren. Sollte das sein oder "reicht" es auch, wenn der Hund zumindest nur fixiert und den Reiz aushält, ohne hinterher zu gehen?

    (ich frage, weil ich meiner Hündin zwar lobend sage, dass ich gesehen habe, dass sie etwas sieht und das sie mir das toll gezeigt hat, aber sie "entscheidet" dann selbst, wann sie sich abwenden und sich den Keks abholen kann. Mir persönlich ist das auch egal, ob sie da länger steht und schaut, manchmal setzt sie sich sogar hin, um gemütlicher gucken zu können. Gucken darf sie. Ist das ok oder komme ich damit in Teufelsküche?)

    Ich unterscheide da auch je nach Situation und Hund.


    Ist der Reiz sehr stark und der Hund unerfahren, reicht ein gucken für mich sicher - mehr kriegt man ja nicht ohne massive Einwirkung. Ich arbeite dann mit dem gucken und auch gemeinsam gucken und Kekse reinschieben weiter. Kann der Hund bereits gucken und nicht losrennen und ist das recht gefestigt, wird die Umorientierung schneller kommen. Irgendwann kann ich sie dann auch verlangen. Inkl. Gehorsam. Beispiel von heute: Vespa sieht ne Katze auf dem Gehsteig vor uns. Schleicht drei Schritte und steht, fixiert. Ich lass sie 2,3 Sekunden, dann verlange ich Umorientierung. Kriege sie, Superkeks rollt in die andere Richtung. Also bedarfsgerecht belohnt. JETZT verlange ich Gehorsam, nehme sie ins Fuss und gehe an der Katze in 2-3m Distanz vorbei. Vespa angespannt, macht es aber gut. Wenn wir vorbei sind, gibts mehr Futterbelohnung. Spannung sinkt, Hund darf normal voraus weiter. Hätte ich das vor 2 Jahren machen können? Nein. Da hätte ich länger auf Umorientierung warten müssen. Und ich wäre einen Umweg gegangen nachher, sicher nicht so an der Katze vorbei. Will ich das in Zukunft so? Nein: Ziel ist, dass das Fixieren irgendwann quasi sofort abgebrochen werden kann, Hund sich umorientiert und ohne Theater an dem Tier vorbeigeht.


    Ich kann das einfach nicht in jeder Situation gleich handhaben. Je nach Distanz, Tagesform, verbliebener Impulskontrolle, Reiz, Tier, eventueller Bewegung usw muss ich meine Forderungen anpassen.


    Gemeinsames Gucken als Belohnung kannst du auch gut als bedarfsgerechte Belohnung einsetzen wenns für dich stimmt. Ich will das aber z.B. bei Katzen nicht. Bei Rehen oder Vögeln machen wir das aber.

  • Lieben Dank, wildsurf und Looking!

    Eure Beschreibungen bestärken mich, dass das, was ich da gerade fabriziere nicht vollkommen unsinnig ist sondern durchaus in die richtige Richtung geht.

    In das Beispiel mit der Katze kann ich mich sehr gut hineinfühlen, ich denke, auf diesem Weg geht es für uns auch weiter.

  • Ich möchte einen für uns tollen Erfolg teilen. Wir haben gestern einen Sprung Rehe getroffen, die in 30-40m Entfernung von uns auf einem Feld ästen.

    Luvi hat sie gesehen, sich kurz angespannt, aber beim Stehen bleiben sofort den Körperschwerpunkt wieder nach hinten verlagert, etwas Spannung rausgenommen und geschaut. Als die Rehe uns bemerkt haben und abgesprungen sind, hat der Hund kurz 1-2 gehemmte Schritte nach vorne gemacht, sich auf mein Abbruchkommando sofort hingesetzt und ruhig beobachtet wie die Rehe quer über das Feld im Wald verschwunden sind.

    Danach konnte er sich zu mir umdrehen und eine Belohnung einfordern.


    Das hat mich sehr gefreut, denn normalerweise ist der Moment in dem der Frust über den Kontrollverlust reinkickt, also das Wild nicht mehr sichtbar ist, bei ihm kritisch und manchmal kracht er dann noch in die Leine. Dieses Mal musste er sich gar nicht groß aufregen, sondern hat sich in der Hoffnung auf weitere Kekse für entspanntes Verhalten hingesetzt und abgewartet.


    Geht es eigentlich auch anderen so, dass Wildbegegnungen am Tag nach Jagdersatztraining deutlich positiver verlaufen?


    Erst hatte ich nur ein diffuses Gefühl, dass das einen großen Unterschied macht. Deshalb habe ich das in letzter Zeit mal aufgeschrieben und siehe da: Am Tag nach dem Training ist Luvi viel entspannter und kontrollierbarer am Wild. Haben wir mehr als eine Woche nicht trainiert, erscheint er mir deutlich frustrierter und aufgeregter, wenn er sein Jagdverhalten nicht ausleben darf.

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