Jagdverhalten Junghund Umorientierung stärken

  • Hallo,


    heute war es soweit, mein 18 Wochen alter Rüde (Retriever) und ich waren unterwegs, kam doch eine Amsel vorbei und setze sich ein paar Meter entfernt seitlich von uns hin. Mein Plan war bis zu diesem Zeitpunkt: Gucken lassen, warten und bei einer Umorientierung zu mir das Markerwort geben und belohnen. Nun ja, nach 10 bis 15 Sekunden kam keine Umorientierung, stattdessen ein wilder Sprung in die Leine.

    Da habe ich angefangen meine Methode nochmal zu überdenken, die bisher in anderen Situationen (Müllwaagen, Schweine im Gehege, Schnüffelstelle..) doch recht gut geklappt hat.

    Nun habe ich mich etwas belesen und bin auf zwei verschiedene Methoden gestoßen:


    1. Beute ansehen -> click -> Belohnung -> Beute ansehen -> click -> Belohnung (usw. mit vielen Wiederholungen in einer Situation)

    2. Beute ansehen -> ansprechen -> Umorientierung -> click -> Belohnung


    Wie empfindet ihr die Methoden?


    Bei Methode 1: Etabliere ich da nicht eher, dass der Hund sich immer wieder Reize sucht um zu einer Belohnung zu kommen? Und stärke ich durch die vielen Belohnungen nicht den Wunsch, möglichst lange an einem Objekt der Begierde kleben zu bleiben? (Also klar, tausendmal besser als lossprinten)


    Bei Methode 2: Was machen, wenn der Hund sich partout nicht umorientiert, da die Ablenkung zu hoch ist?


    Und generell:

    Was tun, wenn der Zeitpunkt schon überreizt wurde und Hund in die Leine prallt?


    Ich bin Ersthundebesitzerin und möchte natürlich direkt zu Beginn gutes Verhalten verstärken, sowie mir selbst Handlungssicherheit in schwierigen Situationen schaffen.


    Vielleicht hat mir jemand Lust zu erklären, wie ich nun am Besten mit den auftretenden Situationen umgehe, um meinen Hund nun in die richtigen Bahnen zu lenken, damit er im Idealfall später möglichst viele Freiheiten haben kann.


    Wir üben bereits die Impulskontrolle und gehen einmal die Woche zum Dummytraining. Ich führe ihn seit der Junghundphase nur noch an der Führ- oder Schleppleine, da ich ihm keinen Jagderfolg zwecks Selbstbelohnung gönne. (Übrigens finden meine Züchter das etwas zu krass nach dem Motto: „der muss doch auch mal rennen können“ - wie seht ihr das? Ich habe eine 5 und 10 Meter lange Schleppleine)


    Liebe Grüße

  • der muss doch auch mal rennen können

    Das sehe ich absolut genau so! Habt ihr zumindest einen Garten? Hat der andere Hunde zum spielen?

    Mein Plan war bis zu diesem Zeitpunkt: Gucken lassen, warten und bei einer Umorientierung zu mir das Markerwort geben und belohnen.

    Dein Hund hat also keinerlei Vorgabe oder Idee, was du wollen könntest, du wartest einfach ab, was passiert?


    Dann müsste er dich auf einem Spaziergang ja gefühlt pausenlos angucken, irgendwas ist ja immer :???:

    Müllwaagen, Schweine im Gehege, Schnüffelstelle..


    Ich persönlich mache es so, dass ich Reize, bei denen ich ein bestimmtes Verhalten (z.B. Umorientierung) will, benenne. Also ich sage z.B. "Jogger", fürs zu mir kommen gibt es Keks. Spätestens so beim 10. zu uns rennenden Menschen hatten sie dann verstanden: rennender Mensch: Klasse, Keks!!
    Alternativ oder für nicht benannte Reize kann man ja auch Markerwort nehmen oder schnalzen.
    Das funktioniert besonders bei solchen Reizen gut, die für den Hund zwar nicht völlig unspannend, aber eigentlich unwichtig sind.


    Auf der anderen Seite teile ich meinen Hunden aber auch mit, wenn ein Verhalten nicht geht, also z.B. hinter einem Jogger herhopsen (oder hinter einem Wildtier). Da gibt es bei mir einen Abbruch.

    Was tun, wenn der Zeitpunkt schon überreizt wurde und Hund in die Leine prallt?

    Kommt drauf an, ob er out of order ist oder noch ansprechbar. Also falls noch empfänglich: bei mir wäre das ein Abbruch und erklären, was er stattdessen tun soll. Ansonsten zügig aus der Situation gehen und beim nächsten Mal mit ansprechbarerem Hund weiter üben.

    Bei Methode 1: Etabliere ich da nicht eher, dass der Hund sich immer wieder Reize sucht um zu einer Belohnung zu kommen?

    Ich hielt es damals mit meiner Lucy für eine Spitzenidee, ihr das anzeigen von Pferdeäpfeln beizubringen, was gemarkert und bekekst wurde (muss dazu sagen, sie hat ungefähr alles gefressen...). Hat hervorragend funktioniert! Sie hat bis zu ihrem Lebensende jeden Pferdeapfel in einem Kilometer Umkreis gefunden und dort auf ihren Keks gewartet. Reste davon sieht man noch bei Smilla, die Lucy ja noch kannte. Smilla bellt jedesmal sehr empört, wenn es mal keinen Keks für einen Pferdeapfel gibt :tropf: . Dabei käme sie nie auf die Idee, den zu fressen... Ehrlich, nie wieder! Bei sowas bin ich ich mittlerweile Fraktion: ist verboten und fertig.

    denn das Problem hast du auch bei der Methode, nicht nur bei deiner Methode 2:

    Bei Methode 2: Was machen, wenn der Hund sich partout nicht umorientiert, da die Ablenkung zu hoch ist?

    Wurstbrötchen hat Lucy dem Keks in meiner Hand natürlich dennoch vorgezogen :muede:


    Also, nicht falsch verstehen, ich mag Umorientierung. Würde aber aus Erfahrung sagen, ein Hund versteht sehr gut klare Kommunikation. Du musst nicht warten, bis du ein Verhalten einfangen kannst, du kannst ihm auch zeigen/sagen, was du in dem Moment von ihm möchtest und was nicht. Je klarer das für den Hund ist, umso schneller kann er sich auch freier bewegen...

  • Ich würde nicht umorientieren, sondern klassisch über Gehorsam arbeiten. Hund will Amsel fangen - - >Halt. Das Halt an der Schleppleine üben, bis es da zu 150% sitzt.

    Und ich bin auch der Meinung, dass so ein junger Hund mal den Kopf frei kriegen und sich auspowern muss.

  • Das hätte ich erwähnen können, wir haben einen riesigen eingezäunten Garten (200m2), da darf er natürlich nach Herzenslust rennen (nicht jeden Tag aber regelmäßig). Auch Hundekontakt hat er mindestens 2x die Woche (bekannte Hunde). Insgesamt finde ich einen 10 Meter Radius für seine derzeitige Größe auf einem Spaziergang ausreichend, aber da gibt es vielleicht unterschiedliche Ansichten :)

  • Noch eine Stimme für Gehorsam.

    Ein Hund der auch nur halbwegs jagdlich motiviert ist, lässt sich das nicht entgehen nur für einen erbärmlichen Keks.

    Hat du ja selbst gemerkt, Beute fixierten war sehr viel spannender als sich abwenden und einen Keks zu bekommen.


    Davon abgesehen ist es für die Hunde oft sogar einfacher, wenn man ihnen nur befiehlt sich hinzulegen, anstatt sich abzuwenden. Und freiwillig machen das solche Hunde sowieso nie.

    Wenn mein Jagdhund sich zB auch nur einen Moment, rein freiwillig, die Zeit nimmt sich zu mir umzuschauen, weiß ich, dass da nichts sonderlich spannendes ist und ich es mir sparen kann ihn abzurufen.

  • Amseln waren bei uns im selben Alter hochinteressant. Und leider macht mein Pudel seeeehr schnell mobil und erreicht sofort ein hohes Tempo.


    Was ich jetzt schildere, hat bei meinem Hund gut funktioniert, was nicht heißt, dass es bei anderen Hunden funktioniert.


    Ich habe den Reiz benannt ("Vogel") und sofort gemarkert, wenn er hingeschaut hat. Daraufhin hat er sich ja dann mir zugewandt, um den Keks zu holen. Sollte er mal zu fixiert auf den Vogel gewesen sein, habe ich den Keks nach dem Marker vor seine Füße geworfen.

    (Natürlich klappt das am besten, wenn der Reiz nicht zu stark ist, also nicht vielleicht gerade eine Krähe in 3m Entfernung rumflattert).


    Schon sehr bald hat er sofort bei "wo ist der VOGEL?" zu mir geschaut --> Marker --> Keks --> Vogel vergessen.


    Und irgendwann hat er von sich aus, wenn er zufällig einen Vogel gesehen hat, auch ohne mein Benennen zu mir geschaut.


    Bewusst danach gesucht hat der nie, obwohl er stark zu Verhaltensketten neigt.

    Sein Interesse hat dann insgesamt nachgelassen, keine Ahnung, ob das am Alter lag oder an meiner Methode.


    Allerdings habe ich es damals zusätzlich so gemacht, dass, wenn ich mal nicht schnell genug war oder der Vogel doch zu nah / interessant war, seine Jagdversuche (Losrennen bzw. kurz davor) mit einem "HEY!" abgebrochen und ihn zurück gerufen habe. Ich habe auch ein zu langes Fixieren zur Not dann unterbunden und ihm damit klar gemacht, dass die Vögel einfach tabu sind. Mal schauen ist erlaubt, mehr aber eben nicht.


    Momentan nutze ich das "Gucken!" bzw. "Wittern!", wenn er entsprechendes Verhalten zeigt, egal, worauf es sich richtet.

    Superrückruf übe ich parallel, außerdem darf er von Anfang an nicht vom Weg runter, was tatsächlich dazu führt, dass er teilweise ein Tier entdeckt, aber nur mit langem Hals am Wegesrand steht und glotzt.


    Naja, dazu noch Reizangeltraining und so Sachen.

    Außerdem versuche ich funktional zu belohnen: Also wenn er z.B. das Mäuseln abbricht und sofort kommt, darf er gezielt etwas jagen (großes Leckerli oder Spielzeug).


    Ist zwar insgesamt viel zu tun, aber bei Pudeln kann man halt nicht vorhersehen, wie sich der Jagdtrieb entwickelt, und einen Hund im Dauer-Leinenknast wegen Jagdtrieb habe ich bereits :(

  • Alles klar, danke für eure klaren Antworten.

    Also wäre die beste Option ihn dazu zu bringen sich abzulegen? D.h. er darf einfach weiter gucken bis der Reiz weg ist? Reicht auch ein Sitz? Der Sitz-Pfiff klappt bei uns schon ganz gut, sollte ich den alternativ an der Schleppleine benutzen? Oder ist die Versuchung dabei zu hoch loszulaufen? Das Platz-Signal kann er bisher nicht auf Entfernung.

  • Also wäre die beste Option ihn dazu zu bringen sich abzulegen?


    Die beste Option ist, dass er irgendein Alternativverhalten lernt, das er in solchen Situationen stattdessen zeigen kann. Entweder von ganz alleine (super) oder mit Kommando (auch gut).


    Mit meinem Herdi-Mix habe ich "Gucken" als Markerwort und Umleitung etabliert. Sie soll mich auf Kommando anschauen, dann gibt's auch nach Jahren immer noch verlässlich eine Belohnung. So kriege ich sie inzwischen aus den meisten problematischen (Jagd-)Situationen wunderbar raus, auch wenn's rassebedingt natürlich etwas länger dauerte. Das Wichtige ist meiner Meinung nach nur, dass du dem Hund ein für ihn/sie attraktives Alternativverhalten anbietest, das so stark positiv konditioniert ist, dass die kurzfristige Belohnung (jetzt sofort Keks im Mund) stärker ist als der Reiz/Trieb.

  • Ein Hund der auch nur halbwegs jagdlich motiviert ist, lässt sich das nicht entgehen nur für einen erbärmlichen Keks.

    Hat du ja selbst gemerkt, Beute fixierten war sehr viel spannender als sich abwenden und einen Keks zu bekommen.

    Absolut. Es geht aber tatsächlich nicht um den einzelnen Keks, sondern um die konditionierte emotionale Reaktion. Theoretisch kann die irgendwann so stark sein, der Hund also das Umorientieren so fest mit Belohnung und einhergehend einem intensiven Dopaminausstoß verbunden hat, dass er gar nicht abwägt "Jagen oder Keks", sondern automatisch handelt. Ob das in der Praxis bei einem wirklich jagdmotivierten Hund funktioniert... :ka:
    Aber bei dem würde doch der Weg über Gehorsam auch nicht funktionieren? "Gehorsam" ist doch auch nur Konditionierung. Der Hund hat gelernt, wenn er z.B. sitzen bleibt, gibt's Belohnung bzw. wenn er es nicht tut, gibt es Strafe. Ist ja quasi das selbe in grün und wahrscheinlich 'ne Typfrage bei Mensch und Hund. Umorientierung ist nur eine andere Alternativhandlung als Sitz/Platz, oder nicht?

  • Absolut. Es geht aber tatsächlich nicht um den einzelnen Keks, sondern um die konditionierte emotionale Reaktion. Theoretisch kann die irgendwann so stark sein, der Hund also das Umorientieren so fest mit Belohnung und einhergehend einem intensiven Dopaminausstoß verbunden hat, dass er gar nicht abwägt "Jagen oder Keks", sondern automatisch handelt. Ob das in der Praxis bei einem wirklich jagdmotivierten Hund funktioniert...


    Das kann schon funktionieren, wenn der Rest stimmt. Es ist ja nicht ausschließlich eine Frage des Jagdtriebes, sondern auch der Beziehung/Bindung zum Halter, der Dauer der Konditionierung usw. Natürlich spielt dann auch das Wesen des Hundes, die Sozialisierung o.ä. eine Rolle. Da spielen so viele teils komplexe Aspekte und Abhängigkeiten mit rein, dass man das meiner Meinung und Erfahrung nach immer individuell nach Hund entscheiden und trainieren muss - womöglich auch über mehrere Jahre hinweg, weil es einfach viele Wiederholungen braucht. Ich hatte es schon mit jagdlich hochmotivierten Hunden zu tun, bei denen das Umlenkverhalten mehrjährige Übung und Wiederholung brauchte, aber irgendwann funktionierte. Natürlich nicht wegen des einen einzigen mickrigen Kekses, sondern weil geduldig eine Konditionierung aufgebaut wurde.

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