Mangelnde Gefühle, Trauer / Neuen Hund zu früh geholt (?)

  • Hallo zusammen,


    vor einem Monat mussten wir unseren geliebten vierbeinigen Opi einschläfern lassen. Besonders für mich war das sehr heftig, weil er mich in seinen 14 Lebensjahren durch so viele prägende, schwierige und wichtige Phasen begleitet hat (ich war 16, als ich ihn als kleinen Welpen bekommen habe).

    Nun ist seit vorgestern eine junge Hündin aus dem rumänischen Tierschutzhund bei meinem Freund und mir eingezogen. Ich sage ganz ehrlich: Normalerweise hätten wir mit der Anschaffung eines neuen Hundes noch gewartet. Allerdings bin ich aufgrund der Corona-Krise momentan und noch voraussichtlich bis Juni im Home Office - also eine Eingewöhnungszeit, die wir einem Hund so nicht mehr bieten könnten, da wir beide Vollzeit arbeiten (um möglichen Irritationen vorzubeugen: Tagsüber-Betreuung ist sicher und garantiert. Wenn alles wieder seinen normalen Gang geht, bin ich immer noch zwei Tage im HF, an zwei Tagen passt eine wunderbare Familie auf unseren Vierbeiner auf, an einem meine Schwiegereltern - das haben wir mit unserem Senior alles schon erprobt).


    Und da ist auch schon mein Problem: Seit die Kleine da ist, trauere ich extrem um meinen Opi. Schon beim Schreiben laufen mir wieder die Tränen.

    Ich glaube langsam, ich habe diese Trauer die letzten Wochen unbewusst verdrängt - und jetzt, wo wieder ein Vierbeiner bei uns lebt, kommt alles wieder raus. Ich weine viel und denke nur an meinen Brutus - und die Kleine vergleiche ich dauernd mit ihm. Da kann sie dann nur verlieren. Gleichzeitig habe ich ein furchtbar schlechtes Gewissen ihr gegenüber, weil sie ja nichts dafür kann. Sie ist ein lieber kleiner Hund - objektiv gesehen viel unkomplizierter als der Opi. Die Baustellen, die da sind (Fiepen, Lösen nur im Garten und nicht während des Spaziergangs), kriegen wir bestimmt in den Griff. Aber wenn ich sie dann um die Ecke trippeln höre, denke ich, da kommt Brutus - und bin umso trauriger, wenn da "nur" sie ist. Sobald sie was anstellt, werde ich richtiggehend aggressiv (keine Sorge, ich lasse das nicht an ihr aus) - mein Opi hingegen hatte zumindest in seinen späteren Jahren Narrenfreiheit bzw. ich hatte eine Engelsgeduld mit ihm. Er konnte mich schlicht und einfach nicht wirklich nerven, dafür habe ich ihn viel zu sehr geliebt.


    Oh man, das klingt so hart, das alles so niederzuschreiben. Der neue Hund ist halt da - bestenfalls stehe ich ihr neutral gegenüber, in schlechten Phasen fühlt sie sich fast wie ein Eindringling an. :-( Wenn sie um meine Aufmerksamkeit buhlt oder ankommt, um gestreichelt zu werden, muss ich mich fast überwinden, ihr Zuneigung entgegenzubringen. Und das, wo sie die doch so sehr verdient hätte.


    Wir dachten, es wäre das Beste für einen neuen Hund, ihn aufgrund der aktuell "günstigen" Situation jetzt zu holen statt noch ein paar Monate zu warten und ihm dann nur vier Wochen Eingewöhnungszeit zu lassen. Mein Freund ist hin und weg von der Kleinen. Umso schlechter fühle ich mich und irgendwie auch sehr alleine mit meiner Trauer und meinem erschreckenden Verhalten.


    Gibt es hier jemanden, der eine ähnliche Erfahrung gemacht hat? Ich weiß, die Kleine ist noch nicht lange bei uns, ich weiß vom Kopf her auch, dass sich Gefühle entwickeln müssen. Aber trotzdem erschrecke ich mich vor mir selbst, dass ich sie emotional nicht an mich ranlassen kann. Das kenne ich von mir so gar nicht. Ich habe Angst, dass sich das nicht ändern wird.


    Mit traurigen Grüßen

    Palindroma

  • Hallo,


    ich weiß nicht genau, wie wir dir weiterhelfen können. Also bei mir ist es auch so, dass die Trauerphase eine ganze Zeit braucht. Meine erste Hündin ist im Juli 2012 gegangen. Erst im Oktober 2013 war ich soweit, dass ich mich wieder auf Welpensuche begeben konnte. Im Juni 2014 zog dann Newton ein, also rund zwei Jahre später.


    Meine Eltern hingegen hatten direkt wieder eine neue Hündin. Wie gesagt im Juli 2012 wurde Knöpfen eingeschläfert; Finchen zog dann bereits drei Monate später, im Oktober 2012, bei meinen Eltern ein. Für mich war das viel zu früh und ich bin mit der Kleinen leider bis heute nicht richtig warm geworden... Die Hündin merkt das natürlich auch. Sie freut sich zwar wenn ich zu Besuch komme, möchte aber sonst nicht viel von mir wissen. Denke, das bedingt sich gegenseitig...


    Ich weiß nicht, was man dir raten kann. Ich denke, du musst das in erster Linie mit deinem Freund klären. Würde er die Kleine denn behalten wollen? Könnte man es vielleicht "umdeklarieren". Sie ist sein Hund und du holst dir DEINEN Hund wenn du dafür bereit bist?


    Liebe Grüße,

    Rafi Le

  • Tut mir Leid, dass dein alter Hund gestorben ist.

    Ganz klar und wichtig, dass du das betrauern musst.

    Tue das weiterhin wann immer dich die Trauer überkommt.

    Es darf so sein.

    Es darf auch sein, dass jetzt ein neuer Hund eingezogen ist, ganz anders als der weise Alte.

    Wenn du dich jetzt auch noch nicht durchgängig freuen kannst, genieße die kleinen Augenblicke, dass da wieder ein Lebewesen ist und lächle über die Andersartigkeit.

    Das braucht Zeit und der neue Hund wird schneller als du denkst den Weg zu deinem Herzen finden.

    Ich sehe da nicht so schwarz.

  • Weißt du, als meine Seniorin gestorben war (lebte nur anderthalb Jahre bei mir, war vorher anderthalb Jahre meine Gassihündin im Tierheim), war ich am Boden zerstört, und weil unsere Tierheimleitung ich gut kennt, wohnte zwei Tage später mein Spinner bei mir (der schwarze Schweigsame links im Avatar). Eingezogen ist er Mitte Juni und Anfang Oktober hatte ich zum ersten Mal das Gefühl, dass er MEINER ist. Vorher habe ich mich immer damit ausgetrickst, er sei ja nur einer der vielen Pfleglinge, die ich im Lauf der Jahre schon fürs Tierheim betreut hatte, und somit wäre das alles gaaaar nicht so, dass ich mich emotional binden müsste...

    In dieser Zeit hätte ich ihn sofort abgegeben, wenn ich dafür meine Hündin wiederbekommen hätte, und jeden, der mir sagte, was für ein schöner Hund er sei, hätte ich am liebsten erwürgt.

    Aber das war okay. Ich habe mich nicht unter Druck gesetzt, ihn jetzt sofort lieb haben zu müssen, sondern ich habe einfach meinen Alltag mit ihm gelebt und darauf gewartet, dass er sich in mein Herz schleicht und dass die Trauer weniger scharf und spitz wird. Denn ich wusste, das wird passieren. So habe ich weder mich noch den Hund unter Druck gesetzt und ganz allmählich, schleichend, stumpfte die Trauer ab und eines Tages hab ich gefühlt, dass ich ihn nicht mehr weggeben würde, wenn mir jemand dafür meine Hündin wiedergeben könnte.


    Trauer ist gut und wichtig, aber Ablenkung auch, und wenn dir das hilft, sieh die Kleine als Ablenkung in der Trauer, nicht als einen Hund, den du jetzt gefälligst sofort lieben musst. Musst du nämlich nicht. Die Liebe wächst langsam, unmerklich, und solange zeigst du der Kleinen die Welt und weinst um Brutus in ihr Fell, und auch das schweißt zusammen.

  • Hallo Palindroma,


    ich kann dich gut verstehen. Meine Herzenshündin Faye ist im Februar mit gerade mal 2 Jahren totgebissen worden :(. Sie fehlt so wahnsinnig, ich habe sie so geliebt, sie hat so perfekt zu uns gepasst. Hier leben noch 3 andere Hunde, aber sie war der Hund für mich. So eng war noch keiner zuvor. Ich habe keine Ahnung, wann der Schmerz weniger wird, der Verlust weniger schlimm wiegt.


    Hier ist vor 2,5 Wochen ein Welpe eingezogen, die kleine Enya. Auch eine Kombi aus "neue Aufgabe" und Corona-bedingtem "mir fällt noch mehr die Decke auf den Kopf", irgendwas haben gegen die Trauer... Und die ersten Tage waren sehr hart mit Enya, die Trauer nur sehr viel größer, ich war nur am weinen. Denn so merkt man erst recht, was man alles verloren hat. Das kann kein fremdes kleines Hundekind auffangen, völlig unmöglich. Ich hab mir immer wieder gesagt, auch Faye war nur ein niedlicher Welpe. Und ich habe den Vorteil dir gegenüber von 3 anderen Hunden und habe ein Stück weit damit gerechnet, dass ich so reagiere. Ich gebe uns Zeit. Enya ist toll und ganz langsam nun nach 2,5 Wochen wird sie vertrauter. Ihre Anwesenheit vertrauter und sie wird verständiger, es ist mehr an Kommunikation möglich und an Selbstverständlichkeit. Faye wird dadurch nicht weniger und ich weine immer noch jeden Tag um sie. Aber mit jedem Tag kann ich auch Enya ein Stück weit mehr annehmen und sie als eigenständige, von Faye abgekoppelte Persönlichkeit lieb haben. Das macht ja nicht der Verstand. Der Verstand weiß das alles. Dass das ein toller kleiner Hund ist, der alle Liebe verdient hat und nun wirklich nichts dafür kann, dass man tief trauert und nur seinen verstorbenen Hund wieder haben will. So viel dafür geben würde, genau dieser Hund ist wieder da.


    Du hast deinen "neuen Hund" (wie ich den Ausdruck hassen gelernt habe) seit 2 Tagen, wie heißt die Kleine? Gebt euch Zeit. Mit jedem Mehr an Kennenlernen wachst ihr mehr zusammen und dein Hund hat die Chance, als eigene Persönlichkeit wertgeschätzt zu werden. Ich weiß, du willst nur Brutus wieder. Ich will nur Faye wieder. Und doch bringt Enya Freude und eine Aufgabe und die Gefühle wachsen. In Ordnung hat es sich hier so langsam nach einer Woche angefühlt, dass Enya da ist. Und nun so langsam sind die Gefühle ihr gegenüber auch abgekoppelter von Faye.


    Es ist in Ordnung so zu fühlen, so lange die Kleine nicht darunter leiden lässt. Es ist völlig in Ordnung so sehr um Brutus zu trauern, das hat er verdient. Gebt euch Zeit und verurteile dich nicht selbst wegen deiner Gefühle.

  • Ich kann mich Sunti da nur anschließen - meine Hündin zog zwei Wochen nach dem Tod ihres Vorgängers ein - zusätzlich war es auch noch eher eine "Vernunftsentscheidung", genau sie zu nehmen. Insofern war sie am Anfang eben eine schöne Ablenkung und eine spannende neue Aufgabe und natürlich mochte ich sie, aber bis sie mir wirklich ans Herz gewachsen ist, hat es schon einige Zeit gedauert.

    Das muss man eben so akzeptieren und den Dingen ganz ohne schlechtes Gewissen ihren Lauf lassen - zumal ja Dein Freund anscheinend anders tickt und Eure "Neue" damit ja auf jeden Fall jemanden hat, der sich schon voll auf sie einlassen kann.

  • Unsere Gina zog 2 Monate nach dem Tod unserer ersten Hündin hier ein, ich hatte mich so sehr auf sie gefreut und habe dann daran gezweifelt,ob es richtig war. Ich musste immer wieder in Trauer an unsere Inka denken.Gina hatte es uns auch sehr schwer gemacht, aber nach und nach sind wir sehr zusammengewachsen. 2018 ging Gina dann über die Regenbogenbrücke, eine Woche später zog unser Basco ein. Wir haben es keine Sekunde bereut, dass er so schnell zu uns kam. Die Trauer um Gina war sehr stark, ich habe auch immer wieder weinen müssen, trotzdem hat Basco mich alleine durch seine Anwesenheit getröstet.

    Lasst euch Zeit.


    Petra mit Basco

  • Laß dir Zeit. Es ist völlig normal, dass du jetzt nochmal mit Wucht um deinen Opi trauerst, denn in gewisser Weise ist gerade ein Stück von ihm wiedergekommen: Die Liebe, die du mit ihm geteilt hast, willst du jetzt an einen anderen Hund weitergeben - und so ist auch er gerade wieder richtig in deinem Leben präsent. Und das wird er auf diese Weise auch bleiben.


    Das ist, so schön es eigentlich ist, trotzdem ein ziemlich harter Brocken. Da hilft es aber, dir klarzumachen, dass deine Reaktion keinem der Hunde gegenüber irgendwie ungerecht ist: Du verrätst den Opi nicht, wenn du ein neues Kapitel beginnst. Im Gegenteil: du siehst ja an deiner intensiven Reaktion, dass er irgendwie wieder "dabei" ist. Du wirst ihn immer lieben, davon nimmt die Kleine nichts, und du kannst sie auf andere Art genauso ins Herz schließen. Und du bist auch ihr gegenüber nicht unfair, wenn du trauerst, solange du sie deswegen nicht schlecht behandelst.


    Es hat wirklich alles seinen Platz, die Trauer, die alte und die neue Bindung - du musst allem nur Zeit und Raum geben und dich nicht so unter Druck setzen.

  • Deswegen lese ich hier immer noch mit: weil man am ganzen Spektrum der unterschiedlichen Hundehalter Anteil nehmen kann...

    Als meine liebe Hündin (sie war gar nicht lieb. Ich liebe sie) alt und schwächer wurde hab ich einen neuen Hund gesucht.

    Es ist dann so gekommen, dass die beiden 1 Woche lang zusammen hier waren. Es gab den Moment wo ich dachte: Jetzt gibt sie ihr "Zepter" an den kleinen ab... (is menschliche Denke, schon klar..?) ich hab sie einschläfern lassen müssen

    Jetzt hab ich alle Hände voll zu tun mit dem kleinen Fino. Zwischendurch weine ich um Piper...

    Anscheinend kann ich beides parallel

    Der kleine ist schwupp! in mein Herz gesprungen

    So war es


    :gut:hey das wird schon. Der neue ist ein ganz toller Hund ;)

  • Vielen Dank für eure mutmachenden und lieben Beiträge! ? Ihr zeigt mir, dass meine Gefühle momentan gar nicht so unnormal sind wie ich dachte. Mein Freund ist da leider keine große Hilfe - er meint das nicht böse, ist aber eher der Typ Mensch, der einfach nach vorne guckt (was an sich ja auch gut ist). Er versteht einfach nicht, dass ich noch sehr trauere und sagt, es wäre unlogisch, dass ich dann trotzdem einen „neuen“ Hund wollte. Wir streiten darüber in den letzten Tage täglich und umso einsamer fühle ich mich mit meinem Schmerz. Da tut es gut, hier zu sehen, dass es anderen ähnlich geht/ging. :)

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