Hallo liebe Hundefreunde,
nach Jahren haben wir uns nach dem Tod meines ersten Hundes einen neuen Hund ins Haus geholt. Nachdem mein früherer Hund aus dem Tierheim war, ein absolutes Überraschungspaket, war für uns klar, dass es trotz aller Hürden damals wieder ein Hund sein soll, der bisher kein Glück gefunden hat.
Ich möchte im Folgenden kurz die Willkommensstory schildern, komme dann weiter unten zum Problem.
Also haben wir uns im Internet einige Hunde angesehen, waren schließlich bei einer Organisation und haben dort unseren Hund kennengelernt und noch am gleichen Tag auf dem 1.5-stündigen Rückweg im Auto gehabt. Die Anzeige versprach einen familiengeeigneten, kinderfreundlichen Hund, der auch gut alleine bleiben kann und verträglich ist -Super! Erst vor Ort sickerte durch, dass die Hunde aus dem Ausland kommen. Na gut, wollten wir eigentlich nicht, aber wir hatten uns bereits in unseren kleinen Mann verliebt. Und natürlich weiß ich, dass wir an dieser Stelle hätten umdrehen sollen - aber ich denke, die meisten hier verstehen die Verliebtheit auf den ersten Blick.
Unser neuer Wauli fuhr also mit uns heim. Es lief alles richtig gut, das muss man wirklich sagen. Er kam ab Tag 4 mit ins Büro zu mir, ist und war somit nie viel alleine (kann das aber wirklich gut!). Zuhause versuchten wir uns in Konsequenz und liebevoller Beziehung zum neuen Familienmitglied.
Nach einem Monat begann unser Zuwachs, im Büro jeden hereinkommenden Menschen und teilweise sogar Mitarbeiter (kleine Runde, wenig Kundenverkehr) anzuknurren und anzubellen. Mit unserer Hundetrainerin konnten wir keine schnellen Erfolge erzielen, die jedoch nötig waren. Aus diesem Grund hatte unser Hund nach einigen Trainingsversuchen ein Halsband um, das mit einer Fernbedienung gesteuert duftneutrales Sprühmittel unter die Schnauze sprühte. Dieser Sprühstoß erfolgte immer gleichzeitig mit einem kurzen Schimpfen. Daraufhin rief ich den Hund, streichelte ihn und er erhielt was Leckeres. Wir haben das große Angehen von hereinkommenden Menschen damit sehr schnell unterbinden können, ohne unserem kleinen Mann noch mehr Stress zu geben. Nach drei Wochen war das Thema durch, Mr. Hund schlief nun zunehmend im Büro und entspannte mehr als zuvor. Wir waren gut zufrieden. Ich sah dieses Problem als abgeschlossen an.
Nun kommen wir zur großen Baustelle, die mir keine Ruhe lässt:
Im Februar kam ich mit meiner Großmutter nach einem Abendessen nach Hause. Mr. Hund kam die Treppe runter und freute sich sehr über die Ankunft von Oma und mir. Wir streichelten ihn. Plötzlich tackerte der kleine Mann unvermittelt und ohne sichtbare Ankündigung in die Hand meiner Oma. Dazu dieses fiese Geräusch - beinahe ein Kampfgeräusch. Beim Gedanken daran kriege ich Gänsehaut.
Das war geschehen, meine Oma hat seither natürlich Angst und besucht uns nicht mehr. Vorher haben die zwei sich richtig geliebt.
Wir haben daraufhin mit der Hundetrainerin an dem Problem arbeiten wollen, einige Regeln aufgestellt (Thema Rangordnung). Egal, wie sehr sie unseren Hund in die Ecke gedrängt hat - nichts passierte. Alle waren sich sicher, dass es eine einmalige Sache gewesen sei - vermutlich aufgrund irgendwelcher Traumata aus Mr. Hunds Vergangenheit.
Einen Monat später eine ähnliche Situation. Wir kommen mit einem befreundeten Pärchen nach einer Feier nach Hause. Mr.Hund kommt, freut sich, wird von mir gestreichelt. Leider war die Besucherin etwas angetütert und hat meine Bitte, den Hund nicht zu streicheln, aufgrunddessen ignoriert. Es kam, wie es kommen musste. Da meine Hand die Besucherhand in dem Moment "vertrieb", bekam ich es diesmal ab.
So weit, so schlecht. In der Folge haben wir eine klare Ansage gemacht: Der Hund wird auf der Treppe nicht mehr angefasst, vor allem nicht von Besuchern. Ich fasse ihn weiterhin auf der Treppe an, da er meiner Meinung nach lernen sollte, dass es okay ist. Das klappt sehr, sehr gut. Als meine Mutter (Hunds Urlaubsbetreuung und auch im Kreis des Vertrauens) ihn letztes Mal ganz in Gedanken auf der Treppe anfasste, war seine Freude groß. Er forderte sogar mehr Streicheleinheiten, als sie aufhörte.
Ich habe also gehofft, dass das Thema Beißen nun endlich erledigt sei. Immerhin haben wir alles Mögliche getan (haben natürlich auch eine eventuelle Schmerzsymptomatik abklären lassen).
Leider wurde die Hoffnung enttäuscht. Kurze Zeit später (etwa ein Monat) zwickte Mr.Hund eine Kundin. Er lag auf dem Rücken, sie beugte sich runter und zwickte im letzten Moment. Es war jedoch wirklich nur ein Zwicken in diesem Fall - kein Blut, nur ein leichter Kratzer, als wenn man sich am Tisch stößt. Seitdem kein Vorfall mehr, das ist nun etwa 6 Monate her - kein Vorfall, aber ein absolut ängstliches Frauchen. Nach einer erneuten Untersuchung beim Tierarzt wurde in der Firma ein Schild aufgehangen, dass man den Hund aufgrund sehr schlechten Sehens bitte nicht anfassen soll.
Ich habe mittlerweile eine Grundanspannung, sobald
a) in der Firma die Tür aufgeht,
b) irgendein Mensch in Hunds Nähe ist,
c) Hund sich erschreckt,
d) ...
In seltenen Fällen ist dieses fiese Grurren/Kampfgeschrei vom Hund zu hören. Eigentlich ausschließlich, wenn er sich richtig doll erschreckt (etwa einmal im Monat). Ich schimpfe dann, Hund guckt erschrocken, ich streichle ihn, alles gut. Ich selbst bekomme jedoch jedes Mal fast einen Weinkrampf, zittere am ganzen Körper, bin total fertig. Unsere Hundetrainerin, mein Freund und meine Mutter sind sich sicher, dass es so schnell nicht mehr passieren wird. Herr Hund ist viel entspannter als vor einem halben Jahr, geht Menschen mittlerweile meist aus dem Weg, wenn er sich unwohl fühlt und geht sogar auf einige Menschen freudig zu. Unsere Familien- und Bürohündin gibt ihm m.M.n. auch viel Vertrauen zurück, da sie selbst wirklich alle Menschen liebt.
Das eigentliche Problem - das ich nun mit allen Ursprüngen begründet habe - liegt bei mir:
Ich habe so oft Angst, dass wieder etwas passiert, dass ich kaum entspannen kann. Ich habe das Gefühl, eine tickende Zeitbombe bei mir zu haben, auch wenn ich selbst natürlich die positive Entwicklung von Mr. Hund nicht übersehe. Ich habe so Angst vor einer erneuten Beißsituation, dass ich total blockiere. Ich habe ganz klar gesagt: Wenn es nochmal passieren sollte, muss Mr. Hund umziehen. Dann kann ich die Verantwortung nicht mehr tragen. Allerdings will ich einen erneuten Vorfall natürlich nicht provozieren.
Ich würde mich wirklich für eure Erfahrungen interessieren:
Kennt jemand diese Situation?
Wie seid ihr mit der Angst umgegangen?
Kann ein Hund, der bereits dreimal gebissen/geschnappt hat, ein Leben ohne weitere Vorfälle führen?
Sind wir vielleicht das falsche Zuhause für den Kleinen?
Was kann man gegen die ständige Angst machen?
Ich danke allen, die wirklich den ganzen Roman gelesen haben! Ich bin aktuell wirklich verzweifelt. Ich liebe Mr.Hund so sehr, aber die tägliche Angst macht mich kaputt.
Ich freue mich jetzt auf eure Antworten.
Liebe Grüße,
Vanessa