Kritische Äußerungen gegen Kastration bei Tierschützern

  • Hi,
    ich möchte mal ein Thema ansprechen, das mich z.Z. ein bisschen beschäftigt. Es geht um die Kastrationspolitik vieler Tierschutzorganisationen und Tierheime.
    Auf das Thema kam ich als in in einer Zeitung eine Anzeige mit Spendenaufruf sah, mit der Überschrift "Damit wir so viele Tiere kastrieren können, wie möglich!"...
    Ich selbst bin absolute Kastrationsbefürworterin, wenn es Tierelend lindert. Das ist in meinen Augen bei allen Straßenhunden der Fall und bei Katzen immer, unabhängig von der Art der Haltung.
    Bei Hunden, die in Privathand vermittelt werden sollen, sehe ich das aber etwas anders. Hier wird oft vor der Vermittlung kastriert oder nur mit Kastrationsauflage vermittelt (die nicht rechtens ist, aber das soll nicht das Hauptthema sein). Das ganze bei völlig gesunden Hunden ohne medizinische Indikation. In solch einem Fall bin ich absolut dagegen, einen gesunden Hund zu operieren und so maßgeblich in den Hormonhaushalt einzugreifen, denn die Kontrolle von Hunden in Privathand sollte (schon laut Gesetz) jederzeit gegeben sein, somit auch die Kontrolle der Fortpflanzung. Wenn das Tierheim / Orga der Meinung ist, jemand hat den Hund nicht unter Kontrolle, sollte es eben an diese Person nicht vermitteln. Das ist meine Meinung...

    Eine Kastration hat viele Nachteile für einen Hund. Um die häufigste zu nennen, es werden rund ein Drittel aller größeren Hündinnen nach einer Kastration inkontinent und müssen lebenslang Medikamente nehmen. Rüden werden oft nicht mehr ernst genommen und zum Aufreitobjekt, sie können zudem durch fehlende Hormone ängstlicher und unsicherer werden. Es erhöhen sich verschiedene Risiken von bestimmten Krankheiten und oft bleibt auch eine negative Verhaltensänderung / Charakteränderung nicht aus.

    Ich habe nun den "Fehler" begangen, das rote Tuch zu schwingen und das Thema auch bei verschiedenen Tierschützern mal anzusprechen, wenn es mal wieder darum ging, Tierheimhunde bzw. Hunde aus dem Ausland, die nach D kommen, zu kastrieren. Ich würde mich selbst als Tierschützer bezeichnen, bin aktiv an Aufklärungsarbeit beteiligt und aktives Mitglied im Tierschutzbund, außerdem setze ich mich für die Tiere in meinem Umfeld ein.
    Ich habe das Gefühl, sobald man differenzierter an das Thema Kastration heran geht und nicht alles operiert was nicht bei 3 auf dem Baum ist, wird man von den hartgesottenen Tierschützern gleich als Tierquäler, Vermehrer usw. hingestellt. Man könne ja nie komplett auf einen Hund aufpassen und deswegen würden sie sich vermehren, Kastration habe nur Vorteile für den Hund, sie werden danach viel lieber und schmusiger (ich bin dagegen, einen Hund so hinzuschneiden, wie man ihn haben will), man beugt Krebs vor (als Beispiel: Risiko bei Hündinnen an Eierstockkrebs zu erkranken: 0,4% des Gesamtkrebsrisikos, zur Erinnerung: 30% Warscheinlichkeit einer lebenslangen Inkontinenz).

    Doch so lang geworden...
    Also was ich eigentlich sagen wollte: Ist euch das auch schon aufgefallen, dass es ein rotes Tuch ist, das Thema Kastration in bestimmten Kreisen zu differenzieren? :hust:

  • Beim Rüden kann man das ganze ja mit einer Sterilisation umgehen. Dort bleibt der Hormonhaushalt ja gegeben, allerdings kann er halt die Hündin nicht mehr befruchten.

    Ob das Thema in bestimmten Kreisen zu differenzieren ist, mh gute Frage.
    Bei Straßenhunden und Katzen kann ich es verstehen (wir haben hier eine Freigängerin die ständig tragend ist...).
    Bei unseren "normalen" Hunden ist es so, dass ich denke da sollte man auch sehen. Es gibt ja genügend Hündinen die unter Scheinträchtigkeit leiden. Und mit Sicherheit auch genügend Leute die nicht genug auf ihren Hund aufpassen.

    Ich verteufel nicht alle, kenne persönlich kein Tierheim das die Kastrationsauflage hat. Gelesen habe ich davon natürlich schon. Ich kann mir aber auch vorstellen, dass es damit zusammen hängt, dass viele meinen "ich lass meine Hündin ein mal werfen", oder auch das trächtige Hündinen abgegeben werden, oder gar vor dem TH angebunden oder sowas in der Art.

  • Was ich als Laie immer wieder faszinierend finde - Kastration im Rahmen von Tierschutz ist okay. Wie Du schreibst, nahezu jeder TH-Hund wird kastriert abgegeben oder mit der Auflage ihn kastrieren zu lassen.

    Sobald man aber als Durchschnittshundehalter, der keinen Tierheimhund hat, nur mal Informationen über die Kastration sammeln will um sich selbst ein Bild zu verschaffen, wird man, im Zweifelsfalle von den selben Leuten, die oben stehendes befürworten, mehr oder minder angegriffen.

    Kastrationsprogramme für Straßenhunde finde ich super - aber warum der TS-Hund der in Privathände abgegeben zwangsläufig kastriert werden muss, während der HH des nicht TS-Hund nicht mal ansatzweise darüber nachdenken darf - das will nicht in meinen Kopf.

  • Zitat

    Was ich als Laie immer wieder faszinierend finde - Kastration im Rahmen von Tierschutz ist okay. Wie Du schreibst, nahezu jeder TH-Hund wird kastriert abgegeben oder mit der Auflage ihn kastrieren zu lassen.

    Naja.. Wie bereits erwähnt ist diese Klausel nicht rechtens und somit hinfällig..

    Ich kann es aber verstehen, wenn nur kastrierte Hunde rausgegeben werden. Ich kenne soviele kranke und auffällige TS-/TH-Hunde (das meine ich völlig wertfrei!) und die müssen sich bitte schön nicht auch noch vermehren. Natürlich gibt es verantwortungsbewusste Hundehalter, kein Thema. Aber es gibt auch Vollpfosten (die aber keine schlechten HH sind!). Und irgendwie muß man die Tiere ja schützen.

  • Kastration ist genau so ein Thema wie Auslandstierschutz. :D
    Sagt man man ist dagegen, laufen die Tierschuetzer Sturm.
    Erleben halt viel schreckliches in ihrer Arbeit, ich kanns teilweise, wenn vernuenftig argumentiert wird verstehen.
    Ich versuche jedem klar zu machen dass er seinen TS Hund nicht kastrieren muss, auch wenn es in der Klausel steht und hoffe dass es moeglichst viele erreicht die sich dann dagegen entscheiden.

    Ich mache mich halt gerne unbeliebt, bin ja auch fuer ein absolutes Verbot von kupierten Tieren in Deutschland. ;) Da gehen den Leuten auch immer die Huete hoch. :D

  • Ich kann die Kastration bei Tieren in den Tierheimen - auch wenn die später in Privathand gehen - mehr als gut verstehen und bin der Meinung, dass es anders gar nicht möglich ist.

    Ich sehe es hier in den Tierheimen - viele dieser Tiere gehen später nach Deutschland und leben dort privat - aber vorher verbringen sie eine unabsehbar lange Zeit im meist hoffnungslos überfüllten Tierheim. Dort MUSS kastriert werden - anders kann man die Tiere dort nicht halten. Nicht einmal ausschliesslich wegen der Vermehrungsgefahr - die könnte man mit geschlechtergetrennten Zwinger eindämmen - sondern auch wegen des unglaublichen Stresses unter dem die Tiere stehen. Die Zwinger sind eh zu voll, es sind zuviele Tiere drin, keine Beschäftigung, keine Ausweichmöglichkeit und dann laufen nebenan die läufigen Hündinnen rum. Was glaub ihr, was da passiert? Die Rüden - auch die sterilisierten - laufen Amok und reissen sich im Härtefall gegenseitig in Fetzen. Und die Mädels nebenan lassen sich anstecken und fallen ebenfalls übereinander her...

    Sich bei solchen Szenarien - und die kommen weder selten vor noch sind sie übertrieben - hinzustellen und zu sagen: ja, aber bei einer Kastra greift man doch in den Hormonhaushalt ein - halte ich vorsichtig formuliert für unüberlegt und unrealistisch. In vielen Fällen würde das heissen: ich opfere einen Teil der anderen Hunde dem Hormonhalt derer, die zur Vermittlung in Privathand vorgesehen sind...

    Und rein persönlich muss ich sagen, dass ich dieses ganze Theater hier wegen der Kastra irgendwie nicht echt verstehe.. .aber das muss ich auch nicht...

    LG Birgit

  • Ich denke, das wird noch etliche Jahre dauern, bis sich ein umdenken da durchsetzt.
    So richtig in Gang gekommen ist die Diskussion erst wieder durch Dr. Gansloßer.
    Ich habe noch nie einen Rüden kastrieren lassen müssen und keiner meiner Hunde hat
    je für Nachwuchs gesorgt. Dafür kann ich sorgen, das ist meine Verantwortung.
    Vielleicht wird sich auch bei Straßenhunden mit der Zeit eine Sterilisation durchsetzen,
    wäre schön und würde das Problem meiner Meinung nach auch lösen.
    Der Kastra-Chip ist auch eine gute Alternative, wenn es um eine Kastration geht zu prüfen was sich ändern würde. Bei meinem Bungee hat er jedenfalls gezeigt, dass wie
    ein Erziehungsproblem hatten, ganz eindeutig. Und das löst kein Skalpell.
    Eine Kastration sollte immer eine Einzelfallentscheidung sein, so sehe ich das.

  • Ich sehe es eher umgekehrt - mag sein, dass ich nie so eine war, die alles kastriert, was nicht bei 3 aufm Baum ist. Bei mir bzw. meiner Kleinen wurde definitiv zu lange gewartet, und ich würde heute beim geringsten Anzeichen von Scheinträchtigkeit kastrieren.

    Das mit der Inkontinenz von 30 % stimmt so nicht. Es kommt nicht nur auf die Grösse, sondern auch das Alter der Hündin an, wann sie kastriert wird. Danach richtet sich die prozentuale Inkontinenz und ausserdem auch die Stärke der Inkontinenz ("ganze Pfützen" oder mal hier, mal da ein Tröpfchen).

    Ich muss sagen, dass ich persönlich es gegenteilig erlebt habe: Der Anti-Kastrations-Hype hat meiner Kleinen einen empfindlichen Verdauungstrakt beschert, weil ich viel zu spät auf die Idee kam, dass dies zusammen hängt. Da werden Bachblüten, Homöopathie u.ä. empfohlen und das böse Wort Kastration nicht ausgesprochen und so habe ich ewig gebraucht, (auch einiges an Geld ausgegeben für Untersuchungen) um überhaupt die Symptome richtig in Verbindung mit den Hormonen zu bringen.

    Ich sehe es heute so: die Natur/Hormone in meinem Hund ist dermassen stark, dass es meiner Hündin definitiv viel mehr schadet, wenn die Natur ihr Recht einfordert, als wenn sie diesbezüglich Erleichterung bekommt. Und wie ich mittlerweile weiss, geht es da nicht nur meiner Hündin so.

  • Imo ist eins der Probleme, dass viele, auch im Tierschutz und auch gelernte Tierpfleger nicht wissen, was bei ner Kastration gemacht wird.
    Viele kennen noch den unterschied zwischen Kastraion und Sterilisation (wobei meistens nicht mal, dass man da ggfs schwerwiegend in den Hormonhaushalt eingreift) und fast niemand kann ne Oviarioektomie und ne -Hysterektomie unterscheiden kann.
    Wie soll ich mir ne Meinung bilden können, über etwas, von dem ich nichts weiß?

  • Zitat

    Ich habe das Gefühl, sobald man differenzierter an das Thema Kastration heran geht und nicht alles operiert was nicht bei 3 auf dem Baum ist, wird man von den hartgesottenen Tierschützern gleich als Tierquäler, Vermehrer usw. hingestellt. Man könne ja nie komplett auf einen Hund aufpassen und deswegen würden sie sich vermehren, Kastration habe nur Vorteile für den Hund, sie werden danach viel lieber und schmusiger (ich bin dagegen, einen Hund so hinzuschneiden, wie man ihn haben will), man beugt Krebs vor (als Beispiel: Risiko bei Hündinnen an Eierstockkrebs zu erkranken: 0,4% des Gesamtkrebsrisikos, zur Erinnerung: 30% Warscheinlichkeit einer lebenslangen Inkontinenz).

    Im TS ist es ungleich schwerer, entsprechende Symptome in Zusammenhang mit den Hormonen zu bekommen bei einer einzelnen Hündin. Ich habe mit meiner schon ewig gebraucht, um die Zusammenhänge herstellen zu können, wie soll das bitte ein TH bzw. eine TS-Orga machen? Auch das Argument der Vermehrung ist meines Erachtens sehr wohl ein gültiges. Das Argument "schmusig" ist natürlich keines.

    Die Zahlen stimmen so nicht - wie oben erwähnt. 0,4 % von was? Von allen Hunden? Von allen Hündinnen? Woher ist diese Zahl? Was ich damit sagen will: es gibt Risiken, ganz klar, Vor- und Nachteile mit und ohne Kastra, Ovarektomie, Hysterektomie, Sterilisation oder Chip. Das muss abgewägt werden, aber nichts ist "besser" als das andere. Nur sehe ich im TS weniger Möglichkeit, dies zu differenzieren.

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