Warum ist meine Hündin so nervös?

  • Mir fällt noch ein, da ihr ja schon einiges ausprobiert habt: bleibt mal dabei. Also bei einer Sache.

    Mal so, mal so ist wie Glücksspiel: macht süchtig.

    Ignorieren lässt die Hündin in der Luft hängen, macht es ihr also unnötig schwer.

    Auf Gewinsel und Gefiepe würde ich definitiv nicht mehr mit Beschäftigung reagieren sondern nur noch dem Hund vermitteln, dass er nicht dran ist.

    Denn der Zweifel "ich könnte ja doch noch mal dran sein!" scheint die Hündin ja zu haben.

  • Mir fällt noch ein, da ihr ja schon einiges ausprobiert habt: bleibt mal dabei. Also bei einer Sache.

    Mal so, mal so ist wie Glücksspiel: macht süchtig.

    Ignorieren lässt die Hündin in der Luft hängen, macht es ihr also unnötig schwer.

    Auf Gewinsel und Gefiepe würde ich definitiv nicht mehr mit Beschäftigung reagieren sondern nur noch dem Hund vermitteln, dass er nicht dran ist.

    Denn der Zweifel "ich könnte ja doch noch mal dran sein!" scheint die Hündin ja zu haben.

    Ja, das stimmt. Glaube es ist noch nicht so klar, wie man dem Hund vermittelt, dass er nicht "dran" ist, es jetzt also Ruhe einkehren soll. Wie schon von anderen angesprochen, wahrscheinlich durch klares, ritualisiertes kommunizieren. Auf das fiepen eingehen war bislang immer nur mit noch mehr Unruhe verbunden. Was eben zu dem Ignorieren geführt hat, was halt auch nichts nützt. Besser ist wohl also drauf reagieren, aber richtig.

  • Was macht ihr eigentlich generell so mit dem Hund an Programm den Tag über? Wie sehen diese Morgenspaziergänge aus?


    Eure Kombination aus laut Beschreibung sehr sportlichem, aktiv wirkendem Hund und Hund, der phasenweise schlecht zur Ruhe kommt und Besitzern, die versuchen, Unruhe mit Beschäftigung entgegenzuwirken, klingt etwas "verdächtig". In die Richtung, dass ihr evtl. das Bedürfnis nach Action und Auslastung etwas über- und das Bedürfnis nach Ruhe etwas unterschätzt. Zumindest wäre das ein gängiges Phänomen.

  • Hm. Ich habe hier einen Hund, ebenfalls aus dem Ausland, ebenfalls mit ca. 5 Monaten nach Deutschland gekommen, der, so wie sich das liest, zu ähnlichem Verhalten neigt.


    Der ist generell ein sehr hibbeliger Hund, der unfassbar schnell hochdreht (sei es durch Freude, Frust, Ungeduld usw.) und das dann in Energie und Lautstärke umsetzt.


    Die Gründe, wieso das Hundchen ist, wie es ist, sind hier nicht eindeutig zu benennen. Ich habe lange nach dem einen Grund gesucht, aber das war vergebene Mühe. Letztendlich ist es wohl eine Kombination aus genetischer Veranlagung zur Nervosität, gesundheitlichen Baustellen und seiner Vorgeschichte.


    Was ich damit sagen will: An der Ursache der Nervosität anzusetzen ist oft gar nicht so leicht, denn die Ursache kann wahnsinnig viel sein.


    Zuerst würde ich den Hund deshalb mal gesundheitlich auf den Kopf stellen lassen. Also nicht nur Allgemeinuntersuchungen, sondern auch so Dinge wie die schon genannten Schilddrüsenwerte checken lassen, mal versuchsweise Schmerzmittel geben, ggf. CT oder MRT veranlassen usw.


    Ein Hund, der nach Bewegung unruhig wird, kann auch einfach Schmerzen im Bewegungsapparat haben. Da lohnt es sich auch, mal ihre Bewegungsabläufe genau anzuschauen.

    Mein Hund hatte damals zum Beispiel phasenweise leichte Auffälligkeiten im Gangbild (wenn man gaaaanz genau hingeschaut hat). Die üblichen Untersuchungen (Abtasten, Röntgen, versuchsweise Schmerzmittel) haben überhaupt nichts gebracht und da die Auffälligkeit kaum zu sehen war, meinten diverse Tierärzte, der Hund sei kerngesund. Tja, bis man dann in dem CT, auf das ich bestanden habe, gesehen hat, dass der gesamte Rücken kaputt ist (und der Hund natürlich Schmerzen hat).


    Darüber hinaus: Schraubt das Programm mal runter. Wirklich. Das macht anfangs keinen Spaß, weil der Hund ja an das Gassi-Programm morgens gewöhnt ist und dann vermutlich erstmal ziemlich unzufrieden ist, aber es kann sein, dass ihr weniger Input gut tut.


    Denn auch wenn sie nicht offensichtlich am Deprivationssyndrom leidet oder ein Angsthund ist: Hunde aus dem Ausland haben in ihrer Welpenzeit nunmal andere Erfahrungen gemacht als die Hunde hierzulande. Oft hatten die gar keine Chance, Dinge, die hier alltäglich sind, in der Welpenzeit kennenzulernen und als unbedeutend abzuspeichern. Das hat zur Folge, dass der Hund erstmal jeden Reiz wahrnehmen und bewerten muss, ganz unabhängig davon, ob er dann letztendlich Angst hat oder nicht. Und allein dieses wahrnehmen und bewerten kann ganz schnell zu einer Reizüberflutung führen.


    Was hier geholfen hat, um die Reizüberflutung zu vermeiden, war ganz viel Routine und Langeweile. Ein Hund, für den die gesamte Umwelt kognitive Schwerstarbeit ist, braucht erstmal keinen zusätzlichen Spielspaß fürs Köpfchen. Auch nicht, wenn er einer ach-so-aktiven Rasse angehört.

    Ein gemeinsames, sinnvolles Hobby (UO, Mantrailing, Fährtenarbeit etc.) kann man mal schrittweise ausprobieren. Das tut manchen Hunden sehr gut, für andere ist auch das too much oder nur sehr dosiert möglich.


    Und last but not least: Grenzen setzen. Einen klaren Rahmen vorgeben. Dem Hund aus seiner Aufregung heraushelfen. Und es ein Stück weit akzeptieren.


    Hier braucht es im Alltag, auch wenn das Hundchen inzwischen sehr viel ruhiger ist, einfach sehr viel Fingerspitzengefühl.


    Einerseits verlange ich inzwischen in vielen Situationen einfach Gehorsam und setze den auch durch. Nach dem Motto: Wer sitzt kann nicht rumhibbeln und wer nicht rumhibbelt, kann sich nicht ins Rumhibbeln reinsteigern.


    Andererseits muss ich meinem Hund auch mal die Möglichkeit geben, seine Emotionen in einem sinnvollen Rahmen abzubauen. Hier kam dafür in aufregenden Situationen immer mal wieder ganz bewusst (und stark reguliert) das Zergel oder eine Beißwurst zum Einsatz. Oder er durfte mal nach Freigabe wild rumrennen, um den Stress rauszulassen. Jetzt, wo das Tierchen erwachsen ist, ist auch festes Kraulen mal eine gern gesehene Alternative (mit einem Jahr war das hier bäh).


    Und letztendlich gestehe ich meinem Hund auch mal ein gewisses Maß an Unruhe zu. Anstatt mich da an allen möglichen Momenten der Unruhe (vor dem Gassigehen, vor dem Futter, wenn wir seine Sitterin treffen usw.) aufzuhängen, mich daran abzuarbeiten und damit dem Hund und einem selbst erstmal noch mehr Stress zu bescheren, lohnt es sich, da klare Prioritäten zu setzen und step by step vorzugehen. Weil ja, ein Molosser wird er halt eh nicht mehr.

  • Was macht ihr eigentlich generell so mit dem Hund an Programm den Tag über? Wie sehen diese Morgenspaziergänge aus?


    Eure Kombination aus laut Beschreibung sehr sportlichem, aktiv wirkendem Hund und Hund, der phasenweise schlecht zur Ruhe kommt und Besitzern, die versuchen, Unruhe mit Beschäftigung entgegenzuwirken, klingt etwas "verdächtig". In die Richtung, dass ihr evtl. das Bedürfnis nach Action und Auslastung etwas über- und das Bedürfnis nach Ruhe etwas unterschätzt. Zumindest wäre das ein gängiges Phänomen.

    Die Morgenspaziergänge finden im Wald statt. Sie kann da schnüffeln, manchmal machen wir Suchspiele. Das war bislang sehr fest in meinem Kopf verankert, dass sie mit der Unruhe anzeigen will, dass es zu wenig Action gab. Es ist ja auch leichter, dem Hund Beschäftigung zu bieten als für Ruhe zu sorgen. Dass man diese Ruhe aktiv einleiten muss mit Ruhe, ist nicht leicht. Aber wohl der Ansatzpunkt. Ich denke mal, sie auf den Ruheplatz zu schicken und ihr anzutrainieren, dass sie da auch bleibt. Weiß ehrlich gesagt nicht, wie man das am besten macht.

  • Danke für diesen sehr sehr hilfreichen Beitrag! Wir haben unsere Hündin auch bekommen, als sie fünf Monate alt war. Jetzt ist sie 13 Monate älter geworden. Hatten zeitweise das Gefühl, die Reizüberflutung habe abgenommen, war aber dann doch nicht so wirklich nachhaltig. Das ist wirklich der Wahnsinn, wie rezeptiv sie ist und bei Reizüberflutung, vor allem draußen, absolut nicht mehr ansprechbar ist. Das kann wirklich alles sein. Das ganze Spektrum positiver und ängstlicher Emotionen wird bei den vermeintlich kleinsten Dingen abgerufen. Sie hat aber ja auch eigentlich in den 13 Monaten, die sie bei uns ist, viele Situationen kennengelernt. Trubelige und ruhige. Anscheinend wird nicht alles über Erfahrung besser. Hatten die Hoffnung, dass sie mit zunehmendem Alter auch so ruhiger werden könnte. Vielleicht nach der dritten Läufigkeit. Scheint ein Irrglaube gewesen zu sein, obwohl das bei vielen bestimmt auch so sein kann.


    Also hat das, was Du ausprobiert hast, dann nachhaltig geholfen? Wie lange hat der Prozess gedauert? Mir war nicht klar, dass man Langeweile wirklich aktiv antrainieren muss. Dachte wirklich, ignorieren im Sinne von, ich gehe jetzt im Haus der Beschäftigung nach, der ich nachgehen möchte und der Hund soll lernen auch mal sein eigenes Ding zu machen, würde schon reichen. Kenne es ja auch nur so von allen anderen, die ich kenne.

  • Besser ist wohl also drauf reagieren, aber richtig.

    Man könnte zum Beispiel nach dem Spazieren gehen den Hund ins Haus/in der Wohnung auf einen seiner Plätze führen und dann da ableinen.

    Wenn man dann so sein Ding macht und Hund einen anschaut oder hinterherläuft und rumfiept, würd ich immer wieder nen Platz anbieten, wo der Hund liegen kann. Man darf dabei auf jeden Fall ruhig und nett sein.


    Ich hab meiner Hündin beigebracht "leg dich irgendwohin". Die hat auch so Tendenzen, mitten im Raum zu stehen und ins Leere zu fiepen, weil sie grad nicht weiß wohin und ob evtl. gleich noch was kommt. Am Anfang hab ich das dann zu ihr gesagt und auf die nächstbeste Decke gezeigt, auf der sie sich niederlassen kann. Und habe sie mit Nachdruck eingeladen, da hin zu gehen. Also durchaus n bissl überreden, aber kein Gezerre oder das Deckenkommando oder so. Klar hält das am Anfang nicht lange, aber immer wieder das sagen und dem Hund helfen, einen ruhigen Platz aufzusuchen, etabliert sich dann recht schnell. Unser Besuchspudel hat das allein mit Nachahmung innerhalb weniger Besuche gelernt, was der Satz "Leg dich irgendwo hin" bedeutet.


    Helfen kann auch, wenn eure Hündin einen Bereich für sich hat. Also entweder im Wohnzimmer mit Gitter was abgetrennt oder ne Ecke zwischen Couch und Schrank oder irgendwas, was sich anbietet. Muss nicht klein sein, dürfen gern ein paar Quadratmeter sein, sie darf euch da sehen, aber das ist dann der Bereich, den sie nach dem Spazieren zugewiesen bekommt. In dem kann sie stehen oder liegen, auf dem Boden oder in nem Körbchen hocken, da ist was zu trinken und gut. Verlässt sie den Bereich, schickt man sie zurück. (für den Fall, dass es nicht abgesperrt ist). das hilft den Hunden auch oft, wenn sie einfach nicht so viele Möglichkeiten haben, zwischen denen sie sich entscheiden müssen.

    Musst du gucken, ob das was für euch und die Hündin ist.

  • Dachte wirklich, ignorieren im Sinne von, ich gehe jetzt im Haus der Beschäftigung nach, der ich nachgehen möchte und der Hund soll lernen auch mal sein eigenes Ding zu machen, würde schon reichen. Kenne es ja auch nur so von allen anderen, die ich kenne.

    gibt auch viele Hunde, die genau so drauf sind. Aber eben nicht alle.

    Hunde mit eher reizoffenem Charakter, ggf. auch besorgte/unsichere Hunde haben es schwerer. Die erreichen über Umherwandern und das damit verbundene "immer bereit sein" Kontrolle. Und dass sie immer wissen, wo ihr seid und was ihr macht ist auch eine Art der Kontrolle.


    Indem man den Hunden dann sagt "ist schon gut, ich sag dir Bescheid, wenn ich dich wieder brauche, bis dahin darfst du abschalten", macht man es ihnen leichter.


    Meine Hündin würde im Büro immer SEHR gern kontrollieren, wer an der Tür vorbei geht und noch mehr, wer rein kommt.

    Darf sie nicht. Da beschwert sie sich auch.

    AM Anfang hab ich ihr EINEN Platz im Büro zugewiesen, das war ja SO langweilig. Da musste sie irgendwann einschlafen. Wenn jemand rein kam musste sie hinter mir bleiben, sie durfte zwar gucken, aber nicht an mir vorbei gehen. Wie langweilig.

    Inzwischen darf sie liegen, wo sie will, solange sie nicht anfängt aufzupassen. Lauert sie, bitte ich sie, auf ihre Decke zu gehen.

    Wenn einer das Büro betritt ist ihre Aufgabe, ihre Decke aufzusuchen. Macht sie auch. Gibt nur noch wenige Kollegen, die sie in Aufregung versetzen, inzwischen weiß sie, dass das nicht ihr Job ist.

  • Danke für die Tipps!

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