Verunsicherung durch Trainer, viele Tränen und die Angst, meiner Hündin nicht gerecht zu werden

  • Hallo,


    Die Hündin ist krank und läufig vor 3,5 Wochen in einer völlig neuen Umgebung angekommen.

    Du als Halterin ebenfalls in einer neuen Umgebung angekommen und hinzu kommt, dass du das Abenteuer Hund nun startest.


    Ich finde wenn man das mal so sieht, wundert es nicht wenn das gerade alle emotional sehr aufwühlend und anstrengend ist.


    Das was du so als Verhaltensthemen beschreibst klingt ja erstmal spontan relativ normal.


    Die Idee des Trainers ist aus meiner Sicht grundsätzlich nicht falsch: Du wirst nun ganz normale Erziehungsarbeit leisten müssen, die erfordert Konsequenz und Grenzen setzen.

    Dass du seine Idee wie man Grenzen zeigt ablehnst ist völlig fein, es gibt modernere Trainingskonzepte die keine Schreckreize brauchen.


    Was möchtest du denn als erstes angehen mit ihr?


    Aus meiner Erfahrung ist Überforderung mit dem ersten Auslandshund total normal. In deiner Situation kommt ja nun auch noch dazu, dass sich alles vorher auf den Kopf gestellt hat.


    Deshalb glaube ich du brauchst aktuell auch selber vielleicht einfach mal eine Bremse.

    Du kannst nicht alles sofort lösen, du wirst den Hund höchst wahrscheinlich auch nicht sofort verkorksen.

    Also tief durch atmen, selber versuchen den Druck rauszunehmen.


    Liebe Grüße!

  • Meine Herren (gemeint ist das Trainingskonzept),


    aus Hamburg fällt mir spontan SophieCat ein :winken: Hier wird nach einem guten Trainertipp für ein Team aus einem unzureichend sozialisierten Auslandshund und einer Halterin mit Hundeerfahrung, aber erstem eigenen Hund (wenn ich es recht verstanden habe) gesucht.


    Okay. Durchatmen. Ich antworte jetzt mal ein wenig länger. Erstmal finde ich es toll, dass Du trotz der Startschwierigkeiten doch schon Zuneigung für DeinenHund entwickelt hast und das angehen magst.


    Erstmal würde ich mir überlegen, was Du rein praktisch tun kannst, um jetzt gleich Stress aus der Situation zu nehmen. Sie nimmt draußen allen möglichen Scheiß auf und Du hast keine Ansatzmöglichkeit, einen Abbruch aufzubauen? Einen gut sitzenden Maulkorb drauf. Wenn das nicht geht: Umgebung scannen und alles umlaufen. Wenn das auch nicht geht: Einen souveränen Umgang mit „Scheiße passiert - oder wird gefressen“ entwickeln. Solange Du nichts daran machen kannst, macht Deine Aufregung es nur schwerer für Euch beide :smile:


    Wild ins Geschirr brettern: Guck mal, was Dir da an Equipment helfen könnte (bitte kein Halti, jedenfalls nicht ohne sorgfältiges Training). Sicherheitsgeschirre, Doppelsicherung, Bauchgurt ... Auch das Brettern wird ne Weile dauern, also ist es wichtig, dass Du Dich dabei sicher fühlst und Ihr Euch möglichst wenig weh tut.


    Wie genau äußert sich die Leinenpöbelei. Bleibt sie dabei ansprechbar, oder beamt sie sich weg?


    Ist Zerstörung und Unsauberkeit ein Thema?


    Zum Verhalten ein zweiter Teil, damit es nicht so elend lang wird.

  • Ich bin jetzt keine Spezialistin für Tierschutzhunde, würde dir aber auch raten, die Hündin erst mal ankommen zu lassen. Dabei aber direkt die elementarsten Regeln fürs Zusammenleben zu kommunizieren und dann auch konsequent zu sein. Ansonsten kaum was verlangen.


    Den Trainer würde ich auch mit Vorsicht geniessen. Es kann sein, dass du deine Hündin mit Liebesbezeugnissen überforderst (ich wär da eher zurückhaltend mit bekuscheln), aber das scheint doch sehr viele Klischees zu bemühen...

    Ja, das verstehe ich voll, ich gehe auch nie aktiv zu ihr hin und fasse sie auch nie ohne Vorankündigung an. Ich setze mich halt immer mal wieder auf den Boden ohne sie zu locken, manchmal kommt sie nicht, manchmal schon und schmiegt sich an. Dann streichle ich sie oder sie legt sich zu mir und ich bleibe einfach nur ein bisschen in Körperkontakt irgendwann stehe ich wieder auf und gehe weg. Ich hatte das Gefühl, das tut uns gut, dann kam eben das Feedback des Trainers Hundekuscheln sei Mist und bin mir jetzt nicht mehr sicher...

  • Zum Verhalten: Weißt Du ein bisschen mehr darüber, wie sie in Ungarn gelebt hat?


    Man muss wahrscheinlich davon ausgehen, dass der Hund es weder kennt noch schätzt, 24/7 mit Menschen in einer beengten Wohnung zu sein, dass er keinen Bezug zu Menschen hat bzw. Zusammenarbeit nicht oder kaum kennt und das noch keine Basis für eine gute Verständigung miteinander da ist. Meine Auslandshündin kam in den ersten zwei Stunden und dann in ihrer zweiten Entwicklungsphase auch an zum Kontaktliegen und hätte sich kuscheln lassen. Quasi als Strategie, mich zu beschwichtigen, damit ich sie nicht fresse. Ruhiger geworden ist sie dabei auch, hatte aber nichts mit „genießen“ zu tun.


    Und dass Deine Hündin Deine Nähe nicht vorbehaltlos genießt, sondern als teils sehr stressig empfindet, zeigt sie Dir mit dem Schnappen. Die will dadurch nicht Herr im Haus sein. Entweder drückt sie auf diese Weise ihren inneren Druck aus, oder sie will mit einem Anteil, dass Du ihr vom Leib bleibst, wenn es ihr zu viel wird. Wahrscheinlich eine Mischung mit noch anderen Anteilen. Und das kann sich auch so äußern, dass sie dafür zu Dir hinläuft, bedrängt fühlen können sich Hunde alleine schon durch Blicke, dauernde menschliche Anwesenheit, auch wenns in einem anderen Zimmer ist oder durch das Vorhandensein von Mauern.


    Auch das „Hinterherlaufen“ spricht nicht dagegen. Ich finde den Begriff „kontrollieren“ im Zusammenhang mit Hundeverhalten schwierig, weil er sehr pauschal für Handlungen aus sehr unterschiedlichen Motivlagen heraus benutzt wird. Hunde sind Gewohnheitstiere und schätzen in der Regel Routine und klare Regeln.


    Jetzt ist für diesen Hund alles fremd, neu, ungewohnt, alle Sicherheiten sind erschüttert und er kennt sich nicht aus. Dass Du selbst auch gestresst und verwirrt bist, ist völlig verständlich und menschlich und normal. Es machts Euch Beiden aber gerade schwerer. Und solche „Trainingsmaßnahmen“, wie Du sie beschrieben hast, legen da noch eine Schippe drauf. Ja, sie will sehen und sich versichern, was Du tust, Du bist gerade die - wenn auch nicht freiwillig ausgesuchte - Konstante in ihrem Leben.


    Und Hunde sind kleine Scheißopportunisten. Wenn sie es für sich als vorteilhaft ansieht, Dich zu drangsalieren, dann wird sie auch das probieren, ist im Portfolio der Möglichkeiten durchaus dabei. Das regelst Du über freundlich und entspannte Souveränität aber bei weitem effektiver, als über irgendwelche Strafmaßnahmen, die der Hund nicht versteht und mit denen Du Dich nicht wohlfühlst. Strafe sollte nie aus einer unsicheren Position heraus kommen.


    Wichtig ist erstmal, dass Ihr beide innerlich zur Ruhe kommt. Kann sie denn tief und fest schlafen? Wann gelingt ihr das am Besten?


    Morgen ggf. mehr, ich wünsch Euch eine ruhige Nacht.

  • Danke für deine Worte. Ja, so rückblickend finde ich die ganzen Konsequenzen, die die Hundeentscheidung mit sich gebracht hat auch erstmal ein bisschen verrückt, gleichzeitig war der Wunsch nach einem Hund schon viele Jahre lang ein Herzensthema, das ich immer wieder verschoben habe, weil ich mich noch nicht bereit gefühlt habe...um es dann alles ganz schön zu überstürzen und zu verkomplizieren..Ach herrje! Du hast Recht 3 1/2 Wochen sind wirklich noch nicht lang und das mit der Geduld mit mir habe ich aus dem Freund*innenkreis auch schon gehört. Wenn das schon aus so einem Forenbeitrag hervorgeht scheint das tatsächlich nicht so meine Stärke zu sein. ;) Ich bin auf jeden Fall grade sehr dankbar für eure Rückmeldungen und das ganze Mal ein bisschen schriftlich zusammenzufassen hat auch schon sehr geholfen!

  • Du hast voll recht, ich kann nicht mal leise erahnen, wie eindrucksvoll das alles grade für die kleine Hündin ist. Ich vermute, ich hatte zu Beginn viel zu hohe Ansprüche und Erwartungen an mich, wollte natürlich alles gleich richtig machen...Dass das völlig utopisch ist, ist eigentlich auch klar, letztlich hat es eher das Gegenteil bewirkt. Tatsächlich fällt es mir gar nicht so schwer, ihr gegenüber Grenzen zu formulieren, bei der Durchsetzung wird es schon schwieriger, weil sie echt eine beeindruckende Hartnäckigkeit an den Tag legt. Das hat mich einfach überrascht, glaube ich, ich war nicht so darauf eingestellt, dass ich sie über eine Stunde lang immer wieder an der Hausleine zurück in ihr Körbchen bringe oder vom Sofa zupfe und das fühlt sich zwischendurch immer wieder so an, als hätten wir ein massives Kommunikationsproblem und als müsste das auch anders gehen.


    Dass du angesprochen hast, dass ich nicht alles auf einmal lösen kann trifft ein bisschen den Kern, ich hab wohl auch etwas Probleme, mich zu strukturieren und Prioritäten zu setzen, weil ich so vieles wichtig finde, aber damit besteht natürlich die Gefahr, dass ich sie maßlos überfordere. Ich glaube, am relevantesten wäre grade, ein Abbruchsignal zu etablieren und daran zu arbeiten, dass sie draußen nicht alles auffrisst. Insgesamt haben wir zwar mega Glück gehabt mit meiner jetzigen Wohnlage, es gibt einen großen umzäunten Garten und auch viele schöne Parks in der Umgebung, aber leider auch unglaublich viel Müll und Essensreste auf der Straße...Daher wäre das wohl, auch vor dem Hintergrund ihres eh schon geschundenen Darms, ziemlich akut.

  • Ah - Perfektionistin? War ich auch mal. Bis ich einen halben Terrier bekommen habe :lol:


    Wie gesagt, ich denke, dass Allerwichtigste für Euch beide ist erstmal, zur Ruhe zu kommen. Denn Schlaf und Ausgeglichenheit, am Besten noch Wohlfühlen, ist für Deinen Hund die Basis fürs Lernen.


    Und für Dich auch, schau darauf, dass Du Dich selbst nicht vergisst und Dir Entspannung gönnst, wo es nur geht. Denn wenn Du Deinen Hund souverän führen willst, brauchst Du auch Schlaf und Ausgeglichenheit :smile: Lasst es langsam angehen.

  • Super, danke für deine ausführliche Nachricht, das ist voll gut!


    Ja, tatsächlich ist es auf vielen Ebenen auch sehr leicht, sie zu mögen, sie ist nämlich ziemlich aufgeweckt und insgesamt in vielen Situationen doch auch sehr nett und lustig. Auch wenn das vielleicht eine etwas komische Hundebezeichnung ist, aber das trifft es irgendwie.


    Ich habe zu dem Fressen auf der Straße erstmal versucht, drinnen mit ihr zu üben, dass sie nicht ungefragt an Futter geht. Also weder das, welches ich ihr hinstelle, noch das, was sie aus der Hand kriegt. Das ist super schwer für sie, ich glaube, sie weiß einfach auch, was richtiger Hunger bedeutet, sie windet sich wie verrückt und beschwichtigt ohne Ende, wenn ich die Hand mit dem Leckerchen vor ihrer Nase zumache und ein Signal gebe, aber ich habe den Eindruck, sie bemüht sich. ;) Draußen kann ich das noch völlig vergessen, klar, das dauert ja auch, was, wie gesagt, leider schon zu dem einer oder andern panischen aus-dem-Maul-zieh-Versuch geführt hat und was sie ziemlich schnell hat lernen lassen, schneller oder heimlich zu fressen, das war also echt blöd von mir. Ansonsten scanne ich die ganze Zeit wie verrückt den Boden und versuche, Dinge zu beseitigen, bevor sie ran kommt, aber hier ists überall so krass dreckig das lässt sich leider nicht ganz vermeiden, dass sie doch mal was kriegt. Und es ist natürlich für uns beide super anstrengend. Ich habe auch das Gefühl, je mehr ich mich darauf konzentriere, desto mehr frisst sie auch, sie kratzt auch Kaugummis mit den Zähnen vom Asphalt, wenns sein muss.


    Zwischenzeitlich habe ich mit ihr geübt, dass sie die Dinge, die sie aufsammelt apportiert und tauscht. Mit den weniger Delikaten Sachen klappt das häufig, aber den riesen Brocken Döner bringt sie natürlich nicht freiwillig. Wenn sie was schon im Maul hat, versuche ich jetzt trotzdem häufig, sie mit was richtig leckerem zu locken, aber ausgespuckt hat sie dadurch noch nie. Ich geh ihr aber nicht mehr ins Maul.


    Zum Reinbrettern ins Geschirr: Sie hat so ein gepolstertes Sicherheitsgeschirr, aber angenehm ist das sicher trotzdem nicht für sie. Ich versuche, vorausschauender unterwegs zu sein und sich abzulenken, bevor sie kopflos losrennt, zum Beispiel, wenn ein freilaufender Hund auf uns zugerannt kommt oder ich, wie gesagt, stehen bleiben muss, um ihr Geschäft zu entfernen, klappt nur leider nicht immer und im schlimmsten Fall wird sie dann richtig hektisch, verheddert sich in die Leine und ist dann nichtmehr ansprechbar, da fühle ich mich dann schon sehr häufig hilflos.


    Zum Pöbeln: Sie ist am Anfang bei jedem Hund fern am Horizont schon volle Möhre in die Leine gesprungen und hat gekläfft. Ich habe dann angefangen, Ausschau zu halten, frühzeitig die Straßenseite zu wechseln und sie mit Futtersuchspielchen abzulenken, das klappt grade ganz gut und ich habe das Gefühl, sie wird auch insgesamt sicherer. Aber sie ist halt auch läufig und darf auch wegen der Giardien grade nicht mit Hunden spielen, deshalb verstehe ich schon auch sehr gut, dass sie immer aufgeregt ist, wenn sie Hunde sieht und nie hin darf. Richtig schlimm ist es vor Allem, wenn die Menschen mit ihren Hunden direkt auf uns zulaufen, die Hunde an der gespannten Leine, dann wird sie super wütend und lässt sich nicht mehr kontaktieren, ich komm dann auch nicht dazwischen und habe sie manchmal auch schon aus Verzweiflung hochgehoben, um sie nicht hinter mir herschleifen zu müssen. Das ist dann immer ziemlich doof!


    Zerstörung ist ein bisschen Thema, aber sie beschränkt sich auf Altpapier aus der Altpapierbox im Flur, das Zerfetzt sie dann sehr ausgiebig, wenn niemand hinschaut, das habe ich aber vielleicht auch ein bisschen anerzogen, mit meinen Klorollen-Futterspielen. Manchmal knabbert sie an Möbeln, aber immer eher ganz sanft und ohne viel Nachdruck, und sie klaut sie Schuhe aus dem Schuhregal und nimmt sie alle mit in ihr Bett, macht sie aber nie kaputt.

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!