Junghund hat Stress, wenn Herrchen den Raum verlässt

  • Ich habe lange hin- und her überlegt, ob ich unser Problem hier schildern soll. Es ist vermutlich online nicht leicht, aber ich brauche einfach mal anderen Input.


    Kenai, unser 9 Monate alter GP, kommt nicht gut mit der (räumlichen) Trennung zum Herrchen (meinem Mann) klar.

    Sobald mein Mann den Raum verlässt, wird sich an die Tür gesetzt. Ist mein Mann nicht innerhalb von ein paar Sekunden bis Minuten (ja nach Kenais Erregungslage) wieder da, wird sich in Rage gefiept. Ohne Abbruch fiept er sich so hoch, dass er irgendwann bellt, springt, an der Tür kratzt, etc. Nach dem Abbruch geht es sofort wieder von vorne los.


    Genauso wenn mein Mann nach Hause kommt. Sobald Kenai ihn hört, ist er wie ausgewechselt und super aufgeregt. Mein Mann wird zur Begrüßung auch extrem angesprungen, abgeschleckt, eben sehr aufgeregt begrüßt, mit Spielaufforderungen (oder fiddeln? Kann ich nicht differenzieren).


    Wenn mein Mann Zuhause ist und sich zwischendurch in einem anderen Raum aufhält, dann wird quasi die ganze Abwesenheit über durchgefiept.


    Wann fing das an?

    Vor ungefähr zwei Monaten, glaube ich. Wir haben hier Zuhause eine Baustelle und sind am Sanieren während wir drin wohnen. Es kam ungefähr mit dem Umzug in unser neues Schlafzimmer. Vielleicht ist das aber auch Zufall?



    Was klappt gut?

    Morgens, wenn mein Mann zur Arbeit geht, macht Kenai das mittlerweile nicht mehr.

    Ich weiß nicht, wie es aufhörte. Vielleicht hat Kenai die Routine erkannt und verstanden, dass Herrchen dann immer das Haus verlässt? Von jetzt auf gleich hat er sein Verhalten eingestellt und kam stattdessen gleich ins Bett zu mir gekuschelt. Das war früher auch so.


    Wenn mein Mann nicht Zuhause ist, gibt es das Problem nicht. Mein Mann ist durchaus auch mal ein paar Tage und Nächte weg. Das ist alles sehr unregelmäßig. Er wartet also nicht ab Uhrzeit X auf die Rückkehr sondern fährt rasant hoch, sobald er das Auto oder die Haustür hört.


    Ich fürchte, er hat meinem Mann als "Spaß und Action" abgespeichert und mich als "Langeweile und Schlafen". Ich habe seit einiger Zeit in der Schwangerschaft arge körperliche Beschwerden und kann nicht wirklich Gassi gehen. Er kann sich natürlich im Garten austoben, aber wirklich Spielen kann ich mit ihm auch nicht. Wir zergeln mal, aber rumspringen und laufen geht einfach nicht mehr. Dafür versuche ich dann mehr Kopf- und Nasenarbeit anzubieten.

    Eigentlich hatten wir ihn auch immer einmal die Woche bei einem Sitter mit Hundekumpels, das klappt aktuell leider von deren Seite aus auch nicht.

    Bis letzte Woche war ich noch einmal wöchentlich mit ihm in der Hundeschule, der Kurs ist jetzt zu Ende und einen weiterführenden schaffe ich gerade nicht mehr. Ich überlege aber schon Alternativen, für die ich nicht viel laufen oder stehen muss.


    Ich bin irgendwie vom Thema abgewichen...


    Was hilft gegen sein Fiepen bzw. seine hohe Erregungslage?

    Versucht habe ich Abbruch, Ablenkung, Kuscheln, Spielangebot und auch Ignorieren. Ignorieren lässt ihn dann bis zum Schließen der Haustür (mein Mann verlässt das Haus) oder eben seiner Rückkehr durchfiepen. Bis zu 2h haben wir das schon getestet. Er fiept dann auch einfach im Liegen weiter. Zwar ist das dann nicht mehr dauerhaft aber so alle paar Minuten kommt ein neuer fiepser.

    Das einzige, was tatsächlich funktioniert, ist wenn ich ihn vollquatsche. Also einfach in belangloser Stimme irgendwelchen Mist erzählen und er fiept zumindest nicht mehr - solange ich weiter rede. Entspannt ist er dabei trotzdem nicht...


    Mit einer Trainerin, die Kenai und uns beide kennt, haben wir schon gesprochen. Sie sieht die Ursache des Problems ähnlich. Ihr Empfehlung ist, dass Kenai Ruhe bei meinem Mann lernt.

    Nun ist es so, dass er Kenai auch mal mit zum Mittagsschlaf mitnimmt oder so. Alles kein großes Problem. Kenai ruht dann auch mit.

    Seit ich meinen Mann dazu gedrängt habe, einfach ab und zu mal im Raum sinnlos auf und ab zu laufen oder auch mal nur für wenige Momente den Raum zu verlassen, ist Kenai etwas ruhiger geworden. Er springt zumindest nicht mehr jedes einzelne Mal auf, wenn mein Mann sich bewegt. Aber so richtig eine Besserung für alle anderen Situationen sehe ich nicht.

    Das Begrüßungsritual wollte ich ruhiger gestalten, das funktioniert für meinen Mann nicht. Da rede ich mir den Mund aber schon seit Kenais Einzug fusselig...


    Also ich bin mit meinem Latein am Ende. Allerdings bin ich auch völlig mit meinen Nerven am Ende.


    Kann ich irgendwas mit Kenai trainieren?

    Ich versuche den Alltag mit ihm schon spannender zu gestalten. Ich erlebe ihn als relativ ausgeglichen, wenn wir zwei alleine sind. Wenn ich den Raum verlasse, guckt er meistens nicht mal auf. Ich kann ihn so locker von jetzt auf gleich 30-60min alleine lassen, ohne daß er sich dran stört. Für länger braucht er eine Beschäftigung. Mich begrüßt er auch sehr ruhig oder auch mal gar nicht richtig. Da habe ich aber auch viel Wert drauf gelegt, weil er mir immer in den Bauch gesprungen ist.


    Ich bin für jeden Tipp dankbar.

    Entschuldigt bitte diesen langen und wirren Text...

  • Wie verhält sich denn dein Mann, wenn er zuhause ist und in Interaktion mit dem Hund?

    Mein Mann ist generell eher ein Zappelphilipp. Also stillsitzen ist nicht so seine Stärke.

    Außerdem wird ständig nach dem Hund geguckt. Wenn Kenai bei uns liegt, wird er ständig angefasst. Kenai geht dann auch regelmäßig einfach wieder woanders hin.

    Ständig gibt es Kommandos: Sitz, Weg da, Platz. Obwohl es eigentlich keinen Grund gibt. Er macht das in dem Moment ohne drüber nachzudenken. Und wenn ich ihn nach dem Grund frage, weiß er keinen.

    Am Gucken, Anfassen und Kommandos geben arbeitet er. Es ist aber irgendwie vieles eher unbewusst.


    Mein Mann gibt die ganze Hundeverantwortung aber auch gerne an mich ab. Kenai darf aufgrund der Baustelle nicht völlig frei zwischen den Räumen wechseln. Und mein Mann lässt ihn dann gerne bei mir. So richtig geklickt hat es zwischen den Beiden im Alltagsumgang noch nicht.


    Aber mein Mann geht sehr gerne mit Kenai Gassi. Das sind dann auch durchaus längere Runden mit Spieleinheiten zwischendurch. Kenai darf nicht von der Leine, stattdessen gibt es die 15m Schlepp und Renneinheiten. Am Fluss oder See wird gebadet. Also sie haben schon sehr schöne Zeiten zusammen.


    Hm, hilft das? So richtig viel Interaktion haben sie beiden tatsächlich nicht. Gerade ist mein Mann schon sehr viel außer Haus.

  • Es scheint so zu sein, als ob Kenai deinen Mann einerseits als begehrenswerten Action- und Bespaßungspartner sieht und ihn andererseits aber auch als beunruhigend erlebt, weil dein Mann ihn ständig anfaßt, herumkommandiert, beobachtet, was Hunde sehr fein wahrnehmen. Dazu kommt, daß dein Mann sich auch selbst unruhig bewegt. Es kann also ständig was Aufregendes passieren, wenn dein Mann anwesend ist. Gerade Hunde mit einem lebhaften Temperament wie Pudel springen gerne darauf an. "Hunde regen sich gerne auf" schrieb mal ein Verhaltensforscher. Aber es tut ihnen nicht unbedingt gut. Ständige Aufregung kann auch süchtig machen und das kann der Grund sein, warum Kenai deinem Mann so sehr hinterherfiept.


    Allzu intensive "Begrüßungen", wie du sie zwischen deinem Mann und Kenai schilderst, deuten auf Stress hin und auf ein ambivalentes Verhältnis zwischen Mensch und Hund.


    Nach deiner Schilderung gehe ich davon aus, daß dein Mann der Schlüssel ist. Deine Trainerin sieht das ja auch so. Daher glaube ich nicht, daß du soviel daran trainieren kannst, es liegt an deinem Mann, sein Verhalten zu reflektieren und zu ändern. Wobei vermutlich das Verhalten in der Wohnung wesentlich ist und nicht so sehr die gemeinsamen Ausgänge draußen.

  • Allzu intensive "Begrüßungen", wie du sie zwischen deinem Mann und Kenai schilderst, deuten auf Stress hin und auf ein ambivalentes Verhältnis zwischen Mensch und Hund.

    Ambivalentes Verhältnis beschreibt mein Bauchgefühl ganz gut. Ich habe nämlich immer das Gefühl, dass es nicht nur Freude auf Kenais Seite ist. Aber beschreiben kann ich es nicht.

    Ich habe gerade nochmal auf den Umgang zwischen den beiden geachtet.


    Kenai sucht ständig selbst die Nähe zu meinem Mann, hechelt dabei aber auch viel. Leckt ständig am Nacken/Ohr. Also für mich sieht es nach Stress und Beschwichtigen aus. Gerade eben hat Kenai mal wieder Rammelversuche an meinem Mann unternommen, die ich als Übersprungshandlung deklarieren würde. Er wuselte die ganze Zeit aufgeregt um meinen Mann herum. Rammeln macht er sonst so gut wie nie, immer nur bei massiver Aufregung.

    Ich versuche schon meinen Mann im Umgang mit Kenai zu managen. Nur ist das auch nicht leicht. Er ist immerhin auch mit Hunden aufgewachsen.


    Ich habe schon überlegt, ein Deckentraining aufzubauen. Aber dadurch wird seine Erregung ja nicht geringer. Ich würde Kenai so gerne in der Stressbewältigung helfen. Mein Mann kann seinen Charakter ja genauso wenig von Grund auf ändern wie Kenai seine Reizempfänglichkeit.


    Meine Hoffnung ist, dass ich auf Dauer beide ein bisschen aneinander anpassen kann. Vielleicht wird es auch besser, wenn mein Mann mehr Zuhause ist und Kenai merkt, dass nicht immer Action ist?

  • Ambivalentes Verhältnis beschreibt mein Bauchgefühl ganz gut. Ich habe nämlich immer das Gefühl, dass es nicht nur Freude auf Kenais Seite ist. Aber beschreiben kann ich es nicht.

    Du beschreibst es sehr deutlich: Stress, aktive Beschwichtigung, Übersprungsverhalten, weil Kenai nicht weiß, woran er mit deinem Mann ist.

  • Ich habe schon überlegt, ein Deckentraining aufzubauen. Aber dadurch wird seine Erregung ja nicht geringer.

    Ich habe zwei aufgeregte Hunde, wobei der Ersthund es eher nach außen raus lässt (Anspringen und Abschlecken von Besuch), der Zweithund (Kleinpudel) insgesamt eher ruhig ist, aber mit einzelnen Situationen überfordert ist und dann rumflippt und zu Überspungshandlungen neigt.


    Tatsächlich haben wir Begrüßungssituationen (auch mit Besuch) über Deckentraining lösen können.

    Es ist mittlerweile so, dass die beiden, da sie wissen, dass es eh gleich ins Körbchen geht, teils gar nicht mehr zur Türe rennen, wenn einer von uns heim kommt.


    Das Deckentraining haben wir sehr kleinschrittig aufgebaut, erst mal nur, wenn wir gegessen haben, da es da eine ruhige Situation ist und wir die Hunde im Blick haben. Vorteil: Sie haben die Körbchen dadurch mit Ruhe assoziiert.

    Dann wurden sie auch mal in anderen Situationen in die Körbchen geschickt, z.B. wenn durchgewischt wurde. Und dann eben schrittweise, wenn einer von uns heim kam.

    Da der Ersthund extrem futtergeil ist, haben wir ausnahmsweise bei diesem Training nicht mit Futterbelohnung, sondern nur mit ruhigem, verbalem Lob gearbeitet, damit sie nicht hochdrehen.


    Hat das etwas an der Erregungslage geändert? Sicherlich nicht gleich am Anfang, aber man merkt deutlich, dass sie jetzt durch diese neue Struktur viel, viel ruhiger reagieren, wenn jemand heim- oder zu Besuch kommt. Und es ist in fast allen Situationen so, dass sie sich gleich hinlegen und pennen, wenn wir sie in die Körbchen schicken.

    Für uns und auch für die Hunde war das echt der Durchbruch, denn diese nervösen Begrüßungssituationen waren bei uns echt schlimm, weil der Junior dann im Übersprung den Ersthund immer angesprungen ist, was das Ganze noch stressiger gemacht hat.

  • Dein Mann kann vielleicht seinen Charakter nicht ändern, aber sein Verhalten. Er ist seinem Charakter nicht hilflos ausgeliefert. Kenai weiß nicht, woran er bei ihm ist. Er ist "verwirrt".


    Vielleicht ist dein Mann bereit, sein Verhalten zu ändern, wenn du ihm klar machst, daß sowohl Kenai als auch du darunter leiden. Ich fürchte, du wirst selbst nicht viel ausrichten können.

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