Ansatz zur Korrektur von schwer traumatisierten Hunden
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Hallo an alle,
ich würde gern eure Meinungen zu folgendem Vorgehen im Falle von Broadie, DSH, Rüde, unkastriert, 4 Jahre, schwerst traumatisiert, geschlagen, getreten, wegen Beißens schließlich im Tierheim gelandet, hören.
Der Hund befand sich einige Wochen im Zwinger, dann wurde mit der Arbeit begonnen. In einem Roundpen aus Metallgitter wird der Hund laufen gelassen. Es geht darum, ihm zu vermitteln, dass Menschen ihm helfen und ihn beschützen können, also das Ziel jeder Resozialisierung bei schwer traumatisierten Hunden.
Zu diesem Zweck wird eine Schleuder und eine Handvoll Kiesel benutzt. Der Vorteil ist, dass der Hund nicht erkennt, dass der Mensch sie benutzt; er kann nicht verknüpfen, dass der Stein, der hinter ihm gegen das Gitter knallt, vom Menschen kommt, sofern man sich nicht plötzlich bewegt.
Während Mensch umherwandert, beobachtet er Broadie, der unsicher herumläuft und schließlich so weit entfernt wie möglich stehenbleibt. Ein Stein trifft das Gitter hinter ihm und verursacht ein unheimliches Geräusch. Der Hund hopst, guckt komisch und läuft weg.
Das ist der Moment für den Mensch, (aus Hundesicht) in Aktion zu treten. Man geht also gelassen zu der Stelle, an der der Vorfall passiert ist, und kickt kurz und lässig das Gitter, um dem Hund zu zeigen, dass man a) sich nicht fürchtet und b) uns sowas offenbar nicht passiert. Wir helfen ihm also bei der Lösung eines Problems.
Das wird wiederholt. Nach in diesem Falle 5x kam Broadie, zeigte submissives und offenbar hilfesuchendes Verhalten (Pfote geben, Lecken, Ohren zurücklegen etc.) und wich fortan nicht mehr von der Seite des Menschen. Wenn er hochsprang, wurde bestimmt um seine Schnauze gegriffen; das ahmt den Schnauzgriff nach, den ranghöhere Hunde/Wölfe charakteristisch bei Begrüßungszeremonien zeigen und der dann 'ich beschütze dich, denn ich bin stark und tue dir trotzdem nichts' heißt.
Broadie hatte 3 solcher Arbeitseinheiten im Abstand von ein paar Tagen, dann kam er an ein 15m langes, dünnes Nylonseil zu einem Spaziergang. Die Veränderung war drastisch, er blieb in einem kleinen Umkreis, entfernte er sich, genügte ein Klatschen, und er kam zurück. Bei jedem 'gefährlichen' Objekt ging Mensch vor, inspizierte es und zeigte ihm, dass es in Ordnung war.
Nach 2 solchen Spaziergängen blieb er entspannt in einem 10m Radius und legte sich freiwillig zum Mensch, wenn es eine Pause gab. Er lässt sich überall anfassen, auch rauher, und fühlt sich offensichtlich wohl.
Es geht mir hier um eine Diskussion der Methode, nicht des Einzelfalles, den ich beschrieben habe, der diente der Verdeutlichung - es wäre schön, wenn man konstruktiv darüber diskutieren könnte, da ich das Prinzip sehr interessant finde (bzw. bei mittlerweile einigen Dutzend Hunden gesehen habe, wie es funktioniert)!
Fragen sind willkommen und bestimmt auch nötig :)
Bei allen Zweifeln im Bezug auf die Körpersprache ist 'The Evolution of Canine Social Behaviour' und 'Dog Language' von Roger Abrantes übrigens unbedingt zu empfehlen.
LG
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Hi
hast du hier Ansatz zur Korrektur von schwer traumatisierten Hunden* schon mal geschaut? Dort wird jeder fündig!
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ich kenne mich zwar überhaupt nicht mit schwer traumatisierten hunden aus,
finde den ansatz aber durchaus denkenswert.
besonders, weil ich eine parallele zu meinem normalo hund sehe.
nachdem ich ihn ein/zweimal vor einem anderen rüden, dem er recht unsicher gegenüberstand,dem er gleichzeitig aber auch drohend gegenüberstand, beschützt habe- hatte ich dieses aha erlebnis.
mein hund sah mich an und war einfach glücklich, beschützt worden zu sein...
vertrauensbildung durch sicherheit... -
Zitat
Bei allen Zweifeln im Bezug auf die Körpersprache ist 'The Evolution of Canine Social Behaviour' und 'Dog Language' von Roger Abrantes übrigens unbedingt zu empfehlen.
Was magst Du damit sagen??
Ich fiinde Methoden, die - statt dem Hund Kontrolle über die Konsequenzen seines Handelns und ihm dadurch Sicherheit zu geben - damit arbeiten, dass man dem Hund Unsicherheit vermittelt ('Menschen sind zum fürchten, aber alles andere ist noch furchtbarer, also such bei mir Schutz'), sehr fragwürdig.
Ob der Hund nun tatsächlich entspannt und gelassen ist, müsste man anhand von Videos auswerten.
Ich bezweifle es.LG
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Ich habe auch Mühe mit dem Ansatz, einen traumatiesierten Hund zu verunsichern, um sich danach als einzige Rettung in der bösen Welt anzubieten. Die Unsicherheit wird dann genutzt, um ein extremes Abhängigkeitsverhältnis zu schaffen, der Hund wird ganz klein gehalten - es mag funktionieren, aber für mich geht das in Richtung einer sehr ungesunden Beziehung.
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Das war nur eine Buchempfehlung :) hat bei der Beurteilung sehr geholfen.
Der Hund ist aber doch generell komplett unsicher gegenüber allem. Der Mensch hat sich lediglich als beschützender Chef herausgestellt, aus Hundesicht.
Mich würde interessieren, wie du stattdessen vorgegangen wärst, habe noch von keiner effektiven Strategie bei solchen Fällen gehört :)
LG
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Ich bin kein Verhaltenstherapeut, also würde ich die Finger davon lassen. Mir widerstrebt bloss die Idee total, einen komplett unsicheren Hund bewusst noch mehr zu verunsichern, bis er schliesslich in seiner Angst selbst mit dem Teufel paktieren würde.
Ich würde, wie Floydie + Duran geschrieben hat, einen Ansatz bevorzugen, der dem Hund Kontrolle über die Konsequenzen seines Verhaltens gibt. Der dem Hund eigene Sicherheit gibt.
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Ich fände es sehr interessant noch Meinungen von Menschen zu hören, die tatsächlich mit so ängstlichen Hunden arbeiten. Am liebsten gleich mit Analyse was warum nicht so gut an der Methode ist, was daran gut ist und wie man es selbst machen würde :)
Viel verlangt, ich weiß, aber ich freue mich immer dazu zu lernen.
@Floydie: falls du Erfahrung mit solchen Hunden hast würde mich auch deine ausführliche Meinung sehr interessieren.
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Ich habe da das gleiche ungute Gefühl wie Naijra...
LG von Julie -
Ich kann mir halt nur schwer vorstellen, dass man bei einem wirklich stark traumatisiertem Hund (und die Frage wäre hier auch, wie definieren wir Traumata? Ich hab nämlich das Gefühl, dass dieser Ausdruck in der Hundeszene momentan recht inflationär gebraucht wird...) mit so wenigen Einsätzen, so große Erfolge erzielen kann.
Wie will ich denn durch DREI kurze Einheiten ein jahrelang manifestiertes Trauma auslöschen? Mich machen solche "Wunderheilungen" immer etwas stutzig...Ich hab hier ne Hündin aus Spanien sitzen...der Hund hatte als er hier ankam wirkliche Todesangst, wenn sie unter einer Fahne oder einem Sonnenschirm hergehen musste...
Wir haben das heute im Griff.
Das hat aber auch JAHRE gebraucht...wie hätte ich das in drei Einheiten hinkriegen sollen? -
Zitat
Während Mensch umherwandert, beobachtet er Broadie, der unsicher herumläuft und schließlich so weit entfernt wie möglich stehenbleibt. Ein Stein trifft das Gitter hinter ihm und verursacht ein unheimliches Geräusch. Der Hund hopst, guckt komisch und läuft weg.Das ist der Moment für den Mensch, (aus Hundesicht) in Aktion zu treten. Man geht also gelassen zu der Stelle, an der der Vorfall passiert ist, und kickt kurz und lässig das Gitter, um dem Hund zu zeigen, dass man a) sich nicht fürchtet und b) uns sowas offenbar nicht passiert. Wir helfen ihm also bei der Lösung eines Problems.
Ungefähr so habe ich gearbeitet mit meiner eigenen Hündin. Bis auf dass ich nicht selber eine Schreck-Situation herbei geführt habe, sondern diese auf dem Spaziergang eh passiert sind (das habt ihr ja im zweiten Schritt gemacht). Ich finde aber, dass der Hund auch lernen sollte, dass nicht JEDES Objekt, welches ihm Unbehagen bereitet untersucht werden sollte. Denn so macht man Dinge auch "wichtig". Es gibt einfach Situationen, da sollte ein Hund durchlaufen können, ohne sich überzeugen zu müssen, ob der Plastiksack auf der Wiese nun wirklich gefährlich ist oder nicht -> ich messe dem Objekt null Bedeutung zu, es ist mir EGAL.
Ausserdem leiden diese Hunde oft an fehlendem Selbstbewusstsein. Ein selbstbewusster Hund hat es nicht nötig, sich um jeden Pipifatz zu kümmern. Also lasse ich den Hund auch mal vor, ein Objekt SELBER zu untersuchen, ganz ohne mein "heitetei" dem Objekt gegenüber. Hund lernt -> es passiert NIX, auch wenn ich mich traue.ZitatWenn er hochsprang, wurde bestimmt um seine Schnauze gegriffen; das ahmt den Schnauzgriff nach, den ranghöhere Hunde/Wölfe charakteristisch bei Begrüßungszeremonien zeigen und der dann 'ich beschütze dich, denn ich bin stark und tue dir trotzdem nichts' heißt.
Das geht mir zu weit. A. Weiss niemand mit Sicherheit, was im Kopf des Hundes oder Wolfes abgeht. Hier befinden wir uns m.E. auf einer Ebene, wo zuviele Menschen überzeugt sind, sich einfühlen zu können, resp. zu wissen, was einfach nicht möglich ist. B. Es ist und bleibt ein Hund, kein Wolf. C. Will man denn als Mensch tatsächlich einen Wolf nachahmen, muss einfach bewusst sein, DASS DAS GAR NICHT MÖGLICH IST. Ich bin der Meinung, kein Hund nimmt es ernst, wenn wir Menschen "so tun als ob" -> Verunsicherung lässt grüssen.
Um das Hochspringen zu unterbinden, gibt's viele andere, gute Methoden.Also grundsätzlich finde ich das Ganze sehr interessant, gerne würde ich wissen, wie sich das mit dem betreffenden Hund weiter verhält und ob seine momentane Akzeptanz nicht einfach auf Unsicherheit beruht.
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