seltsame Hundeerziehung

  • In den meisten Fällen geht es auch nicht darum komplexe Verhaltensänderungen durch Strafe herbeizuführen, sondern um ein unterbrechen des unerwünschten Verhaltens um DANN positiv Altermativverhalten zu lehren.


    Aber das steht auch schon weiter oben...
    ... von unterwegs

  • Ich finde, jetzt wird hier reichlich viel Verschiedenes in einen Topf geworfen.
    Dass ein Abbruchsignal für den Alltag sinnvoll ist, bestreitet ja keiner. Das ist aber (und so verstehe ich Pryor) eben Gefahren- (und sonstigem) Management vorbehalten. NICHT dem Aufbau von Verhalten. Das erfolgt dann losgelöst davon.
    Ich kann nicht jede Situation im Alltag zu 100% unter Kontrolle haben und ich kann nicht jedes Verhalten bereits trainiert haben, bevor die entsprechende Situation auftritt.


    Beispiel: Eines unserer wichtigsten Kommandos ist "Warte". Klappt auch sehr gut. Jetzt kann es aber trotzdem mal vorkommen, dass das Kommando überhört wird. Je nachdem, ob sich daraus eine potentiell gefährliche Situation entwickeln könnte reagiere ich indem ich das Kommando nachdrücklicher wiederhole oder ein "Ey" hinterher schieben. Sollte das öfter mal nötig sein, muss ich mein "warte" neu aufbauen. Aber doch nicht, indem ich immer "Ey" rufe, wenn es grad nicht klappt.
    "Ey" kündigt meinem Hund eine unangenehme Konsequenz an, das kann er schon aus der Tonlage schließen, mit Sicherheit habe ich es aber auch irgendwann mal unbewusst konditioniert. Davon gibt es dann bestimmte Abstufungen die von Räuspern bis zum Hochziehen der Augenbrauen reichen. Aber auch das Hochziehen der Augenbrauen kündigt meinem Hund eine negative Konsequenz an (und wenn es nur Spielabbruch ist) und ist somit eine Drohung. Das sollte man einfach richtig einordnen finde ich.

  • Also, bevor ich emotional ungerecht irgendwelche Strafen von mir gebe, trainiere ich einfach grundsätzlich vorher ein Abbruchssingal auf (das nicht für sich selbst die Strafe ist), das auf einem für den Hund nachvollziebarem System beruht und ihm die Chance gibt der Strafe zu entgehen, wenn er Verhalten ändert bzw. abbricht (sorry, für mich ist ein Abbruch auch eine Verhaltensänderung und manchmal möchte ich die Hemmung, die dadurch entsteht sogar ganz bewusst drin haben...). Der Hund weiß, was kommt und kann sich drauf einstellen, ob er es in Kauf nimmt oder nicht.


    Meiner Erfahrung nach führt das zu viel Vertrauen. Ich führe meine Hunde ja in gewisser Weise "jagdlich". Wenn ich ein unzuverlässiger Arsch wäre (was ich früher war), dann würden die nicht mit mir arbeiten - also während der Jagd auf meine Anweisungen achten! - auf mehrere hundert Meter Entfernung. Achwas, da reichen ja schon 50 Meter.


    Mit einem Hund bin ich mächtig auf die Schnauze gefallen, weil ich nur gestraft habe, wenn ich emotional war. Dieser Hund vertraut mir heute noch nicht bei der Arbeit.


    Daneben gehören natürlich noch gefühlte tausend andere Dinge zur Vertrauensbildung. Aber hier geht es ja jetzt nur noch um Strafe...

  • Zitat

    Also, bevor ich emotional ungerecht irgendwelche Strafen von mir gebe, trainiere ich einfach grundsätzlich vorher ein Abbruchssingal auf (das nicht für sich selbst die Strafe ist), das auf einem für den Hund nachvollziebarem System beruht und ihm die Chance gibt der Strafe zu entgehen, wenn er Verhalten ändert bzw. abbricht (sorry, für mich ist ein Abbruch auch eine Verhaltensänderung und manchmal möchte ich die Hemmung, die dadurch entsteht sogar ganz bewusst drin haben...). Der Hund weiß, was kommt und kann sich drauf einstellen, ob er es in Kauf nimmt oder nicht.


    Hast du dazu ein Beispiel? Was wäre denn so eine Strafe auf die er sich einstellen kann? Augenbrauen hochziehen wurde schon genannt, Spielabbruch. Was wäre denn für einen Hundesenior wie meinen eine Strafe, der schon eine Lindentrübung hat (die hochgezogene Augenbraue wohl gar nicht sieht), und der überhaupt nicht spielt?

  • Ich kann das Abbruchssignal genauso gut mit Belohnungen aufbauen oder über Frust. Das muss kein Bedrohen sein und ist nicht weniger zuverlässig.

  • Zitat

    Ich kann das Abbruchssignal genauso gut mit Belohnungen aufbauen oder über Frust. Das muss kein Bedrohen sein und ist nicht weniger zuverlässig.


    Doch...es gibt da mehrere Probleme...ein "Abbruchsignal", welches mit Belohnungen aufgebaut wird, ist ja nix weiter als ein sekundärer Verstärker. So bildet man rasend schnell Verhaltensketten. Bei einigen Hunden kann man die je nach Situation und Können schnell aufdröseln, aber es gibt Hundetypen, da ist es umgemein schwierig, etwas Konstruktives aus den unerwünschten Verhaltensketten zu bilden.


    Außerdem muss nach dem positiven Abbruchsignal belohnt werden, weil sonst die Verknüpfung schnell auf Extinktion gesetzt wird. Das kann auch wieder ja nach Hund und Problematiken schwierig werden, denn die Belohnungsressourcen fehlen dann unter Umständen bei anderen Baustellen.


    Dann ist es wie gesagt auch notwendig, dass der Hund lernt, mit Bedrohungen umzugehen. Viele Hunde, die in der Erziehung den Umgang mit konditionierter Strafe nicht gelernt haben, mangelt es an Frustrationstoleranz. (Das sage nicht ich, dass sagen die federführenden Leutchens, die auf den Clickerexpos und wissenschaftlichen Konferenzen referieren..).


    Dann ist der positive Unterbrecher auf die Qualität der Belohnungen angewiesen. Die konditionierte Strafe wirkt unabhängig von speziellen Motivationslagen, da der Selbstschutz ja immer aktiv ist. Nicht zuletzt deswegen wirkt ja der Geschirrgriff so gut. (ja, negative Verstärkung, aber gleiches Prinzip)


    Dann wäre da noch das Erregungsniveau. Das ist auch wieder enorm hundeabhängig. Einige drehen bei Strafen auf, andere bei vielen Belohnungen. Ich kenne einen Hund, der mittels Zeigen und Benennen mit besten Absichten total ralle geworden ist und bei wirklich jedem Bewegungsreiz ausgetillt ist. Ein Training mit konditionierter Strafe und Belohnung bei erwünschtem Verhalten hat dazu geführt, dass das Tierchen an lockerer Leine durch die belebte Stadt tingeln kann.


    Die Arbeit über negative Strafe kann auch je nach Hundetyp enorm frustrierend sein. Das hat nicht nur Auswirkungen auf das Lernen (oft wird von den Frustis dann nämlich gar nix gelernt), sondern auch auf der körperlichen Ebene (Stress/Cortisol...). Es gibt da teilweise echt gruslige Dinge mit stark gestressten Hunden :| gerade auch bei Clickertrainern, die viel mir Extinktion arbeiten.

  • Uuund, offensichtlich scheint ja ein Großteil der Menschen hin und wieder impulsiv auf unerwünschtes Verhalten zu reagieren. Wenn ihm vorher nicht beigebracht wurde, konstruktiv mit Strafe seitens des Menschens umzugehen, find ich das nochmal unfairer.

  • Wobei ich mir dann auch mal (schnellstmöglich) nen Kopf machen sollte, warum ich denn IMMER WIEDER ein unerwünschtes Verhalten ab- oder unterbrechen muss, so dass das positiv aufgebaute Abbruchsignal überhaupt zum Verstärker des vorigen Verhaltens werden kann... Es ist logisch, dass man unerwünschtes Verhalten nicht mit einer Belohnung unterbrechen sollte.


    Auch ist logisch, dass ich mit Z&B den Hund kirre machen kann - eine Methode ist nur so gut wie der, der sie anwendet - im Verlauf der Anwendung und des Trainings sollte ich eigentlich sehen, ob und was sich beim Hund ändert. Deswegen ist aber die Methode an sich nicht schlecht, sondern nur ungeeignet für Hund und/oder Halter.

  • dragonwog
    Frust ist total "Belohnung", nech?


    Aber mal so ne Frage, wie viele Hunde hast du tatsächlich ausgebildet oder ist das angelesen? Denn je nach Trainer oder "Leutchens" gibt es viele widersprüchliche Aussagen und ich frage mich schon lange, ob du diese Hunde, die du da teilweise beschreibst, auch wirklich gesehen hast oder nur Erfahrungsberichte wiedergibst? Denn mir erscheinen deine Aussagen als äußerst theoretisch. Nicht böse sein, es wirkt nur so. Ich spreche dir keinesfalls fachliche Kompetenz ab, nur wirkt mir das wenig praxisbezogen.


    >>"Viele Hunde, die in der Erziehung den Umgang mit konditionierter Strafe nicht gelernt haben, mangelt es an Frustrationstoleranz."
    Gilt das nur für eine Art der Bestrafung? Oder lässt du den zweiten Teil meiner Aussage einfach weg? Mangelnde Frustrationstoleranz hat zudem viele Gründe. Das auf diesen Aspekt herunterzubrechen, erscheint mir als sehr vereinfacht.



    >>"Nicht zuletzt deswegen wirkt ja der Geschirrgriff so gut. (ja, negative Verstärkung, aber gleiches Prinzip)"
    Nicht ganz, der Geschirrgriff wirkt deshalb so gut, weil man einen Reflex konditioniert (das "Zurücknehmen"). Und zwar über beide Verstärkungssysteme. Der Zug wird deshalb überhaupt erst angenommen, weil man ihn mit Belohnung und Entspannung aufbaut - also gegenkonditioniert/desensibilsiert. Das hat mit dem immer aktiven Selbstschutz gar nichts zu tun. Beim Geschirrgriff wird nicht bedroht, erst recht nicht, wenn der Hund ihn nicht ausführen sollte, weder mit dem Körper noch mit einem konditionierten Strafreiz. Im Gegenreil, zeigt der Hund Meideverhalten, wird er noch kleinschrittiger auf den Zug oder gar das Handanlegen vorbereitet. Hast du schon einmal einen aufgebaut? Angewandt. Es klingt mir nicht so.


    Hunde, die bei einer hohen Belohnungsrate aufdrehen, muss man natürlich begegnen, aber zu sagen, dass dann die positive Strafe das Mittel der Wahl ist, halte ich für eine Milchmädchenrechnung. Ich kenne keinen Z&B-Hund bei richtigem Aufbau, der so wäre wie von dir beschrieben. Ich kenne nur Z&B-Hunde, die so sind, weil man die Erregung mit reinkonditioniert hat, also Aufbaufehler. Wenn zusätzlich das Alternativverhalten nicht passt, wird es echt düster - wenn man die Motivation des Hundes verkannt hat (Frustpöbler wollen keinen Abstand und werden kontinuierlich negativ bestraft, wenn man ausweicht). Hast du Z&B schonmal aufgebaut? Angewandt?


    Ich habe außerdem gar nicht erst behauptet, dass der positive Unterbrecher keine Tücken hat (Verhaltensketten), ich sage nur, dass er nicht weniger zuverlässig ist - denn ich könnte nun natürlich anfangen, die Probleme eines konditionierten Strafreizes als Unterbrecher aufzuschlüsseln und gegenüberzustellen. Besonders bei nicht adäquater Anwendung oder schlechtem Aufbau.
    Dass in dem täglichen Umgang mit dem Hund sowieso konditionierte Strafreize vorkommen, sogar bei den wattebauschigsten Wattebauschwerfern, passiert unbewusst.


    Es ist absolut richtig, dass unerwünschtes Verhalten unterbrochen werden muss, da der Hund mit jeder Ausführung einübt, was er da tut. Er darf keine Gelegenheit haben, unerwünscht Hunde anzupöbeln, und ggf. kann man dies mit einem sofort verstandenen Körpersignal wie dem Body Block machen. Dass ich aber dann im Aufbau des Trainings einfach zu weit gegangen bin, ist auch klar.
    Den Hund in die Situation zu schubsen, die er nicht meistern kann, weil er im Verhalten noch gefangen ist, ist unfair. Dein Plädoyer bei manchen "Tierchen" Zuckerbrot & Peitsche anzuwenden, gerade bei gefährlichem Verhalten, verstehe ich nicht. Ich wüsste auch nicht, welche "Leutchens" das so propagieren, die wirklich was drauf haben? Dass klingt baumännlich und balserisch. Oder blochig (der kein Hundetrainer ist).
    Deswegen frage ich dich, warum du glaubst, dass ein konditionierter Strafreiz die bessere Wahl ist, wenn der Weg doch sein sollte, unerwünschtes Verhalten gar nicht erst zu provozieren, das ich dann unterbrechen muss? Kommt das unerwünschte Verhalten sowieso nur selten vor, kann ich das auch mit einem positiven Unterbrecher machen - genau dann nämlich, wenn ich die klasische Konditionierung nicht noch gegen mich haben will.



    (Sorry fürs komische Zitieren, es ist mir gerade nicht möglich, das ordentlicher zu machen)

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